19. März 2017

Fahrradparkplätze sind entscheidend

 Bihlplatz 
So formuliert es das Tiefbauamt der Stadt Zürich in seinem "Leitfaden zur Veloparkierung in Wohngebieten". 

Da heißt es: "ein zentraler Aspekt der Velonutzung ist die Frage der Parkierung. Da die meisten Wege zu Hause beginnen und enden, ist es insbesondere wichtig, dass Wohnhäuser und Siedlungen über qualitativ hochwertige Anlagen zur Veloparkierung verfügen." Dafür können auch wir Radler/innen selbst etwas tun. Mehr dazu unten.

Das Problem: Für Leute, die im dicht mit teils fünf- bis sechsstöckigen Häusern bebauten Westen oder Süden, in Heslach, im Stuttgarter Osten und so weiter wohnen, ist entscheidend, dass sie ihr schweres Pedelec nicht in einen Keller tragen müssen, bei der Frage, ob sie sich so ein Fahrrad anschaffen und damit zur Arbeit radeln.

Lehen
Räder an Laternenmasten anbinden geht nicht, schon gar nicht massenhaft. Radabstellbügel sind zu selten und außerdem stehen die Räder da ungeschützt.

Bei Neubauten müssen inzwischen auch in Stuttgart Radabstellplätze mitgeplant werden. Was aber machen wir mit den alten Häusern? Jetzt haben viele solcher Häuserblocks Hinterhöfe. Und eigentlich könnte man dort mit vergleichsweise einfachen Mitteln Radabstellanlagen bauen: Man braucht ein Dach und ein Gatter, das abschließbar ist. Räder dürfen nicht rausgehoben werden können. Das reicht erst einmal.

Uni Stuttgart
Der Züricher Leitfaden sieht mindestens einen Radabstellplatz pro 40 Quadratmeter Wohnfläche vor. 10 Prozent müssen für Besucher vorgesehen sein.

Für den bestehenden Bestand empfiehlt der Leitfaden eine Zählung. Und zwar nachts. Sämtliche Fahrräder vor und hinter den den Wohngebäuden und in den Privatkellern müssen erfasst werden. Und dann muss man noch mal zwischen 15 und 25 Prozent drauflegen für den Bedarf, der entsteht, wenn man Radparkplätze anbietet.

Außerdem sollten die Bewohner/innen befragt werden. So kann man den Bedarf für Lastenräder, Kurzzeitparkplätze für Besucher/innen und fürs Radparken über Mittag ermittelt werden.


  • Anlagen fürs kurze Abstellen von Rädern müssen ebenerdig sein. 
  • Anlagen fürs übernacht-Abstellen können unterirdisch sein. Doch muss der Eingang nahe beim Eingang zum Wohntrakt sein. 
  • Bei großen Wohnblocks muss es mehrere Anlagen geben, damit die Einwohner nicht so weit zu ihren Rädern marschieren müssen. 
  • Radabstellanlagen in Tiefgaragen für Autos müssen vor Abgasen und Ruß und Autodreck geschützt, also auch extra belüftet werden. 
  • Und es muss in der Planung berücksichtig werden, dass Radabstellanlagen erweitert werden können. 
  • Dabei sollte man darauf achten, dass die Fahrräder Fußgänger nicht behindern. 



Damit Radabstellanlagen auch genutzt werden, müssen sie

SWR Radabsellanlage. So nicht! 
  • leicht erreichbar sein
  • dürfen bei der Zu- und Ausfahrt nicht in Konfliktbereiche mit Autos und Fußgängern führen. 
  • Müssen so gelegen sein, dass sie zu den hauptsächlich genutzten Fahrwegen führen.
  • Wenn Radparkplätze in einer Tiefgarage liegen, muss die Zufahrtsrampe vom Autoverkehr getrennt verlaufen. 
  • Die Erschließung der Anlage durch einen Lift ist möglich, darf jedoch nicht der einzige Zugang sein, es sei denn der Lift hat eine Grundfläche von 2,10 auf 1,10 Meter. 
  • Selbstverständlich müssen auch Türen breit genug sein. 
  • Der Zugang zum Abstellraum darf keine Schwellen oder andere Hindernisse haben, auch keine engen Kurven. Er muss in gerader Linie möglich sein. 
  • Die Neigung der Rampen darf nicht größer als 10 Prozent (oder 12 Prozent bei überdachten Rampen) sein, liegt idealerweise aber bei 6 Prozent. 
  • Einspurige oder steile Zu- und Wegfahrten muss es ein Schrammbord von 90 cm geben. 
  • Einspurige Rampen benötigen außerdem eine Ampel, um den Ein- und Ausfahrtverkehr zu regeln (sollte man besser gar nicht bauen. Ampeln sind für Radler immer schlecht.) 
  • Mehr als zwei Türen sollten nicht zum Radabstellraum passiert werden müssen! Und sie müssen mit dem Rad an der einen Hand leicht zu öffnen sein. Empfohlen werden selbstschließende Türen, die man aber auch fixieren kann. 
  • Lifte sind eher ungeeignet, weil man zu lange warten muss. 
  • Treppen mit Schieberinne gehen eher gar nicht, wären höchstens bei der Nachrüstung von Altbauten akzeptabel. Für Räder mit Anhänger sind sie nicht geeignet. 

Natürlich müssen die Anlagen, wenn sie draußen sind, überdacht und in jedem Fall gut beleuchtet sein.

Nach Ansicht der Züricher kann man sogar Gebühren verlangen (etwa 10 Franken im Monat). Das hat den Vorteil, dass Leute ihre Fahrradleichen entsorgen. Und sie könnten damit auch einen Stammplatz fürs Fahrrad erwerben. Sind die Radparkplätze nummeriert und bestimmten Einwohnern zugeordnet ist so eine Anlage leichter in Ordnung zu halten.

Betreut und bewirtschaftet werden diese Radparkanlagen von der Hausverwaltung. Ein externes Unternehmen macht sauber und entfernt die Radleichen (ungenutzte, herrenlose, kaputte Räder).
Aber natürlich kann sich auch eine Bewohnerschaft um die Anlage kümmern.

Radparkplätze in Zürich im Wohngebiet anstelle von
Autoparkplätzen
Unbenutzte Räder werden markiert. Man informiert die Mieterschaft und setzt ihr eine Frist zur Räumung. Steht danach die Radleiche immer noch da, wird sie zwischengelagert und nach einiger Zeit entsorgt, so wie das hier in der Stadt Stuttgart mit den Radleichen am Bahnhof und anderen öffentlichen Orten geschieht.

Als Zusatzservice empfiehlt das Züricher Tiefbauamt eine Pumpstation, Stromanschlüsse für E-Räder, Schließfächer, eine kleine Reparaturwerkstatt mit Werkzeug, und eine Station mit Leihfahrrädern.

Fotos aus dem Leitfaden darf ich hier nicht posten, weil ein Copyright darauf liegt, was damit auch für die ganzen Leitfaden gilt. Aber wer ihn haben möchte, dem kann ich ihn privat zuschicken.

Wie bringen wir die Sache mit den Radabstellanlagen nun aber voran?

Notbehelfe in Stuttgart
Einen Weg gibt es, denn wir selber - wir alle, du und ich - beschreiten können.


  • Wir hören uns in unserer Straße oder unserem Viertel um, wer Interesse hat, sich mit Radabstellanlagen zu befassen. 
  • Wenn wir ein paar Leute sind,  zählen wir mal die Fahrräder, die wild auf den Gehwegen und an Masten und die in den Hinterhöfen herumstehen. Wir sprechen Radfahrende an und laden sie zu einem Gespräch ein. 
  • Wir schreiben einen Brief an die Anwohner/innen und werfen ihn in alle Briefkästen. Wir laden darin alle, die es interessiert, zu einem Treffen ein. 
  • Wir eruieren zusammen im Gespräch mit Anwohner/innen den Bedarf an Radparkplätzen im Viertel.  
  • Wir schauen, wo es Platz für Radbügel und für überdachte Radabstellanlagen im öffentlichen Raum gibt, und ob es Platz in Hinterhöfen gibt und die Bereitschaft, dort eine Anlage zu bauen. 
  • Am Ende haben wir einen Plan, wo welche Radabstellanlagen hinkommen müssten, welche die Stadt aufstellt und welche privat oder von Hausverwaltungen organisiert werden müssten. 
Immerhin, aber auch nicht ideal.
Wohnblock Adlerstraße.
In Nürnberg hat die Initiative "Radständer für die Nordstadt" vorgemacht, wie so etwas (hier nur für öffentliche Radständer, aber immerhin!) geht und dafür 2016 den Deutschen Fahrradpreis für Infrastruktur erhalten.

Wenn jemand von euch dafür Kraft, Zeit und Lust hat, dann melde er oder sie sich bei mir. Ich bin dabei. 



10 Kommentare:

  1. danke liebe Christine, wir müssen in Stuttgart "das Rad nicht neu erfinden", es gibt so viele tolle Beispiele wo man schon weiter ist als bei uns...... ich sage nicht alles ist schlecht, aber man kann von Stadtseite noch viiiiiel besser machen.......
    Es muss ins das Bewusstsein der Planer, dass man einfach überall mehr Radparkplätze mit vernünftigen Anschließmöglichkeiten schafft. An der Wilhelma wurden solche neue Plätze geschaffen aber nur für max. 8-10 Räder, das ist in meinen Augen ein absoluter Witz!!!
    Danke für deine Mühen.
    Grüße Uschi

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    1. Ich habe mein Fahrrad an der Wilhelma auch schon im Parkhaus abgestellt, wenn es draußen keine Parkplätze mehr gibt. Ich schätze, die werden das noch lernen, wenn Räder an allen Geländern angeschlossen werden, die es bei der Wilhelma gibt.

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    2. Der Haupteingang der Wilhelma ist ja eh nicht mehr legal mit dem Rad erreichbar.

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    3. Kommt darauf an, von wo man kommt. Von der Rosensteinbrücke aus ist sie mit dem Fahrrad erreichbar. Vom Rosensteinpark runter war sie noch nie legal auf dem Fahrrad erreichbar. Das wird sich aber ändern. Wenn die Rosensteintunnelbaustelle weg ist, kommt dort eine Radwegverbindung zwischen Wilhelma und Rosensteinpark hin.

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    4. Ich stimme meinem anonymen Vorredner zu, die Wilhelma ist zu Zeit trotz der neu errichteten Abstellbügel nicht mehr mit dem Rad zu erreichen! Der Bereich vor der Wilhema ist aus beiden Richtungen Fußgängerweg OHNE Radfreigabe, ebenso alle zuführenden (Über-)Wege!

      Und Christine mit so einer "Nie-Aussage" "Vom Rosensteinpark runter war sie noch nie legal auf dem Fahrrad erreichbar." wäre ich vorsichtig, da ich mir recht sicher bin, dass der Zugang vom Rosensteinpark vor dem Baustellen Wirrwarr auch ab dem ehemaligen Elefantensteg abwärts möglich war.

      Ebenso welche der beiden Rosensteintunnelbaustellen meinst du denn? Bedingt durch den S21-Tunnel wird der Zanthweg noch steiler und damit sicher nicht für Radler freigegeben, zudem sieht auch der offizielle B10-Tunnel-Ausblick keinen direkten Anschuss für Radler vor:
      http://www.stuttgart.de/rosensteintunnel/item/show/548868

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    5. Doch, doch, das stimmt schon. Denn weder die Holzbrücke noch der Elefantgensteg waren je für Radler freigegeben. Genausowenig wie der Zahntweg. Da sind zwar immer viele geradelt, aber es war zumindest schon seit Jahren verboten. (Ich suche jetzt nicht meine alten Artikel zu dem Thema raus, wo das beschrieben ist.) Und wenn die Rosensteintunnelbaustellen weg und der Bereich vor der Wilhelma verkehrsberuhigt ist, wird es eine Fahrradverbindung von unten nach oben geben, freilich über einen noch etwas steileren Zahntweg. Das ist, wie in einem Radforum Infrastruktur im vergangenen Jahr vorgestellt, so geplant. Dann soll auch der Weg vor der Wilhelma für Räder frei sein. Das sollte er eigentlich schon jetzt sein, wenn es nach dem Willen des Bezirksbeirats Cannstatt und des Fahrradbeauftragten geht, aber es gibt ja keine Weiterführung derzeit über den Zahntweg. Aber das kann nicht so bleiben. Ich werde mich darum bemühen, dass das so kommt, wollen wir hoffen, dass wir nicht an der Gemeinderatsmehrheit scheitern.

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  2. Beim Bau von Radabstellanlagen wäre es auch noch wichtig an die vom "Standardfahrrad" abweichenden Gefährte zu denken: Transporträder, Transport- und Kinder-Anhänger, Tandems, .. Sonst muss man beispielsweise sein Fahrrad dort und seinen Anhänger im Keller parken.
    An solche Sonderformen wird leider oft auch vor Supermärkten noch nicht gedacht, obwohl genau dort ein erhöhtes Aufkommen von Fahrrädern mit Transportmöglichkeiten zu erwarten ist. Aber man wird ja selbst im Biomarkt gefragt, ob man mit dem Auto da ist (und bekommt dann einen Teil der Parkgebühr zurück) :)

    Ich habe meine Parksituation daheim ganz praktisch gelöst (von Vermieter/Hausordnung spricht zum Glück nichts dagegen): da ich nicht im Besitz eines Autos bin, parken meine drei Fahrräder + Anhänger auf dem Tiefgaragenstellplatz und ich kann dort so bequem wie ein Autofahrer hin gelangen.

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    1. Der Züricher Plan enthält auch viele Abschnitte dazu. Mir ist bewusst, dass wir viel mehr mit Rädern mit Anhängern rechnen müssen, zum Beispiel auch auf Verkehrsinseln, die dafür viel zu schmal sind. Selbstverständlich müssen auch Sonderräder mit geplant werden.

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  3. Manchmal bin ich schon über eine Laterne oder ein Schildermast dankbar: Weder das eine noch das andere und schon gar keinen Fahrradständer gibt es vor dem "Dienstleistungszentrum" im Botnanger Ghetto.

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  4. Tja, und an den großen beiden "Daimlerblöcken" (Stelzenhäuser) oben auf dem Hallschlag wird es sogar verboten, sein Fahrrad unter den Häusern zwischen den Stelzen abzustellen obwohl hier so viele Wohnungen konzentriert sind. Danke, GWG/WBS. Einen Fahrradkeller gibt es natürlich auch nicht. Ich als Münsterländer bin immer wieder aufs neue erstaunt wie fahrradfeindlich Stuttgart ist.

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