2. März 2020

Ein gutes Angebot erzeugt sofort Nachfrage

Wo die Wege bequemer werden, fahren rasch mehr Leute Fahrrad. Das zeigt sich auf der Radschnellverbindung zwischen Böblingen und Stuttgart Vaihingen. 

Auch wenn sie alles andere als perfekt ist (es geistern überraschend viele Autos auf der Römerstraße herum) so hat, einem Bericht der Stuttgarter Zeitung zufolge der Radverkehr zugenommen. Früher fuhren die Kopfsteinpflasterstrecke 700 Radler/innen pro Tag, jetzt, nach der Asphaltierung, sind es schon 1.200. Nach Informationen der Stadtverwaltung Böblingen wurden an der Zählstelle seit Inbetriebnahme Ende Mai 2019 bis zum 23. Februar 2020 genau 158.028 Radfahrten erfasst. Das dürften noch mehr werden, auch wenn die Verbindungen in die Städte hinein nur sehr langsam besser werden.

Drei Radschnellverbindungen sind in Baden-Württemberg schon so weit geplant, dass es Fördergelder vom Bund gibt und man Jahrezahlen für ihren Baubeginn nennt. In dem Artikel der Stuttgarter Zeitung, sagt die Latndesvorsitzende des ADFC, Gudrun Zühlke, Radschnellverbindungen ermutigen Menschen, aufs Fahrrad umzusteigen, wenn man auf ihnen zügig (weitgehend ohne Ampelstopps) und eher verkehrsfern radeln kann. Sie kosten zwar auch Geld nämlich rund eine Million pro Kilometer (ein Kilometer Autobahn kostet 10 Millionen), aber Radinfrastruktur ist in jedem Fall billiger und braucht weniger Platz als Autoinfrastruktur und hilft, Autofahrten zu reduzieren.

Das wissen wir Radaffinen alles (nur die Autoaffinen weigern sich, es zu wissen). Die Frage ist derzeit, wie entschlossen die Städte, auch Stuttgart, sind, Radschnellverbindungen auch in städtisches Gebiet hinein fortzusetzen. Fahrradstraßen sind eine Möglichkeit, etwa der Ausbau der Burgstallstraße und Möhringer Straße zur Fahrradstraße, der geplant ist, aber noch nicht begonnen wurde. Aber auch breite Radfahrestreifen mit fahrradfreundlichen Ampelschaltungen entlang von Hauptstraßen helfen, mehr Radfahrende auf die Straße zu bringen. Entscheidend ist, dass sich Radfahrende sicher und wertgeschätzt fühlen und Konflikte mit Autofahrenden gering gehalten werden. Für solche Radstreifen oder Radwege aber müssen Autostraßen Fahrspuren hergeben. Und das zu planen und dann auch umzusetzen, fällt uns noch sehr schwer, der Verwaltung wie der Politik.

Derzeit fehlt eine gute und schnelle Radverbindung von der Stelle, wo die Römerstraße / Panzerstraße ankommt, durch Vaihingen auf die Hauptradroute 1, die übrigens auch ihre Schwächen hat, wo sie zu eng an geparkten Fahrzeugen entlang geführt wird (sowas macht Angst und ermutigt nicht).

Ganz offensichtlich sind wir auch noch weit davon entfernt, mit großzügigen Radbrücken zu planen oder beispielsweise den Charlottenplatz endlich für Radfahrende so umzugestalten, dass sie überall hin in eine Zug über kommen, ohne dabei von rasenden Autofahrern bedrängt zu werden. Radfbrücken kosten Geld, bringen aber sehr viel: Sie verlocken Leute, aufs Fahrad zu steigen, weil sie darauf fahren wollen, Radfahrende fühlen sich wertgeschätzt, die Aussicht auf eine schöne Radelstrecke animiert viele Menschen, das Auto stehen zu lassen und schöne Radinfrastruktur bauten erfüllen eine Stadt und ihre Gesellschaft mit Stolz. All das schafft positive Gefühle dem Radfahren gegenüber. 

Ich bin sicher, dass auch wir in Stuttgart da hin kommen, Radinfrastruktur nicht mehr nur neben Autospuren zu kleben, sondern so zu planen und zu bauen, wie wir einst unsere Stadtautobahnen geplant und gebaut haben. Aber das braucht eine tiefe innere Wende unsere Stadtplaner/innen und Politiker/innen, aber auch der parkplatzbesessenen Einwohner/innen, die vielleicht gerade in Gang kommt, aber noch nicht vollzogen ist.

7 Kommentare:

  1. Ich plädiere dafür, dass man bei der KFZ-Anmeldung einen privaten Stellplatz nachweisen muss. So würden innerhalb der nächsten Jahre private Stellplätze (Parkhäuser) entstehen und es würde jede Menge Platz in der Stadt frei werden, da es zu jedem KFZ einen privaten Stellplatz gibt. Zudem würden die Stellplatzkosten endlich an die Verursacher weiter gegeben werden.

    Bevor jetzt Stimmen kommen das gehe nicht: in Japan ist das bereits Realität und es funktioniert.

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  2. Ralph Gutschmidt2. März 2020 um 20:42

    Es geht deshalb nicht, weil die gesellschaftlichen und politischen Mehrheiten dafür nicht absehbar sind. Auto ist ein Grundrecht. Jeder wird sofort mit der armen Krankenschwester kommen, die wegen Schichtdienst nicht mit Öffis fahren kann und sich keine Garage für 10.000 Euro leisten kann.

    Realistisch ist aber, dass wir jetzt schon die Anzahl der Parkplätze verringern. Zum Beispiel durch neue Busspuren oder Ausbau von Radwegen und durch Carsharing-Stellplätze. Und die höheren Bußgelder werden dazu führen, dass künftig Falschparker stärker verfolgt werden.

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  3. Ich möchte hier mal eine Lanze brechen für die hier so geschmähte "arme Krankenschwester". Frau vom Kollegen ist Krankenschwester. Sie ist mit den "Öffis" gefahren. Sie wohnten in der Stadt, hatten eine Garage und nur ein Auto. Wenn seine Frau nicht permanent in der Bahn angepöbelt und belästigt worden wäre, wäre sie auch weitergefahren. Ihr Mann hat ihr dann ein Auto gekauft, damit sie das nicht mehr ertragen muss. Mit der Garage hatten sie ständig Ärger, weil ständig irgendwelche Idioten davor gesparkt haben und sie nicht reinkamen und die Polizei nicht geholfen hat. Sie sind dann weggezogen, in einen Ort, der überhaupt keinen gescheiten öffentlichen Nahverkehr hat (weder tagsüber, erst recht nicht nahcts), also sind sie aufs Auto angewiesen. Noch Fragen?
    Gruß
    Karin

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    1. Und genau an so einem Ort kann man dann ja problemlos einen Stellplatz nachweisen, weil fast jedes Haus einen hat.

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  4. Nach 8 Jahren Amtszeit, schafft es VM Hermann gerademal auf einen RSW- und selbst dieser ist strenggenommen Augenwischerei. Denn in Richtung BB ist dieser nur 5 KM ein RSW- die restlichen 3,5 KM lediglich eine Fahrradstraße mit schlechterem Belag und Autoverkehr.

    Was auch grotesk ist: Permanent wird als Ausrede angebracht, das es zunächst RSW-Machbarkeitsstudien bräuchte, damit man auf 2000 bzw. 2500 Radfahrer täglich pro Strecke kommt. Plötzlich gehts auch mit 700 bzw. 1200. Na sowas.

    Wir werden von der (grünen) Landesregierung mächtig an Nase herumgeführt...bei diesem Tempo wird es noch viele, viele Jahre dauern, bis wir genügend sinnvolle RSW's haben.

    Wobei die jetzige Novelle auch Pflastersteine bzw. Sand als Fahrbahnbelag zulässt. Was für ein Irrsinn. Und die GRÜNEN haben zugestimmt. Soviel zum Thema Glaubwürdigkeit. LG Ulrike Schneider

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  5. Warum ist es eigentlich so wichtig, auf jemanden zu schimpfen? Ich frage mich das ernsthaft. Wir sind eine Schimpf-Gesellschaft geworden, überall schwingt latenter Hass mit. Tatsächlich ist es doch so, dass der Verkehrsminsiter keiner Radschnellwege baut, sondern die Gelder und die Förderungen bereitstellt, ihn wollen, planen und bauen müssen die Städte und Landkreise, und in diesem Fall waren es Böblingen und Sindelfingen. Sie haben die Gelder adquiriert, das Denkmalamt überzeugt und gebaut. Ich sehe übrigens, wenn in Oberschwaben unterewegs bin, hier und dort neue, die Landstraßen begleitende Radwege aufploppen. Ich habe eher den Eindruck, dass die Städte, übrigens auch Stuttgart, da zu langsam sind. Immerhin gibt haben Stuttgart und das Land vor einem Jahr eine Firma beauftragt, die zusammen mit Bürger/innen Trassen für RAdschnellverbindungen sucht. Geht mir auch zu langam, aber der Teufel steckt im Detail, immer dort, wo die Trassen durch bebautes Gebiet gehen. Denn da kann man auf einmal nicht mehr alle Kriterien für Radschnellwege anwenden. Wie entscheidet man sich aber dann?

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  6. Man entscheidet sich beispielsweise so, dass man alle Verkehrsarten gleichermaßen zu Kompromissen zwingt, nicht nur die beiden ökologisch sinnvollsten für Strecken bis zu 25km (Fußverkehr, Radverkehr).

    Beispielsweise zweigt man Spuren von KFZ-Trassen ab.

    Beispielsweise berücksichtigt man beim Bau von neuen Tunneln und Brücken den Radverkehr mit ausreichendem Bedarf und entsprechenden Breiten.

    Beispielsweise doktort man bei der Neugestaltung von Stadtvierteln im Zusammenhang mit S21 das Radverkehrsnetz nicht irgendwie nachträglich dran.

    Beispielsweise baut man tatsächlich auch mal eine Brücke gezielt für den Radverkehr.

    Und das Machwerk nennt man dann eben schlicht "Radweg" und nicht hochtrabend RSW, wenn es die Kriterien dafür nicht erfüllt. Macht man bei Autobahnen doch auch nicht, wenn es die Randbedingungen nicht hergeben: Eine einspurige Kreisstraße zu bauen und das den Bürgern dann vollmundig als Autobahn unterjubeln zu wollen.

    Wer sich verarscht fühlt, ärgert sich eben. Ginge es Dir nicht genauso? Wenn die Realität den Ansprüchen nicht genügt, dann gibt man das eben zu und schraubt nicht heimlich die Ansprüche herunter.

    Aber warum redest Du von "schimpfen" und gar "Haß"? Ulrike äußert m.E. hier Enttäuschung basierend auf sachlich korrekter Kritik.

    Ja, Kritik zu äußern ist einfacher als konstruktiv was zu erstellen, was aller Kritik standhält. Aber unterschätze auch nicht, wie viel Zeitaufwand in fundierte Kritik einfließt. Außerdem geht es hier um ein gehyptes Vorzeigeprojekt nach langer Planung - und von den planenden Fachleuten kann man doch so viel Professionalität erwarten, dass ihr Ergebnis wenigstens einer oberflächlichen Prüfung standhält. Oder nicht?

    Der "RSW" ist durchaus eine weit überdurchschnittlich gut ausgebaute Radverbindung. Darüber besteht kein Zweifel. Gut, dass so etwas gebaut wurde und wird. Der Kreis Böblingen hat übrigens mehr von der Sorte, z.B. zwischen Magstadt und Renningen, hat andererseits aber auch absolut gruselige Strecken und gefährliche Knotenpunkte, z.B. auf dem Radelrund. Der ist für Alltags-Radfahren nicht geeignet.

    Aber zurück zum RSW:

    Die "offiziellen" Kriterien für eine Radschnellverbindung sind dennoch schlicht nicht erfüllt und sie hat auch objektiv einige Mängel.

    - Auf einer Schnellverbindung haben Geschwindigkeitsbeschränkungen und Mischverkehr mit Fußgängern nichts zu suchen. Auf einer Autobahn stellt man auch keine Schilder bzgl. gegenseitiger Rücksichtnahme auf und schickt Wanderer drauf.

    - Die Fahrbahnmarkierungen sind illegal. Grün ist in der StVO für dafür nicht vorgesehen, nur weiß und gelb.

    - Die Markierungen sind teilweise unverständlich. Erinnerst Du Dich nicht, wie Du selbst herumgerätselt hast? Du kannst davon ausgehen, dass eine Markierung und Beschilderung regelwidrig ist, wenn sie sich nicht auf Anhieb erschließt.

    - Die Mindestabstände zum Fußverkehr mit einer Sperrfläche von 60cm Breite sind unterschritten.

    - Poller versperren die Einfahrt für breite Fahrräder (evtl. kann da Böblingen nichts dafür, wenn das noch auf Stuttgarter Gemarkung ist).

    - Die Mindestlänge in km ist unterschritten.

    - Die Mindest-Nutzerzahlen sind unterschritten.

    - Die Beleuchtung wird nachts abgeschaltet, wenn es richtig dunkel wird. Ich hätte erwartet, das wäre auch aus Deiner Sicht ein Kritikpunkt.

    Und klar, der Bundesverkehrsminister, der Landesverkehrsminister Winne Hermann und die Abteilung für Nachhaltige Mobilität von Herrn Erdmenger haben Interesse daran, Erfolge vorweisen zu können, d.h. einen schnell voranschreitenden Ausbau eines Top-Radnetzes. Dass sie dafür aber auf Etikettenschwindel zurückgreifen, darf doch wohl angeprangert werden? Dass es Etikettenschwindel ist, habe ich hoffentlich ausführlich genug begründet.

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