19. August 2019

E-Scooter: teurer Spaß mit Hindernissen

Seit in paar Tagen kann man in Stuttgart E-Scooter ausleihen. Das hat mit Radfahren insofern etwas zu tun, als sie uns auf unseren Radwegen begegnen. 

Sie müssen nämlich die Radinfrastruktur benutzen, dürfen nicht die Infrastruktur der Fußgänger/innen befahren, übrigens auch keine für Fahrräder freigegebenen Gehwege. Denn es sind rein motorbetriene Fahrzeuge, sie brauchen, anders als Pedelecs, keine Muskelkraft. Deshalb haben sie auch Versicherungskennzeichen und unterliegen einer Altersebegrenzung bei ihren Fahrer/innen auf über 14 Jahre.

In Berlin habe ich mir kürzlich ansehen können, was diese E-Tretroller mit einer Stadt machen.
Es sind noch nicht so viele, aber man sieht sie wirklich immer wieder falsch herumstehen, gerne mitten auf dem Gehweg, vor einem Zugang in einen Park Foto oben), vor Türen, mitten auf einem Platz.
Wer sie besteigt - in Berlin gerne Touristen - fährt oft ungeniert auf dem Gehweg. Schließlich kennt man sich nicht aus und auf den Autofahrbahnen erscheint das gefährlich und verwirrend und die Radwege, die es in Berlin reichlich gibt, sind schmal. Außderdem muss man sich dann ja an die Verkehrsregeln für Fahrzeuge halten, an Ampeln warten, ordentlich mit Handzeichen abbiegen und all das.

Mir war es zu teuer, mir einen der E-Scooter auszuleihen. Man zahlt nämlich, so wie auch in Stuttgart - denn es ist derselbe Vermieter - einen Euro fürs Inbetriebnehmen. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen muss man sich verpflichten, nicht auf Gehwegen zu fahren und einen Helm zu tragen. Den hatte ich nicht dabei, und den hat überhaupt niemand dabei, der sich auf so ein Ding stellt. Baut er oder sie einen Unfall und erleidet dabei Kopfverletzungen, kann er oder sie den Betreiber damit nicht in Gegress nehmen und zahlt die Krankenhauskosten selbst (d.h. seine Krankenkasse zahlt sie vermutlich).

Pro angefangener Minute werden noch mal 25 Cent fällig. Da ist man bei einer arglosen zehnminütigen Fahrt gleich bei 3,50 Euro (die U-Bahn in Berlin kostet als Einzelfahrt 2,80 Euro, und da kann man zwei Stunden damit fahren, eine Tageskarte kostet 7 Euro).

Es rechnet sich nicht.
Wie in der Stuttgarter Zeitung zu lesen war, erhofft sich der Betreiber, dass die Leute mit einem E-Scooter zur Bahnhaltestelle fahren und von der Haltestelle zum Arbeitsplatz, abends das ganze retour. Vier Euro ist man dabei auf jeden Fall los. Fährt man jeweils noch 500 Meter (das ist der Abstand, den man in der Stadt von Stationen des öffentlichen Nahverkehrs meist höchstens hat), dann ist man zwei Minuten unterwegs, zahlt also noch mal 50 Cent, das Mal vier, sind zwei Euro. Der Spaß kostet dann pro Tag sechs Euro. Zuzüglich zu den Kosten des Tickets für Bus oder Bahn (oder zum Abo), die billiger sind als einmal Ausleihen und drei Minuten E-Scooter-Fahrt.

Ich sehe das noch nicht als Massenphänomen, jedenfalls nicht mit geliehenen E-Tretrollern. Bleiben noch Fun-Fahrten und Touristenfahrten und gelegentliche Fahrten in besonderen Fällen. Dass das Fahren gar nicht so leicht ist, konnte man am 16. August in SWR 1 hören, als die Reporterin, die bei einer bewusst langsamen Fahrt (sie hatte keinen Helm dabei und wollte vorsichtig sein) mit 5 km/h stürzte und sich die Kleidung aufriss und Haut aufschürfte.

Wie die Dinger bergauf ziehen (Alte Weinsteige mit 5 km/h in einem Test der StZ), wird man ausprobieren (auch wie lang eine Ladung hält), das Risiko sind grundsätzlich eher Bergabfahrten, wenn sich die Energie erhöht, die man zum Bremsen braucht. Man ist ja auch, anders als Radfahrende, auf sehr kleinen Reifen unterwegs und muss höllisch aufpassen, nicht in Schlaglöcher zu fahren, die an Straßenrändern besonders häufig sind.

Ein Problem bleibt das Abstellen auf den Gehwegen. 
Fußgänger/innen, die nicht gucken oder solche, die sehbehindert sind, stolpern. Für den Rest entstehen Engstellen.

In Berlin ist das Geschäft mit den E-Scootern so bombastisch, das die Stadt den Betreiberfirmen immerhin die Bedingungen diktieren kann. Inzwischen können die Geräte nicht mehr am Brandenburger Tor stehen gelassen und verlassen werden (man zahlt halt weiter, denn in diesen Bereichen blockieren die Apps die Parkfunktion), und es sollen Flächen ausgewiesen werden, wo man die Dinger abstellen kann, und zwar auf der Fahrbahn. Und man sogar, wie man verhindert, dass sie auf Gehwegen üerhaupt noch abgestellt werden können und erwägt, dass Nutzer ein Foto von der Abstellstelle machen und an den Anbieter schicken müssen, der es überprüft (wie auch immer) und erst dann den Nutzer ausloggt.

Unsere Radinfrastruktur taugt für E-Scooter nicht.
Wenn wir Radler uns so ein Ding ausliehen - just vor fun und weil wir total neugierig sind - werden wir schnell feststellen, wie oft wir über freigegebene Gehwege geschickt werden, und uns neue Wege suchen müssen. Es wird sofort offenar wie immens lückenhaft unsere Radrouten sind. Ein paar wenige Beispiele: 
  • Den Radfahrstreifen auf der Theo kann man mit dem Scooter befahren, aber wo er endet und wir in der Fußgängerzone zur Bolzstraße weiterradeln, müssen wir mit dem E-Scooter auf der Fahrbbahn bleiben (und an jeder Ampel halten). 
  • Den Abschnitt zwischen Radweg Holzstraße und der Fahrrad-/Fußgänger-Ampel an der Planie/Charlottenplatz darf man mit dem E-Scooter nicht fahren, denn dies ist kurz mal ein Fußgängerereich, der für Radler nur freigegeben ist, nicht aber für E-Scooter.
  • Die Wege rund um den  Marienplatz sind für E-Scooter verboten, auch die Durchfahrt am alten Rewe auf der Hauptradroute 1 zur Möhringer Straße. Das sind alles Fußgängerbereiche mit Rad-frei. 
  • Den Neckardamm darf man damit nicht befahren. 
  • Über den Ferdinand-Leitner-Steg im Schlossgarten darf man auch nicht rollern, da hängen Fußgänger-Schilder mit Rad-frei. (Ich hoffe, das E-Scooter-Fahren im Schlossgarten wird generell verboten und durch die App, die den Motor abschalten kann, auch unterbunden.)
  • Schüler/innen, die in Möhringen mit dem Rad auf dem Gehweg zur Anne-Frank-Schule radeln, müssen den Weg mit dem E-Scooter auf der Fahrbahn der Hechinger Straße zurücklegen.
  • Und wer mit dem Fahrrad über die Bopserwaldstraße und durch den Wald nach Degerloch hochzuradeln gewohnt ist, muss mit dem E-Scooter passen (oder auf der Fahrbahn die Neue Weinsteige hochrollern), denn im Wald darf man mit den E-Rollern auch nicht fahren. 
  • Sie dürfen auch nicht auf der Marktstraße am Marktplatz vorei durchs Dorotheen-Viertel zum Schlossplatz fahren.  
  • Und all die vielen Einahnstraßen, die für Radfahrende in Gegenrichtung freigegeben sind, sind nicht zugleich auch für E-Scooter freigegeben. 
Die Stadt kann natürlich anfangen, unter die Rad-frei-Schilder auch noch Schilder zu hängen, die Gehwege für E-Scooter freigeben. Aber das würde allen Fußgänger/innen und ihren Verbänden klar machen, dass die E-Roller eben doch durch die Hintertür auf Gehwegen zugelassen werden. Und wie bei Radfahrenden erzeugt die gelegentliche Gehwegfreigabe auch das Gefühl, man könne immer auf dem Gehweg fahren, wenn einem die Fahrbahn nicht geheuer oder zu unbequem ist. Und das wollen wir auch bei Radfahrenden ja endlich mal nicht mehr haben. 

Diese Regeln werden die meisten E-Scooterfahrer übrigens nicht mal ahnen, geschweige denn kennen. Anderseits helfen uns die Menschen, die auf den E-Scootern fahren, dass auch Nicht-Radler/innen offenbar wird, was wir schon wissen: Das Verhalten mancher Autofahrenden macht Angst, auf der Fahrbahn zu fahren, sie drängen auch die E-Scooter an den Rand, wo der Asphalt besonders holprig ist. Die Kaltentaler Abfahrt hinauf werden sie genauso knapp überholt wie wir. Und die Radinfrastruktur, die wir benuzten, hilft ihnen auch nicht weiter, denn allzuoft führt sie durch Fußgängerzonen.

Das beschleunigt hoffentlich in der Politik die Erkenntnis, dass wir dringend eine überall durchgängige Radinfrastruktur getrennt von Fußgänger/innen brauchen, auf der sich alle sicher fühlen und auch sicher sind (beste Untergründe zum Beispiel, keine Bordsteine) und die zudem breit genug ist, die verschiedenen Fahrgeräte mit ihren unterschiedlichen Geschwindigkeiten aufzunehmen. Denn immerhin ist jedes kleine Fahrgestell unter den Füßen immer noch besser als das tonnenschwere Vierrad, das auch nur eine Person transportiert.

Allerdings dürften E-Scooter nur wenige Prozent des Autoverkehrs ersetzen. Vielmehr ersetzen sie den Fußverkehr und bedrängen ihn zugleich. Und auch diese Geräte, die viel Strom wollen, werden nicht klimaneutral und nicht fair hergestellt und sind außerdem auch noch Wegwerfware. Das hat die taz recherchiert und in diesem Artikel dargestellt. In Berlin fährt man übrigens viel mehr als etwa in Stuttgart mit normalen Rädern, nicht mit Pedelecs (ogleich die auch herumfahren), weil die Stadt flach ist. Deshalb ist die Ökobilanz des E-Scooters dort noch schlechter als bei uns gegenüber dem Pedelec. Das hat in Stuttgart enorm dazu beigetragen, dass viel mehr Menschen Fahrrad fahren als vorher.


8 Kommentare:

  1. Ich hatte in Mannheim auch schon meine Erlebnisse mit diesen Scootern. Nach meinem Eindruck ist das eine reine Spaßaktion. Die Scooter fahren überall, auf Gehwegen, auf Radwegen, auf Fahrbahnen, gerne auch mal zu zweit auf so einem Ding. Aber der Hammer war das Erlebnis letzte Woche. Ich habe mein Auto auf einem Parkstreifen abgestellt und auf meinen Mann gewartet. Kommt so ein E-Scooterfahrer um die Ecke, fährt vor mein Auto auf den Parkstreifen, schmeißt seinen Scooter quer vors Auto und rennt wie von der Tarantel gestochen weg. Er kam auch nicht wieder. Sein Begleiter auf einem zweiten Scooter hielt auch nichts davon den Scooter beiseite zu räumen. Ich habe ihn dann weggezogen, und die Dinger sind echt schwer, er lag dann natürlich auf dem Gehweg. Ich hatte aber wirklich keine Lust mich mit dem Ding zu beschäftigen und vor allem nicht in Verdacht zu geraten, ich wollte etwas von dem Teil. Was mit dem Typ war, vollkommen unklar.
    Übrigens gab es bei uns im Lokalfernsehen eine sehr interessante Diskussion zum Thema E-Scooter und dem Drumherum. Der mitbeteiligte Polizeidirektor hatte bei der Anfahrt zum Fernsehen auch eine Begegnung, mit zwei Mädels auf einem Scooter, erzählt er dort. Wen die Diskussion interessiert, nachfolgend der Link.
    https://www.rnf.de/mediathek/video/zur-sache-vom-16-august-2019/
    Ist ganz interessant wie die an der diskussion Beteiligten das sehen (Polizei, ADFC, Stadt, Fahrradverkäufer).
    Gruß
    Karin

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    1. In Paris sollen ja verärgerte Leute, die E-Scooter schon in die Ssine geworfen haben. Mich hat in Berlin auch die Frage beschäftigt, warum die Fußgänger/innen die Dinger nicht beiseite stellen oder auf die Fahrbahn werfen. Übringens stehen dort auch Leihfahrräder mitten auf dem Gehweg herum, einfach so abgestellt.

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    2. Das ist das Problem mangelnder Erziehung. Man lernt einfach nicht mehr, dass man mit fremdem Eigentum sorgsam umgehen sollte, dass man nicht alleine auf der Welt ist (nennt sich Rücksichtnahme),dass das eigene Handeln immer auch Auswirkungen auf andere hat. Heute wird mehr agiert nach dem Motto "nach mir die Sindflut". Ich möchte so weder leben noch handeln.
      Das "auf die Fahrbahn werfen" ist brandgefährlich. Da ist man nämlich recht schnell dabei mit Straßenverkehrsgefährdung. Und beiseitestellen ist ein Problem, bei den schweren Dingern. Muss der Nichtnutzer sich mit der Bedienung des Teils beschäftigen, weil die Nutzer zu faul sind, das Teil richtig und nicht behindernd abzustellen? Wenn das von mir erwartet wird, dann kann ich auch erwarten, dass ich dafür entlohnt werde. Ich stelle schon umgefallene Fahrräder auf, die jemand nach dem Anschließen an den Pfosten umgeworfen hat, oder hebe runtergefallene Klamotten in Läden auf, aber dass ich jetzt noch E-Scooter rumschiebe halte ich doch für zuviel verlangt. Dann lasse ich sie lieber liegen und beschwere mich telefonisch bei der Polizei, dass da wieder so ein Teil rumliegt.
      Karin

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  2. Ralph Gutschmidt19. August 2019 um 20:18

    Danke für den Artikel, die E-Scooter haben sicherlich erheblichen Einfluss auf den Radverkehr.

    Aber Versicherungsangstmachen mag ich nicht so. Die Andeutung, dass es ohne Helm vermutlich Probleme mit irgendeiner Versicherung geben könnte, sind unangebracht. Selbstverständlich zahlt für meine Verletzungen die Krankenkasse und ggfs. bestehende private oder gesetzliche Unfallversicherungen. Auch die gegnerische Haftpflicht zahlt, wenn ein Dritter den Unfall verursacht hat. Das ist für Fahrräder längst höchstrichterlich geklärt.

    Deine Hoffnung, dass die Dinger im Schlosspark verboten werden, kann ich verstehen. Aber es birgt das Risiko, dass auch den bisherigen Radweg-Schildern Fußweg-Schilder mit "Radfahrer frei" werden. Und das wäre für uns Radler sehr lästig. Aber man könnte ein Schild "Verbot für Kraftfahrzeuge" aufstellen.

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  3. Ab Mittwoch 21.08.2019 wird in Mannheim jetzt eine gemeinsame Kontrollaktion (Stadt+Polizei) gestartet. Die Beschwerden über E-Sooterfahrer überall haben sich wohl sehr gehäuft und man hat jetzt beschlossen "wehret den Anfängen".
    Link zur PM: https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/14915/4353663
    Gruß
    Karin

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  4. Ralph Gutschmidt22. August 2019 um 18:57

    Gerade heute wieder zwei gesehen: trotz Radstreifen auf dem Gehweg.

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    1. Man wird wohl auch in Stuttgart mal ordentlich Polizei hinstellen müssen, die die E-Scooter-Fahrer aufklärt, fürchte ich. Komisch eigentlich, dass bei all dem Medienrummel um die E-Scooter so gar nicht bekannt ist, wo man mit ihnen fahren darf. Allerdings machen ja auch die Radfahrenden vor, dass man auf dem Gehweg radeln kann (und manchmal darf, oft aber auch nicht).

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  5. Ich fahre selbst einen e Scooter und schwanke immer zwischen "ist nicht erlaubt" und "meine Gesundheit ist mir lieber". Wäre schön wenn man einzelne Strecken mal hinsichtlich e Scooter untersuchen würde. Die erste Hysterie ist ja vorbei.

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