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8. November 2024

Eine Umlaufsperre, die nur Menschen in Autos nützt - Tübingen

Tübingen ist eine Fahrradstadt, auf die wir von Stuttgart aus zuweilen mit Neid blicken. Da gibt es beheizte Fahrradbrücken und viel Infrastruktur.

Es gibt den West-Ost-Radschnellweg Das blaue Band, ein Radparkhaus am Bahnhof mit Radstation und Radwege sind für S-Pedelecs freigegeben. Läuft. 

Wenn ich in Tübingen unterwegs war, war ich allerdings zuweilen auch etwas erstaunt, dass so mancher Infrastruktur der Glanz fehlt. Ich bin zum Beispiel 2019 auf eine Fahrradstraße gestoßen, die für Kraftfahrzeuge als Durchfahrtsstraße freigegeben ist und damit den Namen eigentlich nicht verdient. Jetzt hat mir Blogleser Stefan geschrieben. Er wundert sich, dass es auf einmal eine Umlaufsperre auf einem Verbindungsweg zwischen zwei Sackgassen gibt. Sie verengt den Weg nun für alle, die nicht Auto fahren. 

2. November 2024

Gut gemeint, aber blöd gemacht

Da haben sich die Stadtplaner:innen echt was gedacht, aber leider nicht ganz zu Ende. Anscheinend versteht niemand so recht, was gemeint ist. 

Die Stadtgrabenstraße in Böblingen ist Einbahnstraße. An Parkplätzen mangelt es nicht und es sind auch viele frei. Dennoch stehen diese beiden Autos genau auf dem Radfahrstreifen. Radfahrende, die die Einbahnstraße in Gegenrichtung hochfahren dürfen, sollen das auf dem Radweg tun, der auf dem Gehweg liegt. Doch sie werden hier für zwanzig Meter auf die Fahrbahn geleitet. Der Abgang ist rot markiert, der Aufgang hinter den geparkten Autos ebenfalls. Das Zwischenstück sieht aber aus wie zwei Parkplätze. 

Grund für diesen Hüpfer über die Fahrbahn ist ein Restaurant mit Außengastronomie. Tische und Stühle stehen auf dem Gehweg, weshalb der Radweg an dieser Stelle keinen Platz hat (oder die Fußgänger:innen hätten keinen Platz zum Vorbeigehen). Es ist also eine Umfahrung der Außengastronomie. Um das Ganze für alle verständlicher zu machen, hätte man allerdings vielleicht besser den ganzen Radstreifen rot eingefärbt, nicht nur die beiden Stücke, wo es runter und wieder rauf auf den Radweg auf dem Gehweg geht. So jedenfalls nützt es keinem was, außer den Autofahrenden, die keine Lust haben, ihre Autos rechts in eine Parklücke zu manövrieren. Blöd gelaufen. 

23. Oktober 2024

Nein, nicht der Radweg ist das Problem

In Berlin gibt es einen absurden Streit um einen Radfahrstreifen. Weil die Feuerwehr mit der Drehleiter nicht mehr an die Wohnungen im siebten Stock kommt, sollen die Mieter:innen ausziehen. 

Zur Debatte steht ein Radfahrstreifen in der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg. "Ich habe ja nichts gegen Radfahrer", sagte die Moderatorin beim Abmoderieren eines Fernsehberichts, "aber dass wegen ihnen Mieter ihre Wohnung verlieren ..." Aber wieso eigentlich? Mir scheint die Lösung einfacher, und ich finde es eigenartig, dass die nicht diskutiert wird. Denn auf der Fahrbahn befindet sich rechts am Bordstein nicht nur dieser in Corona-Zeiten hingelegte Radfahrstreifen (in den Pressetexten Radweg genannt), sondern links daneben noch ein Streifen, auf dem Autos stehen. Ganz links befindet sich die Fahrbahn. Und von dort aus käme die Feuerwehr im Brandfall in der Tat nicht mehr an die oberen Stockwerke, um Leute zu retten. Der Radstreifen wiederum ist zu schmal, um mit der Feuerwehr reinzufahren. 

Das Problem wäre einfach lösbar - und zwar sofort -, wenn man die Autostellplätze aufheben würde.

17. Oktober 2024

Auto als Mordwaffe - Medienreden von Radlerchaos in Paris

Boulevard Malesherbes, Paris
In Paris hat ein SUV-Fahrer einen Radfahrer erst umgefahren und, nachdem der Radfahrer ihm auf den Kühler schlug, noch mal angefahren, überrollt und getötet. Zeug:innen sprechen von Absicht. Gegen ihn wird wegen Mordes ermittelt. 

Das ntv-Magazin Panorama stellt diesen Fall dar, zitiert Oberbürgermeisterin Hidalgo, die den Radverkehr in der Stadt fördert, und Radaktivist:innen, die sich ebenso schockiert zeigen. Während die Einschätzungen der Sitation, die der Radverkehr in Paris ausgesetzt ist, als Zitate Personen zugordnet werden, also als private oder politische Meinung kenntlich gemacht werden, werden folgende Aussagen keiner Person zugeordnet und stehen deshalb als Wahrheitsbehauptungen im Artikel: "Die starke Zunahme des Radverkehrs in Paris führt regelmäßig zu chaotischen und gefährlichen Situationen. Verantwortlich sind auch die Radfahrenden selber, die Regeln missachten und mit riskanten Fahrmanövern versuchen, schneller vorwärtszukommen. Vor gut einem Jahr führte die Stadt einen Verhaltenskodex für den Straßenverkehr, einen "code de la rue", ein, um alle Verkehrsteilnehmer zu mehr gegenseitigem Respekt zu ermuntern.

Dass klingt jetzt so, als diene der "code de la rue" der Disziplinierung von Radfahrenden. Die Regeln hat hier offensichtlich aber nicht der Radfahrer, sondern der Autofahrer missachtet. Er hat dem Radfahrer beim Abbiegen den Weg abgeschnitten und ihn dabei umgefahren. Und danach hat er ihn totgefahren (übrigens mit seiner halbwüchsigen Tochter auf dem Beifahrersitz). Es also gibt nicht den geringsten Grund, hier die Regeltreue von Rafahrenden ins Gespräch zu bringen. Dieser Radler hat gegen keine Regel verstoßen. Ich schätze, die Autor:innen dieser Meldung haben den Passus aus irgendeiner Nachrichtenagentur übernommen, denn er findet sich in etlichen Meldungen, etwa der Frankfurter Allgemeine, der Bildzeitung und anderen Medien, wobei die meisten die entsetzte und auch richtigstellende Einschätzung der Radverbände zur Verkehrssituation für Radfahrende in Paris dann auch noch weglassen. 

Und das mit dem "code de la rue" (wegen des Chaoses durch Radfahrende) grenzt an eine Falschmeldung.

29. September 2024

Das Mobilitätswunder von Utrecht

Ingwar Perowanowitsch hat die schönste Fahrradstadt der Welt gefunden: Utrecht. 

Sie hat das größte Fahrradparkhaus der Welt, an allen Kreuzungen bekommen alle Radfahrenden gleichzeitig grün und in der Innenstadt hört man Menschen statt Motoren. 

Die Online-Plattform Utopia hat seine lesenswerten und mit Video unterlegten Schilderungen veröffentlicht. Urecht hat sich in den fünfziger und sechziger Jahren schon gegen den Umbau der Stadt zur autogerechten Stadt gewehrt und sich - wie viele niederländische Städte - zuzeiten der Ölkrise 1972 entschieden, den für so viele Menschen tödlichen Autoverkehr einzudämmen. Nur drei Prozent der Leute fahren mit dem Auto in die Stadt. Dort gibt es zwar Parkhäuser aber keine Straßenrandautoabstellplätze. In Utrecht fließt der Radverkehr auf eindeutig am rötlichen Untergrund erkennbaren Straßen, und die Stadtverwaltung tut dafür das, was sie bei uns nur und ausschließlich für den Autoverkehr tut: sie passt die Ampelschaltungen in den Stoßzeiten an, damit Radfahrende eine Grüne Welle genießen. 

Die Debatten, die wir in Deutschland über Radwege und Autosgtellplätze führen, scheinen dem Autor in Utrecht unwirklich. Der Wandel ist möglich. Menschen entscheiden sich bereitwillig für eine klimafreundliche und sie selbst zufriedenstellende Mobilität, wenn die Politik den Rahmen dafür schafft. 


15. September 2024

Eine de facto tödliche Radinfrastruktur

In Hamburg ist in der Nähe der Elbphilharmonie eine 71-Jährige Radfahrerin auf einem Radstreifen von einem Lastwagenfahrer überfahren und getötet worden. 

Die Frau hatte keine Chance, formuliert die Presse. Sie hätte eine gehabt, wenn der Lkw-Fahrer nicht regelwidrig auf dem Radstreifen gefahren wäre. Aber die Entscheidungen des Fahrers interessieren niemanden. "Lkw übersieht Radfahrerin" titelt Tag24, so als ob ein Lastwagen Augen hätte, auch im Artikel kommt kein Fahrer vor, es bleibt beim Lkw. Die Presse konzentriert sich wieder einmal gänzlich auf die Radfahrerin und ihre Entscheidungen und sieht bei ihr den Fehler. Laut diversen Berichten unter anderem in der Welt und der Bild fuhr die Frau "unvermittelt" vom Gehweg auf den Radfahrstreifen und wurde dort vom "Lkw(-Fahrer) erfasst". 

Das ereignete sich auf dem Baumwall in der Hamburger City. Die Frau war Richtung Westen unterwegs. Am Baumwall wechselt die Radinfrastruktur von Radweg (auf dem Gehweg) und einem schmalen Radstreifen hin und her. Der Radstreifen ist außerdem schmal. 

28. August 2024

Radfahrer stirbt im Kreisverkehr in Wangen im Allgäu

Im Mai habe ich kritisch über eine neue Radverkehrsanlage mit Kreisverkehr in Wangen im Allgäu geschrieben. Jetzt hat sich dort ein für den Radfahrer tödlicher Zusammenstoß mit einem Lkw ereignet. 

Wie die Schwäbische Zeitung berichtet, war am vergangenen Donnerstag um halb acht ein Mann mit seinem Pedelec auf dem Kreisel unterwegs, als ein Lastwagenfahrer nach rechts aus dem Kreisverkehr hinausfahren wollte. Er sah den Radfahrer nicht und überfuhr in. Die Schwäbische Zeitung beschäftigt sich vor allem mit den Gaffern, die sich den Ort anschauten und stellt zum Schluss die Frage, wie gefährlich Kreisverkehre für Radfahrende eigentlich sind. Die Polizei antwortet, sie seien genauso sicher oder eben gefährlich wie alle Kreuzungen, wo Autofahrer abbiegen und man solle "mittig im Kreisverkehr" radeln, damit die Autofahrenden einen immer vor sich haben und niemals rechts neben sich. So könne er nicht überholt werden und sei für alle Verkehrsteilnehmenden besser zu erkennen. Wir sind also wieder mal gehalten, selbst für unsere Sicherheit zu sorgen. 

14. August 2024

Sicher mit dem Rad durch Baustellen

Fahrbahn wird zum Radweg - leider ein Missverständnis
Das Straßenverkehrsamt von Frankfurt hat einen Leitfaden "Radverkehr an Baustellen" erarbeitet, der den Antragstellenden und Baufirmen dazu dienen soll, Baustellen so auszuschildern, dass die Radfahrenden nicht plötzlich vor dem Nichts stehen. 

Der Rad- und Fußverkehr soll ausdrücklich in gleicher Weise berücksichtigt werden wie das beim Autoverkehr längst gegeben ist. Der Leitfaden enthält Regelbreiten, Mindestmaße und Regeln für die Ausschilderung von Umleitungen. Vollsperrrungen für den Rad- und Fußverkehr darf es ohne gut ausgeschilderte Umleitung nicht geben. Jede Menge Musterpläne zeigen, wie der Radverkehr bei verschiedenen Baustellensituationen zu führen und abzusichern ist. Radwege, die an Baustellen enden oder Verkehrszeichen wie "Radfahrer absteigen" (wie wir das leider noch sehen) soll es nicht mehr geben. Der Leitfaden kann hier heruntergeladen (angeschaut) werden. So wie auf dem Foto oben und auf allen folgenden Fotos jedenfalls sollte es nicht aussehen. 

Die Grundsätze lauten:

10. August 2024

Scheitert der Verkersversuch in Göppingen an 15 Parkplätzen?

Göppingen hat an sich schon eine ganz schöne Hauptstraße im Zentrum der Altstadt. Schmale Fahrbahn und seitlich teils begrünt. Aber mit Parkplätzen. Die sind nun weggefallen. 

Im Juni begann ein dreimonatiger Pilotversuch. Mit der Hauptstraße zwischen Schillerplatz und Marktplatz sollte eigentlich irgendwas geschehen, das nach Fußgängerzone aussieht. Die Idee wurde jedoch im Gemeinderat stark verwässert. Schon vorher konnte man mit dem Auto nicht bis zum Marktplatz durch fahren, eine ständige Fußgängerzone mit Pollern verhindert das. Jetzt ist Halbzeit des Verkehrsversuchs und die Presse konzentriert sich auf die Händler:innen, die sich beschweren, es kämen keine Leute mehr zum Einkaufen, die Straße sei menschenleer. 

15. Juni 2024

Sieht aus wie ein Radweg, ist aber keiner

Blogleser Joachim hat mich auf ein Problem aufmerksam gemacht, das bei ihm in der Gegend neu entstanden ist, aber in Stuttgart vielerorts besteht. Fürs Radfahren nur freigegebene Gehwege werden optisch zu Radwegen. 

Er schreibt: "In Walzbachtal (Gemeinde Wössingen) wurden die Wege an den Ausfahrten farblich markiert und mit Rad-Symbolen versehen. Allerdings meinen die Autofahrer nun, es ist ein Radweg. Der Weg ist aber nur in eine Richtung mit blauem Fußgänger - Schild und darunter Radfahrer frei gekennzeichnet. Es handelt sich hier teilweise um eine 30er-Zone." Die roten Markierungen befinden sich an einer Straßeneinmündung und an den Ein- und Ausfahrten zweier Supermärkte. Er hat mir dieses Foto geschickt. Ein Anblick, den wir auch in Stuttgart gut kennen. 

18. Mai 2024

Das Tier im Radfahrer

Fotomontage
Wenn Hirsche Warnwesten tragen, dann steckt die Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung dahinter. 

Im vergangenen Winter lief eine Kampagne, die sich an Radfahrende richtete und originell sein wollte. Sie zeigt das Bild eines Hirschs, der in Warnweste in der Dämmerung auf einer Landstraße steht (den wir übriges auch ohne die Weste gut erkennen, anders als auf der Fotomontage von mir rechts). Auch Frösche oder Katzen scheinen sich nach Warnwesten zu sehnen. In der in den Medien ventilierten Pressemitteilung der BFU heißt es dazu: "Tausende Tiere lassen jedes Jahr ihr Leben auf der Strasse. Ihre Felle und ihre Haut gewähren ihnen in ihrer natürlichen Umgebung die gewünschte Tarnung und damit Schutz vor Feinden. Im Strassenverkehr kann ihr Aussehen zur tödlichen Falle werden. Im Gegensatz zu Tieren können wir Menschen uns mit einer Leuchtweste ganz einfach sichtbar machen." Fragt sich nur, wie viele Hirsche es in die Innenstädte zieht.

In einer anderen Kampagne der BFU wurde ein fast durchsichtiger Fahrradfahrer mit Helm abgebildet. Der Text dazu lautete: "Keiner bremst für Unsichtbare." Fragt sich allerdings, ob Autofahrende eine durch die Straßen geisternde Schutzweste ohne Körper besser wahrnehmen? Wahrscheinlich stoppen sie vor Entsetzen. Ja, und?, fragen sich jetzt vielleicht manche. Ist doch ganz witzig. Aber so witzig ist es eigentlich nicht. 

14. April 2024

Gefährlich: missverständliche Ampeln

Der Wilhelmsplatz in Stuttgart ist für Radfahrende nicht einfach, obgleich es eine  geschnipselte Radführung gibt. 

Sie ist unbeliebt, denn man wartet ewig an den Ampeln. Kürzlich habe ich eine junge Frau auf einem Regiorad so stehen sehen. Wie dort hingekommen ist, blieb unklar. Theoretisch könnte sie aus dem Seitenstreifen der B14 nach links eingebogen sein. Oder sie ist bei fast Rot geradeaus vom Radweg aus rüber geradelt und hat denn die rote Fahrradampel auf der anderen Seite der Fahrbahn gesehen und angehalten. Sie stand jedenfalls so und wartete. Sie fuhr auch nicht los, als parallel zu ihr die Fußgänger:innen Grün hatten, was ein sicheres Zeichen gewesen wäre, dass auch sie gefahrlos radeln kann. Sie fuhr erst los, als ich startete, weil ich Grün bekam und drüben (also ganz hinten) die Radlerampel auch grün wurde. 

Das heißt, für sie war die drei-flächige Radlerampel, die in klein die Autoampeln kopiert, die einzig gültige. Die steht aber nicht bei ihr auf ihrer Straßenseite, sondern jenseits der Fahrbahn, die sie queren wollte, sie gilt also nicht für diese, sondern erst für die nachfolgende Fahrbahn. Sie hat die Ampel behandelt wie eine Fußgängerampel. 

12. April 2024

Marburger:innen stimmen über Autoverkehr ab

Sollen 2035 nur noch die Hälfte der Autos nach Marburg reinfahren oder nicht? Darüber ist die Stadtbevölkerung zerstritten. 

In der hessischen Universitätsstadt Marburg wohnen 77.000 Menschen, Tendenz steigend. Steigend auch der Autoverkehr, Lärm und Abgase. Größter Arbeitgeber ist die Universität und die Einzelhandelsbetriebe in der Stadt. Es gibt eine Stadtautobahn, die den Autoverkehr anzieht und ins Zentrum spült. Die negativen Auswirkungen des Autoverkehrs wurden in Marburg kontrovers diskutiert. Die Stadt hat in umfangreicher Zusammenarbeit mit Bürger:innen deshalb das Mobilitätskonzept MoVe 35 erarbeitet, das als pdf hier direkt runtergeladen werden kann. 

Mehr Radwege war die wichtigste Forderung. 

29. März 2024

Leipziger Zentrum ohne Autos?

Leipzigs Oberbürgermeister hat die Vision einer weitgehend autofreien Innenstadt. Das wiederum können oder wollen sich viele Leute nicht vorstellen. 

"Alle Städte, die aufs Auto gesetzt haben", wird Burkhard in einem Artikel der Leipziger Volkszeitung zitiert, "die immer mehr und immer breitere Straßen gebaut haben, sind im Desaster gelandet. Die autogerechte Stadt war ein Irrweg." Er räumt in dem Interview aber auch ein, die große Vision sei in den nächsten zehn Jahren nicht zu realisieren. Sein Ziel bleibe aber die sukzessive Anbindung an das Radverkehrsnetz der Stadt. Der Schwerpunkt dürfe nicht mehr auf dem motorisierten Individualverkehr liegen. Schon aus Gründen unseres Schutzes vor dem Klimawandel. Auch in Leipzig sei das Auto immer noch das wichtigste Verkehrsmittel, aber seine Dominanz müsse durchbrochen werden. 

17. März 2024

Wenn eine Stadt ihre Radfahrenden überhaupt nicht mag

Dann macht sie es genau so, wie die Stadt Waiblingen es in der Devizesstraße macht. Sie legt zwei sogenannte Schutzstreifen an den Fahrbahnrand, die vor der Bushaltestelle aufhören. 

Wie der Zeitungsverlag Waiblingen berichtet (Bezahlschranke), darf auf der Straße 50 km/h gefahren werden. Für Radfahrende gibt es sogenannte Schutzstreifen. Vor zwei einander gegenüberliegenden Bushaltestellen verengt sich die Fahrbahn aber. Hatten bis dahin Fahrräder und Autos auf eine Richtungsfahrbahn gepasst und waren Überholmanöver möglich, geht das jetzt nicht mehr. Der Platz reicht nicht. Dass der Schutzsteifen an der Bushaltestelle aufhört, ist weniger das Problem, weil der Radfahrende ja ohnehin auf dieser Linie radelt. Eine doppelt durchgezogene Mittellinie sagt Autofahrenden deutlich, dass sie Fahrräder nicht überholen dürfen. Allerdings ertragen es viele Autofahrende nicht, hinter den Radfahrenden zu bleiben. Sie überholen und sie überholen dabei auch sehr eng. Das ist also für etliche Radfahrende eine Angststrecke. Man muss sie sehr selbstbewusst radeln und sollte dabei nicht zu weit rechts fahren, sonst können viele Autofahrende nicht anders als zu glauben, sie kämen ja vorbei. 

3. März 2024

Uns überrascht das nicht

Offenbach hat ein "gewagtes" Experiment gestartet und auf einer Hauptverkehrsstraße zwei von vier Fahrspuren weggenommen und in Radspuren umgewandelt. Gewagt? Nein, nicht wirklich. Es ist nicht schlimmes passiert. 

Schon 2020 zeigte der Radentscheid Offenbach mit Pop-up-Radwegen auf dieser Waldstraße, dass Radfahren in Offenbach schöner sein kann (Foto: vorher und 2020). Ab Juli 2023 läuft der Verkehrsversuch mit Radfahrstreifen. Die Presse zeigte sich überrascht. O Wunder, der Stau blieb aus. Als Stau haben die Verkehrswissenschaftler:innen schon ausgemacht, wenn Autofahrende zwei Rotzyklen an einer Ampel warten müssen und nicht gleich beim ersten Grün rüber kommen. Autofahrende weichen auch nicht in Parallelstraßen aus. Diese Befürchtungen - Stau und Ausweich-Autoverkehr - hatte man im Vorfeld vorgebracht und bringt man auch in Stuttgart immer vor, wenn Autofahrbahnen zugunsten anderer Verkehrsarten verengt werden sollen. Diese Argumente waren und sind immer falsch.  

Uns überrascht das also nicht.

18. Februar 2024

Es gibt keinen rechtlichen Anspruch auf Straßenrandparkplätze

Foto: Apple Karten
In Zürich klagen Anwohner:innen gegen den Wegfall von 16 Parkplätzen zugunsten eines Radstreifens mit dem Argument, Kund:innen und das anliefernde Gewerbe brauche sie. 

Das sah das Verwaltungsgericht anders. Es stellte infrage, ob die Gewerbetreibenden überhaupt besonders betroffen seien, denn es sei zweifelhaft ob ein erheblicher Teil der Kundschaft von Restaurants, Dienstleistungsgewerbe und Kleinhandelsbetrieben per Auto komme. In unmittelbarer Nähe gibt es eine Haltestelle für Trams und Busse. Aber das wäre auch egal, denn das Gericht hält die Beschwerde für unbegründet, weil das private Interesse an Autoabstellplätzen klar geringer zu gewichten sei als dass öffentliche Interesse an einer Verbesserung der Radverkehrssicherheit. 

Die Fahrbahn ist schon Einbahnstraße mit Radfreigabe in Gegenrichtung, aber immer noch zu schmal wegen der geparkten Autos, weshalb man den Radverkehr behelfsmäßig auf dem Gehweg geführt hatte. Das ist für Fußgänger:innen und Radfahrende zu gefährlich. Außerdem gibt es im Umkreis Parkplätze, die genutzt werden können, man muss dann halt ein paar Schritte laufen. 

Auch in Deutschland hat das Verwaltungsgericht Berlin kürzlich geurteilt, dass es einen individuellen Anspruch auf Parkmöglichkeiten im öffentlichen Raum nicht gibt. Es dürfen viele Parkplätze für eine Fahrradstraße wegfallen. 

Dann wäre das also auch geklärt. 

4. Februar 2024

Geschützter Kreisverkehr in Eislingen

Die Stadt Eislingen tut was für den Radverkehr. Der Hirschkreisel  ist ganz neu. Er ersetzt eine riesige Ampelkreuzung mit Unterführung für Radfahrende und Fußgänger:innen.

Wegen der Verbesserung für den Rad- und Fußverkehr wurde die Maßnahme in das Förderprogramm "Stadt und Land" von Bund und Land aufgenommen. Der Kreisel hat 2,3 Millionen Euro gekostet, die Förderung betrug 2 Millionen.

Er ist als geschützter Kreisverkehr nach niederländischem Muster gebaut worden. Radfahrende werden auf Gehwegebene auf eigenen Radwegen außen rund herum geführt: Die Autofahrenden sind langsam unterwegs. Sie haben zwar keine engen Kurvenradien beim Rausfahren, sehen aber die Seitenbegrenzung des Kreisels vor sich und dann den roten Radstreifen und den Zebrastreifen. Sie müssen anhalten, wenn Fußgänger:innen oder Radfahrende kommen, denn die haben Vorrang. Das sieht toll aus und wirkt alles sehr friedlich. Alle Autos fahren langsam. Für Radfahrende hat der Kreisverkehr allerdings doch ein paar Haken.

30. Dezember 2023

90 Prozent der Leute wollen keine Parkplätze vor der Haustür

Oberbillwerder ist ein Stadtteil von Hamburg-Bergedorf, der noch nicht existiert. Er ist aber bereits geplant. Das ist so ähnlich wie unser Rosensteinquartier, das dort entstehen soll, wo heute noch die Eisenbahngleise liegen. Auch in Stuttgart wird es autoarm geplant. 

Oberbillwerder in Hamburg wurde von einer Bürgerbeteiligung begleitet und ist vielen Hamburger:innen auch bekannt. Forsa hat kürzlich eine ausführliche und repräsentative Umfrage unter 1.003 Hamburger:innen gemacht. Das für uns interessanteste Ergebnis: Eine überwältigende Mehrheit wünscht sich lieber viel Grün vor der Haustür, kaum jemand will Parkplätze am Haus. 

28. Dezember 2023

Von Saula zur Paula - Wie sie die Radfahrenden lieben lernte

Diese Geschichte handelt von der Frage, warum Yvette Caster aufgehört hat, sich über Radfahrende zu beschweren, mit Bussen und Bahnen fährt und sich wünscht, es gebe mehr Radfahrende. 

Sie ist im Guardian erschienen und kann hier auf Englisch nachgelesen werden. Caster erzählt, dass sie 2015 einen im Rückblick blöden Artikel für die online-Ausgabe eines Publikationsorgans schrieb. Sein Titel lautete übersetzt: "Radfahrer sind eine Bedrohung und sollten aus dem Straßenverkehr verbannt werden." (hier auf Englisch)

Er fing (übersetzt) so an: "Er, und ja, es ist fast immer ein Er, ein glatzköpfiger MAMI (Middle-aged Man In Lycra), der vor sich hin schwitzt, den Verkehr aufhält, Unfälle verursacht und generell eine totale Belastung auf der modernen Straße darstellt. Wo soll man anfangen mit dem Aufzählen, was alles falsch ist an Fahrrädern und am Radfahren und der Tatsache, dass Radfahren auf einer ruhigen Spur entlang einer überfüllten Londoner Straße erlaubt sind? Es gibt so viele Dinge, dass auch ein Mensch mit halbem Hirn einsehen muss, dass sie absurd sind." Sie führte damals aus, dass abgesehen von der Gefahr, die von ihnen für Fußgänger:innen und Autos ausgehen, Radfahrende einfach albern aussehen. Das Fahrrad sei ein Transportmittel für Clowns, Possenreißer und Boris Johnson.