8. Mai 2019

Wie man bei Radfahrern Parkgebühren kassiert - ein Gedankenexperiment

Da schlägt einer vor, bei Radfahrenden Parkgebühren zu kassieren, damit Gerechtigkeit zwischen Autofahrenden und Radlern herrscht, und die Medien berichten.

Endlich sagt's mal einer, einer von der CDU. Das Auto werde verteufelt. Dagegen müsse man was tun. Und so ist ihm die Idee gekommen, den Radfahrenden das Radfahren, vor allem das Abstellen von Rädern, zu vergällen. Wer es abstellt, muss zahlen. So der Vorschlag des Düsseldorfer CDU-Manns im Verkehrsausschuss. Ein hämisch erleichtertes Raunen geht durch die Medien. Die lieben monströse Vorschläge. Und sowieso: Die blöden Radler, denen soll es nicht besser gehen als den Autofahrenden. Aber ist das auch praktisch durchführbar?


Ich finde es kopfschüttel-lustig, wenn Vertreter/innen einer absolut privilegierten Gruppe von Gerechtigkeit sprechen einer Grupp von Menschen gegenüber, die bislang drastisch benachteiligt war und gerade ein bisschen aufholt. Städte geben etwas mehr Geld für Radinfrastruktur aus als früher, das ja. Autos fressen aber sehr viel mehr öffentliches Geld und brauchen und beanspruchen irre viel Raum, sie sind laut, sie stoßen Atemgifte aus, sie schaden der Stadtgesellschaft und dem innerstädtischen Handel. Und selbst wenn Radfahrende und Autofahrende in unseren Stadträumen gleichberechtigt und gleich begünstigt unterwegs wären (was sie nicht sind), ist es sinnvoll, das Autofahren zu begrenzen und das Fahrradfahren zu fördern. Weil es gesünder ist für die Radelnden selbst und für die Stadtgesellschaft. Weil Radfahren Geld einbringt, statt eine Stadt Geld zu kosten wie das Auto. Geld, das über Parkgebühren oder Steuern, die Autofahrende zahlen, nicht in Ansätzen eingespielt wird.

Wenn dann mal die Ausgaben einer Stadt und eines Landes für den Radverkehr genauso hoch sind wie für den Autoferkehr, wenn alle Radbrücken gebaut sind und die Fahrradparkhäuser stehen und die Hälfte aller Menschen mit dem Rad in die Innenstadt drängt, dann kann man vielleicht überlegen, ob man im öffentlichen Raum Parkgebühren von Radlern kassiert, damit sie in die Radparkhäuser gehen (die dann Gratis wären) und die Straßen netter aussehen.

Der Vorschlag ist nicht aber nur wirtschaftlich unsinnig, sondern auch praktisch nicht zu Ende gedacht.

Wie soll das gehen mit den Parkgebühren? Der CDU-Mann schlägt klebende Parkscheine vor. Soso. Die könnte dann aber  jeder vom Fahrrad abziehen und an seines kleben. (Oder einfach abziehen und wegwerfen.) Autofahrer können das Ticket ja ins Auto legen, Radler nicht. Um zu verhindern, dass ein anderer das Ticket klaut, könnte man Sollbruchstellen stanzen (was die Tickets für die Stadt teurer macht, und der Ticketkäufer darf dann beim Abziehen der Folie und Aufkleben keine Fehler machen). Aber dass irgendwer das Parkticket abzieht, einfach so, aus Daffke, kann man nicht verhindern. Es sei denn man macht es sehr stark klebend. Dann aber kriegt es der Radbesitzer auch nicht mehr oder nur mit großen Schwierigkeiten vom Rad. Reste blieben immer kleben. Das wäre dann amtliche Sachbeschädigung an Fahrrädern.

Und wenn nun eine Politesse oder ein städtischer Vollzugbeamter ein Fahrrad entdeckt, an dem kein Ticket klebt, was dann? Soll er ein Köllchen ans Fahrrad kleben oder hängen? Auch das könnte von Unbefugten entfernt werden. Es nützt auch nichts, denn dem Fahrrad sieht man nicht an, wem es gehört. Wer mit einem Knöllchen nach Hause radelt, muss es nicht bezahlen, denn er bekommt vom Amt keinen Bußgeldbescheid zuegeschickt. (Dafür bräuchten Räder Kennzeichen). Oder will man die Fahrräder vom Ständer abschneiden und wegtransportieren? Da bräuche man dann Sammelstellen für eingesammelte Fahrräder. Und man würde dabei Schließketten und Bügel im Wert von 30  bis zu 100 Euro zerstören, nur weil jemand keine 50 Cent für seinen Radfparkplatz gezahlt hat. Das wäre Sachbeschädigung und nicht wirklich verhältnismäßig. Man könnte auch die Räder, die kein Ticket haben, mit einer Radparkkralle sperren. Dafür müsste die Stadt dann Hunderte solcher Radschlösser, Reifenschlösser oder was auch immer anschaffen. Und das nur, um einen Parkverstoß im Wert von 50 Cent bis einem Euro zu ahnden. Auch das wäre unverhältnismäßig. Zumal auch immer jemand vom Amt zum Fahrrad kommen müsste, um es wieder lostzuschließen. Außerdem würde die Radlergemeinde sicherlich schnell Werkzeug zur Verfügung haben, mit dem man die Radkrallen knackt.

Jetzt könnten ganz Schlaue noch auf die App-Lösung kommen. Man bezahlt das Radpark-Ticket mit einer App. Wie aber ordnet man das Ticket dann dem Fahrad zu? Stellt man ein Foto vom Fahrrad in die App? Und soll der Kontrolleur dann Tausende von Fotos durchschauen, um zu sehen, ob der Radler des Fahrrads, das vor ihm steht, nun bezahlt hat oder nicht?

Geht alles nicht. Parkgebühren für Fahrräder kann man nur einführen, wenn Fahrräder in irgendeiner Form amtliche Kennnummern zugeteilt bekommen. Das kann keine Stadt alleine einführen. Das müsste der Bund gesetzlich festlegen.

Ein völlig irrealer und ideologisch verblendeter Vorschlag also. Der CDU-Mann hat auch gar nicht verstanden, dass man die Vorteile des Radfahrens gegenüber dem Autofahren ja gerade vergrößern will, damit die Leute das Fahrrad nehmen und nicht das Auto, und dass es eben nicht darum geht, das Radfahren und Radabstellen zu erschweren. Denn Fahrräder retten die Innenstädte, während der Autoverkehr sie killt.


8 Kommentare:

  1. Christine, das ist ausversehe ein genialer Vorschlag (von dem CDU-Mann, aber sicher nicht so gewollt), Du hast vieleicht nicht weit genug gedacht. Die einzig praktikable Umsetzung sind doch abschließbare Radboxen auf den Straßen, mit Dach und allem. Das wäre doch ein Fortschritt. Dafür zahle ich dann auch :-D.

    Ich wäre aber auch selber nicht auf die Idee gekommen, wie genial das ist, wenn Du nicht schon alle anderen Möglichkeiten der Umsetzung ausführlich beschrieben hättest.

    AntwortenLöschen
  2. Dritter Absatz (unter dem 2ten Bild quasi): Ausgaben... für den Radverkehr genauso hoch sind wie für den Radverkehr
    bitte ändern Christine :-)
    LG malschauen

    AntwortenLöschen
  3. Jörg
    Was macht man mit Fahrrädern von Kindern?
    Ne mal ehrlich. Fahrräder stehen zu gefühlt 95% auf Privatgrundstücken. In Heslach stehen die allermeisten Räder in Kellern. Wenn wir Besuch kriegen können die ersten 10 Fahrräder bequem auf dem Grundstück stehen. Erst dann wird es eng. Kommt ein Besucher mit dem Auto steht der Karren auf öffentlichen Grund je nach Mentalität legal mit weiterem Fußweg oder im Parkverbot.
    Am Arbeitsplatz, am Wohnort, beim Einkauf, beim Zahnarzt, bei den meisten Besuchen mein Fahrrad steht auf dem privaten Grundstück. Mit dem Auto schaffe ich diese "Privatquote" nie.

    AntwortenLöschen
  4. In Tokio scheinen auch CDU Leute zu wohnen, denn dort werden falsch abgestellte Fahrräder entfernt. Jedoch gibt es dort Automatische Fahrradabstellanlagen. Ansonsten sind Fahrräder in Stuttgart erst ein Thema wenn mindestens 30% des Verkehrs über gut ausgebaute Fahrradinfrastruktur fährt. Hinweis: Ich meine damit nicht PKWs die den Radweg nutzen um z.B. nach rechts schneller abzubiegen. Im Gegensatz zu Tokio gibt es in Stuttgart noch genügend Öffentlichen Raum, indem man einfach ein paar Parkplätze von Autos umfunktioniert. Das ist dann sicher auch kein Problem wenn so viele Fahrrad fahren, stehen auch weniger Autos rum.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Der CDU-Mann hat das für Düsseldorf vorgeschlagen, nicht für Stuttgart. Auch in Valencia darf man das Fahrrad nicht überall abstellen. Was die machen, wenn es doch falsch steht, weiß ich allerdings nicht mehr. Aber Räder einsammeln und wegtransportieren, deren Halter ein Parktiket nicht bezahlt haben, wäre schon ein Mordsaufwand und immer mit der Zerstörung deines Eigentums verbunden, denn das Fahrradschloss, das man zerschneidet, ist nicht mehr verwendbar. Würde man ernsthaft darüber nachdenken müssen, so könnte ich mir nicht vorstellen, dass eine ersatzlose Sachbeschädigung (40 bis 100 Euro kostet ein gutes Schloss) zur Ahndung einer Ordnungswidrigkeit in Höhe von 50 Cent bis 1 Euro, einer gerichtlichen Überprüfung standhielte. Das würde bei uns als absolut unverhältnismäßig gelten. (Ein Parkverstoß von Autofahrenden kostet ja auch nur zehn oder fünfzehn Euro (weiß ich garn iht so genau).)

      Löschen
  5. @KaivK, nein, ich habe die Radparkhäuser und Radgaragen und Boxen nicht vergessen. (Grins) Ich habe das Spiel nur umgedreht und vorgeschlagen, Radgaragen kostenlos zu machen, während man auf der STraße kassiert, damit die hässlichen Räder verschwinden. Ist doch klar, dass wir für gesicherte Fahrradgaragen auch was bezahlen würden (alledings nicht in Form von Radparkhäusern zum Shoppen in der Innenstadt, jedenfalls ich nicht). Aber darum geht es dem Hansel ja nicht. Ihm gehts ums Radfahrern alle Nachteile des Autofahrens zuschustern und die Vorteile des Radfahrens abbauen.

    AntwortenLöschen
  6. Parkgebühren nach Größe und Gewicht- die CDU pocht ja auf Gleichberechtigung: Also entweder kostet dann das Abstellen von Rädern einen Micro-Betrag oder die Parkgebühren für Autos steigt dramatisch an. Da wäre ich gespannt, parkt man in meinem Bezirk Feuerbach ja fast flächendeckend umsonst.

    AntwortenLöschen
  7. Jörg
    In Holland werden falsch geparkte Fahrräder entfernt. Es gibt einen schönen Bericht in der ARD wie am Bahnhof Amsterdam Fahrräder die falsch parken entfernt werden. Sie kommen zu einem städtischen Hof außerhalb, wo man sie gegen Gebühr wieder abhohlen kann.
    Der Holländer an sich ist auch ein ordnungsliebender "Spießer" der gerne das Fahrrad nutzt.
    https://www.youtube.com/watch?v=nBcVQ-ZkO58

    AntwortenLöschen