29. Juni 2014

Die sanfte Anarchie der Radfahrer und Fußgänger

Da hat man nun extra für Radfahrer zwischen Eckensee und Landtag im unteren Schlossgarten einen Radweg geebnet und mit Kies bestreut. Doch was macht der Radler? Er wählt eine bessere Strecke. 

Es hat mich übrigens  immer beschäftigt, warum hier so schnell eine Lösung für Radfahrer gefunden wurde, die bis dahin in rechten Winkeln auf schmalstem Fußgweg zum Eckensee hinunter kurven mussten.

Dann hat eine Sportskameradin, deren Name ich hier nicht nenne, mir unlängst erzählt, dass sie an dieser Stelle fast unseren Ministerpräsidenten Kretschmann über den Haufen gefahren hätte. Er schritt mit einigen Sicherheitsleuten den Winkelweg zum Landtag gehend oder vom Landtag kommend entlang, und meine radelnde Sportskollegin bimmelte, wollte durch und löste damit ein leichtes Erschrecken aus.

Es ist vermutlich nicht fair gegenüber der für uns Radler sorgenden Stadtverwaltung, wenn ich den neuen Radweg seitdem für mich im Stillen immer den Kretschmann-Weg nenne. Jedenfalls ist der jetzt da, ist als Radweg ausgeschildert und wird begeistert angenommen. Und zwar von Fußgängern.

Fußgänger sind außerstande, ein blaues Radweg-Schild zu sehen und seine Bedeutung zu erfassen. (Hier nicht du, lieber Fußgänger, sondern die anderen, die Radfahrer!) Selbst dann nicht, wenn es groß in Sichthöhe steht. Vermutlich sendet dieser Weg auch das völlig falsche Signal: Er ist nämlich nicht asphaltiert. Fußgänger mögen weiche Wege Radfahrer eher nicht.

Radler, die von der Oper her kommen, werden von gelben Rad-Wegweisern vom Eckensee weg gelenkt, damit sie den Eingang in diesen extra für sie angelegen neuen Radweg finden. Nähert man sich radelnd, fragt man sich allerdings, ob die Rad-Pfeilchen, die alle nach schräg links weisen, eigentlich meinen können, dass man hier nach rechts in die Schleuse einbiegen soll, in die gerade ganz viele Fußgänger strömen.

Und überhaupt ist dieser Rüssel sowieso ziemlich blöde, erfordert er doch einen Umweg. Und wenn man eher Eckensee-seitig geblieben ist, kommt da nicht mehr hin. Aber gar kein Problem. Geradeaus geht auch.

Fußgänger und Radfahrer haben mit ihrer wunderbaren subversiven Anarchie ein Abkürzung erschaffen, ertrampelt, erradelt, die den Weg nun geradeaus mit dem Bereich am Eckensee verbindet. Geradeaus ist immer besser als kurven. Das finden beide Spezies, Fußgänger und Radler. 

Doch wetten: Hier wird die Stadtverwaltung nicht nachgeben und den Weg neu anlegen (dann noch mal  mit Radwegschildern versehen) Wetten, dass nicht?

9 Kommentare:

  1. Der Anfang des Wegs ist einfach deswegen falsch positioniert weil er nicht in der direkten Linie von der Brücke zum Planetarium liegt. Es macht für den "Verkehr" einfach keinen Sinn 1-2 Blumenbeete später abzubiegen als nötig und darum geht es über das nicht mehr vorhandene Grün.

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    1. So ist es. Der Weg einfach falsch angelegt. Aber immerhin gibt es hier einen Weg.

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  2. Dieser Satz ist der reinste Hohn "Fußgänger sind außerstande, ein blaues Radweg-Schild zu sehen und seine Bedeutung zu erfassen".
    Ich kenne genügend Stellen, an denen Radfahrer unfähig sind, Schilder die speziell die Radler betreffen zu erkennen, zu lesen, zu begreifen und dann zu beachten.

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    1. Lieber Anonymus, ich habe sehr oft darüber geschrieben, dass Radfahrer Schilder nicht sehen und nicht beachten. Und dass sie auf Gehwegen fahren, wo sie nicht dürfen und nicht hingehören. Hier habe ich gerade mal über Fußgänger geschrieben, von denen sich viele eben leider auch nicht um Schilder scheren. Was übrigens ganz natürlich ist, denn die meisten Straßenschilder gelten nicht für Fußgänger. Sie sind es nicht gewohnt, darauf zu achten. In Stuttgart ist es, im Gegensatz zu Karlsruhe oder Hamburg, üblich, dass Fußgänger auf Radwegen gehen, weil zu wenig Radler unterwegs sind. Und Fußgänger sind übrigens die unaggressivsten Verkehrsteilnehmer überhaupt, aber wenn sie sich mal wirklich aufregen und auf Radler schimpfen, dann, wenn sie sich selber gerade mal im Unrecht befinden und auf einem Radweg herumstehen oder gehen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass wir Menschen uns am meisten aufregen, wenn wir und bei einem nicht ganz richtigen Verhalten ertappt fühlen. Und ein unrechtes Verhalten wird ja nicht richtig, nur weil andere Verkehrsteilnehmer sich ebenfalls falsch verhalten. Ich möchte mit dem Blog unter anderem erreichen, dass wir alle über unser Verhalten im Straßenverkehr nachdenken und uns bemühen, die eklatantesten Fehler nicht mehr zu machen. Oft ist es ja bloß Gedankenlosigkeit.

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  3. Es wird so laufen wie beim Radweg im mittleren Schlossgarten, von der Brücke über die Cannstatter Strasse Richtung Neckartor. Dort will man die Radfahrer auch im Bogen nach oben zur Kreuzung Neckartor leiten, um sie dann nachezu rechtwinklig abbiegen zu lassen, wenn sie in die Innenstadt wollen. Da gibt immer wieder Versuche der Stadtverwaltung, das wilde Abkürzen zu verhindern, aber am Ende gibt es doch wieder eine Spur derer, die den "unanstrengenden" Weg bevorzugen.

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    1. Lieber Michael, falls ich deine Bemerkung richtig verstanden habe, meinst du die Stelle am Neckartor, wo man aus dem Radweg kommt. Ich biege hier nicht mehr scharf rechts ab, sondern fahre schräg rechts auf die Straße, die direkt hinter dem Innenministerium vorbeiführt. Da fährt es sich bequemer.

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    2. Hallo Christine, vielen Dank für den Hinweis. Ja genau die Stelle meinte ich. Seit ich nicht mehr im Stuttgarter Osten wohne, komme ich da nicht mehr so oft vorbei, kenne den neuen Weg daher noch nicht, ausser hier aus dem Blog ;-)
      Nächstes Mal probiere ich ihn aus.

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  4. Was die Radweg-Beschilderung angeht, seien wir mal ehrlich: Dass ein Großteil der Fußgänger im Alltag diese wahrnimmt und beachtet, ist doch sehr unrealistisch - die Praxis beweist es immer wieder. Und nicht nur die Beschilderung, Markierungen auf dem Boden werden von vielen genauso ignoriert bzw. einfach nicht wahrgenommen. Insofern frage ich mich, ob es sich noch lohnt, weiter darüber zu streiten oder sich aufzuregen, oder überhaupt für ein paar hunderte Euro noch schicke Schilder dort aufzustellen die ohnehin vergebene Müh' sind.

    Was diesen "Pseudoradweg" angeht, so kann ich dem Gesagten nur zustimmen. Ich selbst habe den Weg bisher ignoriert, weil er eben nicht asphaltiert ist. Und selbst wenn er es wäre, ist die Streckenführung viel zu kompliziert. Ich kann auch ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, wie man einen Radweg auf derart dämliche Art und Weise anlegen kann. Der wurde vermutlich von jemandem geplant, der selbst nie mit dem Rad unterwegs zu sein scheint. Städtische Radwege aus Kies gehen mal gar nicht. Wenn einem also schon der Asphalt dafür zu teuer ist, sollte man es lieber gleich bleiben lassen.

    Umso mehr freuen sich die Fußgänger daran. Also, wie wär's? Radwegschilder ab, Fußgängerwegschilder ran?

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  5. Lieber Florian, ich denke, wir dürfen weder die Stadt noch die Fußgänger von der Pflicht entheben, für Radfahrer Wege anzulegen und sie auch zu beachten. Dass die Stuttgarter keine Radwegschilder und -Markierungen sehen, liegt sicher vor allem daran, dass immer noch recht wenige Radler dort unterwegs sind. Übrigens finde ich diesen Kiesradweg immer noch besser als das Gewinkel vorher über einen schmalen und auch von Fußgängern begangenen Weg. Da musste schon was hin. Nur so ist es natürlich gar nicht gut.

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