Fahrradhelme können Leben retten. Aber Fahrradhelme können bei ihren Träger/innen auch die Risiksofreudigkeit erhöhen.
Der Spiegel berichtet von einer Studie, die in Deutschland und Kanada vorgestellt wurde. Man hat sie nicht im Straßenverkehr gemacht, sondern bei einem Glücksspielexperiment. Probanden, die einen Fahrradhelm auf dem Kopf hatten, gingen höhere Spielrisiken ein. Denen hatte man gesagt, der Helm diene nur als Träger für eine Kamera, die die Augenbewegungen protokolliert. Dennoch fühlten sie sich sicherer. Dabei war ihre gemessene Hirnaktivität geringer als bei den Probanden ohne Helm. Das heißt, jemand, der einen Fahrradhelm trägt, wägt die Risiken mit weniger Hirnschmalz, also weniger gründlich ab, als jemand, der keinen trägt.
Auch Autofahrende verhalten sich gegenüber Radfahrenden, in Schutzkleidung weniger rücksichtvoll als gegenüber Radfahrenden, die ohne Helm unterwegs sind.
Ich bin nicht gegen das Helmtragen. Ich trage einen. Ich finde nur, dass wir uns klar machen müssen, dass uns der Fahrradhelm nicht vor schweren Unfällen schützt, und nicht einmal vor den Folgen schwerer Unfälle. Vor folgenschweren Fahrradunfällen schützt nur eine gute Radinfrastruktur, die auch kleine Fehler verzeiht und das Riskiko verringert, von Autofahrenden übersehen und verletzt zu werden.
Und noch gefährlicher als gar keinen Helm zu tragen ist es, wenn man ihn falsch aufsetzt. Ein Helm ist nicht schick, sondern funktional. Er muss waagrecht auf dem Kopf sitzen, er darf nicht in den Nacken geschoben oder in die Stirn gezogen werden. Der Kinnriemen darf nicht locker hängen.
Tatsächlich eine interessante Studie, die mich allerdings nicht davon abhalten wird, bei meiner mir verordneten "persönliche Helmpflicht" zu bleiben. Was die Studie nicht betrachten bzw. betrachten kann, ist die Frage, ob sie auch gilt, wenn man immer einen Helm trägt, dies somit der "Normalzustand" beim Radfahren ist – und damit keine Verhaltensänderung einhergeht. Oder denkst du als erfahrene Helmträgerin, dass du wegen des Helms in riskantere Verkehrssituationen gehst? Die Übertragung einer Computersimulation in den Realverkehr halte ich auch für, sagen wir mal, mutig. Besonders kritisch finde ich auch, dass die Studie nun garantiert wieder von den Helmgegnern als Argument herangezogen werden wird.
AntwortenLöschenIch habe meine Gedanken zu dem Thema mal hier zusammengefasst: https://lomovogt.wordpress.com/2019/08/20/meine-persoenliche-helmpflicht/
Ich trage auch weiter Helm. Ohnehin bin ich eher vorsichtig. Die Vermutung - vor allem die, dass Autofahrende mit Helmtragenden ruppiger umgehen - stammt aus Großbritannien und stand immer im Raum. Ich vermute mal, wie riskant man radelt, ist auch ein wenige altersabhängig. Und man muss sich schon auch klarmachen, dass bisher der Nachweis fehlt, dass Helme zu weniger Schwerverletzten oder Todesfällen im Straßenverkehr führen. Vergleicht man die Verletzungen von Nationen mit vielen Helmträger/innen mit denen von wenigen, dann lässt sich kein signifkanter Unterschied feststellen, habe ich beim ADFC gelesen. Ich bin aber, wie ich immer betone, nicht gegen Helme. Ich finde nur, wir sollten uns nichts vormachen. Fahrradhelme retten uns nicht vor den schwerwiegenden Folgen von Unfällen mit schnellen und schweren Autos.
LöschenWenn man unter die Räder eines abbiegenden LKWs kommt, hilft der Helm gar nichts. Da ist es übrigens auch egal, wie schnell der LKW ist. Verhindern kann ein Helm sowieso keinen Unfall.
LöschenMeine persönliche Quote: Von insgesamt 8 Fahhradunfällen mit Verletzungen (Stürze und Zusammenstöße) in meinen knapp 50 Radfahrer-Jahren hat bei einem einzigen der Helm möglicherweise eine Gehirnerschütterung verhindert.
Mein Fazit: allein dafür hat es sich gelohnt, auch die anderen 150.000km einen Helm aufgehabt zu haben, in denen "nichts passiert" ist.
Nebenbei empfehle ich auch, Handschuhe zu tragen. Man stützt sich unwillkürlich mit den Händen ab. Die Straßendreck-Steinchen in den Handballen sind zwar nicht lebensbedrohend, aber dennoch ein lästiges Rauspulen.
Wenn man sich anschaut, wie viele gefährliche Mängel die Radinfrastruktur in Stuttgart hat und wie nachlässig sie gepflegt wird, geht man als Radfahrer objektiv ein relativ hohes Risiko ein. Der minimale Unterschied aus der Helm-Studie spielt demgegenüber effektiv keine Rolle.
(Aus aktuellem Anlass ein Hinweis an die lieben AWG-Mitarbeiter, die mitlesen: nasses Laub ist rutschig, und Radfahrer kippen im Gegensatz zu Autofahrern um, wenn sie ausrutschen. Das tut dann weh und ein wenig eklig ist es auch.)
Die beiden Physiker vom Wissenschafts-Podcast "Methodisch inkorrekt" haben in Folge 150 übrigens die Studie in ihrer eigenen launischen Art analysiert und verständlich aufbereitet. Wem das englische Original zu mühsam zu lesen ist, kann da ja mal reinhören.
AntwortenLöschenVom eigenen empfinden her kann ich das schon nachvollziehen. Das geht mir aber ehr beim Skifahren so, beim Radfahren trage ich schon so lange Helm und habe mir anscheinend schon zu sehr ausgetobt.
AntwortenLöschen@Holger: Danke für den Hinweis zum Podcast!
Hallo,
AntwortenLöschenich hatte letztes Jahr in der Arbeit einen Fahrradunfall. Bin Postbote! Danach war ich erst mal eine Woche krank, weil ich über dem Auge eine Platzwunde hatte. War auf einer leicht abfallenden Berg! Hab in der Hecktig die Forderbremse zu heftig gezogen. Danach habe ich mich gefragt, wieso bei uns in der Arbeit keine Helme zur Verfügung gestellt werden. Antwort: Kann jeder für sich selbst eine Besorgen! Jajaja, was auch immer!
Privat habe ich mir noch keinen Besorgt! *ups ... *rotwerd* Aber ich habe einen hier und den hatte ich auch gerade auf, als ich meinen Sohn in den Kindergarten brachte. Vorbildfunktion! Er hatte natürlich seinen auch auf, obwohl er im Anhänger gesessen ist. Ich muß sagen, im endefeckt ist mir die Sicherheit ebenso wichtiger als die Eitelkeit! Ich habe nur einen Kopf und ein Gesicht Achtung / Wichtig
Ich werde wohl in nächster Zeit mehr zum Fahrrad fahren kommen als früher und werde mir spätesten im nächsten Jahr auch noch einen eigenen Helm zulegen!