13. Juli 2023

Die große und die kleine Ampel

2023, Pragstraße
Wir fahren die Pragstraße runter Richtung Wilhelma. Das geht auf einem fahrspurbreiten provisorischen Radstreifen mit viel Platz. 

Für diejenigen, die diese Strecke kennen, alles easy, abgesehen von den gelegentlich heftigen Unebenheiten auf dem Radstreifen. Aber wehe, man kennt sie nicht! Dann legt man an der Ampel beim Mahle eine Vollbremsung hin, obgleich sie für Autos grün zeigt. Denn eine Radampel rechts zeigt Rot. Darauf hat mich Blogleser Christian hingewiesen mit der Bitte, doch mal etwas über die kleinen und die großen Ampeln zu schreiben. 

Die Situation hier ist höchst missverständlich. Wer die Ampeln so aufgestellt hat, meint Christian, fährt wohl selber nicht Fahrrad. 

2014, Pragstraße
Ich habe schon in einem Post von vor neun Jahren über die Schecksekunden an dieser Ampelanlage geschrieben. So sah das damals aus. Ich fuhr auf der rechten der beiden Fahrspuren und nicht auf dem Gehweg die Pragstraße runter. Für die Radfahrer:innen auf dem damals freigegebenen Gehweg war die Ampel verständlich, für die auf der Fahrbahn war sie es auch damals nicht, und ich spottete, man gehe wohl davon aus, dass alle Radler den freigegebenen Gehweg nehmen. 

Wenn man jetzt auf dem breiten Radfahrstreifen (der die rechte Fahrspur der Autos ersetzt hat) bergab rollt, vielleicht sogar mit 30 oder gar 40 km/h, sieht vor sich die große Ampel für Autofahrende. Sie steht auf Grün, also lassen wir es rollen. Im letzten Moment aber erkennt man rechts die Fahrradampel, und die guckt einen genauso frontal an wie die Autoampel, zeigt aber Rot. Auf beiden Fotos, dem ersten und zweiten, ist sie zu sehen, und zwar so klein und marginalisiert, wie sie da halt steht. 

Deshalb hier noch mal das Foto von unmittelbar an der Haltelinie der Fußgänger- und Radquerung. 

Laut StVO müssen sich Radfahrende zu allererst nach der Fahrradampel richten und nur, wenn die nicht da ist, nach der Ampel für den Autoverkehr. Beide Ampeln, die große und die kleine stehen hier an der Pragstraße rechts von unserer Fahrspur auf dem Gehweg, jenseits der Sperrgitter. Beide gelten also. Und da die Radfahrampel versetzt hinter der Autoampel steht, hebt sie für uns das Auto-Grün auf und sagt uns: Halt! Es kann auch genau umgekehrt sein, die kleine Ampel zeigt Grün und die große Rot. Das kann für den blöd werden, der hier queren darf, wenn der Radfahrer denkt, er darf weiterrollen.  

Natürlich hat Christian nach einigen Nachdenken beim zweiten Mal kapiert, wie das eigentlich gemeint ist. Man passiert nämlich beim Runterfahren eine Radauffahrt auf den Gehweg, der man zunächst keine Beachtung geschenkt hat. Die Bedeutung dieser Fahrradampel versteht man aber nur, wenn einem das aufgefallen ist und man gleichzeitig (und das im Rollen) auf den Gehweg schaut und den rot markierten Aufstellplatz für Radfahrende sieht. Dann kapiert man: Die kleine Ampel ist für diejenigen gedacht, die auf den Gehweg gefahren sind, weil sie die Pragstraße per Radfurt (nicht für Fußgänger gedacht) überqueren wollen. Die müssen warten. Allerdings erkenne ich auf der roten Streuscheibe keinen Pfeil, der nach links weist, obgleich die Ampel frontal zu mir gedreht steht, so als ob sie für Geradausradler gedacht wäre. 

Sehr, sehr tückisch, diese Aufstellung. Schließlich dürfte es nachfolgende Radler:innen sehr überraschen, wenn ein ortsunkundiger Radfahrer hier eine harte Bremsung hinlegt, obgleich die großen Autoampeln Grün zeigen. Diese Radlerampel auf der Pragstraße bergab an der Fußgänger- und Radquerung beim Mahle steht jedenfalls grob verkehrt. Sie muss vom Radfahrstreifen weg Richtung Gehweg gedreht werden.  

Die eigentliche Frage von Christian aber ist: Warum stellt man für Autofahrende - die hier mit 40 km/h fahren - große Ampeln auf (für extra signalisierte Abbiegespuren ebenfalls eine große Ampel mit Pfeil), die man aus größerer Entfernung sehen kann, während die Radfahrenden, die hier ebenfalls 30 - 40 km/h schnell fahren können, nur eine winzig kleine Ampel bekommen, bei der sie auf die Entfernung beim Heranrollen zudem nicht erkennen können, ob sie für Abbiegende oder Geradausfahrende gedacht ist? Wieso stellt man an Bergabstrecken für Radfahrende nicht ebenfalls große Ampeln auf? 

Große Fahrradampeln gibt es durchaus, etwa auf der König-Karls-Brücke, wo sie den Nachteil hat, dass sie so weit oben hängt, dass viele Radfahrende sie gar nicht sehen (übrigens auch die Fahrradstaffel der Polizei nicht, wie ich mal beobachten konnte), auch weil sie ständig von Verkehrszeichen für den Autoverkehr verdeckt wird. Eine große Ampel hängt auch an der Überqueren der Böblinger Straße bei der Tankstelle auf der Hauptradroute 1, die man nicht sehen kann, wenn zur Haltelinie vorgefahren ist und sich am Haltering festhält. 

Ampel Löwentorstraße: rot, gelb oder grün?
Die Variantenvielfalt von Ampeln für Radfahrende ist übrigens groß
, stellt auch der Bußgeldkatalog fest. Erkennen kann man sie nur am Fahrradzeichen auf der Streuscheibe. Das kann auf einer großen oder einer kleinen Ampel mit Gelbphase auftauchen, aber auch auf einer Fußgängerampel ohne Gelbphase, die zudem auf der anderen Straßenseite steht. Nicht alle Radverkehrsanlagen haben eine eigene Lichtsignalanlage, manchmal muss man sich nach den großen Ampeln für den Autovererkehr richten, manchmal wird man von einer niedrig hängenden kleinen Radlerampel überrascht, die oftmals nicht einmal in Blickrichtung oder Fahrtrichtung steht. Manchmal kann man auch nicht erkennen, welche Farbe sie zeigt, weil die Sonne drauf scheint (etwas, was man bei Autoampeln akribisch zu vermeiden sucht). 

Nur die Fußgängerampeln, auf denen nur das Männchen zu sehen ist, haben seit 2017 keine Bedeutung mehr für den Radverkehr, werden aber noch sehr häufig auf ausgewiesenen Radwegen oder -routen eingesetzt. Ordnungsbehörden, die sowas machen, scheinen davon auszugehen, dass wir die Regeln nicht kennen, den Fußgängerampeln Bedeutung zumessen und bei Rot warten. 

Das ist unter anderem auch die Pragstraße bergauf so, dort, wo bei Mahle der Radstreifen auf den Gehweg geführt wird, damit wir die Kreuzung wie Fußgänger:innen überqueren. Auf der Streuscheibe am anderen Ende des als Radfurt (vorn und hinten ist Radweg) gekennzeichneten Übergangs ist nur das Männchen, aber kein Radzeichen auf der Streuscheibe. 

Regeln oder Regelwerke für die Aufstellung von Lichtsignalanlagen für den Radverkehr sind für mich nicht so leicht zugänglich, dass ich bei einer Internetrecherche irgendwas dazu gefunden hätte. Vielleicht können mir die Fachleute unter meinen Blogleser:innen da weiterhelfen. 


15 Kommentare:

  1. Mein "Lieblingsfahrradampel" steht an der Löwentorkreuzung, wenn man aus der Löwentorstraße kommt. Es ist eine Abfolge einer Geradeaus-Ampel vor der Fußgängerüberweg, einer Linksabbieger-Ampel, für die, die auf den querenden Fahrradüberweg abbiegen wollen und einer weiteren Geradeaus-Ampel direkt an der Kreuzung. Für geradeaus Radelnde werden die beiden Ampeln vor den Autoampeln auf grün geschaltet, was sehr gut für uns Radelnde ist, da es die gefährliche Rechtsabbieger-kreuzt-Radweg-Situation entschärft. Allerdings muss man natürlich die zeitgleich rot geschaltete Linksabbieger-Ampel passieren. Autofahrer scheinen immer nur diese Ampel zu sehen (ohne den winzigen Linksabbieger-Pfeil zu erkennen), was regelmäßig dazu führt, dass ich von wütenden Autofahrern angehupt werde, weil ich aus ihrer Sicht mal wieder einer der Radler bin, die "immer" bei Rot über die Ampel fahren.

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    1. Ohnehin ist das ein richtiges Ampelballett an der Löwentorkreuzung, eine Mischung aus diesem und jenem - besonders fasziniert mich, dass die Radampeln dort immer wieder so von der Sonne beschienen sind, dass ich nur ahne, welche Farbe sie gerade zeigen.

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  2. Jörg
    Bei den Ampelregeln weiß nicht ob man heulen soll oder sich freuen. Es gibt nun Regeln und Ampelanlage extra für Radfahrende. Das ist doch an sich erst mal toll, man hat an uns gedacht. Supi!
    Heulen muss man wegen der Kompliziertheit der Regeln und der Undurchsichtigkeit der Ampelanlagen. Und woher kommt das? Eine kleine Ampel haben wir damit sie kein Autofahry auf sich bezieht. Wer in S-Feuerbach im November zur Rush-Hour die Stuttgarter-Straße hoch radelt, weiß nicht so recht ob die Fahrradampel oder der Anforderungsdrücker Rot leuchtet.
    Einen Abbiegepfeil wie er auf Autoampeln üblich ist, könnte ich nur mit Lesebrille auf der kleinen Ampel erkennen. Echte Abbiegeampeln stehen am Ende der Rechts- oder Linksabbiegespur. So was wo man Platz für braucht, kriegen Radfahrys nicht. Radfahrys werden mit Fußgängern auf die viel zu enge Mischflächen ohne Abbiegespuren geschickt. Sporadisch werden Spuren im Puppenstuben Format aufgemalt.
    Wie groß ist die Arbeitsgruppe im Bundesverkehrsministerium, die sich um die Belange der Radfahrys kümmert?

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  3. Das Ziel der Verkehrsplanung ist die Umsetzung des Darwinistischen Prinzipes ("Nur ein toter Radfahry ist ein guter Mensch"). Neben den "interessanten" Zwergenampeln frage ich mich, was da geraucht wurde:Im Bild 3 sieht man schön die aufwändige rote Kunstoffbeschichtung als Radweg -- nur leider steht da mitten drauf der Zaun. Es gibt verpflichtende Eingaben zum Lichtraumprofil, aber die Radfahrys stehen ja über alles und können durch Wände fahren, über Stäffele fliegen und die Farbe von Ampeln ahnen. Schade um das schöne Geld, was so komplett sinnlos (wenn man es in Bezug auf die Förderung des Radverkehrs) bzw. sehr vernünftig (wenn man möglichst viele tote Radfahrys haben möchte) verwendet wird.

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    1. Die Pragstraße steht allerdings vor einer kompletten Neuorganisation mit Radwegen zu beiden Seiten, weil die vierspurige Straße auf zwei Spuren reduziert wird. So wie es derzeit aussieht, sieht es bald nicht mehr aus. Allerdings befürchte ich, dass die kleine Schrecksekundenampel bestehen bleibt, weil man die Radquerung an dieser Stelle braucht.

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  4. An der Stelle bin ich beim ersten mal auch erschrocken.
    Das ist wieder mal so eine Stuttgarter Minimallösung. Den kleinen blauen Pfeil (Bild 2) hat man abgedeckt, die Ampel aber so frontal gelassen. So wird der Zweck der Ampel nicht mehr klar. Hoffentlich wird das in der finalen Lösung dann korrigiert.
    Die würde mich überhaupt interessieren, weiss man schon wie das geplant ist? Vom Pragsattel herunter nach Bad Cannstatt gibt es den Pop-up Radweg ja nicht, der fängt erst beim oberen Wilhelma-Eingang an. Man muss linksseitig bis zum Löwentor runter und dann irgendwie über die Kreuzung kommen. Ist so für Radler überhaupt nicht vorgesehen, zumindest nicht klar ersichtlich wenn man da ankommt.

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    1. Du kannst dir in den "Ratsdokumenten" (https://www.stuttgart.de/rathaus/gemeinderat/ratsdokumente-sitzungskalender.php) die Gemeinderatsdrucksache 698/2023 und deren Anhänge anschauen.

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    2. Vielen Dank. Da hatte ich wohl falsche Erwarungen, der Rosensteintunnel geht ja auch nicht bis ganz hoch, das heisst dort bleibt alles beim alten. Hoffentlich gibt es dann eine neue Beschilderung im Park beim Abzweig, damit man den Weg auch findet.

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  5. statusbericht gestern:
    am hbf ist die ampelfurt von taxis und kiss-n-run-verkehr zugeparkt.
    vor dem magazin übersieht mich der hilflos rangierende van.
    am palast nimmt mir der telefonierende corsa die vorfahrt.
    auf der theo ist der radstreifen von penisprothesen zugestellt.
    am rotebühlplatz ist eine baustelle ohne umleitung.
    am kreisverkehr beim klavierhändler hat eine verkehrsteilnehmerin noch immer nicht verstanden, wie kreisverkehr geht.
    an der ampel hasenberg/rotebühl stehe ich ca. 5min vor leerer straße.
    wenn ich nicht abbremse fährt mich an der kreuzung hasenberg/augustenstr der audi suv fahrer um, der illegal in die gesperrte baustelle einfährt und nur seinen regelverstoß wahrnimmt.

    ich brauche keine radampeln. ich brauche gar keine ampeln.
    #keinerechtekeinepflichten

    karl g. fahr

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  6. Die RiLSA (Richtlinien für Lichtsignalanlagen) des FGSV-Verlages ( der will Geld daür) ist in Bibliotheken verfügbar ( https://kxp.k10plus.de/DB=2.1/SET=2/TTL=2/PRS=HOL/SHW?FRST=2&HILN=2112#2112 ) .

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    1. Jörg
      Es ist schon traurig, die hohen Summen zu verlangen damit Bürger die Vorschriften sehen können, die hoch selektiv angewandt werden.

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    2. Ja, der will Geld, also habe ich da nicht reingeschaut.

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    3. Das Rathaus besitzt 2 Exemplare der ERA (vielleicht auch nur, weil der frühere Radverkehrsbeauftragte einer der Coautoren war). Dort kann man sie einsehen. Vermutlich hat das Rathaus auch jeweils ein oder zwei Exemplare der anderen technischen Regelwerke der FGSV wie RASt, RiLSA usw. Die RiLSA sind ein eher harter Brocken. Ewige Auslassungen über die Räumzeiten, unter welchen Randbedingungen S hwarzampeln erlaubt sind und viele einzelne Kreuzungskonstellationen. Viel Spass...!

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  7. Verkehrsmeldung:
    Beim Rosensteinpark oben am Pragsattel, am Samaraweg, brennt es gerade. Bitte fahren Sie nicht durch, damit die Feuerwehr arbeiten kann.
    Es gäbe eine Ausweichroute über den Samarasteg und der anderen Seite der Pragstraße.
    Danke

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  8. Kostenlos zugänglich ist nach wie vor die Rad-LSA-Broschüre von Andreas Pott et al. aus Münster.
    Ist zwar von 2013, aber die Änderungen zu 2017 sind da wenn ich's recht erinnere bereits eingearbeitet.
    https://www.stadt-muenster.de/fileadmin/user_upload/stadt-muenster/61_verkehrsplanung/pdf/signale_radverkehr.pdf
    Alfons Krückmann

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