29. Januar 2015

Tja, die Hofener Straße

Seit 1978 diskutiert man in Stuttgart darüber, ob man die Hofener Straße am Wochenende für Ausflügler freigibt und für Autos sperrt. 

Gestern Abend haben drei Bezirksbeiräte - Cannstatt, Münster und Mühlhausen - darüber im Rathaus diskutiert. Die Sitzung wurde geleitet von OB Kuhn.

Es waren auch zahlreiche Zuschauer/innen da. Die glühenden Gegner einer Wochenendsperrung der Hofener Straße und die Befürworter hielten sich etwa die Waage. Ganz anders war das bei den Statements der Vertreter der jeweiligen Partien, die in den drei Bezirksbeiräten vertreten sind.
CDU, FDP und AfD vertraten etwartungsgemäß die Ansicht, dass Münster auf der Neckartalstraße, so wenig Autos wie möglich haben will, die Hofener Straße also nicht gesperrt werden soll.

Die SPD schlug als Kompromiss vor, nur Sonntags für den Autoverkehr dicht zu machen. Die Grünen von Münster erklärten zwar, sie seien für eine Sperrung, wollten aber vorher eine so genannte Bürgerbeteiligung durchführen und stimmten deshalb mit den anderen Parteien gegen den Vorschlag der Verwaltung. Der lautet: Die Hofener Straße vom 1. Mai bis zum Sonntag nach dem 3. Oktober von Samstag 14 Uhr bis Sonntag 21 Uhr für Autos zu sperren, wobei Samstag Nacht von 21 bis 8 Uhr früh Autos fahren dürfen.

Hier das Ergebnis der Abstimmung der drei Bezirksbeiräte:

Cannstatt:   11 für eine Sperrung, 9 dagegen.
Münster:       0 für eine Sperrung, 10 dagegen.
Mühlhausen: 5 für eine Sperrung, 7 dagegen.

Da in Münster mehr als zwei Drittel des Bezirksbeirats, nämlich alle, gegen eine Sperrung gestimmt haben, hat das für das Verfahren eine aufschiebende Wirkung um 14 Tage. Dei Gremien des Gemeinderats werden sich also frühesten in 14 Tagen mit dem Thema befassen. In dieser Zeit können Münster und Mühlhausen ihre Bürger zu einer Veranstaltung einladen. Danach stimmen die beiden Bezirksbeiräte noch einmal ab. Dann trifft der Gemeinderat eine Entscheidung. Übrigens sind Bezirksbeiräte nur beratende Gremien. Ihre Mitglieder sind ja nicht vom Volk gewählt, sondern werden von den Parteien geschickt.

CDU Wahlplakat 1984
Es ist offensichtlich, dass vor allem die CDU in Münster sich von dem, was sie eine Bürgerbeteiligung nennt, eine Stärkung ihrer Position verspricht. Denn deren Sprecher lehnte Kuhns Wunsch, sich ein Meinungsbild zu verschaffen, ob den eine Sperrung nur am Sonntag in Münster als Kompromiss akzeptiert würde, mit den Worten ab, er könne dem Vorschlag nicht zustimmen, denn er würde ja der Bürgerbefragung vorgreifen. Als Kuhn dann allerdings fragte, ob Münster sich mit dem Vorschlag anfreunden könnte, stimmte er mit Nein. Er ging also davon aus, dass die Bürger, die er bei einer Veranstaltung befragen will, gegen eine Sperrung sind und nahm dieses Votum vorweg. Von Kuhn auf den Widerspruch zu seinen vorigen Worten aufmerksam gemacht, enthielt er sich der Stimme.

Die Feindseligkeiten gegen Radfahrer, nebenbei auch Fußgänger und Familien mit Kindern, die am Wochenende raus wollen ("wir wollen nicht für die Fun-Gesellschaft unsere Ruhe opfern") war für mich wieder mal bestürzend. Warum so viel Hass auf Radfahrer? Egal. Kennen wir ja. Ich halte Feindseligkeiten für unnötig. Aber auch dass wisst ihr ja.

Übrigens gab auch einmal Zeiten, in denen die CDU im Umweltschutz vorangehen und Familien auf Fahrräder setzen wollte. (Ein Wahlplakat von 1984, ergänzt um die Forderung der Sperrung der Hofener Straße.)

Die Verwaltung hat Zahlen vorgelegt, die bei der Sperrung der Hofener Straße im vergangenen Jahr erhoben wurden. Demnach ist Samstag Nacht eine deutliche Beruhigung auf der Seite von Münster eingetreten, seitdem die Autos nachts wieder die Hofener Straße entlang düsen dürfen. Es geht um 2 Dezibel mehr, also nicht wahrnehmbar. Münster hat unter der Woche ein viel größeres Problem. Da donnern nämlich die Müllwagen aus Nordwürttemberg die Neckartalstraße entlang.

Ich will den Text hier nicht unnötig verlängern, denn die Statistiken sind im Grunde klar. Der Verkehr in der Neckartalstraße nimmt ohnehin ab. Und weil das Wetter im vergangenen
Sommer oft am Wochenende schlecht war, sind auch nicht so viele Radler in der Hofener Straße unterwegs gewesen, wie im sonnigeren 2013. (Die beiden Grafiken kann man per Klick vergrößern)

Was offen zu Tage trat: Bürger wollen gerne so wenig wie möglich Autolärm hören. Sie wollen, dass so wenig Autos wie möglich bei ihnen vorbeifahren. Wenn sie allerdings das Wort Fahrradweg hören, dann unken sie wieder "Wir sind Autostadt". Das aber bitte nicht vor ihrer Haustür. Das scheint mir so ungefähr das Problem von Münster zu sein.

Die Münsteraner Bürger, die bei der Veranstaltung vertreten waren, wollten jedenfalls nichts davon hören, dass man den Verkehr auf der Neckartalstraße durch Tempo 30 und Rückbau der Fahrbahn noch mal leiser machen könnte. Nee, das nicht, auch keine Geschwindigkeitskontrollen. Das erweckte bei mir doch stark den Eindruck, dass es um irgendein Prinzip geht, das weder etwas mit dem Autoverkehr auf der Neckartalstraße noch mit Radfahrern und Fußgängern auf dem Gehweg der Hofener Straße zu tun hat.

Denn wenn die Anwohner der Neckartalstraße regelmäßig an einem sonnigen Sonntag auf dem Gehweg der Hofener Straße spazierten gehen würden und ihnen zwei Radler entgegen kommen und von hinten drei an ihnen vorbei wollen, während eine Inline-Skaterin den Fußweg entlang wedelt und ein Tupp Jogger sich den Weg bahnt, dann würden sie sofort wissen, wie schön es wäre, wenn alles. was Räder hat und rollt, nicht auf dem Gehweg, sondern auf der Fahrbahn unterwegs wäre.

Radler machen Fußgängern Stress auf Gehwegen. Autos machen Radlern Stress auf Fahrbahnen. Wenn man Freizeitradler auf die Fahrbahn kriegen will, muss man für sie den Autostress gering halten. Sonst fahren sie auf dem Gehweg und machen Fußgängern Stress. Deshalb muss man die Hofener Straße am Wochenende für Autos mal kurz sperren. 

Hätte man gesagt: "Wir müssen am Wochenende dringend die Familien zu Fuß auf dem Gehweg schützen", hätten wir die Sperrung schon längst.



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