6. August 2017

Das Fahrrad ist einfach zu schnell

Aktive Berufstätige bringen etwa 90 Minuten am Tag mit Fortbewegung zu. Das hat sich seit den Zeiten vor dem Auto und der Eisenbahn nicht groß verändert. 

Früher ging man zu Fuß, etwa fünf Kilometer am Tag. So mancher wanderte lieber, als mit der Postkutsche zu reisen, denn die wackelte mit 3 km/h über Land. Als die Verkehrsmittel schneller wurden - mit dem Fahrrad, mit dem Zug, später mit dem Auto -,änderten sich die Entfernungen, die man zurücklegte, nicht aber die Zeit, die man dafür investierte. Man kann also sagen: Menschen haben ein Gefühl für die Zeit, die sie investieren wollen, um woanders hin zu gelangen. Das Auto hat es beispielsweise möglich gemacht 30 km vom Arbeitsplatz entfernt zu wohnen. Heute fahren Berufstätige oder Mütter (die fahren besonders viel) etwa 50 km am Tag mit dem Auto Tag herum.
Das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern auf der Seite der unabhängigen Verkehrswissenschaftler in der Analyse von Rudolf Pfleiderer gelesen. Er stellt lesenswert dar, dass mehr Straßen die Reisegeschwindigkeit erhöhen und deshalb mehr Autoverkehr erzeugen, weil Wege innerhalb des persönlichen Reisebudgets wieder machbar erscheinen. Eine Ortsumgehung verkürzt die Reisezeit um ein paar Minuten. Die freie Ortsmitte erzeugt dann aber einen neuen Verkehr, weil die Ortsdurchfahrt auch wieder schneller geht. So erhöht eine Beschleunigung des Verkehrs die Zahl der Autofahrer, immer innerhalb dessen, was Menschen für ihre Reisezeit für akzeptabel halten.

Für diese Seite, die sich mit Radfahren beschäftigt, finde ich aber etwas anderes interessant. Wer nämlich mit dem Auto innerhalb von Stuttgart unterwegs ist, ist auf 5 bis 6 km so gut wie immer langsamer als ein Radfahrer. Selbst nachts, wenn nichts los ist auf den Straßen, bin ich mit dem Fahrrad von der Schlossstraße im Westen zur Lehenstraße im Süden eine Minute schneller als das Auto. Wer also in der Stadt mit dem Auto fährt (zum Einkaufen, Kinder abholen, zur Arbeit ... ) will sein Mobilitätsbudget (durchschnittlich ca. 90 Minuten pro Tag) füllen, das er oder sie für die 2 bis 4 täglichen Fahrten eingeplant hat. Mit dem Fahrrad hätte er noch was übrig. Das Fahrrad ist zu schnell.

Ein sinnloses Foto, an der Radroute gemacht
Ich habe nämlich bei mir selbst festgestellt, dass sich die Zeit, die ich mit dem Fahrrad von und zu meinen Terminen zubringe, weniger geworden ist als die Zeit, die ich früher im Auto nur zur Arbeit und nach Hause zugebracht habe.  Ich habe jetzt in meinem Mobilitätsbudget sozusagen noch Luft und breche durchaus noch mal auf zu einem Termin oder einer Besorgung, weil es schnell geht und unkompliziert ist. Könnte also sein, dass so manche, die so sehr am Auto hängen, gar nicht an kurzen und schnellen Wegen interessiert sind, sondern daran, eine für sie ausreichend lange Zeit im Auto zu verbringen. Auch im Stau. Sonst würden sie ja was anders machen. Tun sie aber nicht.


3 Kommentare:

  1. ", eine für sie ausreichend lange Zeit im Auto zu verbringen. Auch im Stau. Sonst würden sie ja was anders machen. Tun sie aber nicht."

    Ich glaube, es gibt Menschen die es sich überhaupt gar nicht vorstellen können von A nach B mit dem Fahrrad zu fahren bzw. eigentlich besser - was anderes zu nehmen als das Auto. Schon wenn ich Sonntags die Brötchen im Nachbarort (3.5km) mit dem Fahrrad hole - ernte ich erstaunte Blicke. "Wie mit dem Fahrrad ?" - "Ja, sind doch nur 3.5km... :-)" -- Kopfschütteln. Wenn dann noch rauskommt das ich auch ins Büro mit dem Rad fahre - will ich nicht wissen was so "gschwätzt" wird....

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    1. :-) Das Gschwätz ist wichtig. Einfach dran bleiben und weitermachen. Mit der Zeit kommt der eine oder andere Nachbar auf die Idee, hin und wieder auch mal ein Fahrrad zu benutzen. Die positive Wirkung auf die Nachbarschaft kenne ich aus eigener Erfahrung. Und irgendwann in hundert Jahren kommen wir zu einem völlig gelassenen Verkehrsmisx aus Füßen, Fahrrädern, Autos, ÖPNV oder was auch immer. Wir alle tragen dazu in unserem Alltag und über das "Gschwätz" ein kleines bissel bei.

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    2. ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich als Radlerin eher bewundert wurde. "Was bei dem Regen bist du mit dem Fahrrad gekommen?" Viele sagen dann: "Eigentlich könnte ich auch mit dem Fahrrad kommen, aber ..." Und über das Aber kann man sich dann unterhalten. So manche steigen auch um, wenn sie sehen, dass die radelnden Kolleg/innen eigentlich ganz gut gelaunt ankommen, weil sie sich bewegt haben.

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