15. März 2017

Helme ja, Helmpflicht nein - eine Abwägung

Vor ein paar Tagen meldete der SWR, dass die Regierung von Baden-Württemberg keine Helmpflicht für Radfahrende einführen will, aber sehr wohl das Helmtragen empflehlt. Es ist bekannt, dass der Grüne Verkehrsminister Hermann ein Fan einer Helmpflicht ist.

Er hat deshalb eine Studie in Auftrag gegeben. Es ist aber auch bekannt, dass viele Radfahrende und Radfahrverbände oder -Initiativen gegen eine Helmpflicht sind. (Ich übrigens auch, obgleich ich immer einen Helm trage). Sie befürchten nämlich, dass dann viele nicht mehr aufs Fahrrad steigen. Und das wäre für die Gesamtgesellschaft wiederum ein Nachteil und auch teurer. Da Kinder heute immer Helm beim Radeln tragen, wird sich das im Lauf der kommenden Jahre aber ändern. Immer mehr Menschen werden Helm tragen, auch ohne Gebot.

Die Studie kann man hier lesen.
Sie ist abwägend, deshalb auch sehr kompliziert und belässt vieles im Bereich der Vermutung und der statistischen Hochrechnung. Das Hauptproblem solcher Studien ist, dass es keine Kontrollgruppe gibt. Man kann also nicht exakt sagen, wie die Kopfverletzungen von Radfahrenden mit Helm im Vergleich zu denen ohne Helm aussehen, auch weil jeder Unfall ein individuelles Geschehen ist. Zudem sind solche Unfälle ja auch viel seltener als Herzinfarkte, Treppenstürze, Haushaltsunfälle oder Unfälle mit dem Auto, wo das Risiko von Kopfverletzungen sehr viel höher ist als beim Radfahren.

Wie die Studie herausgefunden hat, besteht ein Risiko, von knapp 40 Prozent, bei einem Unfall eine Kopfverletzung zu erleiden, übrigens inklusive Gesicht, das der Helm gar nicht schützt. Übrigens sind darin auch leichte Kopfverletzungen enthalten, nicht nur die schweren oder gar tödlichen! Etwas häufiger sind mit knapp 42 Prozent Armverletzungen. Zu 24 Prozent trifft es die Beine und Füße, in 8 Prozent der Fälle sind Bauch, Rücken und Becken betroffen.

Übrigens, je schneller man mit dem Rad unterwegs ist, desto höher ist das Risiko einer Kopfverletzung. Um genau zu sein: Je höher die Kollisionsgeschwindigkeit ist, an der im Zweifelsfall auch ein Auto beteiligt ist, desto höher wird das Risiko einer Kopfverletzung. Bei über 40 km/h Kollisionsgeschwindigkeit liegt es schon bei 72 Prozent der Studie zufolge. Demzufolge kann man sagen, dass bei Zusammenstößen mit dem Auto das Risiko für eine Kopfverletzung (neben anderen Verletzungen an Armen und Beinen eben grundsätzlich hoch ist.

Eine Helmpflicht schadet derzeit eher

Wie alle Studien zur Helmpflicht, kommt auch diese, die sehr viel mehr Quellen und Untersuchungen aus etlichen Ländern herangenommen hat, zu dem Ergebnis, dass eine Helmpflicht derzeit noch viel zu viele Menschen vom Radfahren abhalten würde. Der positive Effekt des Radfahrens auf die Gesundheit ist jedoch sehr viel größer als das Risiko, eine schwere Kopfverletzung zu erleiden. Es ist besser, wenn Menschen ohne Helm Rad fahren, als wenn sie es wegen des Helms gar nicht tun. Das Risiko, einen Unfall zu erleiden und sich dabei eine schwere Kopfverletzung zuzuziehen ist beim Radfahren ohnehin geringer als etwa bei Autounfällen. Eigentlich müssten sonst auch Autofahrer, Hausfrauen und Menschen auf Treppen Helme tragen. Und das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben übertrifft all diese Risiken bei Weitem. Der Mensch ist nämlich ein Wahrscheinlichkeits-Idiot. Er fürchtet (und schützt) sich gern vor etwas, was sehr selten passiert, nimmt aber die alltäglichsten Gefahren nicht mehr wahr. Deshalb ist bei der ganzen Helm-Debatte Ruhe und Rationalität angesagt, kein heftiges Geschrei.

Übrigens: ein Argument höre ich auch immer wieder: Wieso müssen Mofafahrer einen Helm tragen, Radler aber nicht? Meine Antwort: Der Nutzen des Radfahrens für die Gesundheit und die soziale Wohlfahrt übertrifft das Risiko eine Kopfverletzung um ein Vielfaches, das Mofafahren hat aber weder für den Fahrer noch für die Gesellschaft irgendeinen Vorteil.

Der beste Schutz für Radfahrende ist übrigens eine gute Radinfrastruktur, die viele Menschen aufs Fahrrad bringt.

In den Niederlanden trägt niemand einen Helm, und es fahren alle aus Kinder und Alte. Wir hingegen - allemal in Stuttgart - rüsten uns ein, weil wir einen aggressiven Autofahrer im Nacken spüren. Und es sind auch oft die Autofahrenden, die eine Helmpflicht für Radler fordern, genauso, wie es sehr oft die Autofahrer sind, die erklären, Radfahren sie lebensgefährlich, vor allem in Stuttgart. Aber Radfahren ist nicht lebensgefährlich, auch nicht hier, ganz im Gegenteil: Radfahren ist gesund und macht vergnügt. Und man kann in Stuttgart sehr gut Rad fahren.

Ich habe oft über die Helmpflicht und Warnwesten und Co geschrieben. Hier die früheren Artikel.
Fahrradhelm
Helmpflicht nützt nichts, schadet aber
Faltbare Helme
Der Helm, der nicht der Frisur schadet
Warnwesten nützen nichts

Übrigens kleiner Tipp für angehende Helm-Radler, die den Helm doof finden, weil man bei sich trägt, wenn man das Rad verlässt: Man muss den Helm nach dem Abstellen des Fahrrads nicht überallhin mitnehmen. Man kann ihm an Rad hängen lassen. Sogar, ohne ihn anzuschließen. Mir ist in den elf Jahren, die ich mit dem Pedelec und mit Helm durch Stuttgart radle, noch nie ein Helm gestohlen worden. Man kann ein Kettenschloss aber auch durch den Helmgurt fädeln, dann ist er angeschlossen so wie bei dem Fahrrad im Bild ganz oben.



38 Kommentare:

  1. Ich bin für Helmpflicht.

    Diejenigen, die bzgl. der Risiken hartnäckig uneinsichtig sind, werden trotzdem keinen tragen.

    Wo kommt denn diese gerne zitierte Behauptung her, dass jemand wegen Helmpflicht auf das Radfahren verzichten würde?
    Ich sehe genügend Radfahrer, die trotz der Pflicht, eine Klingel und eine Beleuchtung am Rad zu haben, Fahrrad fahren. Und die Gurtpflicht im Auto hält offensichtlich auch nicht viele Leute vom Autofahren ab. Die ist auch lästig, man schwitzt drunter und der Gurt macht Falten in die frisch gebügelte Bluse.

    Kontrollen durch die Polizei wird es auch nicht mehr geben als bisher. Die regelmäßigen Polizeiaktionen im Schloßpark sind aus meiner Sicht sinnlos, eben da keine Helmpflicht besteht.

    Wegen der Versicherungsleistungen nach einem Unfall mit Schädelverletzungen ist es auch heute schon mit extrem hoher "Straf"zahlung verbunden, auf einen Helm zu verzichten.

    Dass die Landesregierung die Studie beauftragt hat, regt mich übrigens massiv auf. 300000 Euro für eine Placebo-Maßnahme. Die Studie kann gar keine Entscheidungsgrundlage sein, denn die Landesregierung könnte gar keine Helmpflicht beschließen. Geld das für sinnvolle Maßnahmen fehlt, um Gefahren beim Radfahren zu vermeiden und Radfahren attraktiver zu machen. Beispielsweise Winterdienst im Schloßgarten oder Entfernen von Rollsplitt und Staub/Matsch/Schlamm auf Radrouten oder gesetzeskonforme Radwege an Landesstraßen. Oder irgendwelche sonstigen Maßnahmen zur Verbesserung der Radinfrastruktur, die tatsächlich jemanden zum Umsteigen aufs Rad bewegen.

    Zu Deinem Mofa-Argument: Im Gegenteil, Mofafahren hat (als Alternative zum Autofahren) Vorteile für den Fahrer und für die Gesellschaft: wesentlich geringerer Energieverbrauch (Benzin bzw. Strom bei Elektromofas), wesentlich geringerer Platzbedarf auf Straße und beim Parken, wesentlich geringere Wartungskosten.

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    1. Die Diagramme zur Helmtragequote aus dem Ländervergleich der Studie zeigen aus meiner Sicht deutlich, dass bei Einführung der Helmpflicht kaum jemand tatsächlich auf das Radfahren verzichtet. Bei Verzicht müsste es ja einen sprunghaften Anstieg der Helmtragequote geben (weil die Nicht-Helmfahrer nicht mehr Fahrrad fahren). Die Tragequote hat sich aber in allen Ländern stetig weiterentwickelt.

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  2. Herzlichen Dank für diesen hervorragenden Beitrag. Und dem Verkehrsminister der Grünen danke ich ebenfalls für die differenzierte Position und die kluge Entscheidung. Ich persönlich fahre völlig undogmatisch mal mit und mal ohne Helm. Je nach Route und Gefährdungspotenzial.

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  3. Gibt es einen Grund warum Fahrradfahrer einen Helm tragen sollten der nicht auch auf Fussgänger und Autofahrer übertragbar ist? Nach den Studien die ich kenne ist das Risiko pro Zeit im Verkehr eine schwere Kopfverletzung zu erleiden im Auto trotz aller eingebauten Sicherheitsausstattungen etwa genauso hoch wie beim Fahrrad, für Fussgänger sogar etwa doppelt so hoch. Da viel mehr Zeit im Auto verbracht wird schlagen folglich im Krankenhaus nominell auch viel mehr verunfallte Autofahrer mit schweren Kopfverletzungen auf als Radfahrer. Ein Autofahrerhelm würde vielleicht auch Leute vom Autofahren abhalten, das wäre doch super! Die ganze Helme für Radfahrer Angstgeschichte ist eine einzige große Propagandaaktion...

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    1. Aus meiner Sicht ja.

      Es gibt Fahrrad-spezifische Unfall-Situationen mit hoher Gefahr von schweren Kopfverletzungen: Abrutschen beim schrägen Hochfahren an Bordsteinkanten, d.h. mit gewisser Wahrscheinlichkeit schlägt man auch noch auf der Kante auf.

      Fußgänger:

      a) jeder läuft und muss laufen, egal wie gebrechlich, sehbehindert, krank, unter Drogen etc. Da gibt es Unfälle und Stürze von Leuten, die nicht in der Lage wären, Fahrrad zu fahren. (Autofahren tun manche trotzdem und einige Autounfälle gehen auf diese Ursachen zurück).
      Fußgänger verhalten sich im Schnitt ähnlich regelwidrig und unvorsichtig wie Radfahrer (mir läuft mindestens jeden zweiten Tag einer auf die Straße vor's Fahrrad ohne sich umgeschaut zu haben), sie sind aber wendiger und können leichter zur Seite springen als Radfahrer, um in letzter Sekunde noch einen Unfall zu vermeiden.

      Autofahrer:

      Die Geschwindigkeit bei Autounfällen ist im Schnitt ein Vielfaches höher. Die meisten Unfälle mit Verletzungen im Autoverkehr passieren auf Autobahnen und die verursachen entsprechend den Anteil an Kopfverletzungen trotz der technischen Maßnahmen. Die leisten angesichts der Geschwindigkeiten erstaunliches.

      Ansonsten ist es meine persönliche Einschätzung aufgrund von Erfahrungen:
      a) eine Freundin war nach Sturz auf einer Kreuzung bewusstlos (Ursache des Sturzes war daher nicht bekannt, evtl. in Straßenbahnschiene "eingefädelt")
      b) bei einem von ca. 10 eigenen Unfällen und Stürzen hat der Helm genutzt (ich bin u.a. mit dem Helm auf der Motorhaube von dem Auto aufgeschlagen, das mir die Vorfahrt genommen hat). Bei den anderen war der Kopf nicht beteiligt (ich lass' den letzten Satz mal so stehen, weil er auf amüsante Weise missverständlich ist).

      Für Radfahrer, die nachts in Stuttgart unterwegs sind, empfiehlt sich das Tragen von Brille und Helm auch aus einem weiteren Grund: Jede Menge Äste, die auf Kopfhöhe in den Weg reinragen und "unsichtbar" oberhalb des Lichtkegels vom Scheinwerfer liegen.

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    2. Die Unfallszenarien mögen etwas unterschiedlich sein und womöglich sind bei den Fussgängern mehr Gebrechliche unterwegs, aber im Endeffekt gibt es soundsoviele Kopfverletzungen bei den einzelnen Verkehrsarten bei denen der Helm schützen könnte und Fahrradfahrer schneiden insgesamt nicht schlechter ab als die beiden anderen Verkehrsarten. Warum also ausgerechnet ein Fahrradhelm?
      Im Auto könnte man auch einen richtig robusten Helm tragen, der in Kombination mit einem guten Rückhaltesystem ziemlich wirksam ist, siehe Motorrennsport. Bei Fahrradfahrern wird ja auch gerne auf die Radsportler verwiesen die Helme tragen. Das ist genau das Gleiche in grün.

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  4. Etwas "off topic": (E-)Mofafahrer sind in Stuttgart noch schlechter dran als Radfahrer. Ganz krass: Es gibt keine legale Verbindungsstrecke zwischen Bad Cannstatt und Stuttgart. Die Fahrbahnen auf der König-Karl-Brücke sind verboten, der Radweg ist nicht freigegeben und der Gehweg ist sowieso tabu. Ein Freund steigt deshalb nicht auf's Zweirad um, was er sonst bei gutem Wetter nutzen würde.

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    1. Und die Rosensteinbrücke?

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    2. Man kommt mit dem E-Bike (auch mit dem S-Pedelec) eben nicht durch den Schwanenplatztunnel und den Radweg übers Leuze darf man auch nicht nehmen. Man kann nur die Pragstraße hochfahren und über die Heilbronner wieder runter, oder über die Aubrücke hoch Richtung Löwentor und dann die Heilbronner. Das ist ein riesiges Manko in Stuttgart, dass die direkte Verbindung zwischen Stuttgart und Cannstatt nur für den Kraftverkehr oder für Fahrräder (über den Leuzeradweg) erlaubt ist.

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  5. Meinen persönliche Meinung: Ich bin gegen eine Helmpflicht!
    Radfahren muss einfach bleiben, unkompliziert. Eine Helmpflicht würde zu viele abschrecken. Das bringt den Radverkehr nicht voran.
    Ich trage meinen Helm freiwillig (obwohl ich ihn nicht mag). Nehme mir aber auch die Freiheit auf ihn zu verzichten.
    Sandy

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  6. Seit einem Unfall mit Kopfverletzung (hinterher ist man immer schlauer) trage ich Helm. Eine Helmpflicht lehne ich aber ab. In diesem Land ist alles geregelt und reglementiert - lasst die Leute doch mal selber denken! Wer ohne Helm fährt, schadet möglicherweise erstens sich selber, zweitens per Folgekosten der Gesellschaft. Das tun Raucher, Autofahrer und viele andere auch.

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  7. Ihr wisst ja, ich trage Helmm und ich würde das allen empfehlen, zum Beispiel auch wegen der Äste, die man nicht gesehen hat oder anderer Zufälle. Aber ich bin dagegen, dass man die ältere Generation (für die es allerdings gut wäre) zwingt, einen Helm aufzusetzen. Radfahren ist nur eines von vielen Lebensrisiken, aber es ist einfach besser, wenn man sich bewegt als wenn nicht. Es gab in Australien eine Untersuchung (über die ich irgendwo mal berichtet habe), die zeigte, dass viele aufgehört haben, Rad zu fahren, als die Helmpflicht eingeführt wurde. Das ist Jahre her, heute wäre das vermutlich nicht mehr so krass. Aber in ein paar Jahren hat sich das Problem ohnehin erledigt, weil man heute Kindern immer einen Helm aufsetzt (obgleich ich das eher für unnötig halte, denn Kinder verletzen sich beim Fallen kaum und Schaukeln und andere Herumtobereien sind gefährlicher und unfallträchtiger). Ich plädiere deshalb dafür, die Diskussion um den Helm sehr gelassen zu führen. Bedenkt auch, dass Radfahrnationen deshalb auf Helme verzichten, weil Radfahren sicherer wird, je mehr Rad fahren und je besser die Infrastruktur ist. Die Forderung nach Helmpflicht ist im Grunde ein Kennzeichen für eine Gesellschaft, die Radfahren nicht wirklich fördert und nicht sicher machen will.

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  8. Hier noch ein interessanter Beitrag, der direkt an mich ging.
    Liebe Christine,

    danke für die interessanten Ausführungen zum Thema Helmpflicht.

    Auch ich ziehe ungernst einen Helm an, besonders wenn es zu einem wichtigen Termin geht - zur Arbeit, Feiern und Veranstaltungen, jedenfalls Termine, bei denen man eine erkennbare Frisur haben möchte. Man könnte hier auch Unterschiede machen: Fahre ich frühmorgens am Sonntag in der Stadt, fahre ich im Berufsverkehr, fahre ich mit Rennrad auf Gefällstrecken oder auf topfebenem Gelände, Hauptstraßen mit Lkw-Verkehr o.ä..

    Ich selbst hatte in ca. 50 Jahren auf dem Rad nur einen einzigen Kopfsturz, als ich am Ende einer hintereinanderfahrenden Gruppe direkt vor einem Auto gestürzt bin. Der Helm war gebrochen und nicht mehr zu gebrauchen, hatte mich aber vor einer schweren Kopfverletzung geschützt, so dass ich weder Schürfverletzungen noch eine Gehirnerschütterung hatte.

    Beim Rennradfahren wegen der sportlicheren Sitzposition, bei der der Lenker meist tiefer als der Sattel ist, ist es kritisch, ohne Helm zu fahren.

    Wo ich meinen Helm meistens abnehme - das kann man auch während des Fahrens - ist bei längeren Steigungen. Hier kann man gar nicht auf den Kopf fallen, wenn überhaupt, dann eher seitwärts auf den Arm. Ein völlig verschwitzter Helm auf dem Kopf ist bei der dann folgenden Abfahrt sehr unangenehm. Ganz davon abgesehen, dass bei Brillenträgern häufig die Brille beschlägt, man sie wegen des Helms auch nicht auf den Kopf ziehen kann und das freie Gefühl des Kopfes völlig fehlt, was bei langen Anstiegen wichtig ist.

    Absolute Verfechter des Helmtragens haben mich schon öfter darauf hingewiesen, dass man doch bitte immer einen Helm tragen sollte. Für mich sind solche Zurechtweisungen anderer Menschen typisch deutsch. Das gibt es in anderen Ländern in dieser Form nicht. Wir sind oft in Finnland, wo die Menschen sehr entspannt Fahrrad fahren und Belehrungen in dieser Form nicht stattfinden.
    Meiner Meinung nach wird die Vorsicht in Deutschland auch etwas übertrieben. In keinem anderen Land sieht man so viele kleine Kinder mit riesigen Helmen, die auf Laufrädchen unterwegs sind. Hier ist der Abstand zum Boden höchstens ein Meter, und meist passiert Kindern nicht viel. Wenn man es mit der Vorsicht übertreibt, könnten Kinder immer und überall Helme tragen, auch bei anderen Spielen. Und das wäre doch ziemlich lächerlich...

    Herzliche Radgrüße

    E.

    Übrigens: Ich habe mindestens zehn Helme, alle Farben je nach Trikot, das kann sehr schick aussehen!

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  9. Da ist mir noch etwas nettes zum Thema eingefallen:
    Letzten Sommer habe ich drei Tage in Amsterdam verbracht, natürlich mit Rad. Nachdem ich am ersten Tag, brav wie gewohnt mit Helm aufm Kopf losgezogen bin und gemerkt habe, hoppla hier fahren wirklich sehr viele Rad und nochmal hoppla, da hat ja kein Mensch einen Helm auf, hab ich für die restlichen zwei Tage den Helm weg gelassen. Ich kam mir ziemlich albern vor mit meinen Helm!
    Sandy

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  10. Ich fahre immer mit Helm, fühle mich nackt ohne. Ernsthafte Unfälle, bei denen mir der Helm geholfen hätte, hatte ich im Straßenverkehr noch nie, wohl aber mal bei einem Mountainbike Downhillrennen. Ich würde dennoch jedem Radfahrer zum Helm raten: Das statistisceh Risiko, dass nur rund 2% der Kopfverletzungen beim Radfahren entstehen steigt bei Personen, die wenig Auto und viel Rad fahren durchaus in den zweistelligen Prozentbereich an.

    Von einer Helmpflicht halte ich aus oben genannten Gründen nichts. Es muss möglich sein, auch mal kürzere, Risiko ärmere Strecken ohne Helm zurückzulegen. Hinzu kommt, dass eine Helmpflicht die falsche Botschaft transportieren würde: "Wir wollen nicht den Verkehr für Radfahrer insgesamt sicherer machen, sondern machen die Radfahrer dafür verantwortlich, ihr Verletzungsrisiko im Falle eines Unfalles zu senken."

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  11. Ich kann mich an einen Beitrag in einer Kindersendung erinnern. Folgendes Experiment: Eine Wassermelone wird aus einer Höhe von 2m auf einen Steinboden fallengelassen. Ergebnis: Matsch.

    Danach wird eine zweite Melone "mit Heim" fallengelassen. Ergebnis: Der Helm dämpft den Sturz effektiv.

    Das ist natürlich keine strenge Wissenschaft, aber dafür herzerfrischend anschaulich und plakativ.

    Übrigens: Die Aufprall-Geschwindigkeit beträgt hier etwas mehr als 20 km/h.

    Es muss schon jeder für sich selbst entscheiden, ob ein Helm sinnvoll ist oder nicht. Statistisch lässt sich die Frage vermutlich nicht fassen. Dafür sind die Zahlen sehr klein (ca. 350 getötete Radler im Jahr, wieviele davon wegen Kopfverletzungen?).

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    1. Schade, dass die Kindersendung das gleiche Experiment nicht mit einer 30 km/h schnellen (oder schnelleren) Wassermelone und A-/B-/C-Säule oder sonstigen Gegenständen in Kopfnähe eines Autofahrers gemacht hat.

      Ob die Melone da wohl heil geblieben wäre? Wie das wohl mit einem Autohelm (wie im Motorsport üblich) ausgehen würde?

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    2. An meinem Kopf hängt noch ein Körper mit zusätzlichen ca. 80kg. Und ich falle nicht genau senkrecht auf den Boden. Das "Experiment" sagt daher rein gar nichts aus.

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    3. Was höhere Geschwindigkeiten angeht:

      1995 Fabio Casartelli, Abfahrt in den Pyrenäen bei der Tour de France : Sturz ohne Helm, schwere Kopfverletzungen, tot.

      2003 ein Radprofi aus Kasachstan, Sturz bei Paris-Nizza(?) ohne Helm,  schwere Kopfverletzungen, tot.

      2001 Marcel Wüst, Radrennen in Spanien (?), Sturz in einem unbeleuchteten Tunnel, mit Helm , Kopfverletzungen, Karriere-Ende,  nicht Lebens-Ende und Verlust des rechten Auges. 

      2016 Jedermann-Rennen auf dem Hockenheimring,  direkt vor mir stürzt eine Radlerin auf nasser Strecke, keine Fremdeinwirkung, ich höre und sehe den Aufschlag des Helms auf dem Asphalt,  zum Glück der Helm und nicht die Schläfe, Tempo 35 bis 40.Die Kollegin kann weiterfahren und das Rennen beenden.

      Ein Fahrradhelm kann also durchaus auch bei hohen Geschwindigkeiten vor schweren Verletzungen bzw.  vor dem Tod schützen.

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    4. Die vertikale Versuchsanordnung dient nur dazu,  die Geschwindigkeit genau zu bestimmen, nämlich über die Fallhöhe. Ansonsten hat die Bewegungsrichtung keinen Einfluss auf das Experiment.  Das folgt aus der Isotropie des Raumes (Physik 1. Semester)

      Das musst du jetzt natürlich nicht glauben, ist aber so.

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    5. Casartelli flog mit 70 km/h mit dem Kopf voran gegen einen Begrenzungsstein. Da hätte ein Helm rein gar nichts mehr bewirkt.

      Zur Physik: es reicht Mittelstufenphysik. http://myhome.iolfree.ie/~hardshell/physik.html
      Das hat alles nichts mit Glauben zu tun.

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    6. Auch ein Aufprall mit Helm kann ziemlich gefährlich sein, selbst, wenn der Schädel nicht bricht. Beim Aufprall reißt auf der Gegenseite das Gehirn vom Knochen ab, die Lücke füllt sich mit Blut. Das gibt auch Koma oder Tod. Helme schützen eben auch nur dann etwas besser als Kein-Helm, wenn man mit Alltagsgeschwindigkeiten fährt. Im Einzelfall aber kann so ein Helm dann eben doch Leben retten. Fast jeder kennt Geschichten von Leuten, denen es den Helm zerhauen hat. Und beim Aufprall auf ein Auto (Windschutzscheibe oder so) schützt er wirklich etwas mehr, vielleicht entscheidend zwischen Leben und Tod. Bei allen anderen Stürzen weiß man nicht so recht wie der Mensch (vor allem ein Kind) gestürzt wäre und wie er aufgeprallt wäre , wenn er nicht noch einmal fünf Zentimeter um den Schädel und ein zusätzliches Gewicht auf dem Kopf gehabt hätte. Einfache Antworten gibt es bei diesem Thema nicht, wie auch die gute Diskussion hier zeigt.

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    7. Die Isotropie des Raumes gilt natürlich für die Physik der Mittelstufe.

      Vielen Dank für den Link. Nur gebe ich zu bedenken, dass die Autoren Interessen-gesteuert sind. Nämlich Verhinderung einer Helmpflicht. Eine neutrale Quelle kann dies also gar nicht sein,  auch wenn sie sich naturwissenschaftlich gibt.

      Zu den Fakten: Casartelli ist auf einer Abfahrt verunglückt, bei der sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht wurden. Wie schnell er tatsächlich zum Zeitpunkt des Unfalls war,weiß ich nicht. Wahrscheinlich weiß das niemand. Es ist nur bekannt, dass es zu einem Sturz vieler Fahrer im Feld nach einer Linkskurve kam. Das lässt auf eine niedrigere Geschwindigkeit schließen. Und ob ein Helm geholfen hätte, kann man gar nicht sagen.  Du glaubst es halt und stellst es als unverrückbare Wahrheit hin. Solange du den Beweis nicht antrittst, ist deine Aussage nur eine Behauptung. So ist das halt mit der Physik.

      Marcel Wüst erklärte in einem Spiegel-Interview, zum Glück hatte er einen Helm auf, sonst hätte er den Unfall wohl nicht überlebt. Und diese Aussage geht vermutlich auf die Aussagen von behandelnden Ärzten zurück.

      Nach dem Tod von Kiwilew im Jahr 2003 verfügte die UCI eine allgemeine Helmpflicht bei Straßenrennen.

      Im Januar 2016 kollidierte John  Degenkolb frontal mit einem Auto.  Insgesamt 6 schwerverletzte Radler. Und alle mit Helm.

      Auch dieses Jahr wird es bei der Tour wieder Massensprints geben. Und Massenstürze. Und hoffentlich gehen sie wieder vergleichsweise glimpflich aus.

      Bei Jedermann-Rennen gilt auch eine Helmpflicht. Warum eigentlich?  Vermutlich geht es vor allem um versicherungs- und haftungsrechtliche Fragen.

      Ich persönlich bin gegen eine allgemeine Helmpflicht. Aber die Schutzwirkung von Helmen ist offensichtlich und zumindest im Sport allgemein anerkannt.

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    8. Deine Beispiele beziehen sich alle auf den Radsport. Die Fahrer dort fahren höhere Geschwindigkeiten und gehen bei jeder Geschwindigkeit mehr Risiko ein als der Durchschnittsradfahrer im alltäglichen Stadtverkehr. Keiner bestreitet die Sinnhaftigkeit des Helms für Sportler.

      Analog dazu gehen Motorsportler auch höhere Risiken als normale Autofahrer ein und tragen einen Helm. Und trotzdem gab es immer wieder Todesfälle im Autosport.

      Warum soll man jetzt ausgerechnet beim alltäglichen Radfahren einen Helm tragen, beim alltäglichen Autofahren aber nicht? Kopfverletzungen sind auch bei Todesfällen im Auto die Todesursache Nummer 1.

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    9. Der anonyme Schreiberling bedauerte, dass in der von mir zitierten Kindersendung keine höheren Geschwindigkeiten getestet wurden und stellte die Frage in den Raum, ob eben dann die Melone auch noch heilgeblieben wäre.

      In dem von ihm genannten Link wird der Eindruck erweckt, dass bei hohen Geschwindigkeiten ein Helm wirkungslos ist. Und er erweckt den Eindruck, dass er davon überzeugt ist.

      Und der anonyme Schreiberling bestreitet die Sinnhaftigkeit von Helmen ("Casartelli, 70 km/h, Helm hätte nichts genutzt").

      Ich habe mit diesen Beispielen diese Einschätzungen widerlegt.

      In meinen Augen muss niemand einen Helm tragen. Das darf jeder Radler für sich selbst entscheiden. Fahrradhelme schützen. Und wenn sie das bei hohen Geschwindigkeiten tun, dann eben auch bei niedrigen. Wer diesen Schutz nicht will - jeder ist für sich selbst verantwortlich.

      Der Vergleich mit dem Motorsport hinkt. Durch die wesentlich höheren Geschwindigkeiten werden sehr viel höhere Energien frei. Deswegen gibt es dort auch zusätzliche Rückhaltesysteme. Und im Motorsport wird zum Beispiel auch feuerfeste Kleidung getragen. Das fordert auch niemand für den Alltagsverkehr. Diese Vergleiche hinken.

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    10. Du verwechselst da zwei anonyme Schreiberling, Schreibling Matthias. Deswegen schreibst du vermutlich auch nichts zum Mehrgewicht eines menschlichen Körpers im Vergleich zur Melone. Insbesondere dann, wenn auch vertikale Kräfte wirken. Und dabei habe ich noch gar nicht die Schädeldecke im Vergleich zu einer Melonenschale erwähnt.

      Casartelli hast du ins Spiel gebracht, aber einhellige Meinung unter Fachleuten ist, dass bei dem Unfall bei der Geschwindigkeit ein Helm rein gar nichts gebracht hätte.

      Ich bestreite die Sinnhaftigkeit von Helmen, ja. Und beim Unfall von Casartelli die Sinnhaftigkeit des Beispiels. Wie generell anekdotische Beweise.

      Interessant übrigens auch, dass du die Parteilichkeit der an Hardshell beteiligten Personen ins Feld führst, die Parteilichkeit des von Herrmann und Carius in Auftrag gegebenen Gutachtens aber nicht. Diese ergibt sich schon aus der Aufgabenstellung.

      Einen Schutz gestehe ich einem Helm übrigens bei: Schürfwunden am Oberkopf.

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    11. Von mir (Anonym 1 quasi.. ich werde in Zukunft einen Namen eintragen) ist nur die erste Antwort (gestern 14:38) und die von heute 12:32. Den Link habe ich nicht genannt.

      Ich glaube da gab es ein Missverständnis. In der ersten Antwort habe ich nicht bedauert, dass keine höheren Geschwindigkeiten getestet wurden. Mir geht es darum, dass die Versuchsanordnung (Melone fällt aus 2m Höhe) auf einen Sturz mit dem Fahrrad abzielt und das Radfahren wegen der fehlenden Knautschzone als offensichtlich gefährlich darstellt. Dagegen prallt der Kopf bei einem Autounfall nicht auf den Boden auf (Knautschzone). Dabei wird aber vergessen, dass der Kopf natürlich gegen andere harte Gegenstände prallen kann (A/B/C-Säule etc.). Autounfälle finden häufig bei Geschwindigkeiten über 20 km/h statt.

      Statt also Angst vor dem Radfahren zu machen indem einseitig die Risiken für Radfahrer dargestellt werden, wäre es angebracht gewesen die Risiken für Autoinsassen in einer ähnlich plakativen (und nichtwissenschaftlichen) Demonstration zu zeigen - z.B. analog: Wassermelone gegen B-Säule bei 30 km/h oder mehr.
      Wie du schon schreibst: Autoverkehr (und natürlich Motorsport) findet bei wesentlich höheren Geschwindigkeiten statt als Radfahren und dabei werden sehr viel höhere Energien frei.

      Ich bestreite nicht, dass Fahrradhelme in manchen Situationen wirken. Aber ich bin mir auch sicher: Autohelme schützen.

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    12. Lieber Anonym, vielleicht solltest du dich mal mit Degenkolb oder Wüst austauschen. Ich weiß auch nicht, ob die ihre Als Anekdoten bezeichnen werden.

      Ich habe nicht von Parteilichkeit gesprochen, sondern von Interessen, die das Handeln steuern. Das ist ein Unterschied.

      Die Studie von Herrmann und Carius habe ich nicht kommentiert, weil sie mir kein Wort wert war. Geld- und Zeitverschwendung. Ich bin gegen eine Helmpflicht (ich wiederhole mich gerne) und somit braucht es meiner Meinung nach eine solche Arbeit nicht.

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    13. Lieber Anonym 1, ich halte Radfahren auch generell für ungefährlich. Insofern ist diese Diskussion überflüssig. Diese Arbeit ist ein schönes Beispiel für Symbol-Politik. Die dringenden Themen liegen lassen und sich um Kleinigkeiten kümmern.

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  12. Ich fahre schon seit über zwanzig Jahren Rad. Mindestens 10.000 km im Jahr, in den letzten beiden Jahren fast das Doppelte. Grob überschlagen habe ich schon drei Mal die Erde umrundet.

    Und das alles, ohne je einen Helm getragen zu haben.

    Dazu muss ich sagen, dass ich auf zu schnelle Bergabfahrten verzichte, und auch sonst sehr vorausschauend fahre. Der Verkehr in Stuttgart erfordert es aber auch, dass man ständig für die Anderen mitdenkt und mit deren Fehlern rechnet. Auf den letzten 15.000 km (also knapp ein Jahr) hatte ich genau zwei Stürze: Einmal der typische Fall von einem an der Kreuzung abbiegenden Auto, dessen Fahrer mich übersehen hat - das habe ich aber kommen sehen, so gab es nur eine kleine Abschürfung am Arm und Prellung am Oberschenkel, keinen Schaden am Auto oder Rad bis auf eine Schramme am Lenkerband. Der zweite Sturz war aus eigener Unachtsamkeit beim Überfahren der Stadtbahngleise, bei relativ niedrigem Tempo bin ich mit zu spitzem Winkel in die Gleisrinne geraten. Wieder nur leichte Abschürfung an Arm und Oberschenkel.

    Ich möchte jetzt nicht damit sagen, dass mir nie so etwas wie eine Kopfverletzung passieren könnte. Aber bisher bin ich so gut ohne Helm gefahren, und habe so viel Spaß daran, dass ich gerne dazu bereit bin, das Restrisiko in Kauf zu nehmen. Es steht einfach in keiner Relation.

    Darum: Eine generelle Helmpflicht finde ich übertrieben. Sollte jeder selbst entscheiden können, ob mit oder ohne. Letzten Endes ist es ja auch die eigene Gesundheit, die auf dem Spiel steht, die Allgemeinheit trägt keinen Schaden, wie z.B. beim Passivrauchen. Da bin ich noch eher für ein generelles Rauchverbot in der Öffentlichkeit.

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  14. Ich habe einen interessanten Leserbrief gefunden zu diesem Thema:
    Michael Stoll, Wolfschlugen. Zum Kommentar „Helm auf“ vom 6. Mai 2014.
    Der Journalismus ist auch nicht mehr das was er mal war. Da springt der Herr Obst über ein Stöckchen, das ihm die Politik und die Geldeintreiber in Uniform hingehalten haben, ohne auch nur ein bisschen diese statistischen Winkelzüge zu hinterfragen. Wer mit seinem Fahrrad falsch umgeht, kann nun mal hinfallen.
    Es gibt jede Menge normale Radfahrer, die schneller als mit 25 Stundenkilometer unterwegs sind. Aber das ist nicht das Thema: Die gesetzliche Verpflichtung im privaten Bereich zur passiven Sicherheit greift schwer in die Freiheit jedes Einzelnen ein. Gurtanlegen und Helmaufsetzen sind, unabhängig von der Sinnhaftigkeit solcher Schutzvorkehrungen, nichts was den Staat etwas angeht. Wo will der Staat da anfangen und wo aufhören.
    Jede Sportart kann sich bei persönlicher Fehleinschätzung fatal für den Sporttreibenden auswirken. Das Skifahren muss dann auf Schritttempo eingeschränkt werden. Fußballspieler schädigen sich und andere. Ihre Anhänger gefährden sich in den begleitenden Schlägereien. Also verbieten. Der Gebrauch von Heimwerkermaschinen et cetera muss stark eingeschränkt werden. Ein Führerschein (mindestens zehn Stunden à 50 Euro) wird für jede einzelne Maschine fällig.
    Sägen zum Beispiel müssen so stumpf sein, dass sie keine Verletzungen mehr hervorrufen können. Wer auf einem Baum ausputzen oder Obst ernten will soll gefälligst einen Hubsteiger mieten. Vorhänge in der Wohnung dürfen nur noch von geeignetem Fachpersonal spezieller Firmen auf und abgehängt werden. Und, und, und . . .
    Und wir lernen aus dem Artikel auch noch, dass die über 40-Jährigen am besten nicht mehr vom Sofa aufstehen, weil sie sich sonst durch den einsetzenden körperlichen Abbau selbst in Gefahr bringen könnten. (Also Gesichtskontrolle durch die Polizei: Alter Mann, haben Sie eine Ausgangsberechtigung ohne Rollator?)
    Aber halt, bis 67 arbeiten, das muss noch gehen. Der wahre Grund für diese Diskussion ist, die Polizei kann eine Helmpflicht auch mit sehschwächeren Beamten überwachen. Und das ist eben eine zusätzliche Einnahmequelle, die sich hier erschließt.
    Alle bußgeldbewehrten Regeln, die die passive Sicherheit angehen, sind leicht zu überwachen. Und nur solche leicht überwachbaren Regeln finden Eingang ins Gesetz. Man muss einfach wissen, dass Bußgelder nach den Steuern die zweitwichtigste Einnahmequelle des Staates sind, dann weiß man auch, dass die strafbewehrte Helmpflicht spätestens dann kommt, wenn das Steueraufkommen zurückgeht. Natürlich wieder mit dem moralischen Anspruch uns Dummköpfe vor uns selbst zu schützen. Eine Statistik findet sich immer. Am allerschlimmsten finde ich Journalisten und andere Menschen, die mir immer wieder vorschreiben wollen, wie ich zu leben habe.
    http://www.ntz.de/nachrichten/leserbriefe/artikel/helmpflicht-nicht-vorschreiben-lassen/

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  15. Es geht beim Helmtragen um die Frage, ob ein besonderes und deutliche erhöhtes Risiko besteht. Beim Sicherheitsgurt für Autofahrer beispielsweise (auch damals haben sich Leute vehement gegen eine Gurtpflicht gewehrt) gibt es ein deutlich erhöhtes Risiko, schon dann gegen die Armaturen zu fliegen, wenn man nur eine Notbremsung macht. Hier hat der Gesetzgeber in die Freiheit des Einzelnen eingegriffen. Und zu Recht. Beim Radfahren kann man nur sagen, ein Helm mindert das Risiko im Fall eines Unfalls. Es gibt aber eben riskantere Tätigkeiten, Sportarten oder Moblilitätsarten als das Radfahren.

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  16. Deswegen wenn Helmpflicht dann für alle. Bzgl. Kopfverletzungen besonders häufig vorkommende Szenarien sind: Hausarbeit, allgemein Aufenthalt im Bad, es fallen auch erstaunlich viele Leute aus Betten und ziehen sich dabei Kopfverletzungen zu. Fußgänger erleiden besonders häufig Kopfverletzungen weil sie sogenannte Treppen benutzen. Alltagsradfahren ist bzgl. Kopfverletzungen nicht besonders auffällig.

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  17. Für mich steht es außer Frage, dass Helme bei Stürzen Leben retten können. Ebenfalls außer Frage steht für mich aber auch, dass es Unfallzenarien gibt, bei den ein Helm nicht helfen kann!
    Was ich bei der ganzen Helmdiskussion sehe ist, dass von offizieller Seite behauptet wird: Radfahren kann sicher sein, wenn nur alle einen Helm tragen würden!
    Und das stimmt eben nicht! Radfahren wird sicher, wenn vernünftige Infrastruktur vorhanden ist! Doch natürlich ist es einfacher sich über Helme zu unterhalten, als einen Lösung für, z.B. das hohe Unfallrisiko durch rechtsabbiegende Kfz anzugehen.
    Gruß Sandy

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  18. Vielleicht wäre ein Mittelweg wirklich die sinnvollste Lösung. Dass man beispielsweise bis man volljährig ist einen Helm beim Radfahren tragen muss, dass die Helmpflicht aber jedem Menschen, der 18 Jahre oder älter ist freistellt, einen Helm zu tragen oder nicht. Dann haben sich sicher viele Leute so an den Helm gewöhnt, dass sie garnicht mehr ohne fahren.
    Und um meine persönliche Ebene noch hinzuzufügen: Ich habe vor einigen Monaten einen mittelschweren Sturz gehabt, bei dem mein Jochbein wie durch ein Wunder "nur" geprellt war. In dem Moment des Sturzes hätte mein Leben eindeutig vorbei sein können und seitdem trage ich einen Helm.

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  19. Ich hab einen, seitdem wir am Anfang des Schuljahres die 5.Klassen mit zur Verkehrserziehung begleitet haben. Bis dahin hab ich auch immer gedacht “ach komm, so schlimm ist das nicht, da kriegt man halt ein paar Stiche, mit denen die Platzwunde genäht wird, wenn’s schief läuft”. Bei der Verkehrserzihung haben sie - abgesehen von der altbekannten Melone-in-Fahrradhelm-Vorführung - allerdings auch mit den Kindern einen einfachen Ausweichtest gemacht, der am Computer simuliert hat, wo man genau landet, wenn man jetzt das Fahrrad verreißt, und nachdem da die halbe Gruppe bei einem wirklich einfachen Ausweichmanöver mit Kopf voraus gegen eine Hauswand gedonnert ist, war ich doch relativ beeindruckt. Ganz abgesehen davon, dass die Polizisten auch einfach mal gezeigt haben, wie jemand lebt, der halt nicht nur mit ein paar Stichen davonkommt, sondern eine ziemlich heftige Dokumentation über einen Jungen im Wachkoma dabeihatte. Und ganz ehrlich: so will ich nicht enden - das war bei mir einfach Ausschlag gebend.

    Klar kann ich auch anderweitig Unfälle haben. Aber deswegen muss ich doch nicht den Schutz, den ich für mich leisten kann, aufgeben - das ist ja, als würde ich nichts mehr essen, weil irgendwo anders auch Leute verhungern.

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    1. Wie ich immer betone, ich trage selber einen Helm. Allerdings sehe ich auch, dass wir mit Wahrscheinlichkeiten nur schlecht klar kommen. Die Wahrscheinlichkeit, sich im Haushalt bei einem Leitersturz oder im Alltag bei einem Treppensturz eine schwere Kopfverletzung zuzuziehen (übrigens auch im Auo) ist viel größer als die, dass es beim Fahrradfahren geschieht. Und ja, auch ich kenne ein Beispiel einer folgenschweren Kopfverletzung. Allerdings kenne ich auch ein Beispiel eines Sturzes eines Fußgängeras auf dem Gehweg, der wegen einer Kopfverletzung tödlich verlief. Ich erinnere mich auch, dass als ich Kind war, ein Spielkamerad kopfüber gegen das Eisen eines Zauns krachte (beim Rollschuhfahren) und heftig blutete und meine Mutter ihn verarzetete. Ich bin als Kind mal Kopf vorran über den Lenker gestürzt und im Kies gelandet: blutige Hände. Ab dann wusste ich, was Kies und Fahrrad bedeutet. Es ist eben immer eine Abwägung. Kinder fallen in der Regel weniger hoch und verlezten sich nicht so schwer wie Erwachsene, und - die Dänen haben es erkannt - sie brauchen auch die Erfahrung, sich weh zu tun, damit sie lernen, Gefahren richtig einzuschätzen. Unter den Fahrradfahrenden sind Todesfälle bei Kindern sehr selten, und wenn, dann werden sie von einem Lkw beim Abbiegen überfahren. Da hilft der Helm nicht. Älerere Radahrende dagegen verletzen sich öfter beim Sturzt am Kopf. Ja, man kann für den extrem unwahrscheinlichen Fall vorsorgen, wenn die Mittel dazu vorhanden sind, also mit einem Helm. Wir tun es nur in vielen anderen Bereichen nicht. Und nur diese Überelegungen stelle ich an. Die Konsequenzen muss jede:r selbst ziehen.

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