6. Dezember 2020

Die Motorisierten sollten nicht mehr alles beherrschen

Der VCD hat in einem Buch seine Vorstellungen von einer lebenswerten Stadt aufgeschrieben. Die Stadt mit Füßen auf Asphalt und auf Pedalen zurückzugewinnen. 

Die meisten von uns gehen morgens aus dem Haus, und das erste, was sie sehen, nachdem sie von ihnen schon geweckt wurden, sind Autos. Das Auto beherrscht alle unsere Lebensbereiche, akkustisch sowieso, aber auch räumlich und als ständige Gefahr.

Unsere Städte wurden nach dem Krieg, eitentlich schon währenddessen, autogerecht gemacht. Radfahrende an den Rand, Fußgänger:innen runter von der Fahrbahn auf Gehwege! Inzwischen werden auch die Gehwege von Autos, Mopeds, Motorrädern und oft auch noch legalisiert, von Fahrrädern besetzt, befahren, beparkt, zugestellt. Hinzugekommen sind in letzer Zeit noch E-Scooter. 

Viele Autofahrende  und Motorradfahrende (heute habe ich mal nur Beispiele von Motorradfahrern) setzen sich doch sehr großzügig über Regeln hinweg, mahnen aber gern bei allen anderen an, dass sei sich streng an Regeln halten. Fußgänger:innen fordern das übrigens auch, aber mit mehr Berechtigung. Sie sind nämlich oft die Opfer, wenn die Fahrzeugfahrenden sich nicht an die Regeln halten. 

Das muss sich ändern. Die stark und laut motorisierten Fahrzeuge dürfen nicht mehr unser Leben beherrschen, wo auch immer wir hingehen und sind. Die Menschen, die selbstaktiv unterwegs sind, sind zu Fuß oder auf Fahrrädern, müssen das Auto in die Schranken weisen, wenigstens sollte es zurück auf die Fahrbahnen. 

Die meisten Menschen wünschen sich übrigens eine autofreie Welt, aber nur so lange, bis sie selber ins Auto steigen. Dann wollen die damit auch überall hinkommen, bis in den letzten Winkel. Diesen inneren Widerspruch aufzuheben ist nicht leicht. Das Auto macht Manches bequemer, allerdings das Meiste nicht: Nur haben wir vergessen, dass es schöner ist, zu Fuß zu gehen, und schöner und schneller, mit dem Fahrrad zu fahren. Wir haben auch vergessen, wie schön es ist, wenn man Kinder auf der Straße spielen lassen kann. (Ich konnte das selber noch.) Und wenn man sie mit den Rädern losschicken kann, ohne sich Sorgen machen zu müssen. 

Und vielen von uns erscheint es undenkbar, zumindest aber unmöglich, unsere Städte in einen Zustand zu versetzen, wo es schöner, leiser und ungefährlicher ist, weil viel weniger Autos unterweg sind. Im Gemeinderat höre ich immer "In welcher Welt leben Sie denn? Wir brauchen das Auto und wir werden es immer brauchen." Das ist die eigentlich verkehrte Welt. Manchmal frage ich mich, in welcher Welt diejenigen Leben, die vom Haus ins Auto, vom Auto in den Betrieb, vom Betrieb ins Auto und vom Auto in den Supermakt, von dort wieder zurück ins Auto und vom Auto ins Haus steigen und am Wochenende mit dem Auto an den Waldrand fahren. Sie leben in einer zerhächselten Welt, in der der immer gleiche Innenraum ihres Autos die Hauptrolle spielt.

Das Buch vom VCD, "Hol dir deine Stadt zurück" mag der Vorstellungskraft weiterhelfen.


6 Kommentare:

  1. 30 Stundenkilometer und zwar in der ganzen Stadt – das will Freiburg einführen. Sie wäre nach eigenen Abgaben die erste deutsche Kommune mit einer solchen Regelung. Unterstützung gibt es vom baden-württembergischen Verkehrsminister.
    Wie könnte das Stuttgart realisieren?

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    1. Na ja, auch in Freiburg sollen einige Vorbehaltsstraßen von der Regelung ausgenommen werden. In Stuttgart haben wir zu zwei Dritteln Tempo-30-Zonen, in allen Wohngebieten. Auf schätzungsweise der Hälfte der Vorbehaltsstaßen ist Tempo 40 angeordnet (Steigungsstrecken). ich bin sehr für Tempo 30, aber wirklich überall. Allerdings besteht Gefahr, dass die Städte dann aufhören, eine Radinfrstruktur anzulegen, weil man sagt, jetzt können ja alle auf der Fahrbahn radeln. Kann sein, dass das funktioniert, kann aber auch sein, dass Eltern ihr Kinder eben doch nicht mit den Rädern auf die Fahrbahnen schicken, weil die Autofahrenden da immer noch zu dick und aggressiv unterwegs sind.

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  2. http://volksentscheid-berlin-autofrei.de/

    Unsere Hauptstadt prescht mal wieder vor ;-)

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  3. "Im Gemeinderat höre ich immer "In welcher Welt leben Sie denn?"

    Das kann ich Ihnen genau sagen:
    Wenn meine Kinder, nachdem wir mit ihnen schon in die (von uns in Eigeninitiative geschaffene) Kita mit dem Fahrrad gefahren sind, auch in die Grundschule radeln wollen, kommt ein Brief von der Schulleitung, dass sie das nicht tun sollen. Dann braucht's mehrere Jahre, bis der Unsinn vom Tisch ist, und endlich Fahrrdständer vor dem Schulhof stehen.
    Wenn sie dann durch die verkehrsberuhigten Wohngebiete radeln, sind alle Wege immer zugeparkt, die Leute fahren mit ihren Motor-Waffen viel zu schnell und ohne zu schauen und vergessen immer, dass eine frei gegebene Einbahnstraße auch dann im rechts-vor-links zu beachten ist, wenn am Handy im Auto telefoniert wird.
    Wenn wir einen Mietwagen leihen, weil wir kein eigenes Auto besitzen, zahlen wir etwa das 60-fache der Anwohnerparker und ein e-Mobil bieten die Verleihfirmen nur selten an.
    Auf unserem Arbeitsweg, der im selben Quartier wie unsere Wohnung, unser Einkaufsladen und die Schulen unserer Kinder sind, können wir weder Kilometerpauschale, noch Dienstwagensubventionen geltend machen. Gleichzeitig zahlen wir Premiummieten und auch unsere Mitarbeiter wollen die hohen Lebenshaltungskosten finanziert haben.
    Der Wohnraum, den wir schaffen, wird definiert von der Notwendigkeit Stellplätze bereitzustellen für Autos, die wir nicht haben. Und wenn wir Wallboxen in V2H an die PV anschließen wollen, ist das kompliziert und in Deutschland nicht marktreif, weil die hochsubventionierten lokalen Autohersteller damit durchkommen, sich nicht damit auseinander setzen zu müssen.

    Und wenn wir Leute wählen wollen, die das gemeinsam mit uns ändern wollen, finden wir sie nicht auf dem Wahlzettel.

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  4. leider gut zusammengefasst....

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