18. Juli 2020

Jörns Nahtoderfahrung in der Tübinger Straße

Wäre er nicht vom Rad gesprungen und hätte es und sich selbst nicht aus dem Weg geräumt, wäre Blogleser Jörn jetzt mindestens schwer verletzt.

Er hat mir geschrieben, und seine Geschichte ist krass, weil sie sich an einer Stelle in der Tübinger Straße am Marienplatz ereignet hat, wo viele Radfahrende unterwegs sind. Jörn schrieb mir, er habe sich lange gefragt, wie es zu den vielen Toten durch abbiegende Lkw kommt und sich selbst als jungen fitten Radler nicht so als gefährdet angesehen. Er wurde dann am Dienstagmorgen gegen halb acht in der Tübinger Straße darüber belehrt, wie blitzschnell es äußerst knapp werden kann, wenn ein Lkw um eine Kurve fährt.


Jörn ist die Tübinger Straße entlang geradelt und kam am Marienplatz an (so wie auf dem Foto oben, das aber natürlich nicht ihn zeigt), wo von rechts die Hohenstaufenstraße runterkommt. Er wollte nach links auf die Fahrbahn am Marienplatz einbiegen und hielt an, etwa auf Höhe des Linksabbiegepfeils auf der Fahrbahn, wo Kopfsteinpflaster eine Verkehrsinsel andeutet. Jörn stand ungefähr einen halben Meter von der Verkehrsinsel entfernt. Er schreibt:

Von rechts kommend, ist ein Lkw  (ein grauer 40-Tonner Sattelschlepper, die Dinger mit langem Anhänger und drei Achsen hinten) in die Tübinger Straße eingebogen. Der Zugwagen ist noch zwischen Geländer und Verkehrsinsel durchgekommen, aber der Anhänger ist über die gesamte Verkehrsinsel und über den Fahrstreifen gezogen worden, auf dem ich immer noch stand und links abbiegen wollte. Ich habe im ersten Moment noch gedacht, dass das aber etwas eng ist, dann dass der mich sicher gesehen hat. Als die Räder noch etwa einen Meter von mir weg waren und von Zugwagen weiter genau in meine Richtung gezogen wurden, wurde mir erst bewusst, dass das nie reichen wird. 
Wäre ich nicht abgesprungen und hätte mein Fahrrad zur Seite gezogen, dann hätten mich die Räder des Anhängers erfasst. Was dann passiert, kennt man leider aus den regelmäßigen Meldungen über Verkehrstote. Die Opfer sind zu oft Kinder oder ältere Menschen, die in solch einer Situtation nicht schnell genug oder gar nicht reagieren. Immerhin war ich auch überhaupt nicht aktiv daran beteiligt, ich habe dort gestanden und auf freie Fahrt gewartet, das sollte eigentlich nie zu einer Gefahrensituation wie dieser führen! Ich kann nicht verstehen warum an dieser Stelle solch eine Gefahrenstelle zugelassen wird.

Jörn weist darauf hin, dass auf der Verkehrsinsel auch manchmal Fußgänger:innen stehen und wundert sich darüber, dass solche Lkw hier überhaupt im recht spitzen Winkel in die Tübinger Straße einbiegen dürfen. Wohin der Lkw-Fahrer wollte, ist unklar. In die Tübinger Straße dürfen nur Anlieger reinfahren. Falls er zu Dinkelacker gewollt haben sollte, wäre er illegal unterwegs gewesen. Hätte er in der Tübinger Straße etwas angeliefert, hätte er die Fahrbahn blockiert. Das war aber nicht der Fall, denn ich bin ungefähr fünf Minuten nach Jörns Nahtoderfahrung dort lang geradelt. Jörn vermutet, dass es nicht das erste Mal sein kann, dass es an dieser Ecke, der Ausmündung der Tübinger Straße zu gefährlichen Situationen gekommen ist. Nach seinem Eindruck war der Lkw zwar langsam, aber nicht in Schrittgeschwindigkeit unterwegs.

Der Linksabbiegepfeil vor der Verkehrsinsel ist eigentlich für Radfahrende gedacht, die auf den Marienplatz (Fußgängerbereich mit Rad frei) abbiegen wollen. Sie müssen hier den Gegenverkehr durchlassen. Leider blinken nicht alle Autofahrer:innen, die vom Marienplatz her kommend in die Marienstraße einbiegen. Im Grunde weiß man nie, ob das Auto nun die Hohenhollernstraße hochfährt oder nicht doch um die flache Kurve schießt. Gleichzeitig queren an der Stelle gerne Fußgänger:innen. Und es stehen auch gern Autos halb auf dem Gehweg bei der Bank oder am Straßenrand und müssen von den mir entgegenkommenden Autofahrendenumfahren werden, sie kommen mir dann auf meiner Straßenseite entgegen. Nicht alle Autofahrenden wissen, dass sie hinter dem Hindernis auf ihrer Straßenseite warten müssen.

Für viele Radfahrenden ist die Tübinger Straße durchaus eine Herausforderung bis hin zu einem Ärgernis. Es fahren zu viele Autos einfach nur durch, es stehen zu viele in zweiter Reihe, es verhalten sich zu viele Autofahrende nicht wie Gäste, sondern wie die Herren der Fahrradstraße und gleichzeitig sind sehr viele Radler:innen unterwegs. Ich fahre diese quirtlige Fahrradstraße gern, ärge mich aber zunehmend über den Autoverkehr und das Stehen in zweiter Reihe.

Ich halte es für dringend nötig, diese Straße für den Durchgangsverkehr wirkungsvoll zu sperren. Das geht mit einem Abschnitt Einbahnstraße in Richtung Marienplatz zwischen Cotta- und Römerstraße. Die Römerstraße kann man rein fahren, die Cottastraße raus. Eine modulare Sperre, die nur Radfahrende durchqueren können, geht hier nicht ohne einen Wendplatz, soweit ich das sehe. Es darf jedenfalls nicht möglich sein, dass ein Sattelschlepper vom Marienplatz bis Cottastraße durchfährt.

Wir müssen endlich ernst machen mit der Fahrradstraße.

24 Kommentare:

  1. Ähnliche Situationen kenne ich auch, nur bisher ohne unmittelbare Todesgefahr, da es sich bei mir bisher "nur" z.B. um einen urplötzlich wendenden Transporter und spurwechselnde Pkws handelte (und dass ich nicht so reaktionsschnell war). Da "klebte" ich dann an der Fahrzeugseite bzw. bin zu Fall gebracht worden, aber nicht unter die Räder gekommen.

    Besonders heimtückisch ist, wenn der Kfz-Fahrer zusätzlich das Blinken unterlässt und der Radfahrer die Gefahr erst (zu) spät erkennt.

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  2. Ich würde es begrüßen, wenn sich die Verantwortlichen für den Verkehr in Stuttgart an Erfahrungen orientieren würden, die andere Städte längst gemacht haben. Warum mag sich kaum jemand öffentlich eingestehen, dass Stuttgart etwa 30 Jahre hinterherhinkt und die kleinen Einzelmaßnahmen und Verbesserungen für den Radverkehr noch keine große Errungenschaft sind, wenn in der Masse wider besseres Wissen die Vorschriften missachtet und die Erkenntnisse der Unfallforschung ignoriert werden?

    Es ist einfach, das niedrige Radverkehrsaufkommen auf die hügelige Landschaft zu schieben. Es besteht aber trotzdem noch viel Potential, das durch sicherer gestalteten Straßenraum "gehoben" werden kann, weil die Bevölkerung mit ihrer Intuition klarer erkennt als die Spezialisten im Gemeinderat und in den Behörden, dass Stuttgart zum Radfahren "von 8-80" noch nicht tauglich gemacht wurde.

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  3. Da zu viele Autofahrer offensichtlich nicht lernen, wie sie sich auf der Fahrradstraße zu verhalten haben, muss diese eben für den Kfz-Verkehr grundsätzlich gesperrt werden. Eine einzige Ausnahme könnte man machen für Fahrzeuge mit Anwohnerparkausweis und städtische Fahrzeuge (Müll, …). Polizei und Krankenwagen im Einsatz dürfen ja sowieso überall fahren.

    Münster hat beispielsweise erkannt, dass Fahrradstraßen mit "Kfz frei" de facto nichts taugen und hat konkrete Maßnahmen beschlossen (übrigens einschließlich von Stimmen der SPD und CDU zugunsten des Radverkehrs!). Das kann man nachlesen, da muss man nicht einmal eine Exkursion dorthin machen (die sicher lehrreich wäre):

    https://www.stadt-muenster.de/verkehrsplanung/mit-dem-rad/fahrradstrassen.html

    Hier sehr übersichtlich die Beschlussvorlage "Neue Qualitätsstandards für Fahrradstraßen" und die Protokolle der Sitzungen. Diese Art der Darstellung im Internet finde ich übrigens sehr transparent und übersichtlich gemacht.

    Christine, ist diese Beschlussvorlage nicht ein perfekter Ausgangspunkt, um eine vergleichbare Kopiervorlage in Stuttgart zu erstellen?

    https://www.stadt-muenster.de/sessionnet/sessionnetbi/vo0050.php?__kvonr=2004044342

    Und überhaupt: die Portalseite der Stadt für den Radverkehr ist nach meinem Eindruck informativer als die vergleichbare Seite in Stuttgart.

    https://www.stadt-muenster.de/verkehrsplanung/mit-dem-rad/besonderheiten-in-muenster.html

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    1. Tja, blöderweise gibt es im Moment mit dem Auto aus Richtung Stadtmitte kommend keine andere Möglichkeit in der Bereich Heusteigstr. / Lehen als über die Tübingerstr./Kolbstr. zu fahren. Somit ist die komplette Sperrung der Tübinger keine wirkliche Option.

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    2. Ist dann die Freigabe für Kfz nur in dieser einen Richtung eine Option? Das würde ja auch schon 50% Verbesserung bringen. Ein ganzes Gebiet "abzuhängen" kommt natürlich nicht in Frage.

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  4. Zur Verbesserung der Situation an lebensgefährlichen Stelle an der Tübinger Straße schlage ich die folgenden beiden Maßnahmen vor:

    1. Massiver Steinpoller auf der gepflasterten Verkehrsinsel

    2. Einfärben des Aufstellbereichs für linksabbiegende Radfahrer

    3. Kontrollen und Sanktionieren des Durchgangsverkehrs.

    Diese Maßnahmen können unmittelbar sofort realisiert werden, sind aber nicht der Weisheit letzter Schluß.

    Eine fahrradfreundliche Neuplanung der Kreuzung ist in Stuttgart mangels Erfahrung mit den Entwurfskriterien (möglicherweise auch in deren Unkenntnis) für Radverkehrsanlagen und Fahrradfreundlichkeit sicher noch ein längerfristiges Unterfangen.

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  5. Sicher auch eine weitere Maßnahme, die dem Technologiestandort Stuttgart würdig wäre, orientiert sich daran, wie jetzt während der Pandemie Schwimmbad-Eintrittskarten gebucht werden können, um einer Überbelegung vorzubeugen:

    Stuttgart könnte ein System einführen, mit dem Ladeninhaber und Logistikdienstleister sich einen der Stellplätze für die Minuten reservieren können, die sie zum Be- und Entladen benötigen. Nur mit solch einer Reservierung darf in die Straße eingefahren und der (dann mit Sicherheit dann auch frei zur Verfügung stehende) Stellplatz angefahren und genutzt werden. Kein Parkplatzsuchverkehr, kein Parken in zweiter Reihe, weniger Gefahren, weniger Konfliktpotential. Anfangs werden sich voraussichtlich Rückstaus an den "Portalen" bilden - selbst wenn die Stadt offensiv informiert. Nach 1-2 Tagen wird sich das aber wieder einpendeln. Autofahrer, die unnötige Autofahrten geplant hätten, werden darauf verzichten und auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen. Der *notwendige* Kfz-Verkehr kann und wird weiter fließen und insgesamt werden weniger Autofahrer rechtswidrig und gefährdend herumfahren.

    Natürlich, Kontrollen und Strafen werden benötigt, um korrektes Verhalten durchzusetzen.

    (Wichtiger und wirkungsvoller wäre m.E. aber, die Radverkehrsanlagen auf modernen Standard zu bringen. Wie man das macht, ist hinlänglich bekannt.)

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  6. Weshalb ist diese Verkehrsinsel überhaupt so abgeflacht? Vorschlag: Die Ränder der Verkehrsinsel deutlich anheben und sehr großzügig mit Reflektoren ausstatten, damit sie keine Gefahr darstellen. Und schon kann ein solcher Sattelschlepper nicht mehr in die Tübinger Straße einbiegen.
    Das könnte doch eine einfache Lösung sein, um solch einem Wahnsinn in Zukunft vorzubeugen, oder?

    Ich bin in solchen und ähnlichen Fällen immer sehr froh um die krass laute "Airzound XL"-Hupe, mit der man auf sich aufmerksam machen kann, wenn ein LKW, Lieferwagen, Auto etc. pp plötzlich rüberzieht und einem den Weg abschneidet. Hat mir schon öfters den Arsch gerettet. Kann ich empfehlen, wenngleich sie angeblich ohne STVO-Zulassung nicht verwendet werden darf. Aber da sind mir meine körperliche Unversehrtheit und meine Sicherheit deutlich wichtiger als die STVO :)

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    1. Der Vorschlag mit dem Anheben geht in die richtige Richtung, ist nach meiner Meinung aber nicht wirkungsvoll genug verglichen mit einem Poller.

      Ich reime mir zusammen, dass die Verkehrsinsel absichtlich abgeflacht und andeutungsweise gestaltet wurde, gerade damit sie von langen Lkw überfahren werden kann und damit kürzere Fahrzeuge die Kurve schneiden und in schnellem Schwung befahren können.

      Die Verkehrsplaner kennen nun einmal die Schleppkurven, die sie beim Konstruieren von Kreuzungen berücksichtigen müssen. Sie greifen dafür auf die technischen Regelwerke zurück sowie auf einschlägige Publikationen von BASt und FSGV zurück, z.B. https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Verkehrstechnik/Fachthemen/v1-lang-lkw/Berichte/890284.pdf?__blob=publicationFile&v=2 .

      Was hat das Tiefbauamt, AfÖ und GR geritten, sich über alle Sicherheitsbedenken hinwegzusetzen und eine Art improvisierte (d.h. unzureichend markierte und eingefärbte) Fahrradschleuse zum Linksabbiegen in diesen Gefahrenbereich zu legen?

      Wir können darüber nur Mutmaßungen anstellen. Könnte ein Insider die Überlegungen und Abwägungen bitte offenlegen?

      Jedenfalls: wenn es beim nächsten Mal an dieser Stelle zu einem Unfall kommt, dann ist nicht nur der unaufmerksame Lkw-Fahrer Schuld, sondern auch jeder, der an dieser Fahrradfahrer-verachtenden Planung beteiligt war. Mit Unkenntnis kann sich dann keiner rausreden, spätestens nach diesem öffentlich zugänglichen Blog-Beitrag und einem Antrag, den Christine hoffentlich in den GR einbringt (oder schon eingebracht hat).

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  7. So flache Verkehrsinseln sind darum so gebaut das große Fahrzeuge bzw. LKW mit großen Wendekreis noch durch kommen. Das sieht man häufig an Kreisverkehren an denen Linienbusse lang fahren müssen. Diese können einfach gerade über die Insel fahren.

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  8. Kann man als Radfahrer diese gefährliche Stelle nicht einfach umgehen?

    Hier in der Nähe muss doch irgendwo die Hauptradroute Nr. 1 verlaufen, eine Hauptradverbindung erster Ordnung für den schnellen Fahrrad-Alltagsverkehr. D.h. eine Route, die mit Radverkehrsanlagen ungefähr wie ein Radschnellweg versehen ist. Diese Hauptroute des Radverkehrs in Stuttgart ist oder wird nach überschlägiger Rechnung für mindestens 20000 Radfahrer am Tag in 2030 ausgelegt und entsprechend ausgebaut und war laut Stadt, ADFC und VCD im Jahr 2013 "fast fertig".

    Da muss sich doch kein Radfahrer dicht daneben über so ein gefährliches Provisorium quälen, sollte man meinen - oder?

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    1. Holger, das ist die Hauptradroute 1.

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    2. Autsch. Das sollte zu denken geben.

      Ich bin in der Gegend auch mal leicht desorientiert rumgegurkt, weil ich die HRR1 interessehalber in Richtung Vaihingen fahren wollte. Ich dachte nur, ich hätte ihren eigentlichen Verlauf irgendwo verloren. :-(

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  9. "Nach seinem Eindruck war der Lkw zwar langsam, aber nicht in Schrittgeschwindigkeit unterwegs."

    Wenn das hier auf die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit beim Abbiegen abzielt: die ist aus irgendeinem Grund nur beim Rechtsabbiegen vorgeschrieben...

    Hat der LKW-Fahrer den Vorfall überhaupt bemerkt, und/oder wurde er darauf angesprochen?

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  10. nun muss eine frage erlaubt sein:
    trug jörn einen helm?

    es ist zum kotzen.

    und hoffentlich wird mein beitrag nicht wieder wegen nennung von gemeinderäten gesperrt - wobei sie, liebe frau lehmann, ja zuletzt einen durchaus ähnlichen ansatz hatten...)

    während man die unseren systematisch verfolgt, werden die eigentlich täter systemisch amnestiert. da gibt es regelungen, die mit formfehlern zurückgezogen werden, da gibt es regelungen, die gar keine sind, da gibt es regelungen die völlig am bedarf vorbei gehen, oder es gibt regelungen, die einfach niemand durchsetzt.

    wir brauchen lösungen.
    jetzt.

    (sorry, hab ihre antwort nicht verstanden, der mann mit seinem sportauspuff am subventionierten plug-in hybrid, der gerade mit 70 durch die 40er zone gebrettert ist, war so laut)

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  11. Ralph Gutschmidt18. Juli 2020 um 21:06

    Also hier kann man der Behörde wirklich keinen Vorwurf machen. Die Infrastruktur muss kleine Fehler verzeihen. Aber sie kann nicht jedes grobe Fehlverhalten verhindern.

    Der LKW Fahrer hat sich hier nun außergewöhnlich rücksichtslos verhalten, es spricht viel dafür, dass er betrunken war.

    Da stößt jede Infrastruktur an ihre Grenzen, nur noch autonomes Fahren kann so etwas verhindern.

    Außer: wenn das mit den 16 Tonnen Ernst gemeint ist, dann ist das ein ungewöhnliches Gefährt. Evtl. ein leichter 7,5 Tonnen Laster mit 8,5 Tonnen Auflieger? Den auch Pkw-Fahrer mit dem alten Führerschein Klasse 3 fahren können? Und entsprechend unerfahren sind? Aber der hätte hinten nur eine Achse, nicht drei.

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    1. Ich denke es war ein 40-Tonner, der betroffene Radler spricht ja von einem Sattelzug, und weiß halt nur nicht, wie schwer die sind.

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    2. @ Ralph: Ich bin im Gegenteil fest davon überzeugt, dass die Behörden - wie sie das in vielen anderen Situationen auch tun - die Infrastruktur so gestalten können und müssen, dass auch grobes Fehlverhalten nicht zur tödlichen Gefahr wird. Das gilt insbesondere dann, wenn der ordnungsgemäß ablaufende Verkehr nicht beeinträchtigt wird. Das ist bei dem Vorschlag mit dem Poller (und ggfs. etwas Rückverlegen der Radverkehr-Abbiegespur) gegeben.

      Schau´ Dir doch an: Auf dem Foto sind auch Geländer zu sehen. Die sind extra aufgestellt, damit Fußgänger nicht in einen Bereich der Kreuzung laufen, wo sie eine Gefahr darstellen würden. Also eine Maßnahme der Behörden, um grob fahrlässiges Verhalten von Verkehrsteilnehmern per Infrastruktur zu verhindern.

      Die Behörden gehen an anderer Stelle ja sogar so weit, Infrastruktur zu installieren, um grobes Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern zu verhindern, obwohl die Infrastruktur-Maßnahme dort

      - den Verwaltungsvorschriften und dem Stand der Technik widerspricht und

      - den (Rad-)verkehr massiv behindert und zu Unfällen führt (insbesondere für Lastenräder, Räder mit Anhängern und mehrspurige Fahrräder, z.B. die dreirädrigen Liegeräder oder Handbikes ist die "Leichtigkeit des Vekehrs" beeinträchtigt)

      Es dürfte klar sein, wovon ich rede:
      Die in Stuttgart allgegenwärtigen Poller und Drängelgitter, die mitten auf Radverkehrsführungen aufgestellt sind. Und natürlich die gemeingefährliche Schranke auf der Hofener Straße, die wie eine Lanze in die Fahrlinie des (auf die Straße einbiegenden) Radverkehrs ragt.

      Bei (möglicherweise gut gemeinten) Schutzmaßnahmen, die pervers sind, weil sie regelkonformen Verkehr gefährden, bin ich Deiner Meinung: so etwas dürfen die Behörden nicht planen, genehmigen und installieren lassen.

      Geht es lediglich um Beeinträchtigungen als "Kollateralschaden" einer Schutzmaßnahme, dann ist müssen die Vor- und Nachteile und die naheliegenden Alternativmaßnahmen (wie Kontrollen) sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

      Der Hinweis darf natürlich nicht fehlen: Kontrollen und Strafen werden benötigt, um korrektes Verhalten durchzusetzen. Dann kann auf immer weiter hochgerüstete Infrastruktur verzichtet werden.

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    3. Nochmal @ Ralph: Es gibt viele Verkehrsteilnehmer, die unter Alkohol oder anderen Drogen und Medikamenten stehen oder sonst wie beeinträchtigt sind. Das sind nicht nur einzelne Ausnahmen.

      Auch Christines Fotos zeigen ja, wie der grüne Abfall-Entsorger-LKW stockvoll über das Radsymbol auf der Radverkehrsanlage fährt. Meinst Du, der ist auch besoffen? Oder ist er einfach nur "noch zu wenig sensibilisiert", was Rücksichtnahme gegenüber dem Radverkehr angeht?

      Eigentlich müsste er beim Einbiegen in die Tübinger Str. schon die Pedelec-Fahrerin gesehen haben. In der Situation ist es schon mehr als rücksichtslos, über die Fahrradschleuse/Linksabbiegerspur zu walzen.

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    4. Ralph Gutschmidt19. Juli 2020 um 17:42

      @Holger, nein, der Fahrer des Mülllasters ist nicht besoffen. Auf der Fahrradspur steht ja niemand.
      Aber in Jens' Fall stand dort jemand. Wenn jemand eine deutlich unübersehbar dastehende Person umfährt (oder auch einen Gegenstand), dann kann Infrastruktur das nicht retten. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich auf der Fahrbahn gelegentlich verschiedene Verkehrsteilnehmer aufhalten.

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    5. Christine hat 2 Fotos gemacht, auf denen die Pedelec-Fahrerin zu sehen ist. Für mich sieht es so aus, als ob sie die Absicht hatte, nach links abzubiegen. Die provisorische Abbiegespur konnte sie nicht ansteuern. Sie musste um den Lkw herumfahren, weil sie auf dem Radsymbol gefährdet worden wäre durch Gegenverkehr, der dort nichts zu suchen hat.

      Ich wollte darauf hinaus, dass der Mülllaster-Fahrer ihre Absicht auch hätte erkennen (oder ahnen oder für möglich halten) können und dass er deshalb das Rechtsfahrgebot einhalten, den Gegenverkehr nicht gefährden und nicht über die Fahrrad-Abbiegerspur hätte fahren sollen.

      Mit dem Poller wollte ich darauf hinaus, dass mir es lieber wäre, ein Laster fährt einen unübersehbaren Poller an und bleibt an diesem hängen, als dass er Jens oder einen anderen unübersehbaren Radfahrer umfährt. Deshalb habe ich mich für einen Poller als Radfahrer-schützende Infrastrukturmassnahme an dieser Stelle ausgesprochen.

      Ich hoffe, diesen Gedankengang kannst Du nachvollziehen, auch wenn Du andere Ideen von einer Infrastruktur hast, die lebensgefährliche Fehler möglichst vermeiden hilft. Oder ist Deine Einstellung radikal anders, etwa z.B. in dem Sinn, am besten alle Verkehrsfläche zu shared space zu machen und zu schauen, wie sich alle Verkehrsteilnehmer organsieren und partnerschaftlich gleichberechtigt auf Augenhöhe rücksichtsvoll abstimmen und einigen?

      Bzgl. autonomen Fahren hoffe ich, dass das in vielen einzelnen Stufen und Schritten eingeführt wird durch immer ausgefeiltere Assistenten. Ich bin davon überzeugt, dass autonome Fahrzeuge bestimmte Arten von Fehlern tatsächlich nicht machen wird, dafür andere, neue überraschende Verhaltensweisen und Fehlermuster zeigen werden, an die man sich auch erst gewöhnen werden muss. Beispielsweise wird die KI und Mustererkennung von autonomen Fahrzeugen sehr damit kämpfen, unklar und mehrdeutig markierte Fahrbahnen und Verkehrsführung richtig zu deuten. Richtig in dem Sinn: "wie ein vernünftiger, nicht betrunkener Mensch", d.h. vorhersehbar für die anderen Verkehrsteilnehmer, die ja nicht wissen, ob da eine natürliche oder eine künstliche Intelligenz am Steuer sitzt.

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  12. Die Seuche, Radfahrer am Ende der Fahrradstraße einfach auf dem Marienplatz verschwinden zu lassen, passt super zum Erfolgsmodell der Fahrradstadt Stuttgart. Dazu zählt auch das andere Ende und die ach so tollen PopUps auf der Theo. Alles fürn PoPo.

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    1. Immerhin haben wir in Stuttgart eine Protected Bike Lane, an der mir noch kein Unfall mit Kfz-Beteiligung bekannt ist. Die entspricht zwar in ihrer Breite und weiteren Merkmalen nicht dem Stand der Technik, aber das ist ein anderes Thema.

      Und mir fallen schon spontan 6 Verkehrsknotenpunkte ein, an denen der Radverkehr mittels Brücke oder Unterführung konfliktfrei zum Kfz-Verkehr geführt wird.

      Auch dort ist noch vieles verbesserungsbedürftig, z.B. der Bodenbelag in der Unterführung unter dem Schattenring.

      Mit den 6 konfliktfreien Knotenpunkten wurde im letzten Jahrhundert ein vielversprechender Anfang gemacht. Seitdem scheint bei dem Thema aber etwas die Luft raus zu sein.

      Aber Radentscheid und Klimaziele führen vielleicht zu einer Trendwende und die Behörden und politischen Gremien nehmen richtig (Rad-)Fahrt auf.

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  13. Das ist auf der anderen Seite in der Eberhardstrasse nicht anders.
    Dann der Lieferverkehr, da wird schnell mit Last- und Lieferwagen vor und zurück gestoßen. Teilweise wird die ganze Breite der Strasse blockiert. Für mich sind diese sogenannten Fahrradstrassen nur ein Alibi:" schaut her wir haben wieder ein paar Kilometer Fahrradwege". Und eine Verbesserung im Bereich Tübinger/Eberhardstrasse/ Rotebühlplatz wird sich auch nicht einfach erreichen lassen. Genau in diesem Abschnitt sind die Zufahrtsstrassen für die Parkhäuser Kaufhof , C & A ,Kronprinzstrasse und ich glaube,da gibt es noch mehr. Die müsste man schließen! Aber das denke ich wird nicht so einfach sein. Das käme einer Enteignung der Besitzer gleich und das geht eigentlich auch nicht.

    Grüße

    Edgar J.

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