24. Juni 2022

Schwerer Abbiegeunfall in der Heilbronner Straße

Am Dienstagmorgen gegen halb elf hat ein Autofahrer beim Einbiegen auf ein Firmengelände auf dem Radweg einen Radfahrer angefahren und schwer verletzt. 

Nach Angaben der Polizei fuhr der Radfahrer linksseitig auf den Radweg der Heilbronner Straße Richtung Zuffenhausen. Der Autofahrer war Richtung Pragsattel unterwegs. Radfahrende haben entlang der Heilbronnerstraße und auch an dieser Stelle einen per weißer Linie vom Gehweg getrennten Zweirichtungsradweg, der baulich und per Grünstreifen von der Fahrbahn getrennt ist. Dieser Radweg wird immer wieder von Grundstückseinfahren gekreuzt. Der Mercedesfahrer wollte an der Hausnummer 932 (Karte unten) nach rechts auf ein Firmengelände einbiegen und hat offensichtlich nicht geschaut, ob von links (entgegen seiner eigenen Fahrtrichtung) ein Radfahrer kommt. Den hätte er durchaus gut sehen können, wenn er gewollt hätte. Die Polizei sucht Zeug:innen

Solche neben der Autofahrbahn herlaufende Zweirichtungsradwege sind gefährlich, gerade weil sich Radfahrende auf ihnen besonders sicher fühlen. 

Über sie hinweg einbiegende Autofahrer:innen rechnen oft nicht mit Radfahrenden, die schneller kommen als Fußgänger:innen. Um Radfahrende herankommen zu sehen, müssten sie bewusst nach vorn und über die Schulter nach rechts hinten gucken. Das tun viele nicht, sie wollen Radfahrende nicht sehen. In der Polizeimeldung ist zwar hier seltsamerweise von "Fahrradschutzstreifen" die Rede, aber es wird nicht die unselige Formulierung, "er übersah den Radfahrer", gebraucht. Die Stuttgarter Nachrichten und die Stuttgarter Zeitung machen im Untertiteltext aber wieder aus dem "erfasst" der Polizeimeldung ein "übersieht", und liegen auch beim "Fahrradschutzstreifen" mit dem Vokabular falsch.  

Auf den Radwegen der Heilbronner Straße gibt es immer wieder Abbiegeunfälle, mehr als woanders in Stuttgart. Das liegt nicht nur daran, dass dies ein fahrbahnferner Radweg ist, sondern auch daran, dass der Kurvenradius der Zufahrten es den Autofahrenden bequem macht, in hohem Tempo von der schnell befahrenen Fahrbahn abzubiegen. Sie müssen nicht genug abbremsen, um die Kurve zu kriegen. Deshalb fordern der ADFC und andere Radverbände Kurvenradien, die die Autofahrenden zwingen, vorher stark abzubremsen, wenn sie einbiegen und dabei einen Radweg kreuzen wollen. Lkw dürfen laut StVO inzwischen grundsätzlich beim Abbiegen nicht schneller als 11 km/h sein. (Ob sie sich daran halten, sei dahingestellt) Das reicht aber immer noch durchaus, um einen Radfahrer totzufahren, wie der Unfall meiner Cousine in Dresden zeigt: Der Lkw-Fahrer fuhr mit 7 km/h über den Radstreifen. 

Ich radle die Heilbronner Straße ungern und immer übertrieben vorausschauend, ich gucke mich vor jeder Querung nach den Autos um, die da heranrasen, und versuche abzuschätzen, ob ein Autofahrer weiterfährt oder nur vergessen hat, den Blinker zu setzen und gleich abbiegt. Einmal habe ich links hinter mir ein Auto bremsen gehört und erschrocken registriert, dass ich den nicht gesehen hatte. Es hätte mich erwischt, hätte der Fahrer mich nicht gesehen. Ich bin deshalb schon lange kein Fan mehr von Radwegen (baulich von der Fahrbahn getrennt), ich bevorzuge Radfahrstreifen oder einen langsamen Mischverkehr. Der ADAC fand 2019 ausgerechnet die Radwege entlang der Heilbronner Straße super, was uns Radfahrende schon sehr wunderte. Es ist halt ein reiner Autoblick. Autofahrende mögen Radwege, weil sie die Fahrräder von der Fahrbahn und aus ihrem Blickfeld entfernen. 

Die Verkehrsbehörde ist jetzt gefordert, diese und andere Radwegüberfahrten endlich sicher zu machen, auch wenn es dazu führt, dass abbremsende Autofahrer den nachfolgenden Verkehr zum Bremsen zwingen und es womöglich zu Auffahrunfällen kommt. Die sind nämlich nur Blechschaden, kein Schaden an Haut und Knochen. 

Ich wünsche dem schwer verletzten Radfahrer gute Besserung und vollständige Genesung. 





11 Kommentare:

  1. selbst parasitäre fortbewegungsmittel deutscher provenienz können zwar noch immer kein v2h sind aber mit dutzenden, ständig aufzeichnendnen kameras, schon jetzt werkzeuge des totalen überwachungsstaats.


    es wäre an der zeit, dass diese fähigkeiten nicht nur gegen uns, sondern auch zu unserem schutz eingesetzt würden: die waffe des abbiegenden gefährders erkennt eigenständig die gefahr. nimmt sich automatisch selbst außer betrieb, ruft die vollzugskräfte, die zunächst den gefährder und anschließend den halter seiner gerechten strafe zuführen. diese ist hart, denn das lt innenminister ist die beste prävention. der unfall wäre vermieden, der täter geläutert.

    herr wissing ist doch für verkehr und digital zuständig und datenschutz ist doch auch das thema seiner partei.

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  2. Du schreibst:
    "Die Verkehrsbehörde ist jetzt gefordert, diese und andere Radwegüberfahrten endlich sicher zu machen, auch wenn es dazu führt, dass abbremsende Autofahrer den nachfolgenden Verkehr zum Bremsen zwingen und es womöglich zu Auffahrunfällen kommt. Die sind nämlich nur Blechschaden, kein Schaden an Haut und Knochen."

    Unabhängig von dem, was hier passiert ist (die Polizei sucht noch Zeugen), schön das Fließen des Fahrbahnverkehrs umschrieben: Ist das das Maß aller Dinge? Wenn vorausfahrende Leute bremsen, müssen Nachfolgende immer bremsen, das ist selbstverständlich. Und daß jemand abbiegen will, muss jemand Nachfolgendes immer als Möglichkeit im Kopf haben. Nicht zu blinken, ist etwas anderes: Solche Leute sollten aus dem Verkehr gezogen werden. Die Verkehrsplanung auf die Annahme auszurichten, daß Nachfolgende nicht damit rechnen, daß Vorausfahrende bremsen und einen solchen Fahrstil nicht weiter zu thematisieren seitens Verkehrsbehörden oder Polizei wäre eine Bankrotterklärung auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit.

    Zur "Übersehen" Formulierung: Gibt es Hinweise darauf, daß bei den Zeitungen jemand wahrgenommen hat, daß diese Formulierung schlecht ist?

    PS: Du hast einen Zahlendreher in der Hausnummer (932 vs. 293).

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  3. Jörg
    Es ist eine Frage des Respekts. Letzte Woche bin ich noch in Köln geradelt. Ganz ungewohnt haben Autofahrende den Radweg bei Ein- und Ausbiegen respektiert. Sie haben davor angehalten.
    Gestern in Feuerbach beim Obi, schaut der alte Daimler Fahrer nur nach links auf die Autos. Stellt sich dabei auf den Radweg. Guckt nicht nach vorne. Ich hätte mich wie Christine umbügeln lassen können.
    Er ist ist noch leicht gegen mein stehendes Vorderrad und hat auf mein Rufen angehalten. Ich bin einfach weiter. Keine Ahnung was der denkt. Der Radfahrer ist viel zu schnell aus dem Nichts aufgepoppt - ich kann nichts dafür. Oder denkt er nur Scheißradfahrer, denken ihnen gehört die Stadt. ich weiß es nicht.
    Für mich ist dieses respektlose Verhalten, die Mißachtung des Raumes bzw. der anderen Bürger einfach unglaublich und verurteilenswert.

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  4. Die Heilbronnerstr. hat sich längst zu einem Unfallschwerpunkt für Radfahrer entwickelt. Nach einem schweren Unfall an der Kreuzung Heilbronner/Krailenshaldenstr fragte ich die Stadt, unter Berufung auf den Gemeinderatsbeschluß, was sie ändern wird. In der Antwort wurde mir geschrieben, dass man etwas tun würde und spekulierte über "unangepasste Geschwindigkeit" des Radlers an dieser Stelle. Auf meine Rückfrage, für welche Geschwindigkeit der Radweg geplant wäre und welche Geschwindigkeit die Straßenbehörde an dieser Stelle für angemessen hält, erhielt ich keine Antwort des verantwortlichen städtischen Mitarbeiters. Ich glaube man hat etwas weiße Farbe jetzt aufgebracht. Nützt nur nichts, vor ca 8 Wochen kam es ein gleicher Stelle erneut zu einem Unfall durch eine Rechtsabieger. In dem im Blogartikel beschriebenen linksseitigen, benutzungspflichtigen Radweg,gibt die ERA als Musterlösung eine Auframpung vor. Weiter oben an der Tankstelle kam es zu Unfällen, weiter unten bei Mr. Wash ebenfalls. Ich mache dem verantwortlichen Sachbearbeiter den Vorwurf, durch Unterlassung das Leben und die Gesundheit von Radfahrern an dieser Stelle zu gefährden. Der Gemeinderatsbeschluß fordert aktives Handeln seitens der städtischen Verantwortlichen. Das technische Regelwerk ERA gibt eine Musterlösung für diesen konkreten Fall vor, die aber nicht umgesetzt wird. Ich bin ehrlich gesagt fassungslos über diese Ignoranz, der Straßenbehörde, unserer Gesundheit genüber. Ich verstehe auch nicht die Stuttgarter Polizei. Sie hat laut Verwaltungsvorschrift in solchen Fällen zu handeln. Wann war die letzte Verkehrsschau, was waren die Vorschläge des verantwortlichen Revierleiters? Ich denke im Fall Heilbronnerstr. sollte es vorbei sein mit Apellen an eine anonyme Verwaltung und Polizei. Ich denke dass man einen Schritt weitergehen muss und die persönliche Verantwortung der dafür zuständigen Personen einfordern und überprüfen lassen muss (Strafanzeige, Fachaufsichtsbeschwerde, ich bin mir um unklaren). So gehts jedenfalls in der Heilbronner nicht weiter!

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  5. Ralph Gutschmidt24. Juni 2022 um 12:21

    Ich bin auch neulich mit einem Auto zusammengestoßen, weil ich einen linken Radweg benutzen musste. Der Autofahrer behauptete, ich sei viel zu schnell gewesen. Wie kann er das wissen, wenn er erst durch den Anstoß auf mich aufmerksam wurde? Immerhin habe ich nur leicht sein Kunststoff beschädigt und bin nicht gestürzt oder auf der Haube gelandet. Soo schnell kann es wohl nicht gewesen sein.

    Übrigens wieder einmal so eine Strecke, wo mitten im Fahrbahnverlauf ab einer Grundstückseinfahrt der linke Radweg grundlos benutzungspflichtig wird und man am der nächsten Einmündung wieder auf die Fahrbahn darf.

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  6. An der Ecke Heilbronner/Krailenshaldenstr. bergab wird mir fast jeden Tag die Vorfahrt genommen, wenn die parallele Ampel für die Autos grün ist. Wenn man drauf achtet, dann schauen sehr viele der abbiegenden Autofahrer nicht ein einziges Mal zur Seite und wenige blinken überhaupt. Es wundert mich, dass da so wenig passiert. Offensichtlich fahren die Radfahrer hier sehr vorsichtig und defensiv...

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  7. Das stimmt, da gucke ich als Radlerin immer sehr intensiv nach links und versuche zu erraten, ob der Autofahrer geradeaus fährt oder nur einfach nicht blinkt und einbiegt. Und ich vermute, sehr viele Radfahrende machen das auch so. Die Radwege entlang der Heilbronner Straße zeigen mir sehr deutlich, dass es gut ist, dass wir in Stuttgart nicht so viele echte Radwege (von der Fahrbahn entfernt) haben wie in Berlin oder Hamburg. Deshalb haben wir vergleichsweise wenige Abbiegeunfälle. Gegen diese blicklos abbiegenden Pkw- und Lkw-Fahrer ist einfach kein Kraut gewachsen. Abbiegeassistenten sind dringend nötig, übriges auch für Pkw. Sie sind allerdings kein Allheilmittel, denn bremsen muss der Fahrer immer noch selber, und wenn er zu spät auf die Warnung reagiert, erfasst er den Radler immer noch.

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  8. VwV-STVO, II. Freigabe linker Radwege (Radverkehr in Gegenrichtung), RandNummer 33: "Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung ist insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden."

    Meine Erfahrung: VwV-STVO ist zwar "offiziell bindend" für die Verwaltung, aber vom Bürger nicht einklagbar. Die STVBs wehren sich bis aufs Blut (d.h. durch alle Instanzen) dagegen, ihre Verkehrsanweisungen freiwillig VwV-konform zu machen. Daran ändern auch die vielen "Unfälle" nichts.

    Ich fühle mich denen absolut hilflos ausgeliefert, habe keine Ahnung, was ich tun kann. Willkommen im 21. Jahrhundert.

    S. Schwager, Fürstenfeldbruck, Bayern

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  9. Jörg
    Ich wiederhole mich. In Köln halten Autofahrende vor den Radwegen und schauen vor dem Abbiegen.
    Die Stuttgarter Autofahrerenden sind respektlos!
    Es ist in der StVO definiert, man/frau hat nur keine Lust sich dran zu halten. Eben kein Respekt vor Andersfahrenden. Christine hat das Verhalten um 17:18 beschrieben. Die Maßnahmen sollten sich schon am Verursacher orientieren. Dann muss z.B. das Einbiegen in Krailshaldenstraße verboten werden, Schwellen müssen vor die Radwege. Fahren auf der Fahrbahn ist nicht ungefährlich. Autos bumsen untereinander, da möchte man nicht mit dem Rad dazwischen kommen.

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    1. @Jörg: Was kann man auch von Leuten erwarten, die bei AMG, Porsche, Daimler, Mahle, Bosch und Co arbeiten, jedes Jahr Prämien bekommen, wenn der Autoabsatz brummt, und einen Geschäftswagen mit Tankflatrate fahren?
      Selbst die Grünen in BW spielen da mit.
      Man kann nur hoffen, dass die Zinsen steigen sodass das Leasing teurer wird, der Staat aus Geldnot die Subventionen kürzt und die Chinesen und Oligarchen aus den Ölförderländern keine deutschen Luxusautos mehr kaufen.
      Glaube wir sind da aber auf einem guten Weg :-)

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