4. September 2019

Wenn das Falschparken kein Kavaliersdelikt mehr ist

Eigentlich kann ich nicht glauben, was ich lese: Das Bundesverkehrsministerium will, dass Parken auf Radwegen nicht nur 100 Euro kostet, sondern auch mit einem Punkt geahndet wird.

Das meldete die Saarbrücker Zeitung als erste. Aber wenn man genau hinschaut, wird es schon wieder etwas harmloser. Den Punkt in Flensburg soll es nur geben, wenn eine Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung vorliegt. Also nie  ... Oder?

Schon heute könnten wir Autos auf Radstreifen und Gehwegen abschleppen lassen, wenn sie eine Behinderung (oder gar Gefährdung) darstellen. Doch diese Einschätzung teilt die Polizei bisher eher selten mit uns Radfahrenden. Wenn wir drum herum radeln können, scheint das keine Behinderung zu sein, auch keine Gefährdung. Und wenn Fußgänger/innen auf der Fahrbahn um das auf dem Gehweg geparkte Auto herumlaufen können, wurde es bisher auch nicht abgeschleppt.

Nun ist der Aufwand, einen Bußgeldbescheid über 100 Euro samt Punkt in Flensburg auszustellen, allerdings deutlich geringer, als einen Abschleppwagen zu rufen. Vielleicht führt das auch mal eher zu der Einschätzung, dass ein Auto auf dem Radweg oder auf dem Gehweg eine echte Behinderung, wenn nicht sogar Gefährdung darstellt. Genauso wie ein Auto, das in zweiter Reihe steht, und uns zwingt, es auf der Gegenfahrbahn zu umrunden.

Die bislang bekannten Pläne des Bundesverehrsministers sahen Geldbußen von bis zu 100 Euro (statt bisher 15 Euro) für Fahrzeugführer vor, die in zweiter Reihe oder auf Schutzstreifen für den Radverkehr oder auf Geh- und Radwegen parken. In einer Antwort auf eine Anfrage der SPD hieß es dann, dass für alle drei Verstöße bei Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung auch „die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister in Flensburg neu verankert“ werde. Die Bundestagsfraktion der SPD fand das gut. Die Änderung soll schon in diesem Jahr greifen.

Eigentlich glaube ich das erst, wenn es passiert. Schon jetzt ist die Schimpferei im Netz groß, allerdings auf Radfahrende ("Die sollte man mal ...", "Kennzeichen", "Gehwegradlerrambos" und überhaupt). Wenn das Abstellen von Autos auf Radwegen und Gehwegen kein Kavaliersdelikt mehr ist, sondern ein folgendschweres Vergehen, dann ist das allerdings ein echter Konzeptwechsel. Es könnte helfen. Wobei die Drohung mit 100 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg etliche Autofahrende auch nicht davon abhält, verkehrtherum eine Einbahnstraße lang zu brettern oder bei Rot über eine Ampel zu fahren (kenne ich Dutzende von Beispielen). Allerdins dauern diese Vergehen ja nur wenige Sekunden. Dagegen steht ein Auto schon viele Minuten auf einem Radfahrstreifen und eher Stunden bis Tage auf einem Gehweg. Das Risiko, von einer Polizeistreife erwischt zu werden, ist also größer.

Wenn auch nur etwas, denn so viel Polizei ist ja auch nicht unterwegs, die sich fürs "nur mal kurz Halten" auf dem Radstreifen interessiert. Und wenn Radfahrende die Polizei rufen, damit der Falschparker seinen Punkt kassiert, wird das in den meisten Fällen mit langen Wartezeiten verbunden sein. Anderseits könnten gezielte Polizeistreifen, beispielsweise auf Fahrrädern, schnell für Klarheit in Stuttgart sorgen. Wenn häufiger und rascher geahndet wird, spricht sich das rum. Verglichen mit 100 Euro ist ein Parkhaus immer billiger. Das wertet die Radinfrastrutur als Bereich für Radfahrende auf. Und die Gehwege als Bereich für zu Fuß Gehende auch.
 

13 Kommentare:

  1. Für einen Punkt und auch für das Bussgeld müsste man wissen wer das Fahrzeug dort abgestellt hat. Das weiß man in der Regel nicht. Der Halter bittet dann beim Bußgeldbescheid höflich um eine Beschreibung des Fahrers, es kommen nämlich mehrere in Frage und er kann sich nicht genau erinnern wer an diesem Tag gefahren ist. Das Verfahren wird dann eingestellt und man muss eine kleine Bearbeitungsgebühr bezahlen.

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    1. So ein Tipp ist doch nur ein Beleg fuer den 'failed state', der wir im Verkehrsbereich mittlerweile sind.
      Wenn man Regeln macht und mit der Halterregelung gleich Mechanismen einbaut, diese zu uebertreten, muss man sich nicht wundern, wenn auf den Strassen nur noch das Recht des Staerkeren und Groesseren gilt.

      Dabei gaebe es in Zeiten der Digitalisierung Moeglichkeiten, das effizient zu regeln, z.B. mit einer GPS basierten Parkregelung. Oder Geschwindigkeiten direkt im Fahrzeug zu ueberwachen.
      Wie gesagt: unser 'failed state' will das nicht. Warum? Was ist das fuer ein Menschenbild?

      Gruss - Matthias

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    2. @Matthias, nicht wir. Eine derartige Laisser-faire Politik wird von Personen gemacht und verantwortet. In Stuttgart von der Leiterin des AfÖ. Bereits heute wäre es möglich Falachparker, z.B. auf Radwegen abzuschleppen. Dies geschieht aber nur in den seltensten Fällen. Ich denke mal ganz bewußt unterlassen. Und das nicht weil der einzelne Ordnungsamtmitarbeiter das so will sondern weil es von "oben" so erwünscht ist. Falschparken soll als "Kavaliersdelikt" erscheinen. Wenn dann zusätzlich private Anzeigenerstatter von der Leiterin des Stuttgarter AfÖ in die Nähe von Nazis und Antisemiten (Blockwart) gerückt werden muss man nicht mehr viel schreiben. Rolle statt Knolle wäre auch heute schon möglich, wenn man auf seiten der schwächeren Verkehrsteilnehmer stehen würde.

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    3. Das könnte man ganz einfach umgehen, indem einfach der Halter des Fahrzeugs haftet, wenn unklar ist, wer gefahren ist. Das dürfte das Erinnerungsvermögen enorm steigern.

      Setzt natürlich voraus, dass der Staat interesse daran hat...ich denke eher die aktuelle Regelung ist eine bewusst geschaffene Hintertüre.

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    4. Die bei uns fehlende Halterhaftung müsste im Bundesrecht mal geändert werden. Wobei wir in Deutschland ja aus Gründen, die man auch gut finden kann, sozusagen keine Haftung für andere haben wollen (keine Sippenhaftung zum Beispiel), sondern immer den individuellen Täter bestrafen möchten. Es würde beispielsweise grenzwertig, wenn der Halter eines Fahrzeugs für den schweren Unfall eines anderen, der damit gefahren ist, haftbar gemacht würde. Aber wenn man wollte, könnte man die Halterhaftung für Parkverstöße aufheben. Wobei es auch da zu enormen Schäden kommen kann, etwa, wenn ein Auto in einer Feuerwehrzone parkt und ein Brand nicht gelöscht werden kann oder gar Menschenleben kostet. Wenn der Halter selst das Auto dort nicht abgestellt hat, muss er schon die Chance haben, selbst nicht in Haftung genommen zu werden. Die Polizei muss dann den Fahrer (die Fahrerin) ermitteln. Das halte ich schon für wichtig. Und die Stadt Stuttgart, das Ordnungsamt, hat ja bereits Ansätze gemacht, damit das Abschleppen nicht mehr nur von der Landespolizei, sondern auch von städtischen Beamten angeordnet werden kann. Es passiert uns nur nicht oft genug. Ich denke, wenn wir mal ein paar Jahre lang enorme Anstrengungen unternähmen, dieser Unmenge von Verkehrsverstößen durch Autofahrende Herr zu werden, würde sich was bessern, aber dafür muss der Gemeinderat auch eine Unmenge Personal bewilligen. Und klar sitzen das auch viele drin, die selber hauptsächlich Auto fahren und nicht wollen, dass das schwieriger wird.

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    5. Wer behauptet, er wisse nicht, wer mit seinem Auto gefahren ist, um so der Strafe zu entkommen, der sollte eine Ersatzstrafe zahlen müssen, die das Doppelte beträgt aber Punktfrei bleibt.

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  2. Nach §31a StVZO ist es möglich für die Behörde, bei Verstößen ab einem Punkt eine Fahrtenbuchauflage zu erteilen, wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann. Dann würde die Ausrede bei zukünftigen Vergehen nicht mehr gelten. Muss die entsprechende Behörde natürlich wollen und wird glaube ich i.d.R. in der Praxis erst veranlasst, wenn das beim gleichen Fahrzeug schon mehrmals vorgekommen ist. Rechtlich gibt's aber die Möglichkeit.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrtenbuch#Auflage_nach_%C2%A7_31a_StVZO

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  3. Ich finde, 100 Euro tun auch ohne Punkt ausreichend weh. Bei 100 Euro genügt schon geringer Kontrolldruck um die Radwege frei zu bekommen, ganz im Gegensatz zu 15 Euro. Ich finde es ein sinnvolles Strafmaß.

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  4. Ich denke Herr Scheuer war sich nicht bewusst, das ab 60 € automatisch 1 Punkt fällig ist, daher glaube ich noch nicht so richtig, dass das kommt, wir werden sehen. Ich freue mich. Aber der Punkt ist abhängig vom Busgeld, nicht ob gefährdend geparkt wird und das Parken auf Geh- und Radwegen gefährdend ist, kann heute keiner mehr bestreiten.

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    1. Habe mal nachgeschaut, so einfach ist es nicht. In der Regel gilt: Ordnungswidrigkeiten, die laut Bußgeldkatalog in Deutschland mit einem Bußgeld von über 60 Euro bestraft werden, bewirken einen Punkt in Flensburg. Dabei gibt es jedoch eine Ausnahme: Die Tat muss sich direkt auf die Sicherheit im Straßenverkehr auswirken. (Dieselfahrverot misssachten kostet 80 Euro, git aber keinen Punk.) Deshal vermutlich die Nachfrage der SPD. Die Frage ist also, wird das Parken auf Gehwegen und Radwegen als Gefährdung der Sicherheit eingestuft, oder gibt es da einen Ermessensspielraum? Da bin ich gespannt.

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  5. In Tübingen in meinem Wohngebiet Alte Weberei ist Folgendes passiert:
    Das Viertel wurde 2014 neu auf einer Industriebrache fertig gestellt. Es war so geplant, dass es nur 3-Stunden-Parkplätze oberirdisch gibt, alle anderen Stellplätze mussten in Tiefgaragen realisiert werden. Wo man oberirdisch mit Parkscheibe 3 Stunden parken durfte, war dies jeweils aufwändig mit Schildern ausgewiesen.
    Tatsächlich parken aber viele Anwohner ihre Autos regelmäßig und über längere Zeit oberirdisch, da sie z.B. die Kosten für einen Tiefgaragenplatz gescheut hatten. Von 2014 bis 2015 wurde dieses Falschparken sporadisch vom Ordnungsamt mit 10 € Bußgelder sanktioniert. Ab ca. 2016 dann nicht mehr, weil angeblich eine Klage anhängig war wegen der nicht wasserdichten Beschilderung.
    Zusammen mit einigen Nachbarn hatten wir uns die letzten drei Jahre trotzdem immer wieder bei der Stadt darum bemüht, dass endlich wieder kontrolliert wurde, zumal durch die vielen Falschparker die Feuerwehr nicht mehr überall hingekommen wäre. Die Stadt Tübingen blieb aber passiv.
    Seit drei Wochen gibt nun es an den Einfahrten des Viertels ein neues Schild, auf dem steht "Parken in den nur dafür gekennzeichneten Flächen". Jetzt kontrolliert die Ortspolizei wieder und verteilt 10 € Bußgelder.
    Als ich deren Mitarbeiter auf die letzten 3 Jahre ansprach meinten sie: "Das mit dem fehlenden Schild war wohl ein Baufehler, aber wir wissen auch nicht, wieso das jetzt über drei Jahre gedauert hat, bis das neue Schild kam."

    Für mich zeigt diese Erfahrung eindeutig, dass die Stadt Tübingen generell gar nicht motiviert ist, die Mini-Bußgelder von 10 € auszuteilen. Ich frage mich nur: Ist es bloße Inkompetenz? Haben die keine Lust sich mit Beschwerden/Einsprüchen auseinander zu setzen? Ist es der Einfluss prominenter Bewohner (gleichzeitig Arbeitgeber von im Viertel ansässigen Betrieben), deren SUVs und Porsches ganz vorne beim Falschparken dabei sind?

    Ich habe die Befürchtung, dass auf der Ebene der Gemeinden ein 100 € Bußgeld dann noch weniger durchgesetzt wird, wenn es schon bei 10 € nicht funktioniert. Außerdem würde ich vom Minister Scheuer rein gar nichts mehr erwarten - denke, das sind nur Ablenkungsmanöver vom Mautdebakel und von der Korruption im Zusammenhang mit dem Audi-Dieselbetrug.ird.

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  6. Behinderung liegt bei Radwegparken so gut wie immer vor. Ich wüsste nicht, wie man ein Auto auf einem üblichen deutschen Radweg abzustellen sollte, ohne (unter Einhaltung der Sicherheitsabstände) keinen Radfahrer zu behindern.

    Ich glaube an die Besserung, wenn ich sie sehe. Konkret, wenn eine neue Fassung der StVO UND des Bussgeldkataloges verabschiedet und veröffentlicht sind.

    Bisher zeichnet sich die Berichterstattung jedenfalls schon durch einige offensichtlich irreführende Vergleiche aus: die alten Mindeststrafen werden mit den neuen Maximalstrafen verglichen. Das führt zu überzogenen Hoffnungen und Enttäuschungen bei Radfahrern und zu weiterhin geringen Strafen für Falschparker.

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