23. Juni 2025

Autoabstellplätze oder Hauptradroute Waldburgstaße?

Das Thema Waldburgstaße steht morgen, Dienstag, auf der Tagesordnung des Bezirksbeirats Vaihingen. Und wird es kontrovers zugehen. 

Die Stadt plant, den Schutzstreifen, der auf der Waldburgstaße bergauf bis zur Rohrer Höhe führt, auf 2,25 Meter zu verbreitern, sodass Radfahrende von Autofahrenden nicht mehr so eng überholt werden, die die gestrichelte Linie für ihre Fahrbahnbegrenzung halten. Auf der Bergabseite parken derzeit Autos, die den Verkehrsraum verengen. Der Schutzstreifen kann nur dann so breit angelegt werden, wenn diese öffentlichen Autoabstellflächen (103 an der Zahl) wegfallen. Für einen ordentlichen Radfahrstreifen (der niemals von Autos mitbefahren werden darf, auch vom Bus nicht), reicht die Straßenbreite auch dann nicht, wenn es die hundert Autoabstellplätze nicht mehr gibt (siehe mein Post vom Mai). 

Es versteht sich gewissermaßen von selbst, dass ein Teil derer, die da wohnen und ihre Autos auf der Waldburgstraße abstellen dürfen, dagegen protestiert.

Die Stuttgarter Zeitung berichtet darüber unter dem Titel "Zerreißprobe wegen neuer Hauptradroute". Die Behauptung der Autolobby, es gebe in dem Wohngebiet "Parkplatzdruck", steht die Aussage der Stadt gegenüber, dass es in den Seitenstraßen der Waldburgstraße ausreichend öffentliche Autoabstellflächen gibt. Man muss halt ein paar Meter zur Haustür laufen. Es kurisert ein Flugblatt der CDU, in dem von "erzwungenem Parkraummanagement" und "unnötiger Hauptradroute" die Rede ist und Vaihingen als "Fußgängerdorf" bezeichnet wird (was deutlich macht, wie sehr die CDU Fußgänger:innen verachtet). Die 30 Euro im Jahr fürs Anwohnerparken werden als "hohe Kosten" bezeichnet und die Frage gestellt, wie "man abends sicher nach Hause kommt, wenn keine Parkplätze mehr da sind". Ein beachtliches Arsenal an maßlosen Übertreibungen und Falschbehauptungen. 

Ich merke hier mal an, dass die Anwohnenden der Hauptstätter Straße oder der Hohenheimer Straße (wo der Autoverkehr mehrspurig abgewickelt wird), auch keine Parkplätze vor der Haustür haben, und sie haben dazu noch den Nachteil, dass viel Autoverkehr unter ihren Fenstern entlang rauscht. Die Waldburgstraße aber soll eine Radhauptroute werden, die nicht mehr Autoverkehr produziert, sondern eben mehr Radverkehr. Und Radverkehr ist leise und erzeugt keine gesundheitsschädlichen Umweltgifte. (Für den Autoverkehr dürfen selbstverständlich Autoabstellflächen am Straßenrand wegfallen, für den Radverkehr aber nicht.) 

Die agitorische Panik vor dem Verlust von öffentlich finanzierten Autoabstellflächen entlang einer Straße, hat dazu geführt, dass innerhalb des Bezirksbeirats Vaihingen bereits kleinmütig andere Wegführungen für den Radverkehr diskutiert werden. Im Gespräch ist, dass man die Radfahrenden von Vaihingen-Zentrum aus über die Freibadstraße (wenn man vom Bahnhof her kommt) und Krehlstraße zur Waldburgstaße führt, wo sie dann ab Einmündung Krehlstraße bergauf auf dem geplanten breiten Schutzstreifen zur Roher Höhe und den Radschnwellweg nach Böblingen weiter radeln. Dann, so die Überlegung, könnten wenigstens im unteren Teil Autoabstellflächen erhalten bleiben. Bergab müsste der Radverkehr stadteinwärts allerdings über die Waldburgstraße hinweg nach links in die Krehlstraße einbiegen, also anhalten und den Gegenverkehr abwarten. 

Es stellt sich die Frage, was mit dem zwischen Robert-Koch-Straße und Krehlstraße existierenden Schutzstreifen passiert, der zunächst entlang von rechtsseitig bergauf geparkten Autos verläuft. So lassen kann man den eigentlich nicht, weil er Radfahrende wegen zu enger Überholer:innen in Gefahr, allemal in Stress bringt. Man muss ihn verbreitern und dafür muss man auf beiden Straßenseiten die Autoabstellflächen wegnehmen. Oder man muss ihn ganz und gar entfernen. Aber wollen wir wirklich, dass in Stuttgart auf Hauptachsen die Radinfrastruktur wieder entfernt wird? 

Ich persönlich frage mich auch immer, ob wir wirklich wollen, dass Radfahrende durch Nebenstraßen geschleust werden, wo immer Autos parken (Dooringgefahr, Rangiergefahr) und wo es Rechts-vor-Links-Kreuzungen gibt? Und ob wir statt geradeaus den direkten Weg zu nehmen, ständig abbiegen und herumkurven sollen? 

Die Radelstrecke vom Bahnhof auf der Freibadstraße zur Krehlstraße ist derzeit nicht konfliktfrei und auch nicht stressfrei, denn man radelt zunächst linksseitig am Feuersee (auf der Karte rot) entlang entgegen der Einbahnstraße, und die ist eng und es kommen einem reichlich Autos entgegen. Ich finde diese Strecke unangenehm. Man kann auch die Vollmoellerstraße weiter auf der anderen Seeseite radeln, aber das ist eben noch ein zusätzlicher Umweg. Die Krehlstraße (die an der Hauptstraße in Vaihingen beginnt), ist ebenfalls eine enge Wohnstraße, in der geparkt wird und in der teils sogar der Gehweg für Radfahrende freigegeben ist, so knapp ist der Verkehrsraum auf der Fahrbahn bei Gegenverkehr. Das kann ja auch nicht so bleiben. 

Alle, die mich kennen, wissen, dass ich für direkte Wege für den Radverkehr bin: Entlang jeder, aber auch wirklich jeder Hauptverkehrsachse Stuttgarts braucht es einen Radweg, Radstreifen oder mindestens breiten Schutzstreifen, damit ich als ortsunkundige Radlerin sofort meinen Weg (auch mithilfe der großen Wegweiser für den Autoverkehr) finde. Durch Nebenstraßen radeln mag einigen lauschig erscheinen, aber häkelig ist es eben doch (und auch nicht ganz ungefährlich), weil auch dort der Autoverkehr dominiert, mit dem Manko, dass es keinerlei Radinfrastruktur gibt. Die 11-jährige Laura lassen wir ja eben gerade deshalb nicht durch Stuttgart radeln, weil es an gesicherten Radwegen fehlt und diese zugeparkten Nebenstraßen (Tempo-30-Gebiete) nur was für routinierte Radler:innen mit Überblick sind. 

Und egal, wo wir den Radverkehr auf einer Hauptradroute entlang schicken wollen, muss der Straßenraum verändert werden, damit Radfahrende sicheren Patz haben (und sich den Platz nicht erkämpfen müssen). Auf den unteren Teil der Waldburgstraße für die Hauptradroute verzichten, bedeutet, die Freibad- und Krehlstaße für den Radverkehr zu ertüchtigen, mit dem gleichen Effekt: Öffentliche Autoabstellflächen müssen weichen, damit der Radverkehr gefahrlos und stressfrei auf der Fahrbahn radeln kann. Und dann hat man dort die "Zerreißprobe". Und alles beginnt von vorn. 

Egal, wie sich der Bezirksbeirat Vaihingen (24.6.25 18 Uhr, Alte Kelter) entscheidet und welche Prüfaufträge und Alternativvorschläge er der den Vertreter:innen der Stadverwaltung mitgibt, letztlich entscheiden tut der Gemeinderat, der übergeordnete Interessen aller Verkehrsteilnehmenden im Auge haben muss, beispielsweise also auch die Interessen der Radfahrenden, die zwischen Böblingen und Innenstadt pendeln. Auch wenn der Gemeinderat anders entscheiden kann, als ein Bezirksbeirat, tut er das ungern, und wenn er es tut, verschiebt sich der endgültige Beschluss zeitlich nach hinten. Eine persönliche Bemerkung noch: Die Politik darf auf Dauer den Entscheidungen zugunsten der Förderung von Radverkehr nicht immer ausweichen, indem sie andere (aber nicht bessere) Routen und deren Prüfungen in Auftrag gibt. Sie muss die Entscheidung auch mal treffen, selbst wenn Autobesitzende auf nahegelegene Abstellflächen verzichten müssen. 

Bei den Radstreifen auf der Böblinger Straße in Kaltental hat sich gezeigt, dass es geht und dass es dem Radverkehr nützte. 



12 Kommentare:

  1. Was die fossile Rechte in ihrer ideologischen Verbissenheit an faktenfremden Unsinn rauslässt, ist intellektuell nicht mehr satisfaktionsfähig.
    Thomas

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  2. Krehlstraße, das ist da wo einen Rentner (gendern nicht nötig) im Auto von der Straße ausgebremst und genötigt. Also ideale Voraussetzungen für eine Hauptradroute

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  3. Also das Radeln durch Nebenstraßen kann mMn durchaus attraktiv sein, wenn man diese entsprechend ertüchtigt. Wenn man also die Freibadstraße zur Fahrradstraße macht, kann man das durchaus machen, von mir aus sogar bis zum Finkenschlag. Das wäre angenehmer als sich mit dem Auto- und Busverkehr auf der Waldburgstraße auseinandersetzen zu müssen, egal wie breit der Schutzstreifen ist.
    Wir radeln ja auch lieber durch die Möhringer und Tübinger Straße als durch die Böblinger.
    Nur wenn die Alternative darin besteht, ein Schild aufzustellen, was die Radler in die Freibadstraße schickt, ohne entsprechende Vorfahrt und Infrastruktur (was wahrscheinlich der Plan der CDU wäre), dann ist das natürlich nicht akzeptabel.

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    1. Die Frage ist und bleibt immer, will man Radverkehr oder nicht. Der Rest leitet sich aus der Antwort ab.

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    2. Fahrradstraße - wo auch immer - machen, bedeutet auch immer Autoabstellflächen im öffentlichen Raum reduzieren, damit der Radverkehr halbwegs sicher ist. Und schon haben wir dort einen Konflikt mit den Parkplatzpaniker:innen. Und wohlgemerkt, in diesem "Wohngebiet" Waldburgstaße gibt es genug Autoabstellflächen am Straßenrand. Man muss halt 50 oder 100 Meter laufen. Wer welche Strecke lieber radelt, hängt auch stark davon ab, von wo man kommt und wohin man will. Es gibt nicht nur den einen Weg für Radfahrende, genausowenig wie für Autofahrende. Es braucht mehrere.

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  4. Es geht doch nicht darum, ob es einen oder mehrere Wege gibt. Es gibt bereits jetzt mehrere Wege. Es geht darum, was die beste Lösung für die Hauptradroute ist.
    Und die beste Lösung ist mMn nicht zwingend dort, wo am meisten Autos fahren.

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    1. Ich finde ja, dass immer die direkte Strecke die beste ist für Radfahrende, die lange Strecken vor sich haben. Ich bin über 5 Jahre von Süd nach Stammheim geradelt, und natürlich habe ich Umwegstrecken gesucht, weil es sich auf der direkten Route wegen mangelnder Radinfrasrtuktur nur schlecht radeln ließ (also nicht stressfrei). Deshalb bin ich persönlich ja der Meinung, dass man entlang aller Hauptachsen in Stuttgart (die bisher dem Autoverkehr vorbehalten sind) eine bequeme und sichere Radinfrastruktur braucht.

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  6. Ich fahre die Strecke täglich zur Arbeit, und würde nicht über die Freibadstraße/Krehlstraße fahren - egal wie sie ausgebaut werden. Der direkte Weg ist die Waldburgstraße rauf, und solange dort nicht Durchfahrt Verboten schilder aufgestellt werden fahre ich genau da lang. Hier ist nunmal die Verbindung vom Stuttgarter HR1 zum RS1 Baden Würtemberg. Wir parken unsere Fahrräder auch nicht auf deren B14, an der -wie Christine richtig bemerkt hat- ebenfalls keine Anwohner parken dürfen.

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  7. Ehrlich? Nicht noch ein Schutzstreifen. Was soll der bringen? Ich bin in Lörrach mal mit dem Auto in so ein Konstrukt aus zwei Schutzstreifen und einer Mittelfahrbahn in einer Zweirichtungsstrasse geraten. Zuerst bin ich mittig gefahren, bis ich Gegenverkehr bekommen habe und gemerkt habe, das ist gar keine Einbahnstrasse. Dann musste ich auf dem Schutzstreifen fahren und habe mich gefragt, was das eigentlich soll. Ergebnis: Einzig Augenwischerei, "wir haben was für den Radverkehr getan". Was soll das mit den Schutzstreifen, sie haben für den Radverkehr keinen Mehrwert, kosten nur Arbeitszeit und Farbe und verleiten zudem nur einfachgestrickte Radfahrer dazu auf dem Ding auch noch in der falschen Richtung zu fahren (schon mehrfach erlebt), weil sie denken das sei ein "Radweg". Es muss sichere und eindeutige Infrastruktur geben und nicht so Pseudogedöns, das die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer noch nichteinmal richtig behandelt.
    Karin

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    1. Das kenne ich auch von Schutzstreifen aus Wange im Allgäu. Allerdings ist es hier etwas anders geplant. Der Schutzstreifen ist immerhin 2,25 Meter breit, es bleibt für Pkw im Gegenverkehr genug Platz auf der restlichen Fahrbahn, aber nur, wenn die Autoabstellflächen wegfallen. Nur für zwei Busse, die einander entgegenkommen, reicht es vermutlich nicht ganz, weshalb man da keinen Radfahrstreifen plant, der vom Bus nicht mit den rechten Reifen überfahen werden dürfte.

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    2. Das nennt sich Kernfahrbahn, ein Schweizer Idee ursprünglich (glaube ich). Und wie alle Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass-Infrastuktur funktioniert sie nicht.

      Du hast das anfänglich genau richtig gemacht, so soll man da fahren. Aber trotzdem das meistens auf Schildern erklärt wird, kapieren die allerwenigsten es.

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