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Das Mosern gegen die Sperrung für Autos war halt wie immer ernorm groß. Noch immer wollen viele nicht wissen, was man eigentlich schon lange weiß: Wo keine Autos sind, kommen Menschen hin, bleiben länger, setzen sich hin, trinken Kaffee und gehen einkaufen. Seit Ende August 2020 dürfen nur noch Fahrräder auf einem vier Meter breiten Fahrstreifen durch die Friedrichstraße fahren. Alles andere ist zu Fuß unterwegs. Ein Berliner Unternehmen hat nun die Leute gezählt.
Demnach waren Mitte Juli 2020, als noch Autos fuhren, im Durchschnitt täglich gut 6800 Menschen unterwegs, hauptsächlich dürften es Touristen gewesen sein. Mitte September 2020, gut zwei Wochen nach Einführung des Autoverbots, wurden in diesem Teil der Friedrichstraße pro Tag im Durchschnitt gut 9000 Menschen gezählt, ein Jahr später waren es nur etwas mehr, im März 2022 aber waren es dann fast 9800 Menschen, was im Vergleich zum noch nicht autofreien Juni 2020 ein Anstieg um 65 Prozent war. Und das, obgleich Corona den Tourismus doch sehr eingeschränkt hat.Das untersuchende Unternehmen war überrascht. Man höre doch, dass Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung nicht funktionierten und die Händler vor Ort sich beklagten. Und noch etwas Interessantes stellt das Unternehmen fest: Es kommen nicht nur mehr Berliner:innen, sie bleiben auch noch länger. Auch in den umliegenden Einkaufsstraßen würden sich nun mehr Leute aufhalten.
Übrigens wird jetzt natürlich am Radweg herumgenörgelt, die Leute könnten nicht ohne Gefahr über die Straße gehen. Letztlich wird man sich entscheiden müssen, ob man nur die Autos raushaben will oder eine Fußgängerzone gestalten möchte. Wobei Radfahrende als Kund:innen nicht zu unterschätzen sind. Aus wirtschaftlichen Gründen müsste man ihnen die Durchfahrt weiterhin erlauben.
Lesenswert dazu ist auch der Artikel von Franziska Hauser in der Berliner Zeitung. Sie beschreibt die Situation für Radfahrende in Berlin: "Der Kampf zwischen Radfahrern und Autofahrern tobt auf den Berliner Straßen. Würde ich in Hamburg oder Stuttgart so Rad fahren, wie ich es in Berlin gewohnt bin, wäre ich tot. In sehr schmalen Straßen halte ich den linken Arm raus, wenn hinter mir ein Auto anbraust und ich es zu eng finde, um überholt zu werden. Manchmal nutze ich eine Straßenbahn als Schutzschild, um in ihrem Schatten sicher über die Kreuzung zu kommen und insgeheim bin ich den wirklich lebensmüden Radfahrern dankbar. Sie sorgen dafür, dass die Berliner Autofahrer um unsere Risikobereitschaft wissen. Autofahrer spüren, dass die Zukunft der Innenstadt nicht ihnen gehören wird. Darauf weisen die vielen neuen Fahrradstraßen und Radwege, die neuerdings überall aufkreuzen, deutlich hin." Dass Fußgänger:innen vor Radfahrenden regelmäßig mehr Angst haben als vor den Menschen, die Autos lenken und dabei immer mal wieder einen Menschen tot fahren, notiert auch sie verwundert.
Ein Fahrrad kann einem Fußgänger überall begegnen, Autos bewegen sich hingegen recht berechenbar auf der Fahrbahn. Daher gibt es weniger Konfrontation. Beim Straße überqueren aufpassen und gut ist.
AntwortenLöschenGemischte Rad- Fußwege verschlimmern das Gefühl, nirgends vor Rad fahrenden sicher zu sein.
Dass gerade parkenden Autos Fußgänger enorm einschränken, wird nicht als Gefahr wahrgenommen.
Und die Autos werden auch nicht als Gefahr wahrgenommen, denn mit dieser Gefahr sind wir aufgewachsen, wir halten sie für berechenbar. Ist schon klar, dass Fahrräder oft erst spät bemerkt werden und denkt man, die waren irre schnell. Aber ich finde, Fußgänger:innen können sich auch an den Umgang mit Radfahrenden gewöhnen. Und sie können sich klar machen, dass Radfahrende sie sehen, weil sie einen viel besseren Rundumblick haben als Autofahrende.
LöschenJörg
AntwortenLöschenDas innovative an der Friedrichstraße ist die Fahrradstraße / der Radweg in der Mitte. Sonst macht man typischerweise eine große Gemischtfläche mit bestenfalls Rad frei. Danach schimpft man über rüchsichtslose Radfahrer und schreibt: "Rad nimmt Rücksicht". In der Gemischtfläche bleibt ohnehin nur ein 4 m Streifen zum Durchgang / -fahrt übrig.
Nee wirklich das Konzept wirkt überzeugend. Definierte Fußwege ein definierter Radweg. In Summe braucht das tatsächlich je Fußweg 2,5 m und 4 m Radweg. Das sind nachher doch 9 m für Mobilität. Ohne Platz gibt es Konflikte.
Ich sehe nicht, wo das Problem mit dem Radstreifen in der MiItte sein soll. Bei uns (Mannheim) fahren in der Fußgängerzone in zwei Richtungen Straßenbahnen, gefühlt alle 30 sec. Manche Leute sagen, das ist keine Fußgängerzone mehr, bei so viel Straßenbahnverkehr.
AntwortenLöschenEs ist doch aber ein tolles Ergebnis, wenn weniger Autos meht Fussverkehr erzeugen.
Ich kann das Gejammer über fehlende Kurzzeitparkplätze etc. nicht mehr höre. Wenn ich so einen PLatz mal gebraucht hätte, war nie einer frei. Also doch immer Parkhaus.
So verkehrsberuhigte Straßen sind doch gut. Was ist das Problem?
Karin
Warum sind Geschäftinhaber immer die Letzten, die erkennen das Blechwüsten vor den Schaufenstern das Geschäft hemmen ?
AntwortenLöschenIn anderen News-Artikeln wird die Autofreie Straße als Fehlplanung dargestellt:
AntwortenLöschen"Dem Radiosender 105'5 Spreeradio sagte Giffey, sie höre von den Geschäftsleuten in der Straße, dass sie weniger Kunden hätten."
Quelle: https://www.heise.de/news/Neues-Konzept-fuer-autofreie-Friedrichstrasse-vom-Berliner-Senat-geplant-6659145.html
Holger aus L
Dem wollte die Zählung ja gerade widersprechen.
AntwortenLöschenoh je.
AntwortenLöschenein weiterer faktenbeleg für die absurdität des miv.
da bleibt nur die flucht nach vorn:
aber autofahren macht spaß und steht für freiheit!
oder flucht in den unsinn:
aber ich glaube nicht an vitamine...hab noch nie welche gesehen!
Der Verkehrsversuch an der Friedrichstraße polarisiert nach wie vor. Während die einen den Nachweis erbracht haben wollen, dass seit der Herausnahme des MIV die Friedrichstraße prosperiert, behaupten die anderen das glatte Gegenteil. Erst gestern erschien ein Artikel dazu in der Morgenpost. https://www.morgenpost.de/berlin/article235166943/Autofreie-Friedrichstrasse-verliert-laut-Studie-Besucher.html
AntwortenLöschenAls Radfahrer finde ich persönlich das auch toll, auf einem Teil der Friedrichstraße nun wortwörtlich freie Bahn zu haben. Genau das aber ist zugleich das Problem. Ob der mittigen Anordnung des Radstreifens ist es nach wie vor Verkehr, der die Straße teilt und damit zu einer Hürde für Fußgänger*innen macht. Ich selbst radle im Schnitt 1-2 Mal pro Woche dort entlang, wobei ich den "beruhigten" Teil der Friedrichstraße dann in der Regel nur kreuze. Aber selbst als Radfahrer stelle ich zeitabhängig fest, dass es mitunter schwierig ist, eine Lücke in einem nicht abreißen wollenden Pulk zu finden.
Ein Gewinn ist das für den Stadtraum nur bedingt, wenn es darum geht, die allgemeine Aufenthalts- und vor allem Verweilqualität heben zu wollen. Dass auch Radverkehr seine Tücken diesbezüglich mitbringt, ist ja kein neues Phänomen. Auch im Bergmannkiez hat man versucht, den neu eingerichteten Radfahrstreifen nach der Verkehrsberuhigung und kompletten Flächenneuaufteilung der Bergmannstraße mit Tempo-10-Schildern und Zebrastreifen zu strukturieren.
Nachtrag: Wie heute die Berliner Morgenpost schreibt, wird aus dem Teilabschnitt der Friedrichstraße wegen der nicht abreißen wollenden Kritik eine reine Fußgängerzone. Der Radfahrstreifen in der Mitte verschwindet. Radfahrer*innen sollen künftig über die Parallelstraßen gelenkt werden. https://www.morgenpost.de/berlin/article235187253/Friedrichstrasse-soll-zur-reinen-Fussgaengerzone-werden.html
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