Geschehen in Wismar. Eine 16-Jähre radelt am Morgen zur Schule. Durch die Fußgängerzone, wo Radfahren erlaubt ist. Es regnet. Ein Lkw kommt von links. Der Fahrer überfährt die Schülerin und tötet sie.
Das sind Unfälle wo mir das Blut in den Adern gefriert. Eltern verlieren ihre Tochter, weil ein Lkw-Fahrer durch eine Fußgängerzone fährt, einen geschützten Raum, wo Autos nichts zu suchen haben, und wenn doch, dann nicht schneller als Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen: 3 bis 5 km/h.
Der genaue Unfallhergang in Wismar ist noch nicht klar. Man weiß, dass bei Tempo 30 Kinder einen Zusammenstoß mit einem Auto überleben. Der Bremsweg ist so kurz, dass das Kind meist nicht unters Auto kommt, und die Aufprallgeschwindigkeit des Kopfs und Körpers gerade noch so gering, dass es nicht stirbt. Wie schnell war dieser Lkw-Fahrer wohl unterwegs? Bei Schrittgeschwindigkeit hätte er praktisch in dem Moment zum Stillstand halten können, wo die Schülerin auf seinen Kühler prallte, eigentlich schon vorher. Die Schülerin wird selbst nicht mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs gewesen sein, morgends um 8 Uhr, wo die Fußgängerzone menschenleer ist. Es regnete, es war glatt. Aber wie ich es drehe und wende, ich kann mir nicht vorstellen, dass der Lkw-Fahrer mit seinem großen und schweren Fahrzeug nicht viel zu schnell fuhr. Das Foto in diesem Artikel zeigt: Sein Bremsweg war so lang, dass er erst hinter der Einmündung, aus der die Radlerin gekommen war, zum Stehen kam und das Fahrrad hinter dem Lastwagen liegen blieb.
Der Fahrer fühlte sich augenscheinlich sicher. Er fuhr auf einer breiteren Straße (in der Fußgängerzone), die ihm offenbar wie eine Vorrangstraße vorkam. Er rechnete nicht damit, dass ein Mensch auf einem Fahrrad aus der doch recht deutlich erkennbaren Seitenstraße kommt. Die Schülerin musste nicht damit rechnen, dass ein Lastwagen durch die Fußgängerzone fährt. Deshalb darf man in Fußgängerzonen auch gar nicht mit Autos fahren, und wenn man doch dort fährt, weil man etwas anliefern will, dann muss man extrem langsam fahren, auch wenn keine Fußgänger/innen unterwegs sind.
Wenn ihr den Filmbericht im NDR-Artikel seht, fällt euch auch wieder auf, dass unser üblicher Medien-Slang die Schuld wieder falsch verteilt. Es ist wieder die Radfahrerin, die mit dem Auto zusammenstößt, nicht umgekehrt, der Lkw-Fahrer, der die Vorfahrt einer Radfahrerin missachtet (rechts vor links) und sie anfährt, überfährt und tötet.
Wann werden wir alle miteiander verstehen, dass der Autoverkehr, der überall hineindrängt, zu viele Menschent tötet? Wann werden Autofahrende sich der Gefahr, die von ihnen und ihrem Verhalten ausgeht, bewusst? Wann ändern sie ihr Verhalten? Was tun wir als Gesellschaft, um zu verhindern, dass es solche Unfälle gibt? Wann setzen wir das Fahrverbot für große und schwere Autos (deren Fahrer auch noch zu schnell fahren) in Fußgängerzonen und auf Fahrradstraßen durch?
Oje.
AntwortenLöschenKann ein Fahrzeugführer auf einer Kreuzung, auf der er gar nicht fahren darf, überhaupt Vorfahrt haben? Ob die Schülerin vom LKW überrascht wurde, darauf kommt es doch gar nicht an. Sie hatte auf jeden Fall Vorfahrt.
Achtung vor Spekulationen. Es sind verschiedene Unfallabläufe denkbar. Der LKW-Fahrer kann beispielsweise die Schülerin auch direkt mit dem Hinterrad erfasst haben. Der Zwischenraum zwischen den Rädern wurde mit einer Plane abgedeckt - ein Indiz. Möglicherweise hat die Schülerin in letzter Sekunde noch gebremst, um einen Aufprall zu vermeiden, als sie gemerkt hat, dass der LKW-Fahrer sie ignoriert, und ist bremsend unter den LKW gerutscht.
In Winnenden sinniert übrigens ein Stadtrat öffentlich darüber nach, Radfahrer in der Fußgängerzone umzuschubsen, zu verletzten, Unfallflucht zu begehen und falsche Aussagen zum Ablauf zu machen.
Bitter ist, dass die Schuld und Verantwortung grundsätzlich dem Radfahrer zugeschoben wird. War das nicht auch so bei dem tödlichen Abbiege-Unfall, wo der LKW nicht einmal fahrtüchtig war wegen des defekten Spiegels? Fahrzeughalter und Fahrzeugführer hätten dafür verantwortlich gemacht werden müssen, dass überhaupt jemand widerrechtlich mit so was losgefahren wurde. Stattdessen wurde krampfhaft nach einer Teilschuld des getöteten Kindes gesucht und der Fahrer minimal bestraft (und der Halter m.W. gar nicht).
In Stuttgart wimmelt es auf den Fußgängerzonen nur so von Autos, teilweise legal (Lieferverkehr ist in bestimmten Zeiten ausdrücklich erlaubt). Auf dem Rotebühlplatz nehmen Autos vormittags regelmäßig mehr Raum ein als Fußgänger und Radfahrer zusammen.
Eine weitere Spekulation: "Langer Bremsweg" und "Übersehen des Opfers" könnten auch dadurch verursacht worden sein, das sich der Fahrer mit etwas Anderem als LKW-Fahren beschäftigt hat. Z.B seine Lieferpapiere studiert hat.
AntwortenLöschenIst die getötete Schülerin überhaupt als Radfahrerin unterwegs gewesen oder als Fußgängerin, z.B. weil sie das Fahrrad geschoben oder gerollert hat? Gab es Zeugen? Auf die Aussage des LKW-Fahrers kann man sich nicht verlassen. Der sagt natürlich, sein Opfer wäre Fahrrad gefahren, weil dann seine Strafe geringer ausfällt, als wenn er eine Fußgängerin getötet hätte.
AntwortenLöschenSagen wir mal so, die Wahrscheinlichkeit, dass die Schülerin geschoben hat, ist nicht sonderlich groß. Aber auch das könnte sein. Die Ermittlungen laufen ja noch. Andererseits können Fußgänger/innen schneller bremsen als Radfahrerinnen, und solche Zusammenstöße vermeiden, zumal Laster ja auch mit viel Krach unterwegs sind.
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