18. Februar 2019

Eigentlich ist die Theo längst Fahrradstraße

Nur dass man die Radler vom Auto aus nicht sieht, weil sie auf Gehwegen radeln. Das muss sich ändern.

Diese Fußgängerzonen sind für Radfahrende freigegeben. Nicht überall, aber fast überall.Vor allem dort, wo die Radstreifen aufhören oder noch nicht begonnen haben.

Auf den viel zu schmalen alten Radfahrstreifen zwischen Rotebühplatz und ungefähr Kienestraße radelt es sich nicht gut zwischen Dorinzone und 50-km/h-Autofahrern, die in ihrer Spur bleiben und darum engstens überholen. Das ist Stress. Vom Rotebühlplatz Richtung Bahnhof nehmen die meisten Radfahrenden deshalb den Weg durch die freigegebene Fußgängerzone der Kronprinzestraße, fahren bei Wittwer hoch zur Theo, kreuzen die Tiefgaragen Ein- und Ausfahrt, wo so mancher Autofahrer forsch ankommt, und schlängeln sich zwischen den Fußgängern und den Autos auf dem Geheweg Richtung Lautenschlagerstraße. Und das sind nicht wenige. Es sind viele. Das ist eine der Hauptradrouten zwischen Westen/Süden und dem Gebiet um den Hauptbahnhof.

Überraschenderweise fahren in dieser Fußgängerzone auch noch Autos. Sie ist tatsächlich eine Fußgängerzone, die per Zusatzschild für Autos freigegeben ist. Und zwar für alle, die zu den Stellplatzen wollen. Also auch für alle, die auch nur mal durchfahren, um zu gucken, ob es einen Parkplatz gibt. Autos stehen aber auch bereits jenseits der Poller an den Schaufenstern der BW-Bank, was offensichtlich erlaubt ist.

Und nicht zu vergessen die Poller, Dutzende und Aberdutzende, die hier überall aufragen (nur um Autofahrer daran zu hinern, überall zu fahren und herumzustehen). Außerdem gibt es hier und dort eine Gehwegmöblierung mit Parkautomat oder Säule für Leihräder. Auch die Fußgänger laufen überall herum, dürfen sie ja, ist ja ihr Bereich.

Und die Radfahrenden schlängeln sich durch all das durch. Geduldig und ergeben.

Nur die wenigsten fahren parallel auf der Fahrbahn Richtung Bolzstraße weiter. Das ist nämlich auch nicht lustig, weil manche Autofahrende meinen, man habe hier auf dem Fahrrad nichts zu suchen. Außerdem muss man an der Ampel Willi-Bleicher-Staße den Absprung vom Radstreifen in den fließenden Verkehr schaffen. Ich schaffe das jedes zweite Mal nicht oder hätte an der roten Ampel an der Fußgängerfurt halten müssen. (Die vielen Ampeln, die den Autoverkehr bändigen sollen, sind in der Tat ein gewichtiges Argument gegen das Fahrbahnradeln.)

Derzeit gibt es eine Baustelle am Rotebühlplatz Richtung Bahnhof. Der Radwegzwang wird dort nicht aufgehoben, die Radler zwischen Bauzaun und einer gelben Linie (die soll wohl die Radwegbegrenzung bedeuten) daran vorbei geleitet. Das ist immerhin was, aber es ist schlecht gemacht, denn weder Autofahrende noch Radfahrende sehen klar, dass dies ein für Radfahrende verpflichtender Radfahrstreifen ist. Autofahrende fahren auch darauf, der gelbe Streifen ist schon fast abgefahren.

Die Theo wird von Radlern übrigens auch eifrig überquert. Aber wie biege ich eigentlich vom Rotebühlplatz kommend aus dem Radstreifen auf der Theo auf die Fußgängefurt ein, wenn ich nach links hinüber zum Haus der Wirtschft will? Bei Rot für Autos (das auch für mich gilt) ins Fußgängergrün, das dann für mich gilt, sobald ich auf der Furt bin? Oder soll ich durch den Autverkehr auf die linke Spur wechseln und bei Autogrün abrupt und zugleich abbremsend auf die Verkehrsinsel für die Fußgänger abbiegen? Solche Fußgängerfurten, die auch für Radler vorgesehen sind, sind halt nur vom Gehweg oder aus der Fußgängerzone ansteuerbar. Das ist schlecht!

Kurzum: Die Radinfrastruktur entlang der Theodor-Heuss-Straße ist ein Elend, aber niemand regt sich auf, denn wir radeln seit Jahren so und haben uns daran gewöhnt. Hat ja auch was, wenn man nicht an Fahradampeln halten muss. Nur eilig sollte man es auf dem Gehweg halt nicht haben. Vorgeschrieben ist Schrittgeschwindigkeit. Man kreuzt ja auch die Leute, die aus dem U-Bahn-Abgang heraufkommen. Freunde unter Fußgänger/innen machen wir uns so allerdings nicht. So sieht strukturelle Gewalt aus, die nach unten durchgereicht wird: Autos drängen Radler in die Fußgängerzonen und dort stressen Radler die Fußgänger. Und das Ergebnis: Fußgänger und Autofahrer hassen Radfahrer.

Das muss sich ändern. Wir brauchen entlang der Theodor-Heuss-Straße zwischen Rotebühlplatz und Schillerstraße/Hauptbahnhof durchgehende Radwege oder Radfahrstreifen, die den modernen Radverkehr, zu dem auch viele Lastenräder gehören, auch aufnehmen können. Und sie müssen ein zweites modernes Element besitzen: Rafahrende dürfen nicht an jeder Autoampel an den Fußgängerfurten ebenfalls zum Halten gezwungen werden. Sie müssen rechts an den Aufstellplätzen für die Fußgänger/innen vorbeigeführt werden. Ohnehin arrangieren sich Fußgänger/innen und Radfahrer gut, auch wenn sich ihre Wege kreuzen. Man kann die Radwege aber auch mit Zebrastreifen versehen. Wenn man für die Radinfrastruktur auf der Theo jeweils einen der beiden (zwei bis drei) Richtungsfahrspuren wegnimmt, dann brauchen Fußänger auf der verbliebenen Spur womöglich auch gar keine Ampel mehr. Es würde ein Zebrastreifen genügen.

7 Kommentare:

  1. Das Radfahrer an Ampeln halten müssen, die eigentlich die Autoflut stoppen sollten, damit der arme Fußgänger überhaupt mal auf die andere Straßenseite kommt, ist noch paradoxer, wenn man auf dem Gehweg radeln muss und nur zum Zwecke des Zwangsstoppes durch die Ampel extra dafür an den Fahrbahnrand geleitet wird und man dann plötzlich die Pflichten eines Autofahrers auferlegt bekommt, aber davor und danach nicht dessen Rechte. Das ist doppelt Unfair. (Bsp Föhrichstr. in Feuerbach Stadtauswärts oder Wienerstr. in Höhe Leibnitzgymnasium)

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  2. "Man kann die Radwege aber auch mit Zebrastreifen versehen." Laut StVO geht das nicht - Radwege sind keine Fahrbahn, und die StVO fordert an Zebrastreifen nur das Überquerenlassen der Fahrbahn.

    "Autos stehen aber auch bereits jenseits der Poller an den Schaufenstern der BW-Bank, was offensichtlich erlaubt ist." Fehlt hier ein "nicht"? Ich glaube es handelt sich hier einfach um Gewohnheitsrecht...

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    1. es scheint offensichtlich erlaubt ,weil man die Poller entfernen kann. Auch wenn ich gerne mal Fehler mache, hier fehlt das "nicht" nicht. Und stimmt, das mit den Zebrastreifen geht nicht bei Radwegen, ich habe es nur schon so oft bei der niederländischen Radinfrastruktur gesehen, glaube ich. Dann eben ohne Zebrastreifen. Für radeln ja jetzt auch schon durch den Aufstellplatz der Fußgänger an der Ampel.

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  3. Also das ist gar nicht wahr, dass sich niemand aufregt. Ich fahr da jeden Tag und reg mich jeden Tag auf. Aber das is so ungesund. Und spießig. Und eigentlich will ich auch Spaß haben beim radeln. Eine Autospur weg ist exakt der richtige Vorschlag. Also was tun?

    Ich mach mal den Vorschlag, dass die Critical Mass künftig bei jeder Fahrt eine gut sichtbare Forderung zur Verbesserung des Radverkehrs im Stadtraum platziert. Die da dann stehen bleibt. Auf den Boden gepinselt meinetwegen. Da kann man dann prüfen, wie ernst es unserem Gemeinderat samt OB mit der Fahrradstadt ist. Und wann endlich mal substanziell was passiert.

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    1. Lieber Anonymus, wenn du das nächste mal auf eine Person schimpfst, dann nenn bitte deinen Namen. Letztlich ist es der Gemeinderat, der es mit dem Radverkehr ernst meinen muss. Der bestimmt, was in der Stadt geschieht, der stimmt darüber ab. Der kann auch eine Vorlage des OB für eine Fahrradstadt ablehnen. Und womöglich erleben wir, dass es morgen äußerst knapp im Gemeinderat zugeht, und wenn nur zweie nicht mitstimmen, dann verliert der OB seine Vorlage für eine Fahrradstadt und wir unsere für noch mehr Fahrradstadt. Wir leben in einer Demokratie, nicht in einer Herrschaft der Oberbürgermeister.

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    2. Die Idee bei jeder Critical Mass eine oder zwei zentrale Forderungen zu formulieren find ich gut.
      Gruß Paul

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  4. In meiner täglichen Fußgänger-Erfahrung interpretieren die meisten Fahrradfahrer das Schild "frei" leider als Freifahrtschein, den Fußgängerweg an der Theodor-Heuss-Straße Richtung Lautenschlagerstraße ohne Rücksicht auf Fußgänger entlang zu rasen. Dass die komplette Verkehrsführung in Stuttgart ein absolutes Desaster ist, sollte jedenfalls nicht an den schwächsten Teilnehmern im Straßenverkehr (und das sind und bleiben Fußgänger) ausgelassen werden.

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