11. März 2017

Eine Minderheit beansprucht sehr viel Platz

Fußgänger, Radfahrer und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs (die dann zu Fußgänger werden) stellen den größten Teil derer, die in einer Stadt wie Stuttgart unterwegs sind.

Es dürften zusammen über die Hälfte sein. Doch den allermeisten Platz brauchen Autos. Und wir geben ihn ihnen. Übrigens durchaus murrend. Denn auch die, die im Autos sitzen, aber im Stau stehen, schimpfen auf Autos, nämlich die anderen. Wir alle wünschen uns in der Stadt mehr Ruhe und mehr Bewegungsfreiheit.

Unlängst erzählte mir jemand von seinem Bruder, einem Autoliebhaber, der aus Schweden zu Besuch kam und entsetzt bemerkte: "Was macht ihr denn hier? Ich mag ja Autos, aber hier kann man ja gar nicht mehr Auto fahren. Das macht keinen Spaß." Es wäre also im Interesse von Autoliebhabern und leidenschaftlichen Autofahrern, dass die, die lieber zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren, es leichter haben, das zu tun. Dafür brauchen sie aber auch einladende Räume in der Stadt. Es muss Freude machen, zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren.

Noch krasser ist das Missverhältnis beim stehenden Verkehr. Neunzig Prozent des öffentlichen Raums werden von Autos besetzt: Sie parken entlang aller Straßen. Jedes Auto braucht 12 Quadratmeter. Darauf könnte man zehn Fahrräder stellen oder zwölf Fußgänger. Doch für Fußgängerbereiche stehen nur sechs Prozent des öffentlichen Raums zur Verfügung, etwa für Bänke oder Bushaltestellen. Nur zwei Prozent bekommen Fahrräder für Fahrradbügel und Abstellplätze.

Aber auch in Bewegung braucht ein Auto mehr Platz. Fährt es langsam, braucht es 65 Quadratmeter, bei 50 km/h braucht es schon 140 Quadratmeter an freiem Platz. Ein Radfahrender braucht höchstens 41 Quadratmeter, wenn er ordentlich treppelt, Fußgänger nur einen einzigen.

Würden wir platzsparenden Verkehrsmitteln, den Radfahrenden und den zu Fuß Gehenden (die auch Busse und Stadtbahnen nutzen) mehr Raum in unserer Stadt geben, wo sie sich wohl fühlen, dann würden auch sehr schnell mehr Leute zu Fuß oder mit dem Fahrrad in der City unterwegs sein. Und mehr Leute in den Straßen bedeutet immer auch mehr Geschäft für die Läden, Cafés, Restaurants in den Straßen. Es bedeutet aber auch für jeden, dass er Freunde trifft, dass sie soziale Verantwortung für einander wächst, dass Menschen weniger einsam sind. 

faz.de denkt in einem langen Artikel über die Mobilität von heute und morgen nach. Auch dieser Artikel erzählt von Kopenhagen und seinen Radschnellwegen in die Innenstadt. Anfangs war das Geschrei groß, die Händler in der City befürchteten, dass sie nichts mehr verdienen, wenn die Leute nicht mehr mit dem Auto in die Parkhäuser oder vor die Läden fahren können. Das Gegenteil war der Fall. Seitdem die Innenstadt für Autos gesperrt ist, gibt es viel mehr Kund/innen zu Fuß mit viel mehr Zeit und Kauflust. Die Geschäfte florieren. Inzwischen lassen sich Großstädte wie New York von den Kopenhagenern beraten. Ich habe hier auch schon vom Eco Mobility World Festival berichtet: Für einen Monat werden von Autos vollgestopfte Stadtteile für Autos gesperrt. Zuletzt hat man das in Johannesburg gemacht. Statt Autos gab es für die Leute E-Räder und E-Bikes, E-Busse fuhren auf leeren Straßen. Die Einwohner feierten Feste und verschönerten ihr Stadtteil und festigten ihre sozialen Beziehungen und ihren Bezug zu lokalen Gechäften. Noch wartet der Stadtplaner, Otto-Zimmermann, auf die erste deutsche Stadt, die mitmacht.

Na, wie wär's Stuttgart?

Einen Aktionsplan gibt es ja, der viel enthält, was helfen würde, die Stadt für Fußgänger/innen und Radfahrende attraktiver zu machen: bessere Wegebeziehungen, bessere Ampelschaltungen, eine konsequente Überwachung des ruhenden Verkehrs und anderes.


4 Kommentare:

  1. Ich fände es toll, wenn Stuttgart da mitmacht.

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  2. Ja bitte mitmachen. Gleichwohl habe ich dahingehend die Hoffnung aufgegeben. Erst wenn Gerichte den KFZ Verkehr in Stuttgart massiv beschränken wird man sich an das Fahrrad erinnern. Es ist leider recht still geworden. Hat das Verwaltungsgericht diese Placebomassnahme "nicht-kontrollierbares Fahrverbot an Alarmtagen" als taugliche Maßnahme akzeptiert? Fahrverbot nach Kennzeichen 50% in der feinstaub Saison von nov. Bis feb. Wären eher der richtige Ansatz ...
    Ohnehin bin ich auf die Auswirkungen des feinstaubs auf den Rad Verkehr gespannt.

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  3. Es ärgert mich massiv, dass Stuttgart zwar den Aktionsplan erstellt hat mit dem Ziel, den Autoverkehr um 20% zu verringern, dann aber, wenn es daran geht, Geld auszugeben, Bezirksräte und Gemeinderäte (und Land Baden-Württemberg) völlig andere Prioritäten setzen. Dann wird auf einmal alles dafür getan, den Autoverkehr zu halten und möglichst auszubauen.
    - 500000 Euro für das 100-Meter-Moos-Experiment. Was für ein Irrsinn. Nur Autos, die zu Hause stehen bleiben, produzieren keinen Feinstaub. Durch diese Maßnahme fährt kein Auto weniger. 500000 Euro, die nicht zur Verbesserung der Radinfrastruktur eingesetzt werden.
    - Neue Tunnel für Autos statt Ersatz für Wilhelma- und Elefantenbrücke, die kreuzungsfreies Queren der Stadtbahnstrecke und weitere Gefahrenstellen vermieden haben.

    @ Anonym: ich bin gegen Fahrverbot egal welcher Art, d.h. weder die 50% noch die ungerechte und Ausnahmen-strotzende Diesel-Verbote. An Feinstaubtagen geänderte Ampelschaltungen mit Fußgänger- und Radfahrer-Priorität und ein paar andere Maßnahmen würden jede Autofahrt so stark in die Länge ziehen und unattraktiv machen, dass wirklich nur diejenigen das Auto nutzen, die tatsächlich darauf angewiesen sind und keine Alternative haben.

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