11. Februar 2022

Wer hat das Überholverbot geklaut?

Drei von sechs Überholverbots-Schilder an der Böblinger Straße in Kaltental sind weg. Vermutlich geklaut. 

Allerdings auch ohne Verkehrszeichen gilt hier ein Überholverbot: Autofahrende dürfen Radfahrende auf dem Schutzstreifen nicht überholen, wenn sie  keine 1,5 Meter Überholabstand einhalten können. Dies hat das Verkehrszeichen bekräftigt. Allerdings sind die Bußgelder höher, wenn man mit Überholverbotsschild erwischt wird. 

Falls es nicht Schildersammler waren, sondern Leute, die sich über das Überholverbot ärgern, beweist die Aktion, dass Autofahrende die Grundregel des Sicherheitsabstands nicht kennen. Das Aufstellen solcher reinen Bekräftigungsschilder führt offensichtlich dazu, dass Autofahrende denken, wo sie es nicht stehen, dürften sie Radfahrende überholen, egal ob der Platz für den Sicherheitsabstand reicht oder nicht. Als ich kürzlich mit einem weiteren Radler die Kaltentaler Abfahrt hoch fuhr, und zwar ganz links auf dem Schutzstreifen, hupte uns ein Mercedesfahrer an, der meinte, wir müssten ihm jetzt mal Platz machen. Wir hielten an, und ich deutete auf das Überholverbotsschild. Daraufhin hob er entschuldigen die Hand und blieb in der Folge brav hinter uns. Ein deutliches Zeichen, dass ihm nicht nur die Verkehrsregel unbekannt war, sondern er auch das Verkehrszeichen nicht bemerkt oder beachtet hatte. 

Weder Verkehrsregeln noch Bekräftigungsschilder scheinen im Einzelfall draufgängerischer Autofahrender viel zu nützen. Die Polizei muss immer wieder hier stehen und Autofahrende belehren, was sie auch tut. Auch aufwändige Kampagnen zum Sicherheitsabstand zu Radfahrenden scheinen bei vielen nicht anzukommen. 

Es wird immer noch zu eng überholt. Die Stuttgarter Zeitung hat im vergangenen Jahr die Daten von 100 Radfahrenden ausgewertet, die mit dem OpenBike-Sensor die Überholabstände maßen und auf einer Karte markiert, wo zu eng überholt wird, und was man da an roten Markierungen sieht, ist erschreckend. Es ist ja nicht nur die Böblinger Straße, auch in der Silberburgstraße wird immer wieder zu eng überholt, außerdem auf dem Herdweg, auf der Schickardtstraße (die zum Schwabtunnel führt), auf der Augsburger und Nürnberger Straße in Cannstatt, um ein paar zu nennen. 

Über die Ergebnisse der Untersuchung der Stuttgarter Zeitung habe ich bereits  imd Dezember berichtet. Nur 25 Prozent der Autofahrer:innen, die gemessen wurden, hielten sich an den notwendigen Abstand von 1,5 Metern, und 25 Prozent fuhren mit teils deutlich unter einem Meter Abstand vorbei. 

Nur bauliche Maßnahmen schützen. Letztlich bleibt unserer Stadtgesellschaft (der Stadt und der Politik) nichts weiter übrig, als Radfahrende durch bauliche Maßnahmen zu schützen, also durch breite Radfahrstreifen, Poller oder baulich getrennte Radwege. Deshalb ist die logische Folge einer permanenten Missachtung der Verkehrsregeln durch Autofahrende, dass die Böblinger Straße nun breite Radfahrstreifen bergauf bekommen soll, für die die Parkplätze wegfallen. Und hoffentlich beschließt das der Bezirksbeirat Anfang März auch so, nachdem die Verwaltung nachweisen konnte, dass er Parkstreifen dort wirklich nicht gebraucht wird. 

Für Samstag, den 5. März ruft der Radentscheid zu einer Demonstrationsradfahrt die Böblinger Straße empor auf, Treffpunkt ist 14 Uhr auf dem Marienplatz. 


11 Kommentare:

  1. Beste Lösung wäre hier meiner Meinung nach den Schutzstreifen Mittag auf die Fahrbahn zu legen. Leider ist das in Deutschland nicht erlaubt.

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  2. Stuttgarts Straßen sind rechtsfreier Raum.
    Wo sind die Innenminister und Sicherheitsexperten, die sich medienwirksam vor Ort in Szene setzen?

    Ich dachte "harte Strafen sind das beste Mittel der Prävention".

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  3. Jörg
    ich kann mich dem Eindruck nicht erwehren, das mich in Stuttgart (Süden und Westen der Stadt) mehr Leute mit LB und BB Kennzeichen knapp überholen. Selbst in Situation wo kein Gegemverkehr da ist und es viel Platz gibt.
    Ein oder zwei Leute konnte ich ansprechen. Die 1,5 m bzw. 2 m Regel ist nicht durchgehend bekannt. Ausserorts sind es 2 m, das betrifft die Straßen um Botnang rum, wenn man nicht durch die Matsche im Wald fährt.

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    1. Schon immer hatte ich den Eindruck, dass die Autofahrenden mit Kennzeichen der umliegenden Städte als Überlandfahrer:innen weniger zurückhaltend fahren als die mit Stuttgarter Kennzeichen. Es sind ja Fahrende, die weite Strecke fahren und dabei über Land und über Autobahnen, wo man halt routinemäßig schnell fahren kann. Ich sehe auch in der autofreien Eberhardstraße mehr auswärtige Kennzeichen als Stuttgarter, und der Parkplatzsuchverkehr an Samstagen wird auch von Auswärtigen dominiert, die irgendwie nicht in die Parkhäuser wollen. Vermutlich ist das in allen Großstädten so. Ich weiß noch, dass in Hamburg die Pinneberger einen schlechten Ruf hatten.

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    2. Ja euren Eindruck kann ich bestätigen. Oft sind auch die Menschen aus dem direkten Speckgürtel (BB, LB, ES, WN) weniger genervt und weniger aggressiv als noch weiter anreiseende aus den dahinter liegenden Landkreisen.

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    3. in reutlingen, einer mobilitätspilotstadt mit millionenförderung, ist es regelmäßig so, dass ich als radfahrer buchstäblich gar nicht wahr genommen werde. so etwa, wie ich und die ameisen auf meinem balkon.
      es ist klar, dass menschen überfordert sind, wenn ihnen jemand sagt, dass die ameisen rechte haben und einfluss auf den lebensstil bekommen sollen.

      da braucht's einen bewusstseinswandel.
      hm.
      aber in der s-bahn wird mit einem steuerverbrecher für emissionsbetrüger geworben.

      vermutlich nur eine steuerfinanzierte pilotstudie.

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  4. Jörg
    So läuft es jetzt, " nachdem die Verwaltung nachweisen konnte, dass er Parkstreifen dort wirklich nicht gebraucht wird.".
    Die Beweislast muss gedreht werden. Es muss nach gewiesen werden, dass keine Gefährdung oder Behinderung durch die Einrichtung von Parkplätzen entsteht.
    Es gibt immer jemanden der sein ausschließlich für sich genutztes Auto für schmales Geld auf öffentlichen Grund abstellen möchte. Das Parken sollte nur an markierten Stellen erlaubt sein, dass schafft mehr Klarheit.

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  5. Noch was zu den Parkplätzen und Radfahrstreifen: es wird einfach irgendetwas auf die Straße gepinselt, auch wenn es zu dem Zweck gar nicht geeignet ist. Es ist ein Taschenspielertrick, einen schmalen Parkstreifen zu markieren, auf den nur Kleinstwagen passen. Jedes normale Fahrzeug ragt schon mit den Rädern über die Markierung heraus, geschweige denn VW Busse oder die gro0en SUV oder querparkende Smarts. Dazu kommen die Spiegel und die öffnenden Türen (die in der Regel 1 m in den Radstreifen ragen) Der Autofahrende orientiert sich dann am reflektierenden weißen Strich und die Radfahrenden sind der Mops, weil sie für sie ja leider dann gar kein Platz mehr bleibt. In dem Fall (Kaltental) kann der Radweg dann eigentlich nur mitten auf die Fahrbahn gepinselt werden und nicht als Krücke am rechten Rand als völlig unfahrbarer Streifen. Psychologisch sagen die Striche, für die Radler ist ja genug Platz am rechten Rand -- und die seltsamen (ungewohnten) neuen Schilder werden nur als Feigenblatt wahrgenommen.

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    1. Dieser Parkstreifen ist uralt, er stammt aus Zeiten, als Autos noch schmaler waren. Der Schutzstreifen stammt auch aus eine Zeit, in der man Radfahrenden symbolisch was markieren wollte. Beides ist veraltet. Diese Parkplätze sollen ja jetzt auch wegkommen und ein breiter Radstreifen markiert werden, sofern der Bezirksbeirat und der Gemeinderat da mitmacht. Die Aussicht besteht.

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