17. Juni 2025

Warum hört der Radweg einfach auf? Radfahren durch den Schurwald

Es gibt Leute, für die sind die Straßen im Schurwald Rad-Pendelstrecken. Aber auch der Freizeitverkehr ist hier unterwegs. 

Der Schurwald trennt als Berg und Wald das Neckartal vom Remstal oder Esslingen von Schorndorf. Freizeitradler:innen können sich bei schönem Wetter die netten Waldwege suchen. Für Leute auf dem Arbeitsweg sind Waldstrecken, die zu Matschstrecken werden, nichts. Und Frauen fehlt - vor allem nachts - die soziale Sicherheit. Alltagsradelnde landen also zwischen Winterbach und Hohengehren unweigerlich auf der L1150. Sie hat auf knapp einem Kilometer keinerlei Radinfrastruktur, und es darf 100 gerast werden. Radfahrende machen hier Nahtoderfahrungen. Darauf weist die ZVW hinter Bezahlschranke in einem Artikel hin. Auch die Stuttgarter Zeitung hat sich des Themas  bereits zuvor angenommen. Der Radweg, der aus Hohengehren neben der Fahrbahn herausführt, endet abrupt an der Landstraße (Foto). Diesen Abschnitt fahren ungefähr 6000 Autos pro Tag. Radfahrende sind es rund hundert (laut der Gemeinde Winterbach nach einer Zählung von 2022). Rennradfahrende sind hier ebenfalls zahlreich unterwegs, gerne auch in Pulks. Aber Normalradelnde, Kinder, Eltern mit Kindern, Pendelne, radeln die über die Waldwege? Das Landesverkehrsministerium empfiehlt Schutzstreifen auf Landstraßen ab einer Zahl von unter 4000 Autos pro Tag. Die würden auch auch nur etwas nützen, wenn Autofahrende den Überholabstand einhielten, was sie bei Schutzstreifen oftmals nicht tun. Hier muss sich dringend was ändern. 

Warum der Radweg Richtung Remstal nie weitergebaut wurde, hat die Stuttgarter Zeitung nicht herausbekommen können. Blogleser M., der mehrmals in der Woche hier unterwegs ist, wird es auf dem Abschnitt manchmal mulmig, und er ist nicht so leicht zu erschrecken. Autofahrende überholen zu eng oder sie kommen ihm beim Überholen eines Autos auf seiner eigenen Straßenseite entgegen, und er kann sich nur noch in den Straßengraben retten. Es soll schon Unfälle gegeben haben, die ich selber aber nicht verifizieren kann, kritische Situationen, gab es sicher, aber die finden nie den Weg in die Polizeistatistik, weil die niemand meldet. Im Kreisverkehr Hohengehren (wo der Radweg beginnt, der später endet) gab es nach Auskunft des Landratsamts Esslingen vier Zusammenstöße mit Radbeteiligung, zwei, weil Autofahrende die Vorfahrt der Radfahrenden missachteten. An ganz anderer Stelle der L1150 starb 2024 ein Radfahrer, der die Straße überqueren wollte und von einem Motorradfahrer erfasst wurde. 

grün: Radweg; rot: Landstraße; lila Waldstrecke
Eine Verkehrsschau der zuständigen Gemeinden Mitte Mai ergab, dass alles beim Alten bleiben soll. Die Radler:innen sollen halt durch den Wald fahren, also über Kies und durchs Stockfinstere bei Nacht. 

Auf dem knappen Kilometer ohne Ausweichstrecke für Radfahrende müsste eigentlich zumindest dringend eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h angeordnet werden. Ein Überholverbot wäre auch nötig. Naheliegend wäre der Bau eines begleitenden Radwegs. Aber das ist wie üblich kompliziert (und für die Verwaltung eines kleinen Ortes viel zu personalintensiv), weil in den Wald eingegriffen werden muss, in ein Landschaftsschutzgebiet mit Artenschutz und so weiter. Autofahrenden haben ja das Glück, dass die Straße, die sie benutzen, schon lange liegt, auch wenn sie Wald und Artenschutz stört und für Menschen, die Rad fahren, gefährlich ist. Wobei es Platz durchaus gibt, denn zum Schutz der Autofahrenden vor im Sturm umstürzenden Bäumen hat man die Straßenränder bereits auf zwanzig bis dreißig Meter abgeholzt. Da sollte ein drei Meter breiter Radweg mit Sickerasphalt keinen größeren Schaden anrichten als ihn die Straße und die Autos, die auf ihr fahren, anrichten. Aber für den Radverkehr legt man Fahrbahnen leider nicht so schnell und entschlossen wie für den Autoverkehr. Überall mit dem Auto durchfahren erscheint allen notwendig, der Radverkehr (noch) nicht. Und der Schutz von Menschen, die Rad fahren, scheint nicht die geringste Priorität zu haben. 

Allerdings soll genau diese Strecke der L1150 von Esslingen bis Winterbach künftig die Quertrasse für die beiden Radschnellwege RS4 im Neckartal und dem RS5 im Remstal sein. Es muss also eine Radinfrastruktur geschaffen werden, auch wenn es mit den Radschnellwegen auch nicht so schnell vorangeht, wie es notwendig wäre. 


3 Kommentare:

  1. Bei uns in Jöhlingen (zwischen Karlsruhe und Bretten) ist es so, dass es gar keine Radwege gibt. Die Wege die man abseits der Bundes-, Landes- und Kreisstraßen fahren kann, sind landwirtschaftliche Wege (Betonplatten, geteert). Zu etwa 50% der Nachbargemeinden gibt es nur Schotter- bzw. Waldwege. Ich fahre schon über 40 Jahre hier Rad und nur der Weg nach Berghausen wurde gemacht. Alle anderen Wege leiden mit der Zeit.

    So wie ich es einschätze wird sich da nie was dran ändern. Eigentlich sind aber die Hügel mit dem E-Bike kein Problem mehr. Das Problem ist und bleibt die Infrastruktur.

    Wir bekommen zwar eine B293 Umgehungsstraße aber auch dabei entsteht kein Radweg. Diese Radschnellwege sind für mich Resourcenverschwendung. 'Leuchtturmprojekte' in Regionen wo es meistens schon eine gute Radinfrastruktur gibt.

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  2. Das scheint ja auch so eine Strecke zu sein, wie die auf der Natenom getötet wurde. Lernt in den Verwaltungen eigentlich niemand etwas? Muss wirklich immer erst etwas passieren, bis sich etwas tut? Natenom hat gewarnt, gewarnt, gewarnt und wurde dann totgefahren.
    Im Technikbereich muss man sich bei einer Maschine vorher Gedanken machen, was alles passieren könnte, was der Bediener alles veranstalten könnte und muss das berücksichtigen. Im Verkehrsbereich wird das anscheinend überhaupt nicht berücksichtigt. Und lernfähig scheint der Haufen auch nicht zu sein.
    Karin

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  3. Es ist halt eine politische Entscheidung, ob weiterhin das Prinzip 'Stärke vor Recht' auf den Straßen Gültigkeit behält, oder ob es ermöglicht wird auch als Radfahrende/r eigene Rechte durchzusetzen, bzw., ob Ordnungsbehörden und Justiz demokratiekompatibel von sich aus geltendes Recht (in diesem Fall StVO) durchsetzen.
    Im Fall von Natenom war das ja nicht nur die Alleinschuld der gewalttätigen automobil hochgerüsteteten Gefährder nebst ihres faschistoiden social-media Anhangs, sondern auch, und m.E. vor allem, die konsequente Arbeitsverweigerung von Polizei und Justiz, die sich faktisch auf die Seite der Gefährder gestellt haben, was letztlich in seiner Tötung kulminiert sind.
    Solange Polizei, Justiz und Medien Radfahrende faktisch 'zum Abschuss freigeben', statt geltendes Recht einzufordern und durchzusetzen wird das Dilemma bestehen bleiben, dass alle 'Radverkehrsförderung' einfach zusätzlich, auf Kosten von Boden, Wald, Naherholung, Gehwegen, ..., ..., auf den steigenden Autoverkehr draufgesattelt wird. Und das in einer Situation, wo längst klar ist, dass wir entschlossen ENT-siegeln und renaturieren müssen, statt weiter zu VER-siegeln.
    Dazu kommt ja noch, dass die neu versiegelten Flächen der 'Radverkehrsförderung' abgesehen von der Tatsache, dass damit die Raserei nebenan umso mehr attraktiviert und legitimiert wird, baulich grundsätzlich unzulänglich geplant und gebaut werden (zu geringer Oberbau von gerade mal 35cm), so dass binnen kurzem verwurzelte Buckelpisten entstehen, und diese meist für zig Jahre in diesem ungenügenden Zustand verbleiben, flankiert von zwei Beschilderungen:
    1. Fahrbahnverbot (Benutzungspflicht)
    2. 'Vorsicht Radwegeschäden' (-> Radfahrer selbst schuld bei Stürzen)
    Die steigende Zahl von nicht selten tödlichen 'Alleinunfällen' (meist auf 'Radinfra') spricht m.E. eine deutliche Sprache.
    Und was die Fahrbahnen der Landstraßen angeht:
    ja, die sind - gerade für Ungeübte und für Menschen ohne sehr dickes Fell - subjektiv sehr unsicher, aber objektiv passieren die Unfälle auch dort, von Ausnahmen abgesehen, bei Querungen, Vorfahrtverstößen, etc., in Situationen also, in denen die Radwege die Risiken eher erhöhen, statt sie zu verringern.
    Wenn wir nicht bis runter auf Landes- Kreis- und Wohnstraßen alles mit zigtausenden zusätzlichen Kilometern Radwegen kaputtasphaltieren wollen, und damit faktisch ein flächendeckendes Fahrbahn-Exklusivrecht für den Autoverkehr einführen und fixieren wollen, dann führt kein Weg an einer wirksamen Reglementierung des Autoverkehrs vorbei.
    Merke: benutzungspflichtige Radwege verwandeln jede Straße strukturell in eine reine "Autobahn"!
    In mittlerer und längerer Frist wird, das ist ja immer deutlicher absehbar, automatisiertes Fahren die aktuell noch tobende Barbarei der 'Automobilen Gewalt' eh in eine dann historische 'dunkle Vergangenheit' überführen. Jedenfalls in halbwegs zivilisierten Ländern. Ob Deutschland, das Land der Panzer und 'Silberpfeile', dann dazugehört?

    Alfons Krückmann

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