4. Mai 2019

Komunalomat hat den Radverkehr vergessen

Die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten richten bei Wahlen immer Wahlomaten ein. Für die Kommunalwahl gibt es das als Komunalomat. Aber der taugt nicht für uns Radfahrer. 

Denn er enthält keine einzige These zum Radverkehr. Gar keine. Es wird gefragt, ob man die gerichtlichen Dieselfahrverbote missachten soll oder ob der Öffentliche Nahverkehr kostenlos sein soll, immer verbunden mit den vier Möglichkeiten zu antworten: "Zustimmung" - "Abelehnung" - "Neutral" - "Überspringen". Aber eine These zum Radverkehr gibt es nicht.

Eine allgemeine hätte nicht gereicht wie "Der Radverkehr soll massiv ausgebaut werden", dass das unterschreiben viele Parteien. Es müssen polarisierende, konflikthafte Thesen sein. Aber auch die gibt es.


Es hätten beispielsweise die Thesen getaugt: "Für Radwege sollen Parkplätze aufgegeben werden" Oder: "Die Stadt soll für eine durchgängige Radinfrastruktur den Autos Fahrspuren wegnehemen." Das unterschreiben schon viel weniger Parteien. (Wir haben den Vorrang des Radverkehrs vor dem Platzbedarf des Autos übrigens bereits festgeschrieben in unserem Zielbeschluss für ein fahrradfreundliches Stuttgart, aber wir werden deshalb noch viele Konflikte bekommen, wenn es konkret wird.)

Warum wurde keine einzige These in den Katalog der wichtigen Themen aufgenommen, anhand derer sich die Parteien durch ihre Antworten profilieren könnten? Ich habe das schon moniert, als wir von den Zeitungen die Thesen vorgelegt bekamen, damit wir unsere Antworten formulieren konnten. Es war aber nicht möglich, die Vorgaben zu ändern.

Der Radverkehr wird in Stuttgart auch von den Medien immer noch unterschätzt. Dabei ist der Radverkehr die Lösung sehr vieler innerstädtischer Probleme und vergleichseise preiswergt noch dazu. Ein Radverkehr, der einen Anteil von zwanzig oder gar dreißg Prozent im Modalmix (Auto, Bus, Bahn, zu Fuß) wirkt gegen: Lärm, Luftverschmutzung, Stau, überfüllte Bahnen, fehlenden Platz für Menschen im öffentlichen Raum, zu wenig Platz für Wohnungsbau, zu teure Wohnungen wegen der Autostellplätze, Bewegungsmangel, Zivilisationskrankehiten, CO2-Ausstoß und so weiter.

Was für eine seltsame Blindheit der Medien gegenüber uns, die wir immer mehr werden und unverdrossen an einer positiven Entwicklung der Stadt arbeiten. Wir finden nicht statt. Oder vielmehr, es ist nicht vorstellbar, dass eine Radverkehrspolitik stattfindet und stattfinden muss, obgleich es unseren Zielbeschluss gibt, der unsere Verkehrspolitik total verändert, wenn man ihn ernst nimmt.

Übrigens haben die Stadtisten bei der Befragung zum Komunat den Fehler gemacht, sich in vielen Fällen für keine der Thesen zu entscheiden und neutral zu bleiben. Man kann auch sagen, sie haben sich den Thesen entzogen. Das führt in den Fällen, die ich kenne, dazu, dass sie jeweils ans Ende der Liste der Übereinstimmungen mit Thesen der Parteien rückt und somit als überhaupt nicht wählbar erscheint. Beim Radverkehr hätten sich die Stadtisten, so wie ich sie kenne (ohne Schertlen) sicher positiv positioniert.

12 Kommentare:

  1. In Sachen Mobilität und Lebensqualität hätte ja auch der kurze Stichpunkt gereicht: Sie stehen gern im Stau, gern auch mal die 500m zum Bäcker? Dann wählen sie CDU (AfD), FDP oder die freien Wähler. Inhaltlich sind sie alle gleich. Leer. Wollen Sie statt dessen eine Verkehrswende, nachhaltige Mobilität für alle, die bezahlbar ist und gut für Stadt/ Land/ Flora und Fauna? Dann wählen sie irgendeine andere außer der oben genannten.

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  2. Tja, so kann man verschiedener Meinung sein. Schertlen erhält von mit aufgrund seiner Haltung zur Hauptradroute 2 die volle moglmöge Stimmzahl. Beeindruckend auch das tatsächlich ein Stadtrat das mit den Entscheidungen nach seinem Gewissen durchzieht.

    Du dagegen kriegst keine einzige Stimme von mir. Wer unerfahrene Radfahrer wider besseren Wissens auf Radstreifen in gefährliche Situationen schicken will "um Radverkehr sichtbar zu machen" hat keine verdient.

    Martin

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    1. Jörg
      So kann man das auch sehen. Man greife ein Detail heraus und sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht. Natürlich hat Christine nicht in allen Punkte meine Meinung. Kann es sein, dass sie ein anderer Mensch ist?
      Was auch immer Du mit Radstreifen meinst. Beim Am Kräherwald und der Stresemannstraße bin ich klar für kombinierte Rad- Fußwege. Man muss doch nur die Leute (Radfahrer) beobachten, dann sieht man wo gefahren wird. Letzendlich entscheiden die Stuttgarter Ämter über die Ausführung der Radverkehrsanlagen. Sie deuten die ERA und die anderen Vorschriften, nicht Christine. Sie treibt mit vielen Mitstreitern an das überhaupt etwas geschieht.
      Natürlich konnte man im Stuttgart der 80-er Jahre ohne Radwege überall ganz toll und sicher auf der Straße radfahren. Aber sind wirklich viele Rad gefahren? War das wirklich schön? Ja gut man konnte die B14 vom Schattenring nach Heslach abfahren. Heute ist da mit dem Rennrad Ende im Gelände. Jaaa die gute alte Zeit.

      Parteien die für den ÖPNV Abbau durch Gleisabbau im Rosensteinviertel sind oder kostenfreie Parkplätze dem rollenden Verkehr (Radverkehr) vorziehen. Sind für mich aus Radfahrersicht eher nicht zu unterstützen.

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    2. Danke, Martin. Du musst mir deine Stimme nicht geben. Aber eine kleine Anmerkung möchte ich für die anderen hier doch dazu machen: So radikal wie ich eigentlich in Sachen Radverkehr bin (Radinfrastruktur, und zwar geschützt und sicher, überall hin, Autoverkehr überall auf eine Fahrspur begrenzen und Tempo 30 in der ganzen Stadt), so sehr weiß ich doch auch, dass Politik aus Kompromissen besteht. Wir haben Parteien im Gemeinderat, die für eine Verbesserung in einem Antrag kämpfen, den durchsetzen, und dann doch aus Prinzip am Ende dagegen stimmen, und dann bekommt der Kompromiss keine Mehrheit und nichts verändert sich. Da gehe ich pragmatischer vor. Ich möchte so schnell wie möglich Radinfrastruktur auf unseren Straßen sehen, ich möchte, dass andere sie sehen, ich möchte, dass sie Autofahrende ermutigt, doch mal und dann immer öfter das Auto zu nehmen. Und je mehr Infrastruktur auf unseren Straßen sichtbar ist, desto mehr Radler haben wir und mit der Menge kommt die Sicherheit und kommen bessere Radwege und bessere Kreuzungsregelungen, kürzere Ampelphasen für Radler und all das. Das, was wir heute noch an Radsttreifen und Radwege anlegen oder ausweisen, wird dem künftigen Radverkehr nicht standhalten, nur kriegen wir diesen künftigen Radverkehr halt nicht, solange die Leute Angst haben, in Stuttgart mit dem Fahrrad zu fahren, weil sie sich viel zu oft von Autos bedrängt sehen. Und den Streit Radstreifen und Radweg kann ich persönlich nicht entscheiden, denn Radwege wirken zwar sicher, sind es aber an Kreuzungen und Einmündungen nicht, Radstreifen liegen dagegen auf der Fahrbahn und man ist sichtbar. In Leipzig werden Radwege an Kreuzungen auf die Fahrbahn verschwenkt, das ist auch eine gute Lösung. Aber es gibt dort auch viele Radfahrstreifen mit Abbiegeweichen auf den Kreuzungen. Ich glaube, wenn wir immer prinzipiell entscheiden und Radinfrastruktur ablehnen, weil sie uns nicht weit genug geht oder nicht perfekt genug erscheint, dann kriegen wir gar nichts, weil es zu viele gibt, die gegen Radinfrastruktur sind, weil sie ihnen zu weit geht. DAs ist das Dilemma unserer STadt momentan. Und wir brauchen Stadträt/innen, die bereit sind Politik zu machen und Veränderungen auf die Straße zu bringen (Autoideologen haben wir genug, die prinzipiell fürs Auto arbeiten und damit auch noch Erfolg haben). Das ist mein Standtpunkt. Den könnt ihr teilen oder auch nicht. Ist für mich alles in Ordnung.

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  3. Man könnte manchmal meinen, die Presse wolle das Thema totschweigen. Das wäre kein Wunder, denn eine ihrer Haupteinnahmequellen dürfte die Autowerbung sein.

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  4. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, wenn Vorschläge unabgefragt bleiben, die von der großen Mehrheit im Vorfeld als Gängelung empfunden werden, wie beispielsweise der Wegfall von Parkplätzen - oder ist irgendjemandem daran gelegen, sein Image als Verbotspartei auszubauen?
    Analog ist ja zu befürchten, dass der Einsatz gegen die Einhaltung der geltenden Rechtssprechung zum Thema Fahrverbote zu Stimmengewinnen derjenigen führen wird, die diesen skandalösen Rechtsbruch propagieren.

    Perverse Welt...

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    1. Na ja, es wird durchaus gefragt, ob man in der Innenstadt nach und nach alle Straßenrandparkplätze wegnehmen soll. Und es wird danach gefragt, ob man die gerichtlichen Dieselfahrverbote ignorieren soll, das sind "Verbot"-Themen. Und das mit "Verbotspartei" ist ein alter Hut, seidem wir FridaayForFuture haben, die eine massive Enschränkung unserer Lebensgewohnheiten (Autofahren, Fliegen, Essen, Heizen etc.) fordern. Das zieht nicht mehr so richtig, auch wenn viele Parteien Angst haben, dass man ihnen vorwirft, sie wollten unsere Alltagsbequemlichkeit oder auch nur unsere schlechten Gewohnheiten einschränken. Ganz im Gegenteil. Ich meine, irgenwann muss man ja auch mal Haltung zeigen. Und ich spüre, dass viele Menschen Politiker/innen oder Persönen des öffentlichen Lebens mögen, die Haltung zeigen. Mir hat mal eine geschrieben: "Verbietet doch endlich das Autofahren, dann sehe ich mich wenigstens gezwungen umzusteigen." Menschen möchten nicht gern die Deppen sein, viele wollen, dass man allen Vorgaben macht, damit sich wenigstens alle daran halten, nicht nur man selber.

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    2. Die Frage, ob man die Dieselfahrverbote ignorieren kann, ist eine Frechheit und laesst tief blicken.
      Eigentlich muesste die Frage ja lauten: Sind Sie der Meinung, dass der Rechtsstaat respektiert werden soll?
      Gruss - Matthias

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  5. @Frank: Radfahren und mehr fürs Radfahren tun, ist eine so einfache und so preiswerte Lösung, dass man sie allein deshalb uninteressant findet. Wir reden gern über hochtechnisierte und teure Lösungen wie fliegende E-Taxis oder vernetztes autonomes Fahren, aber so was banales wie mit Muskelkraft radeln und das in der ganzen Stadt und damit auch noch das Verkehrsproblem gelöst haben, das erscheint der Presse nicht glitzernd und kompliziert genug, das kann man uch nicht skandalisieren und da können die Technologiekonzerne auch nichts gewinnen. Wir diskutieren eigentlich in Deutschland gern nach dem Prinzip: "Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht". Bei Podiumsdiskussionen schmücken sich die Herren gerne mit Autonomen Fahren und E-Autos, fast nie aber mit: "Lasst uns doch erst mal den Radverkehr ausbauen und dann schauen, wie es sich mit dem Autoverkehr entwickelt."

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  6. Ja, Matthias, diese Frage, ob man Gerichtsurteile ingoriert, lässt tief blicken. Allerdings spiegelt sie in der Tat wider, was da bei den Dieseldemos so rumort und worüber die Zeitungen stets berichten.

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  7. Die Blindheit der Medien ist in der Tat beachtlich. Da treffen sich drei Gegner des Fahrverbots, und es ist eine große Story. Wenn über tausend bei der Critical Mass sind wird es nicht Mal erwähnt. Vermutlich sitzen in den verstaubten Räumen der Redaktion ältere Herren von gestern, die die Stadt von morgen durch ihre Lesebrille nicht erkennen können.

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  8. Es gibt auch andere „komunaten“ zum Beispiel den komunat.de der auch nach Radwegen fragt. Guter Artikel!

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