1. Mai 2020

Radlerunfall in Weilimdorf - schwierige Radinfrastruktur


Symbolbild für Weilimdorf
Die Radinfrastruktur in Weilimdorf scheint mir teils vernachlässigt, teils gefährlich. 

Am Dienstagabend (ca 21 Uhr) hat es einen schweren Unfall mit einem Radfahrer gegeben. Der Radfahrer fuhr auf dem Radweg, parallel zur Solitudestraße. Eine Autofahrerin überquerte die Solitudestraße Richtung Thaerstraße und sah den Radfahrer nicht, als er auf die Schutzstreifen hinaus fuhr, um die Einmündung Thaerstraße zu überqueren. Die Autofahrerin fuhr ihn dort um. Der Radfahrer musste ins Krankenhaus. Wir wünschen ihm gute Besserung und vollständige Genesung.


Bildschirmfoto GoogleMaps
Hier zeigt sich die Krux von Radwegen
Die Radwege hier sind von der Fahrbahn durch einen Grünstreifen getrennt. Damit ist die Sichtbeziehung gestört. Für die Autofahrerin sieht das - wenn sie nicht aufmerksam ist - so aus, als sei das ein Fußgängerbereich. Fußgänger müssen hier warten, Radfahrende aber nicht. Die Autofahrerein dürfte überhaupt nicht damit gerechnet haben, dass jemand auf die Fahrbahn hinaus tritt (oder gar radelt). Radfahrende haben, anders als Fußgänger:innen Vorrang vor dem Querverkehr, wenn sie parallel zu einer Vorrangstraße fahren. Das ist aber an dieser Stelle nicht intuitiv zu erkennen. Zumale es auch noch dunkel war. Optisch hakte die Autofahrerin den Radler (falls sie ihn überhaupt bemerkt hat) vermutlich unter "Mensch ohne Auto um sich herum", also unter Fußgänger ab und fuhr drauf los. Wahrscheinlich der Radfahrer auch schneller, als ein Fußgänger kommt, und befand sich für die Autofahrein unvermutet auf der Fahrbahn.Übrigens auch eine äußerst heikle Stelle für Radfahrende, wenn Autofahrende rechts abbiegen. Noch schwieriger, wenn Autofahrende auf Gegenrichtung nach links einbiegen. Dann sehen sie Radfahrende noch weniger.

Die Stuttgarter Nachrichten berichteten darüber mit dem üblichen Zynsismus, der dem Radfahrer durch die Wortwahl und Grammatik unterstellt, er sei irgendwie hauptschuld an dem Unfall und seiner Verletzung. Die Stuttgarter Zeitung kann sich zwar das Wort "übersieht" nicht verkneifen, berichtet aber neutraler. Der Polizeibericht ist ähnlich.

Und für alle, die sich fragen, was wir Radfahrenden eigentlich gegen den Begriff "übersehen" haben. "Übersehen" erzeugt andere Assoziation als "hat nicht gesehen", denn jemanden übersehen kann man auch aktiv und mit hochnäsiger Geste. Übersehen klingt zudem wie "huch, habe ich doch glatt übersehen", also wie ein lässlicher kleiner Fehler. Würden Polizei und Presse schreiben, "hat ihn nicht gesehen", dann ist das neutral und zeigt damit deutlicher, dass der Autofahrer (oder die Fahrerin) einen schweren Fehler begangen hat, den man ein Auto fahrend niemals machen soll, nämlich nicht sehen, was vor einem auf der Fahrbahn ist.


Verblasste Wegweiser, verschobene Markierungen, so sieht es in Weilimdorf-Bergheim aus.

Vor einiger Zeit kam ich aus Richtung Bergheimer Staße (als Beifahrerin in einem Auto) auf der Solitude-Straße zur Kreuzung Specht-/Engelbergstraße. Foto ganuz oben.

Etwas bestimmt Wichtiges wird mir auf dem weißen Schild mitgeteilt, das rechts neben dem Aufstellplatz mitten auf dem Gehweg steht. Zu erkennen ist nur noch das blaue Fußgängerschild und ein hellgrünes Viereck mit einem Fahrrad darin. Der Rest ist unleserlich.
Ich sehe, dass hinter der Kreuzung der Radstreifen nicht weitergeht. Ich vermute, ich sollte auf den Gehweg radeln und die Fußgängerampel nehmen, oder, wenn ich Grün kriege, irgendwie in die Fußängerfuhrt hinein schlingern, um dahinter auf dem Gehweg weiterzuradeln. Das ist unbefriedigend.

StuttgartMaps
Das kombinierte Wegweiserschild lässt aber auch ahnen, dass es für mich als Radfahrerin etwas gibt, wenn ich nach links fahre. Aber meinen die, ich soll hier den Fußgüngerüberweg nehmen? Wirklich? Oder soll ich bei Grün losradeln und dann auf die Verkehrsinsel hüpfen und von dort nach links zur Stadtbahnline radeln? Oder doch lieber hier schon zur Fußgängerin mit Fahrrad an der Hand werden? Oder doch nicht?

Nur wer es weiß, weiß, dass man, wenn man hier links über die Fußgängerampel schiebt, und über noch eine, an die Bahnlinie kommt und, wenn man auch noch die Z-Schranken überwunden hat, links der Bahnstrecke bequem ziemlich weit nach Weilimdorf hineinradeln kann. Bequem ist anders, Hindernislauf trifft es eher. Auf keinen Fall kann hier der Radler flüssig rollend un auf moderaten Kurven seinen Weg verfolgen. Oder ich habe den total geschickten Weg doch nicht erkannt?

Nachtrag: Ein Blogleser weist mich darauf hin, dass diese Kreuzung zur Zeit zu einem Kreisverkehr umgebaut wird. (So schnell kann eine Bilderserie von vor zwei Monaten veralten.)


11 Kommentare:

  1. Immerhin haben beide Zeitungen den Helm-Unsinn der Polizei nicht übernommen. Wenn man das bei Fußgängern und Autofahrern auch erwähnen würde... Aber so ist es Victimblaming. Ursachenforschung an Infrastruktur macht die Polizei seltenst mangels Kompetenz. Analysen wie diese sind wichtig. Verbände und Bürger müssen weiter kämpfen. Danke.

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  2. [Ecke Solitudestr./Engelbergstr]
    Der zuständige Verkehrtplaner hat jedenfalls ein Schild aufstellen lassen und meint du sollst über die erste Ampel indirekt abbiegen ( siehe https://www.mapillary.com/app/?lat=48.803855899999995&lng=9.101722199972222&z=17&focus=photo&pKey=hDwM-Sf4D1cA6IGAIqkZeA ). Aber was spricht dagegen sich einfach auf der Linksabbiegerspur in die Engelbergstr. einzuordnen ?

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    1. Dagegen spricht nichts, und wenn ich da regelmäßgi radeln würde, würde ich das vermutlich machen, allerdings machen das viele Radfahrende nicht, sie suchen Wege, wo sie nicht in Konflikte mit Autofahrenen geraten. Was ich übrigens nicht wusste (Schande über mein Haupt!) ist, dass diese Kreuzung schon jetzt zu einem Kreisverkehr umgebaut wird. Was es Radfahrenden allerdings nicht unbedingt erleichtert. Soweit ich die Pläne in Erinnerung habe, werden sie einesteils wie Fußgänger:innen außen herum geleitet, können aber wohl auch durch den Kreisverkehr radeln.

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  3. Fußgänger, die die Straße überqueren, haben normalerweise auch Vorrang gegenüber abbiegenden Fahrzeugen. Ist das an der Unfallkreuzung anders?

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    1. Die Autofahrerin ist aber nicht aus der Solitudestraße abgebogen, sondern über die drüber gefahren und hat auf der andern Seite dann den RAdler erwischt, der auf seiner Radspur fuhr. Und das ist der riesige Unterschied zu Fußgänger:innnen: Die müssen warten, Menschen auf dem Rad aber nicht, wenn sie parallel zur Vorrangstraße fahren. DAs war hier der Fall.

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  4. §9 Abs. 3 StVO ist dabei relevant:

    "Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, [..] Fahrräder [..] auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. [..] Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten."

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    1. Es hört sich aber so an, als ob die Autofahrerin nicht abgebogen sei, sondern die Vorfahrtstraße gerade aus gequert hätte. Dann müssten zumindest zu Fuß Gehende wohl warten:

      §25 Abs. 3 Satz 1 StVO:

      "Wer zu Fuß geht, hat Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten."

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    2. Ah ok, war diesbezüglich kein abbiegender Autoverkehr. Hatte denn die Autofahrerin ein "Vorfahrt achten"-Schild? Bei einer Kombination aus Schild und weiß markierter Radspur würde ich nämlich die Schuld ganz deutlich bei der Autofahrerin verorten und nicht bei der Infrastruktur.

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    3. Ja, da gibt es ein "Vorfahrt achten"-Schild, das kann man bei Google StreetView sehen. Soweit ich das richtig verstanden haben, wollte sie von der Widdumhofstraße in die Thaerstraße und hat dabei die Solitudenstraße gekreuzt.

      https://www.google.com/maps/@48.8128402,9.1103693,3a,60.4y,115.76h,79.25t/data=!3m6!1e1!3m4!1s4WaQsJC8FGmUtk79qJJHXQ!2e0!7i13312!8i6656

      Aber es geht ja nicht darum, dass es Ihre Schuld war. Es geht darum, dass unsere Straßen so gestaltet sind, dass nicht alle Situationen eindeutig zu erkennen sind. Und das ein kleiner Fehler schwere Folgen haben kann.

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    4. Natürlich hatte die Autofahrerin Schuld, aber die Infrastruktur hat es ihr auch nicht ganz leicht gemacht, den Radfhrenden bei Einbruch der Dunkelheit als auf dem gegenüberliegenden Radweg, der weit weg ist von der Fahrbahn, herankommend zu erkennen. Es ist allgemein bekannt, dass Radfahrer:innen, die auf der Fahrbahn unterweg sind, leichter gesehen werden. Auch wenn wir uns auf Radwegen geschützter fühlen, sind wir es an Kreuzungen eben nicht, weil Autofahrende oft nicht genügend aufpassen. Dem Radler wäre es sicher lieber gewesen, er wäre nicht im Krankenhaus gelandet, als die Befriedigung zu genießen, dass die Autofahrerin schuld und er im Recht war. Das im Recht-sein der Radfahrenden nützt ihnen leider nichts, weil sie keinen Panzer um sich herum haben, der Fehler der Autofahrenden abfängt.

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  5. Es gibt hier offensichtlich ein Problem. Menschen werden einem potentiellen Risiko auf Gesundheitsgefährung ausgesetzt.
    Ich sehe keinen Grund warum dieses Risiko nicht durch potentiell wirksame Maßnahmen gemildert oder gar beseitigt wird:
    Kompletter Lockdown des MIV in Weil im Dorf.
    Wir Radler können uns keine weiteren Opfer mehr leisten.
    Solidarität.
    Jetzt.

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