Im Rahmen der allgemeinen Sparmaßnahmen in Stuttgart steht auch der Radetat zur Disposition. In den kommenden zwei Jahren sollen 16,5 Millionen Euro beim Straßenbau eingespart werden, darunter 3 Millionen beim Radverkehr.
Auch das sehr erfolgreiche Förderprogramm für E-Lastenräder für Familien endet. Bis zum 31. Dezember (Eingangsdatum) können noch Förderanträge gestellt werden und bewilligt wird, solange noch Geld übrig ist. Infos und Antragsformulare gibt es hier.
Wie die Stuttgarter Zeitung berichtet, treffen die Einsparungen den Radverkehr am stärksten. Er soll auf 1,5 Millionen pro Jahr verzichten. 2025 hatte das Tiefbauamt für den Ausbau der Radinfrastruktur knapp 6 Millionen Euro zur Verfügung. Wieviel Geld Stuttgart für den Autoverkehr ausgibt, kann ich mit meinen Mitteln nicht herausfinden, weil viele verschiedene Ämter dazu Geld beisteuern und auch Stuttgart diese Unsummen nicht beziffert. Aber Städte geben laut VCD im Durchschnitt pro Jahr ungefähr 15 Milliarden für den Autoverkehr aus (Straßenbau, Folgekosten), die nur zu 15 bis 45 Prozent durch Einnahmen (Parkgebühren, Zuschüsse von Land und Bund etc.) gedeckt sind. Wollte man die Verluste durch Lkw- und Pkw-Verkehr durch eine City-Maut ausgleichen (was niemand will), dann müsste man zwischen 30 und 60 Cent pro Kilometer berechnen. Der Radverkehr hingegen richtet keinen gesellschaftlichen Schaden an und bringt einer Stadt sogar Geld ein, weil Radfahrende, CO2 sparen, weniger schwere Unfälle verursachen, gesünder sind und mehr im lokalen Handel einkaufen. Schon kurios, dass eine Stadt ausgerechnet dort Investitionen einspart, wo sie finanziell gewinnen könnte.
Der Haushalt wird am 19. Dezember vom Gemeinderat beschlossen, üblicherweise eine gut 12 Stunden lange Sitzung, in der über viele Einzeletats noch mal diskutiert und einzeln abgestimmt wird. Noch kann man nicht sagen, was der Gemeinderat konkret beschließen wird.
Mit größerem Nachdruck hat die Stadt seit dem Zielbeschluss 2019 zur Förderung des Radverkehrs Fahrradstraßen ausgebaut, wenn auch nicht so viele, wie im Zielbeschluss verlangt.
Fahrradstraßen belassen den Straßenzuschnitt so, wie er ist, der Fahrverkehr bekommt Vorrang vor den Seitenstraßen, der Fußverkehr auch, wenn sie mit Gehwegüberfahrten versehen werden. Wenn neu asphaltiert wird, ist die Fahrbahn glatt und gut. Dem Autoverkehr wird dabei jedoch kaum etwas weggenommen, er ist in den meisten Fällen noch zugelassen, meist nur der Anliegerverkehr, was aber viele Autofahrende nicht kümmert. Fahrradstraßen sind eine optisch wirkungsvolle, jedoch nur leichte Verbesserung für den Radverkehr. Solange Autos in ihnen gefahren werden, fühlt sich immer noch die Hälfte der Radfahrenden dort nicht wirklich sicher. Was in Stuttgart aber nicht so richtig klappt, ist der Ausbau durchgängiger Radverkehrsanlagen (Radfahrstreifen oder Radwege) entlang der Hauptverkehrsachsen. Das 2009 konzipierte Hauptradorutennetz ist noch extrem lückenhaft, und die Strecken, die die Stadt auf ihrer eigenen Karte als Hauptradrouten ausweist, haben in Realität teils erhebliche Schwachstellen.Entweder werden bei Planung und Ausbau unserer Radrouten so viele Zugeständnisse an den Autoverkehr gemacht, dass die Radstreifen lückenhaft sind und es viele Konfliktstellen mit dem Autoverkehr gibt wie bei der Hauptradroute 2 auf der Hedelfinger Straße. Oder die Planung scheitert schon im Ansatz an politisch aufgegriffenen lautstarken Protesten einiger Anwohner:innen, die ihre Parkplätze vor der Haustür behalten wollen, wie beispielsweise in der Waldburgstraße in Vaihingen. Überraschenderweise geklappt hat der Radfahrstreifen bergauf in der Hohenstaufenstraße, obgleich er Parkplätze kostete. Allerdings musste hier die Fahrbahn sowieso für den Autoverkehr erneuert werden. In der Lenzhalde aber sind bei dieser Gelegenheit Radstreifen gescheitert. Wir dürfen uns nun fragen, wie zügig und wie überhaupt es mit der Umsetzung des beschlossenen Radwegs zwischen Stuttgart Ost und Degerloch entlang der Pieschekstraße vorangehen wird und wie schnell die Theodor-Heuß-Straße ihre Radwege bekommt. Von gut ausgebauten Radrouten entlang der B14 sind wir noch weit entfernt.
Wäre die Scheu (der Politik) nicht so riesengroß, dem Autoverkehr dort, wo er viele Fahrspuren hat, eine wegzunehmen und dem Radverkehr (auch mit Busfreigabe) zuzuordnen, könnte man mit weniger teuren Maßnahmen relativ schnell in Pop-up-Manier entlang aller wichtigen Verkehrsachsen Radfahrstreifen markieren und - wo nötig - mit schlichten Pollern gegen den Missbrauch durch den Autoverkehr absichern. Der Ausbau eines durchgängigen Angebots für den Radverkehr würde so schneller vorangehen. Es sähe nur nicht so perfekt aus. Die Suche nach Lösungen, die den Radverkehr in Seiteräume, Seitenstraßen und Parks abdrängt, macht alles teurer, ist aber eben auch ein Symptom dafür, dass man von einer paradoxen Verkehrswende träumt, die den Autoverkehr so lässt, wie er derzeit ist. Die Leidtragenden sind die Fußgänger:innen (in Parks und auf Gehwegen), unter die man den Radverkehr mischt. Das schürt auch gleich noch den Hass auf Radfahrende. Aber so geht Verkehrswende halt nicht, falls man sie will. Eine unentschlossene Radverkehrspolitik bringt nicht die Steigerung des Radverkehrs, der uns hilft. Dann radeln weniger als erwartet, und diejenigen, die den Radverkehr ohnehin überflüssig finden, fühlen sich in ihrer Dauerkritik bestätigt, da radle ja niemand.



Ts ts ts, was man hier wieder lesen muss... Öffentliches Geld muss doch so ausgegeben werden, dass möglichst Großkonzerne, der Finanzsektor und Superreiche davon profitieren. In Spekulationsblasen wie KI muss natürlich auch einiges fließen. Und Rüstung geht immer.
AntwortenLöschenFahrradfahren? Lächerlich!
Am Wochenende habe ich mal wieder erleben dürfen, was so alles als Radweg gilt. Frust- statt Frostpendeln. Radwege, auf die man mit ein bissle mit Köderasphalt gelockt wird und die dann im Matsch enden. Und wehe, man weicht auf eine von Autos befahrene Straße aus. Ausgerechnet auf dem breiten RS 1 hingegen wird zur Rücksichtnahme aufgefordert, wo es eigentlich genügend Platz für alle gibt und dies nicht allzu schwer sein sollte. Nur Seiner Majestät, dem Autofahrer, darf das egal sein. Meine Forderung: Radwege müssen asphaltiert sein, dann haben auch Autos mehr Beinfreiheit. Alles andere ist offroad.
AntwortenLöschen...und da wollen manche noch mehr sparen. Echt jetzt?
AntwortenLöschenDas am Radverkehr gespart wird, kann nur daran liegen, dass die Verantwortlichen Radfahren immer noch mit Freizeit und KFZ mit Geschäft verbinden.
AntwortenLöschenD.h KFZ Infrastruktur hilf der Wirtschaft und ist notwendig. Radinfrastruktur ist Spaß und Luxus.
Diese Thesen sind lange widerlegt, trotzdem scheint das so tief in den Köpfen zu sein, dass es da nicht mit Argumenten raus zu bekommen ist.
Wenn die Münchner CSU zum Thema Alltagsradwege anmerkt, dass es an schönen Bänken fehlt, wird das sehr offensichtlich.
Ich kennen keine Radpendler oder Alltagsradler die auf dem Weg ins Büro oder zum Einkaufen eine Bank brauchen um die Schönheiten der Stadt zu genießen. Wenn man Zeit ist, dann reichen die vorhandenen Plätze zum Verweilen, denn dann ist auch Zeit den Weg entsprechend zu wählen, wenn nicht stören die Bänke nur weil dann dort Spaziergänger und Flanierradler unterwegs sind, die sich von Alltagsradlern bedrängt fühlen.
Kein Mensch käme auf die Idee Straßengastronomie neben Haupteinfallstraßen zu installieren, besonders wenn das bedeutet, dass die Gäste munter kreuz und quer im fließenden KFZ Verkehr unterwegs sind. Aber das ist immer noch das was sich manch ein Politiker unter Radinfrastrukur vorstellet (mit Sicherheit auch wenn die konkreten Projekte ganz anders aussehen) und an solchen Anlagen kann man auch sparen.
Alle sollen gleich leiden scheint das Motto zu sein. Sinnvolle Prioritäten Mangelware. Dass die Stadt Stuttgart kein ernsthaftes Interesse an guter Fahrradinfrastruktur hat, zeigt sich immer wieder. Aus einem ungenügenden Zustand in zig Jahren einen mangelhaften zu machen ist und bleibt ein Armutszeugnis.
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