18. Dezember 2017

Die Schönheit des Regens

Manche radeln nicht gern bei Regen. Ich schon. Die Luft schmeckt, die Natur trinkt, das Licht funkelt. Und ich bin eine Abenteurerin. 

Autofahrer, die im Warmen sitzen, schauen herüber zu mir herüber. Ich lächle sie an. "Die arme Sau!", denken sie vielleicht, aber insgeheim  beneiden sie mich dafür, dass ich nicht wasserscheu bin. Und dann bin ich schon wieder  weg, während sie noch im typischen Regenstau Stuttgarts stehen, während ich meinen Spaß habe.


Bei Regen ist die Luft sauerstoffreicher, das wissen alle Langstreckenläufer. Tief einatmen! Schönwetter kann jeder schön finden. Ich genieße es, überhaupt Wetter mitzukriegen. Wetter ist das Naturerlebnis in der Stadt. Sonnenschein ist Kurzurlaub zwischen Arbeit und Daheim, und Regen ist der Kurz-Extremurlaub. Sich zwanzig Minuten stark und frei fühlen. Allem trotzen, wasserscheue Mitmenschen anlächeln, Autos davon fahren. Hören, sehen, riechen, atmen, schmecken, fühlen wie der Regen übers Gesicht rinnt. Die Hände werden kalt, aber ich radle mich warm. Der Reifen spritzt das Wasser vor mich hin, in den Tropfen blitzt das Licht, Pfützen rauschen. Ansonsten ist es still im Schlossgarten oder auf dem Neckardamm.

Die Wege gehören mir und ein paar (aber immer mehr) Alltags-Abenteurern. Wir begegnen uns, der andere Radler und ich, und schauen uns in die Augen. Er hat über dem Helm eine Haube. Ich habe unter dem Helm eine regendichte Kappe. Er trägt Poncho, ich einen langen Mantel. Sie hat Überschuhe über den Schuhen, meine sind wasserdicht. Der hat eine Haube über den Rucksack gezogen. Und da drüben fährt doch wirklich eine mit einem Schirm.

Während die im Autoverkehr wahnsinnig werden, sich hupend auf den Kreuzungen sammeln - keiner weicht und nichts geht mehr - schlängle ich mich unaufhaltsam weiter. "Bist du mit dem Rad gekommen?", fragen mich die Trockenfahrer entsetzt, aber immer voller Anerkennung im Ton.

Es ist leichter als du denkst. Wasser ist an sich ja nicht ungesund. Wir alle lieben Wasser. Wir haben es nur verlernt, uns über Regen zu freuen.

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