22. Mai 2025

Die Radfahrstreifen in Kaltental bleiben

Vor drei Jahren wurden die Radfahrstreifen bergauf und bergab an der Böblinger Straße zwischen Waldeck und Engelboldstraße als Pop-up-Radwege angelegt. 

Pop-up deshalb, weil das schnell gehen konnte. Und es musste schnell gehen, weil Radfarhende vor allem bergauf innerhalb der Dooringzone fuhren und ständig in kritisch engem Abstand von Autofahrenden überholt wurden. Polizeiaktionen und zusätzlich aufgestellte Überholverbotszeichen halfen nichts.  Außerdem radelte man in der Dooringzone der rechts abgestellten Autos, vielfach Firmenfahrzeuge. 2017 machte der Zweirat mit einer Aktion auf die Gefahren der Dooringzone aufmerksam. Außerdem filmte immer wieder ein Radfahrer wie er von Autofahrenden bedrängt wurde. Es war offensichtlich, dass die äußerst konflikträchtige Strecke nicht so bleiben konnte. Im März 2022 beschlossen dann die städtischen Gremien die Radfahrstreifen. Dagegen protstierten Anwohner:innen und Gewerbetreibende, denn hundert Autoabstellplätze mussten dafür wegfallen. Allerdings erwies sich auch, dass viele ihre Garagen und Stellplätze auf ihren Grundstücken nutzen können. Im August 2022 wurden die Radfahrstreifen angelegt, eine Weile kämpfte man noch gegen Falschparker auf den Radstreifen, aber auch das legte sich. Dem Gemeinderat zugesagt war eine Evaluation nach zwei Jahren. 

vorher: schmaler Schutzsteifen
Die hat jetzt stattgefunden in Form einer offenen Online-Umfrage. Alle, die wollten, konnten mitmachen. Die Stuttgarter Zeitung berichtete gestern, dass die Radfahrstreifen bleiben. Mehr als 2000 Menschen hätten an der Befragung teilgenommen. Die Ergebnisse der Evaluation kann man auf der Seite der Stadt nachlesen. Demnach erhöhten sich die Überholabstände von vorher 75 cm auf 2.40 Meter. Die sogenannten Unfälle zwischen Radverkehr und ruhendem Verkehr reduzierten sich auf Null. Geblieben ist das Risiko der Abbiegeunfälle, also wenn der Autoverkehr über den Radstreifen abbiegt ohne auf den Radverkehr zu achten. Radfahrende fühlen sich jetzt zu 85 Prozent sicherer. Die Überholabstände sind ausreichend und man radelt nicht in der gefährlichen Dooringzone. Auch 22 Prozent der Autofahrenden erkennen an, dass es sich besser mit dem Auto fährt, denn man muss nicht hinter einem Radfahrer bleiben und sich überlegen, ob man ihn nicht doch illegal eng überholt.  Es gibt weniger Stress für beide Verkehrsarten. Radwege nützen immer auch dem Atuoverkehr, das zeigt sich hier. 52 Prozent der Autofahrenden bemerkten allerdings keine Verbesserung für sich. Offensichtlich erleben Radfahrende die Verbesserungen unmittelbar und deutlich, während sich viele Autofahrende weder vorher noch nachher Gedanken über die Situation der Radfahrenden gemacht haben. Autofahrende äußerten sich in der Umfrage überwiegend negativ über die Radfahrstreifen und kritisierten das Verhalten der Radler.innen: Rotlichtfahrten, zu hohe Geschwindigkeiten und das Radeln auf der falschen Seite (was so oft vorkommt, dass ich es mehrmals gesehen habe). Einige hoben aber auch hervor, dass nur klar geregelt ist, dass Radfahrende überholt werden dürfen.  

Der Radverkehr stieg in den drei Jahren um gut 6,2 Prozent auf 445.000 gezählte Radbewegungen im Jahr (es werden aber nicht alle Fahrräder auch exakt erfasst, aber das ist ein anderes Thema). Wo es eine gut Radinfrastruktur gibt, wird auch mehr geradelt. Ich persönlich fahre die Kaltentaler Abfahrt jetzt richtig gerne hoch und fühle mich ungestresst. Vorher war das ganz anders. 

Nicht zufrieden ist ein Teil der Gewerbetreibenden an der Böblinger Straße, die vorher die Seitenstreifen im öffentlichen Raum für das Abstellen ihrer Fahrzeuge kostenlos nutzen konnten und jetzt ihr eigenes Gelände dafür nehmen müssen. Die Anwohnenden beschwerten sich, dass sie nicht mehr haustürnah parken können, sondern weitere Wege zum Auto haben. Drei Viertel Gewerbetreibende sagten, ihr Kundenzahl sei zurückgegangen. Es gibt aber auch Betriebe, die keine Verschlechterung sehen. Viele in den Betrieben Angestellte kommen mit dem Auto (obgleich es ja eine Stadtbahn gibt), und nur ein Betrieb stellt ihnen die Parkplätze auf dem eigenen Gelände zur Verfügung. 

 Die vielen positiven Aspekte für den Auto- und Radverkehr überwiegen allerdings die Vorteile, die  Anrainer:innen jetzt vermissen. 

5 Kommentare:

  1. Ja, das ist wirklich mal etwas überaus Positives – und darf auch ruhig als solches dargestellt werden :) Nicht immer nur schimpfen! Ich fand es auch sehr erfreulich, dass man bei der Einfahrt in die Kaltentaler Abfahrt den vorher separaten Radweg (der ja geradezu zum Überholen eingeladen hat – geteilte Fahrbahn, hohe Gefahr) zu einer gemeinsam genutzten Fahrbahn für Rad und Auto umgebaut hat. Die großen Fahrradpiktogramme auf der Fahrbahn setzen da ein klares Signal. Das ist für mich ein echtes „lessons learned“. Auch wenn ich die Details der Befragung nicht kenne, habe ich den Eindruck, dass man hier wirklich aus der Praxis gelernt hat. Ich finde das jedenfalls super.

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  2. ... ich habe immer wieder Probleme damit, wenn so getan wird als wären Parkplätze für Anwohner und Mitarbeiter ansässiger Firmen das Problem der Allgemeinheit.
    Wenn es irgendwo Verkehrsflächen gibt, auf denen man sein Privateigentum dauerhaft oder regelmäßig lagern kann ohne, dass dort fließender Verkehr behindert wird, dann meinetwegen.
    Allerdings ist es in 100% der Fälle in denen sich Anwohner beschweren nicht mit Straßenraum parken zu können nicht der Fall.

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    1. Das sehe ich auch so. Es ist zu selbstverständlich, dass es überall zielnahe Autoabstellplätze gibt. Aber es ist halt jedes Mal eine riesige Diskussion.

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    2. Es lohnt sich bei Parkplatz-Diskussionen mit ansässigen Firmen, auch einmal nachzufragen, wo denn die Mitarbeiter parken. Oft steckt hinter den Klagen über wegfallende Kundenparkplätze, dass die Mitarbeiter nicht mehr direkt vor dem Geschäft parken können.

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    3. Wo haben denn die vielen Kunden geparkt, als es dort noch zwei komplette Fahrspuren pro Richtung gab? Oder gab es da etwas die ganzen Geschäfte noch nicht?

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