Im November 2013, in meinem ersten Jahr dieses Blogs, habe ich meine Leser:innen gefragt, was sie sich für Stuttgart wünschen.
Zwölf Jahre danach haben wir zwar sichtbar mehr Radinfrastruktur, sie ist aber noch nicht durchgängig ist und fehlt auf vielen Straßen immer noch ganz. Die Antworten meiner Leser:innen lauteten vor zwölf Jahren:
- Keine Radwege
- oder sichere, die durchgehen.
- Mehr Verkehrsfläche für Radler, weniger für Autos.Weniger parkende Autos auf Radwegen.
- Aus allen Stadtteilen Schnurstrackswege ins Zentrum mit Wegweisern (was besonders für Auswärtige oder Erstfahrer wichtig ist).
- Generell Tempo 30 in der Stadt (ausgenommen ein paar Vorbehaltsstraßen).
- Ein zusammenhängendes Fahrradwegenetz anstelle des derzeitigen Flickenteppichs.
- Abschaffung der 2-Meter-Regel für Waldwege (Radler:innen dürfen auf schmaleren Waldwegen nicht fahren).
- Trennung von Radfahrer:innen und Fußgänger:innen.
Sehr deutlich kommentierte damals eine Radfahrerin die Idee von Radschnellverbindungen: "Die Eine Schnurstracksspur aus jedem Stadtteil in den Kessel würde an vielen Stellen bedeuten, dass entweder sämtliche parkenden Pkws an dieser Straße verschwinden oder aber eine schmale Straße komplett für Fahrräder reserviert und für Autos gesperrt wird. Eins von beidem halte ich für unvermeidbar, wenn wir hier in Stuttgart zu einer Lösung kommen wollen. Beides würde vermutlich zu einem Aufruhr in der autofahrenden Bevölkerung führen. Aber Stuttgart ist im Talkessel eben so aufgestellt, dass nur eine radikale Lösung zum Erfolg führen kann. Ich wünsche sie mir sehr! Sonst bekommen wir wie in den letzten Jahren immer nur wieder Stuttgarter Stückwerk, das allenfalls in jeden dritten Fall das Schlimmste lindert, aber kein Gesamtkonzept hat."
Ein anderer Vorschlag lautete: "Schaffen wir den Fahrradbeauftragten (inzwischen gibt es nach langer Vakanz wieder einen, der sich uns aber noch nicht öffentlich vorgestellt hat) ab und setzen wir einen Autobeauftragten ein. Das bedeutet nämlich, dass wir künftig für Radfahrer planen, nicht mehr für Autos."
Ein weiterer kommentierte: "Ich komme immer öfter zu dem Schluss, dass es nichts bringt, hier und dort Radspuren, Radwege oder Sicherheitsstreifen anzulegen, wie das momentan für die über 12 Hauptrouten geplant wird."
Ich schrieb damals sinngemäß: Radrouten (Radstreifen oder Radwege), wo auch immer sie sind, auf dem Gehweg oder auf der Fahrbahn, machen das Radeln nicht sicherer. Auf dem Gehweg hat man es mit querenden Fußgänger:innen und abbiegenden Autofahrenden zu tun und auf Fahrbahnen mit Autos, die auf der Radspur stehen. Unsichere Radfahrer:innen weichen generell auf Gehwege aus, und unerschrockene und sportliche Radfahrer:innen nehmen die Fahrbahnen. Autofahrer:innen wissen eigentlich derzeit in Stuttgart gar nicht mehr, von wo ihnen Radler:innen in die Quere kommen können. Und Fußgänger:innen sind genervt. Die geforderten Schnurstrackswege werden übrigens derzeit als Hauptrouten geplant, welche die Stadtteile mit dem Stadtzentrum verbinden sollen. Allerdings ist es doch ein ziemlicher Handel auf der Suche nach einem Kompromiss zwischen Autoverkehr, Steilstrecken, Geldmangel und Angst vor dem Aufruhr der Autofahrenden. Und geplant werden diese Strecken übrigens hauptsächlich von Rad fahrenden Männern. Die ticken anders als Frauen. Sie haben zum Beispiel keine Sorge, nachts über abgeschiedene Waldwege zu fahren. Und sie nehmen steile Straßen unerschrockener als sportliche Herausforderung in Angriff. Ich meine aber, wir brauchen in Stuttgart einfache, nicht zu steile und friedlich anmutende Radwege für Alltagsradler/innen, die nicht die sportliche Herausforderung suchen, sondern von A nach B wollen oder müssen. Und heute füge ich hinzu: Wir brauchen nicht nur sternförmig ins Zentrum führende Radrouten auf durchgängig als sicher empfundener Radinfrastruktur, sondern auch gut Verbindungen zwischen den Stadtteilen für die vielen Frauen (und Männer, die Care-Arbeit machen), die oftmals mehr und verschiedenere Wege radeln als Männer, die nur zur Arbeit und wieder nach Hause radeln
Und was haben wir inzwischen? Immerhin haben wir eine Radwegweisgung überall, auch wenn sie so spielzeughaft klein ist, dass man zuweilen anhalten muss, um sie zu lesen und zu erfahren, wie man weiterradeln muss. Und auf der Hauptradroute 1 wurden viele Teile zu Fahrradstraßen umgebaut, wo man mit Autofahrenden radelt, also nicht auf Radwegen. Geparkte Autos wurden in nennenswerter Zahl nur für den Radfahrstreifen auf der Böblinger Straße ab Waldeck hoch nach Vaihingen abgeräumt. Allerdings hat die Mehrzahl der Radfahrenden leider nicht das Glück, dass ihre Wege über die Hauptradroute 1 führen, sie müssen sich woanders durchaus mühsamer durchschlagen. Und das Risiko von Dooring-Unfällen gerade in Fahrradstraßen bleibt hoch. Andernorts verhindern die sehr lauten und aggressiven Proteste einiger Autobsitzer:innen gegen den Wegfall von öffentlich subventionierten Autoabstellflächen den Bau einer sicheren Radinfrastruktur. Etwas mehr, sogar inzwischen zuweilen auch breitere Radfahrstreifen haben wir auch. Aber Reine Radwege, getrennt vom Autoverkehr und vom Fußverkehr machen immer noch nur 8 Kilometer des Radinfrastrukturnetzes von ca 160 km aus. Die Stadt zählt außerdem rund 150 km freigegebener Gehwege zur ihrer Infrastruktur, die sind aber keine, weil man auf ihnen nur Schrittgeschwindigkeit radeln darf, was uns in beständiger Illegalität hält. Radschnellverbindungen werden auch geplant, aber kaum umgesetzt, und noch gibt es keine in der Stadt. Immerhin gibt es einen fast echten Radschnellweg zwischen Böblingen/Sindelfingen und Stuttgart Rohr. Und die Kaltentaler Abfahrt hat beinahe durchgängig Radfahrstreifen zwischen Vaihingen und Tankstelle Böblinger Straße.
Ein anderer Vorschlag lautete: "Schaffen wir den Fahrradbeauftragten (inzwischen gibt es nach langer Vakanz wieder einen, der sich uns aber noch nicht öffentlich vorgestellt hat) ab und setzen wir einen Autobeauftragten ein. Das bedeutet nämlich, dass wir künftig für Radfahrer planen, nicht mehr für Autos."
Ein weiterer kommentierte: "Ich komme immer öfter zu dem Schluss, dass es nichts bringt, hier und dort Radspuren, Radwege oder Sicherheitsstreifen anzulegen, wie das momentan für die über 12 Hauptrouten geplant wird."
Ich schrieb damals sinngemäß: Radrouten (Radstreifen oder Radwege), wo auch immer sie sind, auf dem Gehweg oder auf der Fahrbahn, machen das Radeln nicht sicherer. Auf dem Gehweg hat man es mit querenden Fußgänger:innen und abbiegenden Autofahrenden zu tun und auf Fahrbahnen mit Autos, die auf der Radspur stehen. Unsichere Radfahrer:innen weichen generell auf Gehwege aus, und unerschrockene und sportliche Radfahrer:innen nehmen die Fahrbahnen. Autofahrer:innen wissen eigentlich derzeit in Stuttgart gar nicht mehr, von wo ihnen Radler:innen in die Quere kommen können. Und Fußgänger:innen sind genervt. Die geforderten Schnurstrackswege werden übrigens derzeit als Hauptrouten geplant, welche die Stadtteile mit dem Stadtzentrum verbinden sollen. Allerdings ist es doch ein ziemlicher Handel auf der Suche nach einem Kompromiss zwischen Autoverkehr, Steilstrecken, Geldmangel und Angst vor dem Aufruhr der Autofahrenden. Und geplant werden diese Strecken übrigens hauptsächlich von Rad fahrenden Männern. Die ticken anders als Frauen. Sie haben zum Beispiel keine Sorge, nachts über abgeschiedene Waldwege zu fahren. Und sie nehmen steile Straßen unerschrockener als sportliche Herausforderung in Angriff. Ich meine aber, wir brauchen in Stuttgart einfache, nicht zu steile und friedlich anmutende Radwege für Alltagsradler/innen, die nicht die sportliche Herausforderung suchen, sondern von A nach B wollen oder müssen. Und heute füge ich hinzu: Wir brauchen nicht nur sternförmig ins Zentrum führende Radrouten auf durchgängig als sicher empfundener Radinfrastruktur, sondern auch gut Verbindungen zwischen den Stadtteilen für die vielen Frauen (und Männer, die Care-Arbeit machen), die oftmals mehr und verschiedenere Wege radeln als Männer, die nur zur Arbeit und wieder nach Hause radeln
Und was haben wir inzwischen? Immerhin haben wir eine Radwegweisgung überall, auch wenn sie so spielzeughaft klein ist, dass man zuweilen anhalten muss, um sie zu lesen und zu erfahren, wie man weiterradeln muss. Und auf der Hauptradroute 1 wurden viele Teile zu Fahrradstraßen umgebaut, wo man mit Autofahrenden radelt, also nicht auf Radwegen. Geparkte Autos wurden in nennenswerter Zahl nur für den Radfahrstreifen auf der Böblinger Straße ab Waldeck hoch nach Vaihingen abgeräumt. Allerdings hat die Mehrzahl der Radfahrenden leider nicht das Glück, dass ihre Wege über die Hauptradroute 1 führen, sie müssen sich woanders durchaus mühsamer durchschlagen. Und das Risiko von Dooring-Unfällen gerade in Fahrradstraßen bleibt hoch. Andernorts verhindern die sehr lauten und aggressiven Proteste einiger Autobsitzer:innen gegen den Wegfall von öffentlich subventionierten Autoabstellflächen den Bau einer sicheren Radinfrastruktur. Etwas mehr, sogar inzwischen zuweilen auch breitere Radfahrstreifen haben wir auch. Aber Reine Radwege, getrennt vom Autoverkehr und vom Fußverkehr machen immer noch nur 8 Kilometer des Radinfrastrukturnetzes von ca 160 km aus. Die Stadt zählt außerdem rund 150 km freigegebener Gehwege zur ihrer Infrastruktur, die sind aber keine, weil man auf ihnen nur Schrittgeschwindigkeit radeln darf, was uns in beständiger Illegalität hält. Radschnellverbindungen werden auch geplant, aber kaum umgesetzt, und noch gibt es keine in der Stadt. Immerhin gibt es einen fast echten Radschnellweg zwischen Böblingen/Sindelfingen und Stuttgart Rohr. Und die Kaltentaler Abfahrt hat beinahe durchgängig Radfahrstreifen zwischen Vaihingen und Tankstelle Böblinger Straße.
Was damals gar kein Thema war, ist heute eines: Der Überholabstand. Er ist nachgewiesenermaßen in rund der hälfte aller Fälle zu eng, obgleich es Kampagnen gab und gibt und obgleich gelegentlich Verkehrszeichen aufgestellt werden, die den Autofahrern sagen, was das Gesetz ohnehin vorschreibt: Hier kannst du Fahrräder nicht überholen. Und wegen ständiger Missachtung dieser Regelung musste auf der Böblinger Straße eine Radspur anstelle des Schutzsteifens eingerichtet werden, wofür tatsächlich viele Parkplätze wegfielen. Inzwischen parkt dort auch kaum noch jemand drauf. Aber noch immer schlängeln sich Tausende Radpendler:innen vor allem abends durch die Spaziergänger:innen im Schlossgarten. Noch immer werden wir auf Gehwege verwiesen, die zum Radfahren nur freigegeben sind. Noch immer wird unsere Radinfrastruktur radikal unterbrochen, wenn am Marienplatz oder vor der Oper Feste gefeiert werden. Und noch immer unterbrechen hin und wieder Baustellen, auch weil der Radverkehr bei der Beschilderung nicht bedacht wurde.
Vor allem aber haben wir seit damals sehr viel mehr Radfahrende. Damals fuhren bei der Critical Mass 90 Leute mit, heute sind es regelmäßig fast 2000. Damals begegnete man im Winter kaum Radfahrenden, heute fahren im Winter mehr, als 2013 in der Sommersaison radelten. Die Radinfrastrutkur wächst langsamer als der Radverkehr. Autofahrende sind deutlich öfter auf so gut wie allen Straßen mit Radfahrenden konfrontiert als früher, sie müssen viel öfter hinter ihnen bleiben. Wir hatten 2019 einen Zielbschluss im Gemeinderat samt Erhöhung des Budgets für den Radverkehr, der dazu diente, Stuttgart zur Fahrradstadt zu machen. Und sechs Jahre danach sehen wir auch, dass vielerorts Fahrradstraßen entstanden sin, Radverkehrsanlagen gebaut wurden und bei Straßenplanungen der Radverkehr mitgeplant wird, wenn auch nicht immer so, dass sie die Flüssigkeit des Radverkehrs genauso garantieren wie Straßen und Ampelanlagen die Flüssigkeit des Autoverkehrs. Und wir haben eine wache und fordernde Rad-Communitiy, die auf vielen Ebenen von der Stadt Verbesserungen einfordert.
Dennoch: Wir sind schon sehr langsam in Deutschland, ein bisschen behäbig und selbstgefällig und nicht gewillt, Realitäten zu akzeptieren und hurtig dafür zu sorgen, dass die Verhältnisse angepasst werden. Dabei nützt der Radverkehr allen. Wer Rad fährt ist gesünder und besser drauf, macht keinen Lärm und verursacht so gut wie keine Unfälle, die für andere tödlich ausgehen. Dem Stadtklima hilft es, wenn mehr Leute das Fahrrad anstelle des Autos nehmen. Die meisten Wegstrecken in er Stadt sind nicht länger als 6 km. Das kann man gut radeln. Pedelecs, auch E-Räder genannt, machen es einfach, in Stuttgart die Hänge hochzukommen. Und es gibt Fahrradbasare des ADFC und andere Möglichkeiten, sich gebrauchte Pedelecs zu besorgen, die nicht so teuer sind. Stets teurer ist die Anschaffung und die Haltung eines Autos. Und es schadet der eigenen Gesundheit und der der anderen. Wer aufs Auto nicht ganz verzichten will, fährt es immerhin deutlich weniger, wenn er oder sie ein E-Rad hat. Denn Radfahren macht mehr Spaß als Auto fahren, besonders in Stuttgart. Man steht nie im Stau und sucht nie Parkplatz.


Was hat sich denn seit 13 Jahren fundamental geändert, das heißt am System in dem wir leben?
AntwortenLöschenDie Antwort: nichts!
Um mal nur eine Parallele zu ziehen: 2013 war z.B. auch der Beginn der Black-lives-matter-Bewegung. Haben wir seither eine Verminderung des Rassismus erfahren? Im Gegenteil, eine Bewegung, die in dieser Art den Status Quo in Frage stellt, musste zwangsläufig Gegenreaktionen hervorrufen. Ist es Zufall, dass sich im selben Jahr die AfD gründete, die seither zur treibenden Kraft des Rassismus in Deutschland geworden ist, und der dadurch längst auch die anderen Parteien erfasst hat (weil sich ihm in denselben nichts wirklich entgegestellt)?
Man müsste die von dir erwähnte starke Zunahme des Radverkehrs im Detail analysieren. Ich weiß nicht, ob man darin eine echte Infragestellung des Status Quo auf unseren Straßen erkennen kann. Für mich bedeutet gerade die Motorisierung des Fahrrads eher das Gegenteil, das Fahrrad wird vom Status Quo adoptiert. An der Dominanz des Autos in den Köpfen, auch und gerade der Entscheider hat sich jedenfalls nichts geändert, das stellt dein Artikel gut dar.