28. Dezember 2023

Von Saula zur Paula - Wie sie die Radfahrenden lieben lernte

Diese Geschichte handelt von der Frage, warum Yvette Caster aufgehört hat, sich über Radfahrende zu beschweren, mit Bussen und Bahnen fährt und sich wünscht, es gebe mehr Radfahrende. 

Sie ist im Guardian erschienen und kann hier auf Englisch nachgelesen werden. Caster erzählt, dass sie 2015 einen im Rückblick blöden Artikel für die online-Ausgabe eines Publikationsorgans schrieb. Sein Titel lautete übersetzt: "Radfahrer sind eine Bedrohung und sollten aus dem Straßenverkehr verbannt werden." (hier auf Englisch)

Er fing (übersetzt) so an: "Er, und ja, es ist fast immer ein Er, ein glatzköpfiger MAMI (Middle-aged Man In Lycra), der vor sich hin schwitzt, den Verkehr aufhält, Unfälle verursacht und generell eine totale Belastung auf der modernen Straße darstellt. Wo soll man anfangen mit dem Aufzählen, was alles falsch ist an Fahrrädern und am Radfahren und der Tatsache, dass Radfahren auf einer ruhigen Spur entlang einer überfüllten Londoner Straße erlaubt sind? Es gibt so viele Dinge, dass auch ein Mensch mit halbem Hirn einsehen muss, dass sie absurd sind." Sie führte damals aus, dass abgesehen von der Gefahr, die von ihnen für Fußgänger:innen und Autos ausgehen, Radfahrende einfach albern aussehen. Das Fahrrad sei ein Transportmittel für Clowns, Possenreißer und Boris Johnson.

Der Artikel zielte damals gut gelaunt auf Klicks, löste aber eine von der Autorin unerwartete heftige Reaktionen aus, wie sie jetzt schildert. Es meldeten sich nicht nur Leute, die einen Angehörigen verloren hatten, weil ein Autofahrer ihn totgefahren hatte, man beschuldigte sie auch, Hass auf Radfahrende zu schüren und sie damit in Gefahr zu bringen. Das entsetzte sie schon mal, aber sie glaubte immer noch, Autofahrende seien immer vorsichtig, wohlmeinend und vernünftig und die sogenannten Fahrradunfälle seien Einzelfälle. Inzwischen kann sie mit Blick auf die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Radfahrenden (es sind ca. 100 im Jahr in GB) den Zorn besser verstehen. 

Sie wuchs in einem Ort auf, wo der Bus zwei Mal am Tag fuhr und es entlang der Straßen weder Gehwege noch Radwege gab. "Ich konnte nicht verstehen, warum jemand das Risiko auf sich nahm, auf windigen Landstraßen zu radeln, wo es doch Geländewagen gab, oder in London in die Pedale zu treten, wo jeder Radfahrer zu hassen schien." Ihre Einstellung änderte sich während des Corona-Lockdowns. Sie saß zu Hause und plötzlich war der Straßenlärm weg. Die Natur wurde hörbar, das Vogelgezwitscher. Sie fühlte sich wohler und verbrachte bewusst mehr Zeit in der Natur. Sie erkannte, dass nicht die Natur sich ihrem Lebensstil anpassen sollte, sondern sie ihren der Natur. Die Pandemie änderte die Routinen, sie ging zu Fuß einkaufen, sie fuhr mit Bussen und Bahnen. Das Auto ging kaputt und sie kaufte sich kein neues. Und erfreut stellte sie fest, dass sie nicht zu alt war, um sich zu ändern. Und die Ängerung machte ihr Spaß, verschaffte ihr neue Erlebnisse und befreite sie aus der Gefangenschaft im System Auto. 

Zwar macht ein Auto manche Reise bequemer - nicht jede - aber sie fing an, die Reise zu schätzen, nicht so sehr das Ziel. Sie hat mehr Geduld und mehr Flexibilität entwickelt und auch Dankbarkeit den Leuten gegenüber, die im öffentlichen Verkehrssystem arbeiten, oder die sie gelegentlich mal im Auto mitnehmen. 

Und sie hat sich von ihrer Abneigung gegen Radfahrende verabschiedet und wünscht jetzt, dass es mehr davon auf den Straßen gebe, also mehr Menschen, die in Städten für mehr Ruhe und weniger Luftschadstoffe sorgen, die weniger CO2 produzieren. Jetzt hofft sie, ihre Stadt in GB würde die Bemühungen der Radfahrenden und Fußgänger:innen zum Wohl aller mit einer Infrastruktur belohnen, die es ihnen ermöglich, überall sicher hinzukommen. Sie hat jetzt sogar vor, das Radfahren auszuprobieren. 

Liebe Yvette Caster, vielen Dank für deine Geschichte

4 Kommentare:

  1. Den Artikel hatte ich damals verlinkt....
    Aber für jede solche Paula gibt es 10, über Handling so singt:
    https://youtu.be/sFiq9GST544?si=StaPwicx3i1nVG6P

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  2. Ich muss hier mal ein kleines 4 minütiges Video vom Miniaturwunderland Hamburg teilen, indem sie auf die Probleme von Rettungsdiensten in Städten eingehen (an Silvester sind die noch verschärft), wobei insbesondere auf das Problem der Falschparker an Kreuzungen stark eingegangen wird:
    https://www.youtube.com/watch?v=w2RgIZQsw1U
    (Du kannst mich mal... RETTEN! Der schlimme Alltag der Rettungskräfte).

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    1. Auto macht Stress denen, die es besitzen, sie können nur noch illegal handeln, um es irgendwo abzustellen. Park-Panik.

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