18. April 2022

Wer verstößt öfter gegen Regeln, Autofahrende oder Radfahrende?

Rotllichtfahrt
Zum Wiederlesen, damit wir gute Argumente haben: Autofahrende missachten sehr viel häufiger die Regeln als Radfahrende. Und wo es keine Radinfrastruktur gibt, verletzen auch mehr Radler die Verkehrsregeln. 

Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der dänischen Regierung. Demnach verletzten nur 5 Prozent der Radfahrenden die Verkehrsregeln, während das 66 Prozent der Autofahrenden taten. Wie kommt es dann, dass man nur uns Radlern ständig vorhält, wir hielten uns an keine Regeln? Die Vermutung: Die Verstöße von Radfahrer:innen sieht man halt gut, auf dem Gehweg radeln, zum Beispiel. Die von Autofahrenden dagegen sieht man meistens nicht, beispielsweise zu hohe Geschwindigkeit, Handy am Steuer oder noch schnell bei Rot über die Haltelinie fahren.


Rotlichtverstoß, Umfahren über den Gehweg
Für die Studie wurden wichtige Kreuzungen mit Videokameras beobachtet. Und sehr interessant, es hat sich (übrigens jetzt schon in der zweiten solchen Studie) auch gezeigt: Sind Radler auf Radwegen unterwegs, fuhren nur 4,9 Prozent regelwidrig, zumeist übrigens auf Gehwegen. Gibt es hingegen keine Fahrradinfrastruktur, dann stiegen die Regelverstöße der Radler:innen auf 14 Prozent. 

Also: Will man Radfahrende, die sich an die Regeln halten, muss man ihnen Radwege und Kreuzungslösungen geben, die es ihnen auch möglich machen, sich an die Regeln zu halten. 

Ähnliches zeigen dem Bericht zufolge auch Studien in anderen europäischen Ländern. Das Bild des Kampfradlers, der immer bei Rot fährt, ist falsch. Eine Studie in London widersprach der Behauptung, dass die meisten Radler bei Rot an Ampeln weiterfahren. 84 Prozent der Radler:innen hielten an. Das wären dann 16 Prozent, die bei Rot fuhren.

14 oder 16 Prozent Regelverstöße sind übrigens nicht viel im Vergleich zu den 66 Prozent dänischer Autofahrer:innen, die auf ihrer Fahrt die Verkehrsregeln missachten. Wie viele das wohl in Deutschland sind? Ich kenne keine ähnliche Studie für Deutschland, ich weiß nur von Hamburg, wo die Polizei mal stundenlang Radler (22) und Autofahrer (226) zählten, die bei Rot über die Ampeln fuhren. Sie kamen auf ein Verhältnis von 1 zu 10.  Die Zahlen nützen aber nicht viel, wenn wir nicht wissen, wie viel Prozent das jeweils waren. Dass in Dänemark deutlich über die Hälfte aller Autofahrenden auf ihrer Fahrt die Verkehrsregeln verletzen, finde ich schon bestürzend. Bei uns ist das mit Sicherheit nicht anders, vielleicht eher noch schlimmer, vor allem, wenn man Parkverstöße mitzählt und das Reinfahren in verbotene Straßen oder in Fußgängerzoenen.

Abbiegen in die Fußgängerzone
Autos sind groß, schwer, schnell und können bei Kollisionen tödlich für Radfahrende und Fußgänger/innen sein. Von ihnen geht eben eine erhebliche Betriebsgefahr aus, und trotzdem sind ihren Fahrer:innen oftmals die Regeln egal. Von uns Radlern geht kaum Gefahr für andere aus, schon gar keine tödliche. Und dennoch stilisieren viele unser Verhalten zur großen Gefahr hoch.

Der Artikel zitiert einen Verkehrspolizeichef von West Mitlands mit der Feststellung, dass die "Auswirkungen des Verhaltens, über das die Menschen schimpfen, vernachlässigbar sind. Wenn man sich die Statistiken ansieht, wenn man die tatsächliche Gefahr von Schäden betrachtet, stellen Radfahrer für niemanden ein Risiko dar."

22 Kommentare:

  1. Das hier: https://dasfahrradblog.blogspot.com/2022/02/schrittgeschwindigkeit-furs-fahrrad-ist.html
    Zitat: "Deshalb hält sich kein einziger Radfahrer, keine Radfahrerin an diese Regel, dass auf fürs Fahrrad freigegebenen Gehwegen nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf."
    und eben der heutige Artikel:
    "Gibt es hingegen keine Fahrradinfrastruktur, dann stiegen die Regelverstöße der Radler:innen auf 14 Prozent."
    Beides zusammen bedeutet, dass 14 Prozent der Radfahrenden auf freigegebenen Gehwegen fahren und die anderen 86 Prozent auf der Fahrbahn fahren oder schieben. Ist das so?

    Ich kenne die Diskussionen zur Genüge und es ist gut, Argumente zur Hand zu haben - danke für das Thematisieren. Aber bei den 14 Prozent bin ich im Zweifel.

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    1. Vielleicht solltest du bedenken, dass die Studie aus Dänemark stammt, wo sich die Sache mit den Gehwegen vielleicht anders verhält.

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    2. Und ich könnte mir vorstellen, dass in Dänemark wiederum nicht so exzessiv auf Gehwegen geparkt wird wie bei uns in Deutschland, was die Bilanz zum zu schnellen Gehwegradeln wieder ausgleicht.

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    3. Ja, das kann beides gut sein. Aber dann funktioniert eine Argumentation mit der Untersuchung in Deutschland nicht.
      Provelo Zürich hatte mal eine Prämie ausgesetzt für eine Studie, die zeigt, dass RadfahrerInnen häufiger gegen Verkehrsregeln verstossen als AutofahrerInnen:
      https://www.provelozuerich.ch/magazin/velo-stories/leicht-verdientes-geld/

      Meines Wissens kam dabei nichts raus.

      Wenn aber 95 % der AutofahrerInnen den Überholabstand nicht einhalten:
      https://www.bo.de/region/95-aller-autofahrer-halten-nicht-genuegend-abstand-zu-fahrraedern#
      - dann dürfte es auch schwierig werden, eine solche Studie zu finden.

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  2. Wollen wir jetzt aufrechnen, wer wie viele und welche Verkehrsverstösse begeht.
    Also ehrlich, die Beschilderung Gehweg mit Radfreigabe ist der größte Mist, den Städte anordnen. In einem Artikel habe ich mal gelesen, dass "diese Beschilderung vom Gesetztgeber als Krücke (wenn sich keine andere Lösung finden lässt) aufgenommen wurde, aber von den Städten inflationär eingestezt wird". Also für die Eege Durchfahrt am Ende einer Sackgasse kann ich mir so etwas vorstellen, sonst nicht, schon agrnicht bei Neubau. Radwege, die zu freigegebenen Gehwegen mutieren, sind der letzte Schwachsinn und nicht erklärbar. Bitte, malehrlich, würden Autofahrer denn bei einer Hauptroute (beispielsweise Hauptstraße, sozusagen das Pentant zum Radweg) plötzlich Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn die Hautstraße plötzlich zur Spielstraße mutieren würden? Wohl kaum, da wird dann solange protestiert und in den Medien veröffentlicht, bis die anordnende Behörde einen Rückzieher macht. Leider passiert das für Radrouten üblicherweise nicht.
    Also, dann sollte man sich doch bitte nicht über ein Verhalten, das Autofahrer auch nicht machen würden. Fährt man dann als die STVO-kennende Radfahrerin regelkonform auf der Fahrbahn, dann wird man gemaßregelt in Form von Hupen, Schneiden, Ausbremsen, Rumgestikulieren, Anschreien. Übrigens Hupen (nur bei Gefahr), Schneiden, Ausbremsen (Straftat, da Gefährdung). Das sind dann schonmal Verstösse, die von Radfahrern eher nicht begangen werden.
    Ansonsten werden durch Radfahrerverstösse meist keine Anderen aktut gefährdet. Aber durch KFZ schon.
    Nur noch zum Ende, ich billige keine Regelverstösse, auch nicht durch Radfahrende, kann manche aber durchaus verstehen.
    Karin

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  3. Jeder Radfahrer kennt das. Hinfallen tut weh. Und deswegen müssen Radfahrer für alle anderen Verkehrsteilnehmer mitdenken, sonst sind sich schnell tot. Autofahrer sind so daran gewöhnt Vehrkehrsregeln zu übergehen, es gehört quasi schon zu guten Ton. Ich bin mal angehupt worden, weil ich mit dem Auto, wohl zu langsam, abbiegen wollte, da ich gekuckt hatte ob jemand auf dem zu kreuzenden Radweg fährt. Für jeden der beide Seiten kennt sind die Zahlen kaum eine Überraschung. Leider befeuern Politik und Verwaltung noch die Vorurteile gegen die stark wachsende Radkultur, anstatt die Brennpunkte die durch das zusammenpressen auf 3% Verkehrsfläche zu entschärfen wird Radfahren als gefährlich und unsozial propagiert. Aber Hauptsache die Radfahren sind die Verkehrswende... ich will einfach in Ruhe gelassen werden und sicher radfahren können.

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  4. Die jährliche polizeiliche Unfallstatistik des statistischen Bundesamtes zeigt auch immer wieder, das es mit der Regelakzeptanz von Autofahrern nicht weit her ist. Radfahrer verursachen zwischen 50% und 55% der Unfälle mit Fahrradbeteiligung ( davon knapp 50% Alleinunfälle) , Autofahrer aber über 80% der Unfälle mit Autobeteiligung ( davon weniger als 20% Alleinunfälle).

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    1. Hast du nen link dazu?

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    2. https://adfc-blog.de/2019/09/koelner-unfallstatistik-erklaert/#:~:text=Da%2040.843%20Unf%C3%A4lle%20von%20allen,eine%20sagenhafte%20Verursacherquote%20von%2098%25.

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  5. Für Regelverstöße von Radfahrenden gibt es im Wesentlichen zwei sich gegenseitig verstärkende Gründe:

    - fehlende bzw. unsichere Infrastruktur, die 'eigene' Lösungen erforderlich macht
    - dementsprechend gibt es einen starken Überhang an Radfahrenden, die das Risiko nicht scheuen oder sogar suchen

    Die ungleiche Wahrnehmung der Regelverstöße von Autofahrenden vs Radfahrenden beruht zu einem großen Teil auf der verbreiteten Einstellung:
    Quod licet Iovi, non licet bovi (deutsch: „Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“)

    Dem Autofahrenden, historisch-kulturell der Herrenfahrer, werden als 'Jupiter' Rechte zugestanden (zum Beispiel das Vorrecht, das Recht nicht immer beachten zu müssen, siehe auch 'Kavaliersdelikt'). Identisches Verhalten von Radfahrenden, aufgrund ihrer niederen Stellung im Verkehr die Rolle der 'Ochsen' einnehmend, löst als ungerechtfertigte Anmaßung sofortige Empörung aus.

    Die Wahrnehmung filtert:

    Verstöße von Autofahrenden, obwohl zahlenmässig weit in der Überzahl, fallen, da normal und 'Gutes Recht', nicht weiter auf. Sie verstoßen, solange sie in einem gewissen Rahmen bleiben, nicht gegen die Ordnung von Oben und Unten: Nicht weiter bemerkernswert = wird nicht bemerkt.

    Verstöße von Radfahrenden dagegen, obwohl weit in der Unterzahl,sind jedesmal ein auffälliger Skandal, da hier jeder einzelne Verstoß gegen die (gottgewollte) Ordnung von Oben und Unten verstösst, deswegen bemerkenswert ist und auch bemerkt wird.

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  6. Karin hat es schon thematisiert: es ist geradezu ein Witz, wenn die Hauptradroute durch eine Spielstraße geführt wird, wenn die Fahrradzählstelle auf einem Fußweg mit "Fahrrad frei steht" (am MTV), es den wirklich schwachsinnigen Ausparkstreifen in der Reinsburgstraße gibt oder wenn wie im Schlossgarten die Wegeführung für die Radler für 99% der Menschen nicht offensichtlich ist. Wir radeln ja ins offene Messer ("Verstoß gegen die Verkehrsregeln), wenn wir einfach nur der ausgeschilderten Route folgen. Kein Autofahrer muss während der Fahrt aussteigen und schieben. Am Geißeich gibt es eine gefährliche Ecke, wo die KFZ leicht die Radler platt fahren, und um das zu heilen wurden Bremsschwellen auf dem Radweg angebracht und nicht, wie es logisch wäre, für die falsch (weil zu schnell) abbiegenden KFZ.

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    1. Ralph Gutschmidt19. April 2022 um 14:19

      Das ist doch wohl Unsinn. In Stuttgart gibt es gar keine Spielstraße.

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    2. Es gibt durchaus einige verkehrsberuhigte Straßen (umgangssprachlich Spielstraßen) in Stuttgart.

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    3. Ralph Gutschmidt20. April 2022 um 14:54

      Ja verkehrsberuhigte Straßen gibt es. Warum sollte man die "Spielstraße" nennen? Dir richtigen Spielstraßen darf gar nicht gefahren werden.

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  7. Ralph Gutschmidt19. April 2022 um 14:22

    Die Menschen verstoßen dann gegen Verkehrsregeln, wenn sie nicht mehr recht weiter wissen.

    Unterschied: bei Autofahrern wird es akzeptiert. "wo sollen die denn sonst parken"? Du Kontrolleur ist der böse.

    Hat schon mal jemand im Radio einen Hinweis gehört, in welcher Abteilung sich der Kaufhausdetektiv gerade herumtreibt?

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  8. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  9. Zum Thema Verkehrsregelverstöße von Autofahrern:
    Ich fahre regelmäßig mit dem Rad durch den Schwabtunnel. Auf meinen Fahrten erlebe ich gefühlt 90% Autofahrer die das Überholverbot missachten…besonders bedrohlich erlebe ich diese Überholvorgänge, wenn Busfahrer das auch praktizieren…jetzt fahre ich doch wieder häufiger auf dem Gehweg…Dass, dieses Überholverbot kontrolliert wird habe ich noch nie gesehen...Meine Frage an dieser Stelle ist: Warum steht am Eingang des Tunnels kein Schild, das darauf Hinweist, dass auf diesem Streckenabschnitt ein Überholverbot besteht?

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  10. Sorry, hab grad telefoniert...war was?

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  11. Die fehlenden Prozentzahlen geb ich dir hiermit: 22 Radlerverstöße und 226 Autofahrerverstöße ergibt 248 Verstöße insgesamt. Also:

    8,9% Radlerverstöße
    91,1% Autofahrerverstöße

    innerhalb der gleichen Zeit. Das ist doch schon mal was. Auf jeden Fall zu viele Autos :-)

    Wenn man jetzt annimmt, dass in der gesamten Beobachtungszeit das Verhältnis von Fahrrädern zu Autos 10% beträgt (ein Verhältnis, das bei uns offiziell kolportiert wird), ergibt sich - unabhängig von der Gesamtzahl - ein Verhältnis der Verstöße von ca. 1:1.

    Mit abnehmendem Radleranteil steigt das Verhältnis von Radlerverstößen zu Autofahrerverstößen. Bei einem angenommenen Verhältnis von nur 1% Radler auf satte 10:1. Ist für Hamburg aber eher unwahrscheinlich (eher bei uns der Fall).

    Bei angenommener gleicher Anzahl von Autos und Fahrrädern stünde es dann etwa 10:1 für die Autofahrer, entsprechend dem Verstoß-Verhältnis.

    S. Schwager, Fürstenfeldbruck, Bayern







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  12. Jörg
    Was ist den das Fazit der Regelverstöße? Wenn einige Radfahrer Regeln brechen, dürfen dann überhaupt Radwege gebaut werden? Dürfen dann Parkplätze für freie Radfahrt entfernt werden? Das sind doch die Fragen die aufkommen.
    Man schlägt eine Verbesserung für Radfahrer vor und schon weiß ein(e) Mitbürger*in das Radfahrer bei Rot, ohne Licht usw. fahren.

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    1. Ich finde ja interessant, dass die Regelverstöße durch Radfahrende abnehmen, je besser die Infrastruktur ist. Das Fazit: Bietet den Radfahrenden eine durchgängige und praktikable Radinfrastruktur an, und sie halten sich eher an die Regeln, weil es dann nämlich überhaupt erst möglich ist, sich an alle Regeln zu halten.

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  13. Diesen Post zu Unfallstatistiken finde ich noch wichtig zu kennen, das läuft in vielen Städten so:
    https://adfc-blog.de/2019/09/koelner-unfallstatistik-erklaert/#:~:text=Da%2040.843%20Unf%C3%A4lle%20von%20allen,eine%20sagenhafte%20Verursacherquote%20von%2098%25.

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