20. Dezember 2025

Drei häufige Irrtümer übers Radfahren in Stuttgart

Einigen Irrtümern über unseren Straßenverkehr begegne ich immer wieder. Die wenigsten Menschen zu Fuß oder auf Fahrrädern achten auf Verkehrszeichen. Sie gehen und fahren mit einer Mutmaßung über den Verkehrsraum, in dem sie sich bewegen. 

"Das ist ein Shared Space!", höre ich immer mal wieder, wenn ich durch den Abschnitt der Tübinger Straße radle, der zwischen Rotebühlplatz und Paulinenbrücke liegt. Die Leute müssen das irgendwann mal in der Zeitung gelesen haben, denn eigentlich deutet nichts auf diesem Abschnitt darauf hin, dass dies seine Zone ist, in der sich Fußgänger:innen, Radfahrende und Autofahrende alle Verkehrsflächen gleichberechtigt teilen. Viele Fußgänger:innen fühlen sich auf der Fahrbahn dennoch in einer Fußgängerzone. Fußgänger:innen aus der Schweiz erklärten mir mal, dies sei doch ein Shared Space, da dürften sie gehen. Besonders kurios war die Belehrung einer Radfahrerin an mich, als ich anhielt, weil aus der Sophienstraße von rechts ein Auto kam, das Vorrang hatte. Sie sagte zu mir: "Der muss sich doch da jetzt nicht reindrängen, das ist ein Shared Space! Da haben wir Vorrang." 

Tatsächlich gibt es den Shared Space in unserer StVO nicht. Die Tübinger Straße ist auf diesem Abschnitt als Straße ausgeschildert, auf deren Fahrbahn Tempo 20 gilt und wo man nicht parken, sondern nur zum Be- und Entladen halten darf. Dass es kein Parkverbotsschild gibt, zeigt schon, dass die Seitenräume Gehwege sind (auf denen man ja nie halten oder parken darf),und dass die Mitte eine Fahrbahn ist, die zu schmal ist zum Parken. Die Fahrbahn ist deutlich erkennbar als Fahrbahn, die Fußgänger:innen zwar queren, auf der sich aber nicht entlang gehen dürfen. Und überall, wo keine Verkehrszeichen es anders regeln, gilt für den Fahrverkehr Rechts vor Links, so auch hier. Übrigens müssen auch wir Radfahrende langsam tun, dürfen also nicht schneller als 20 km/h fahren. Ein Fußgänger rief mir, als ich an ihm vorbei fuhr, mal "20!" zu. Ich fuhr aber tatsächlich nur 15 km/h, weil viel Fußverkehr auf der Fahrbahn war. Die meisten irren sich eben auch bei der Geschwindigkeit eines Radfahrers. Sie wird sehr oft drastisch überschätzt. 

"Fahren Sie doch da drüben auf dem Radweg!", pflaumte mich im Schlossgarten mal eine Frau mit Kind an, als ich anhielt, weil das Kind quer über den Weg geisterte. Wir befanden uns auf dem breiten Weg zwischen Grillplatz und Spielplatz. Sie war der Meinung, dass die Platanenallee unser Radweg ist.  

Tatsächlich sind die meisten Wege im Schlossgarten als gemeinsame Geh- und Radwege ausgeschildert, sowohl der am Grillplatz und Spielplatz, als auch der in der Platanenenallee entlang der Bahngleise. Es gilt Rücksichtnahme von Radfahrenden auf Fußgänger:innen (an der ich es nicht hatte fehlen lassen), aber auch freie Fahrt für Fahrräder. Und auch in der Platanenallee sind Fußgänger:innen unterwegs. Sie hat aber den Nachteil, dass sie nachts unbebleuchtet ist (und man die fast immer dunkel gekleideten Fußgänger:innen noch schwerer sieht) und dass quer liegendes Schmuckpflaster die Fahrt unangenehm macht. 

"Wenn Radfahrer doch die Radwege benutzen würden!", hören und lesen wir oft und verstehen gar nicht, was der Autofahrer oder die Autofahrerin meint. Offenbar stört es manche, wenn wir auf der Fahrbahn fahren. Aber nicht alles, was durch die Windschutzscheibe wie ein Radweg aussieht, ist auch einer, den wir benutzen müssen. Das gilt vor allem für die 150 km Gehwege, die für den Radweg nur freigegeben sind. Sie sind keine Radwege, denn auf ihnen müssten wir Schrittgeschwindigkeit radeln, weshalb wir sie nicht benutzen müssen. Autofahrende sehen aber genau dort die Fahrräder fahren und manche sehen auch das kleine Fahrradzeichen unter dem blauen Gehwegschild und meinen, dies sei ein Radweg. Viele Radfahrende machen dann die Erfahrung, dass sie angehupt werden, wenn sie auf der Fahrbahn fahren. Manchmal ruft uns auch einer zu, wir sollten gefälligst auf dem Radweg fahren, der aber eben nur ein freigegebener Gehweg ist. 


4 Kommentare:

  1. Die Tübinger ist ein verkehrsberuhigter Geschäftsbereich, in dem Fußgänger überall gehen dürfen. https://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrsberuhigter_Gesch%C3%A4ftsbereich

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  2. dort steht nichts davon, dass Fußgänger auf der Fahrbahn laufen dürfen. 20kmh-Zone ist lediglich eine Geschwindigkeitsbegrenzung für einen definierten Bereich (endet mit Zone-Ende)
    In diesem Bereich darf auf der Fahrbahn nicht schneller als 20kmh gefahren werden. Und zwar egal welches Fahrzeug: PKW, Lkw, Bus, Traktor, Fahrrad alle dürfen max 20kmh fahren.
    Diese 20kmh Zonen richtet man vornehmlich da ein, wo hochfrequentierte Bereiche zu finden sind. Und das wäre in in einem Bereich vielen Geschäften, Außenbereichen und damit auch vielen Fußgängern (auf dem Gehweg!).
    Meiner Ansicht nach ist Tübinger Straße auch hochfrequentiert in dem betreffenden Abschnitt. Allerdings architektonisch "misshandelt":
    Durch komplette Boden-Gleichheit der Fahrbahn, Seitenstreifen und Gehweg kann kein Verkehrsteilnehmer gut "seinen" Bereich erkennen.
    Fußgänger verhalten sich so als ob es eine Fußgängerzone wäre, PKWs parken wo es Platz hat (fehlender Bordstein) Radfahrer fahren wo sie am besten durchkommen.
    Eigentlich sollte es eine Fußgängerzone sein, bzw halbiert - also außen Fußgänger und in der Mitte Radfahrer, kein Pkwverkehr.
    Das allerdings erfordert dann eine andere Verkehrsführung für Pkw ect.
    Man muss ehrlich sein, es sind dort viele Fußgänger unterwegs, die teilweise keinen Platz auf dem Gehweg haben.

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  3. Ich finde im Artikel keinen Fehler. Es geht um § 45 (1c) und (1d) StVO. Weder zur Tempo-30-Zone noch zur Tempo-20-Zone stehen in der Straßenverkehrsordnung (StVO) oder in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (Vwv-StVO) Angaben zur Aufteilung und Nutzung des Straßenraums. Also gelten nach meinem Verständnis die Grundregeln im Verkehr: Die Fahrbahn ist für Fahrzeuge da, die Gehwege zum Gehen. Die Anforderung „hohes Fußgängeraufkommen“ betrifft hohen Querungsbedarf (zwischen den beiden Gehwegen), aber keine andere Nutzung der Fahrbahn zum Gehen. Das Gleiche gilt für die Anforderung „überwiegende Aufenthaltsfunktion“.

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