14. Januar 2022

Wie wir Straßen konsumieren

Straßen werden konsumiert. Das ist der Grund, warum ein Ausbau des Straßennetzes nicht zu weniger Stau, sondern zu mehr Autoverkehr führt. 

Umgekehrt würde der Ausbau der Radinfrastruktur zu mehr Radverkehr führen. Menschen in unserer Konsumgesellschaft sehen sehr genau, was sich lohnt, was Geld spart, weil es Zeit und Material spart. 

Es ist ein von mir schon oft benanntes Paradoxon (das Jevons-Paradoxon oder auch Braess-Paradoxon), dass neue oder verbreiterte Straßen zu mehr Stau führen. Und das liegt an unserem Konsumverhalten. Eine neue Autobahn, eine verbreiterte Schnellstraße oder eine Umgehungsstraße ist zunächst leer, man kommt gut durch, ist schnell da, spart Zeit und Geld. Das spricht sich rum. Ein gutes Angebot erzeugt Nachfrage. Und innerhalb eines Dreivierteljahrs ist die neue Straße genauso voll wie die alte schmale Straße und wieder stehen alle im Stau. Umgekehrt führt der Rückbau von Straßen nicht zu mehr Stau, sondern zu einem Rückgang des Autoverkehrs. Er verpufft regelrecht, er ist einfach weg. Denn der Mensch ist flexibel und richtet sein Verhalten nach den Gegebenheiten. 

Würde man anstelle von Autofahrspuren Busspuren einrichten, würden Busse schneller durchkommen und mehr Leute Bus fahren. Würde man auf den mehrspurigen Fahrbahnen anstelle einer Autospur ein Radfahrstreifen einrichten, dann wäre man mit dem Fahrrad schnell und sicher unterwegs, und viele würden auf kurzen Strecken das Fahrrad nehmen und vergnügt am Autostau vorbeifahren. In der Fahrradstadt Kopenhagen argumentieren die Leute fürs Fahrradfahren nicht mit Umweltschutzgründen sondern mit Bequemlichkeit und Schnelligkeit. Man kann also mit einem guten Angebot eine Konsumhaltung auch so ausnutzen, dass sie dem Wohl aller dient. 

Deshalb muss es auch in Stuttgart eine Angebotsplanung für Radfahrende geben. Wo heute noch kaum jemand radelt, müssen durch eine schöne Radinfrastruktur viele eingeladen werden, mit dem Fahrrad zu fahren. Ein Radinfrastruktur, die gerade so ausreicht und nicht überdimensioniert und schick wirkt, ist keine zukunftsträchtige Radinfrastruktur. Wir müssen es in Stuttgart jetzt zunächst einmal richtig übertreiben, damit auch die Ängstlichen und Besorgten endlich aufs Fahrrad steigen. Das Potenzial liegt bei ungefähr 50 Prozent derer, die heute noch Auto fahren. Und da Menschen auch gerne das machen, was viele andere (vor allem in ihrer Nachbarschaft) schon tun, nehmen Radfahrende schnell zu, wenn schon viele Rad fahren. 



6 Kommentare:

  1. Jörg
    Eine Verkehrsnachfrage, kann man durchaus an einer vollen Straße oder an vollen Straßenbahnen ablesen werden. Dann wäre es konsequent zu den Routen gute Radangebote zu schaffen. Das gilt eigentlich entlang aller unserer bekannten mehrspurigen Staustrecken.
    Heute fährt fast niemand mit dem Rad von Fasanenhof nach Echterdingen. Die Strecke Degerloch nach Echterdingen hat scheinbar kein Potential für Radfahrer. Komisch die Bundesstraße soll erweitert werden.
    Am Echterdinger Ei sieht man wie der Mensch unüberwindbare Grenzen schafft. Da kommt auch kein Hase über die A8. Auf historischen Karten ist die B27 eine Straße für Alle, Fuhrwerke, Autos, Fahrräder und Fußgänger. Bei dem Verkehr von damals hätte der Hase dort lang hoppeln können.

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    1. Es gibt zwar eine Verbindung Echteringen, Fasanenhof, Möhringen - und immerhin wurde ein Schlammweg entlang der Stadtbahnlinie auch asphaltiert, aber die Autobahn trennt wirklich sehr. Und eine gute Radinfrastruktur würde viele vom Auto weg aufs Fahrrad bringen.

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  2. Vorgestern habe ich diesen Artikel in der Tübinger Zeitung gelesen:

    www.tagblatt.de/Nachrichten/Verkehr-soll-fluessiger-und-sicherer-werden-531180.html

    Tenor: Da die B28 ja bald zwischen Tübingen und Rottenburg 4-spurig ausgebaut ist, muss man nun auch den Rest bis zur A81 ausbauen. Denn sonst würden ja bald die Autos nicht mehr ab Tübingen sondern dann ab Rottenburg im Stau stehen.

    Es ist einfach nicht zu fassen wie immer wieder die selben Fehler gemacht werden.

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    1. Ja, so ist das immer. Der Stau wird nur verlagert, immer an die Stelle, wo es wieder schmaler wird. Im Grunde sollten wir in einer Stadt alle Häuser abreißen, damit die Autos auf breiten Straßen gut und schnell durch die Stadt kommen. Gell.

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    2. Gute Idee - Häuser in der Stadt abreissen, um für Autos Platz zu schaffen. Vielleicht könnte auch noch irgendwo ein Spielplatz gebaute werden mit einem großen Parkplatz, damit die Eltern dann ihr Auto gut abstellen können, wenn sie ihre Kinder mit dem Auto herankarren, um mal mit denen auf einem Spielplatz sich eine gemeinsame Zeit zu gönnen :-)

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  3. Dem stehen halt die finanziellen Förderungen beim Kauf eines Autos diametral gegenüber. Solange alle 10 Jahre die Menschen in D massivst dazu animiert werden, sich Autos zu kaufen, wird deine Erkenntnis ja gradezu torpediert.

    Irgendwie kämpft ihr auf Bundes/Landesebene und Kommunalebene gegeneinander und ich kann nur staunend dabei zusehen, wie dabei mein Geld verbrannt wird... .-)

    S. Schwager, Fürstenfeldbruck

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