Die Maus aus der Kinder-"Sendung mit der Maus" hat den deutschen Fahrradpreis 2024 als fahrradfreundlichste Persönlichkeit erhalten. Überreicht wird er am 23. Mai.
"Von Verkehrsregeln über Fahrradpflege bis hin zu umweltfreundlichen Mobilitätsalternativen – „Die Sendung mit der Maus“ zeigt in zahlreichen Folgen die breite Palette an Themen rund um das Fahrradfahren. Mit informativen Lach- und Sachgeschichten sowie unterhaltsamen Animationen werden den kleinen und großen Zuschauerinnen und Zuschauern spielerisch die Funktion und die Bedeutung des Fahrradfahrens nähergebracht", heißt es in der Pressemitteilung. Ich gratuliere! Super, dass Kinder ans Fahrradfahren herangeführt werden. Für Kinder und Jugendliche ist es ein Stück Unabhängigkeit und Lebensfreude. Sie sind mit anderen zusammen und bewegen sich. Welche Geschichten erzählt die Sendung mit der Maus aber nun den Kindern, oder anders gesagt, welches Narrativ zum Radverkehr bekommen wir präsentiert, habe ich mich also gefragt.
Unter WDRmaus.de zum Thema Radfahren und in Youtube habe ich leider gar nicht mehr sonderlich viele Beiträge gefunden. Vier beschäftigen sich mit dem Fahrradbau, fünf mit weiteren technischen Themen rund ums Fahrrad. Eines mit dem Thema Schlaglöcher (Autos beschädigen Asphalt, Eis sprengt den Aspahlt, Radler rumst in Schlagloch), eines mit dem toten Winkel bei Lkw, eines mit der Verkehrssicherheit von Fahrrädern, wobei dazu auch das Helmtragen gezählt wird (eine Unlogik, die mich als Kind gestört hätte), und ein weiterer zeigt in einer kleinen Stunt-Schule den Salto über den Fahrradlenker (nicht nachmachen!). Auch die Maus ist gern mit dem Fahrrad unterwegs und muss Missgeschicke bewältigen. Tandem alleine fahren, wenn die vordere Kette fehlt, auf dem Einrad radeln, das sie zum Hochrad umwandelt, im Regen den platten Reifen mit Wasser aufpumpen. Sendungen über Verkehrsregeln (und Radfahren) habe ich leider nicht gefunden.
Am besten hat mir das Video zu der Frage, warum kippt ein Fahrrad eigentlich nicht um, gefallen, das auf einem älteren basiert und die dort aufgestellten Behauptungen um ein wesentliches Detail ergänzt. Dass ein Zweirrad recht lange geradeaus fährt und nicht umkippt, auch wenn man es ohne Lenkenden rollen lässt, liegt nämlich nicht daran, dass die Räder rollen, sondern daran, dass die Gabel des Vorderrads nicht senkrecht zum Boden steht, sondern schräg nach vorn-unten gerichtet ist und damit die Lenkachse sich hinter der Nabe befindet. Das Vorderrad macht deshalb von selbst die nötigen Ausgleichsbewegungen gegen das Kippen. (Genial, habe ich nicht gewusst!)
Auch das Radfahren in Kopenhagen wird vorgestellt (Schräge Papierkörbe, eigene Radlerampeln, die Fahrradbrücke). Der Reporter trifft sich mit einer fünfköpfigen dänischen Familie, die dann aber allesamt vor dem Start Helme aufsetzen müssen, was in Dänemark gar nicht üblich ist. Das sieht man dann auch an all den vielen anderen Radfahrenden auf den Straßen, die mit wehenden Haaren radeln. Diskutiert wird der Widerspruch nicht. Die Frage, warum Radfahren in Dänemark sicherer sein könnte als bei uns, wird nicht gestellt. Also: Was macht Radfahren eigentlich sicherer, der Helm oder die gute Infrastruktur?
Radfahren geht nicht nicht ohne Schutzengel. Bei den Takes, in denen die Sendung mit der Maus den jungen Mann Fug auf seinem Fahrrad in den Straßenverkehr schickt, ist ein Schutzengel dabei. Der kontrolliert das Fahrrad auf Sicherheit, besteht auf dem Helmtragen und rettet Fug in dem Film über den Toten Winkel vor einem rechts abbiegenden Lastwagen.
Die Geschichte ist die: Fug wartet auf der gemeinsamen Geradeaus- und Rechtsabbiegespur an einer roten Ampel. Er will geradeaus. Ein Lastwagen kommt von hinten und hält links neben ihm, er blinkt nach rechts. Die Ampel wird grün. Fug tritt in die Pedale, er will geradeaus, der Lkw-Fahrer lenkt nach rechts. Fugs Schutzengel tritt in Aktion. Dann wird sehr ausführlich erklärt, dass der Lkw-Fahrer trotz Rückspiegeln einen bestimmten Bereich zwischen Bordstein und Laster nicht einsehen kann. Die Empfehlung: Steht ein Lastwagen links neben euch, dann hebt euer Fahrrad auf den Gehweg und wartet, bis der abgebogen ist. Stellt euer Fahrrad zurück auf die Fahrbahn (andere Autos kommen komischerweise nicht) und radelt über die Kreuzung. Nicht erzählt wird, dass der Lastwagenfahrer den an der Ampel wartenden Fug eigentlich gesehen haben muss, als er heranfuhr, dass er schwer im Unrecht ist, die Verkehrsregeln auf höchst gefährliche Weise verletzt, dass er nicht richtig handelt. Und klar: Dass es besser ist zu weichen als das eigene Leben zu riskieren (der Klüger gibt nach).
Die Geschichte ist die: Fug wartet auf der gemeinsamen Geradeaus- und Rechtsabbiegespur an einer roten Ampel. Er will geradeaus. Ein Lastwagen kommt von hinten und hält links neben ihm, er blinkt nach rechts. Die Ampel wird grün. Fug tritt in die Pedale, er will geradeaus, der Lkw-Fahrer lenkt nach rechts. Fugs Schutzengel tritt in Aktion. Dann wird sehr ausführlich erklärt, dass der Lkw-Fahrer trotz Rückspiegeln einen bestimmten Bereich zwischen Bordstein und Laster nicht einsehen kann. Die Empfehlung: Steht ein Lastwagen links neben euch, dann hebt euer Fahrrad auf den Gehweg und wartet, bis der abgebogen ist. Stellt euer Fahrrad zurück auf die Fahrbahn (andere Autos kommen komischerweise nicht) und radelt über die Kreuzung. Nicht erzählt wird, dass der Lastwagenfahrer den an der Ampel wartenden Fug eigentlich gesehen haben muss, als er heranfuhr, dass er schwer im Unrecht ist, die Verkehrsregeln auf höchst gefährliche Weise verletzt, dass er nicht richtig handelt. Und klar: Dass es besser ist zu weichen als das eigene Leben zu riskieren (der Klüger gibt nach).
Ich finde es keine gute Idee, dem dümmlichen Radler einen Schutzengel mitzugeben, so als sei Radfahren ohne Schutzengel nicht möglich. Jeder Aufenthalt von Kindern im von schnellen Autos dominierten Straßenverkehr ist im Grundsatz gefährlich (übrigens auch das Mitfahren in Autos zur Schule) und muss gelernt werden. So aber wird das allgemeine gesellschaftliche Vorurteil bestätigt, Radfahren sei ganz fürchterlich gefährlich, was es aber nicht ist. Eigentlich - so hier die Erzählung - ist es praktisch immer lebensgefährlich, egal, ob nun am Fahrrad die Speichenreflektoren fehlen oder ein Autofahrer einen gravierenden Fahrfehler macht. Und der Fahrradhelm ersetzt dann quasi den Schutzengel. (Man fühlt die - pädagogische - Absicht und ist verstimmt.)
Ich mag ja Dramatisierungen ohnehin nicht besonders, schon gar nicht, wenn sie sich an Kinder richten. So als müsste man denen besonders deftig drohen. Ich würde die Gefahr eines Abbiegeunfalls anders abhandeln, nicht als "aus Schaden wird man klug" (indem man vom Schutzengel gerettet werden muss), sondern als "Radfahrende sind klüger" und sehen voraus, dass Autofahrende in ihren dicken großen Kisten kaum was sehen und auch noch Fehler machen. Fug der Radfahrer muss kein Dummerchen sein, er könnte doch auch schlau sein.
Unterschreibe ich vollständig.
AntwortenLöschenDie Medien, die Schule, die Erziehung sind ein Abbild der Gesellschaft.
Du interpretierst da viel zu viel rein. Die Maus und ihre Freunde sind seit 50 Jahren einfach nur Symphatieträger. Das Ganze ist ausbaufähig. Um gerade bei der #Autolobby zu Punkten. Und was Helme angeht: Die finde ich bei Kindern sinnvoll. Also, einfach mal entspannen... Klaus Maier
AntwortenLöschenJaja, entspannen sollen sich immer ausgerechnet die potentiellen Opfer...
LöschenNarrative wirken unterbewusst, deshalb frage ich eigentlich immer, welche Narrative hinter bestimmten Bildern, Geschichten oder Informationen stecken. Ich persönlich finde es schade, wenn beim Radfahren die Gefährlichkeit im Vordergrund steht. Aufpassen muss man immer, wenn man sich im Straßenverkehr bewegt, weil Autos groß, schnell und tödlich sind. Aber Angst machen sollte man halt auch nicht. Und der Helm kann schützen, ist aber in den meisten Fällen gar nicht das Entscheidende. (Ich trage übrigens Helm.)
LöschenDanke, für den Kommentar. Sehe ich auch so.Diese Art, zu denken, find ich immer mehr befremdlich . Wieso sind Radfahrer klüger?
LöschenSchönes Wochenende, Andreas
UUps, ein Versehen. Dieser Kommentar sollte eigentlich als Bestätigung unter Klaus Maier,s Kommentar stehen, Andreas
Löschen@mormotte27 Vielen Dank. Leider fehlt mir ja der akademische Hintergrund, um doch bei einem solch hoch komplexen Problem in konstruktiver Weise eine Betrag zu leisten. Da bin ich doch froh, das es Sie gibt, die mir dann die Welt erklären können. Daher nehme ich Ihren Vorschlag gerne an, schönen Tag, Andreas
Löschen1/2
AntwortenLöschenJa so ist das halt, wenn das System des Automobilismus in einer Gesellschaft seit Jahrzehnten die kulturelle Hegemonie inne hat.
Die zum Automobilisms kompatiblen und ihn Tag für Tag bestätigenden Begriffsverwendungen, Vollzüge des Alltagshandelns, Reproduktionen von Einstellungsmustern usw. sind im Sinne von 'Symbolischer Gewalt' tief in die Gesellschaft und die Individuen eingraviert. Die Soziologie (insbesondere P. Bourdieu, aber auch Gramsci) bietet da ja durchaus einen geeigneten analytischen Zugang, auch wenn da bislang eher Bereiche wie Ungleichheit und Geschlechterfrage im Zentrum standen bzw. stehen.
Die 'Radbubble' ist dabei keineswegs ausgenommen.
Beispiel: die klammheimliche und tiefenwirksame Wandlung des Begriffs 'Straße' (mittlerweile längst statt usprünglich einer befestigten Verbindung für Fußgänger, Fahrzeuge, Warentransport, als Synonym für 'Autostraße' umdefiniert).
Der allgemeine Nutzungsanspruch wurde nach und nach zugunsten des automobilen Exklusivrechts entzogen, wobei der 'Rest' auf sogenannte nun als 'Nebenanlagen' definierte qualitativ minderwertige Restflächen abgeschoben wurde.
Entscheidend dabei: auch die 'Abgeschobenen' haben diesen begrifflichen Schwenk unreflektiert mitvollzogen und sind teils zu viel eifrigeren Verfechtern des destruktiven und diskriminierenden Topos 'Straße für Autos, Radwege für Fahrräder' geworden, als selbst die härtesten Autolobbyisten. Begünstigend kommt dabei die Erfahrung hinzu, bei der die faktische von Außen erzwungene Unterordnung (durch veränderte Regelwerke in den 10er bis 30er Jahren des 20.Jhd.) jetzt durch strukturelle und manifeste Gewalt von Automobilisten (Raumnahme, Hupen, Abdrängen, Beleidigen, etc.) im Alltagshandeln bestätigt wird, und so kontinuierlich hinein ins Innere der Individuen wandert bzw. dort als Haltung und Habitus verfestigt wird.
"Straße" wurde so zum verinnerlicht reproduzierten Begriff für einen 'Gefahrenraum mit automobilem Exklusivrecht' pervertiert.
Es wird so zugleich wirksam verhindert, dass die lebensgefährdenden und ökologisch verheerend wirkenden Automobile auf 'Nebenanlagen' abgeschoben werden, wo sie weniger Schaden anrichten können, während die 'Straßen' wieder für menschengerechten allgemeinen Verkehr und für gesellschaftlich so wichtige Kommunikationen rückerobert werden könnten.
Wenn es ernst gemeint wäre mit der in Sonntagsreden seit Jahrzehnten so gern versprochenen Reduktion des Autoverkehrs, dann wäre das doch längst eingeleitet.
Das genaue Gegenteil ist der Fall und die gleichen Institutionen/Medien, die Preise fürs Helmtragen, für mehr Fahrbahn 'befreiende' Rad-Nebenanlagen, für autoarme Hochpreisquartiere in Kernstädten und Konsumismus fördernde Einkaufsmeilen vergeben, setzen sich dafür ein, dass der automobile Teufelskreis sich ad infinitum weiterdreht. Ob mit oder ohne Antriebswechsel: Hauptsache mehr Auto, Hauptsache 'keine Verbotspolitik'.
Alles in allem die 'hidden agenda' hin zu einer 'Autogerechten Verkehrswende'.
Ja, so werden Teufelskreise geschlossen.
Alfons Krückmann
2/2
LöschenBei der Helmfrage sieht's ähnlich aus: Radfahren sei gefährlich, und der Schutz (der doch objektiv im Wesentlichen ein Schutz vor der fremdgefährdenden 'Automobilen Gewalt' ist) wird zur Sache der Radfahrenden, nicht der der Gefährder. So wird die Tatsache des zig-tausendfachen Mordes bzw. der Tötungen durch das System des Automobilismus zu selbstverschuldetem Leichtsinn der Opfer transformiert. Auch dies wird (Medien, Preisvergaben, usw.) im Sinne 'Symbolischer Gewalt' in die Individuen eingeschrieben, welche fortan ohne weitere äussere Beinflussungsnotwendigkeiten zu Reproduzenten der automobilen Ideologie werden, auch dann - und das wird i.d.R. ja nie reflektiert - wenn sie selbst gar nicht Nutznießende sind, und oft sogar selbst dann wenn sie sich selbst als im Widerstand gegen den Automobilismus stehend begreifen.
Und nein: mit der persönlichen Entscheidung beim Radfahren einen Helm zu tragen hat das erstmal nichts zu tun. Auch das Tragen von Schwimmflügeln kann sinnvoll sein, oder, nie thematisiert, das Tragen eines Helmes beim Autofahren, wie es ja zB im Motor-'sport' längst Pflicht ist.
So werden Teufelskreise geschlossen.
Kurzum: die Fragen rund um "Automobilismus als Form 'Symbolischer Gewalt' " verdienen mehr Aufmerksamkeit.
Alfons Krückmann
Nach deinen etwas sehr theoretischen Ausführungen, mal einen Vorschlag meinerseits: Arbeite doch mal ein paar Monate,- bitte nicht Tage, da siehste nix,-
Löschenin den Notaufnahmen der großen Kliniken. Am besten in Ballungszentren. Und dann unterhalte dich mal mit gestandenen Unfallchirurgen; Neurochirurgen über den Sinn einer Helmpflicht. Danach sehen wir dann weiter.Fakt ist: ein Helm ist einfach Sinnvoll und pragmatisch betrachtet, sollte er zur Pflicht werden. Heute wird ja auch nicht mehr über Gurtpflicht und Rauchverbot in Gaststätten diskutiert.
Grüße, Andreas
Eigentlich habe ich ja nichts gegen das Helmtragen gesagt, ich selber radle mit Helm, und ich finde, dass vor allem ältere Radler:innen Helm tragen sollten, weil Stürze im Alter schlimmer ausgehen. Ich finde nur die Idee nicht besonders gut, dass Radfahren immer nur mit Gefahr und Schutzengel assoziiert wird. Soweit ich weiß haben Radfahrende das dreifache Risiko gegenüber Autofahrenden, einen Unfall zu erleiden (egal, ob durch Schuld anderer oder weil sie selber alleine einen Fahrfehler gemacht haben). Es gibt Aktionen, die gefährlicher sind als Radfahren, z.B. Motorradfahren oder Schwimmen oder Treppensteigen. Aber nur beim Radfahren konzentrieren sich die Medien vor allem auf Gefahren. Das finde ich nicht sinnvoll, denn es schreckt empfindliche Menschen ab, Rad zu fahren.
LöschenGerade im medizinischen Bereich sollte es doch nicht nur bekannt sein, sondern zwingend zum Standard gehören gewünschte Wirkungen immer auch im Verbund mit unerwünschten Nebenwirkungen zu betrachten, wobei in Abwägung von Wirkung und Nebenwirkungen ein Überwiegen der gewünschten Wirkungen Grundlage der Medikation/Behandlung zu sein hat.
LöschenWissenschaftlich herrscht sehr weitgehende Einigkeit, dass die gesundheitlichen Nebenwirkungen (zahlreiche zusätzlich induzierte Erkrankungen und Todesfälle durch Verzicht auf's Radfahren plus zahlreiche zusätzlich induzierte Erkrankungen und Todesfälle durch mehr MIV in verdichteten Siedlungsräumen) die möglichen bzw. unterstellten positiven Wirkungen einer Helmpflicht bei weitem(!) übersteigen.
Mediziner:innen sollten sich doch bitte auf ihr Fachgebiet beschränken und nicht das berühmte 'lassen sie mich durch ich bin Arzt' auf fachfremde Gebiete (Folgenabschätzung der Einführung einer Helmpflicht) anwenden.
Alfons Krückmann