29. April 2021

Fatamorgana-Fahrrad-Politik

Der Bundesverkehrsminister will Deutschland in neun Jahren zum Fahrradland machen und dafür 1,5 Milliarden Euro bereitstellen, etws 30 Euro pro Einwohner:in. 

Das Ding heißt Nationaler Radverkehrsplan 3.0. Und eigentlich habe ich keine Lust, darüber zu schreiben. Papier ist ja auch sooo geduldig. Sagen kann man viel, ankündigen auch. Ein "lückenloses Radnetz" will er bis 2030, deutlich mehr Radschnellwege, Radwege entlang aller Fernstraßen, es müsse künftig einen guten Grund geben, wenn kein Schnellweg für  Fahrräder gebaut wird, sagt er. Und mehr Stadtplaner (Stadtplanerinnen, sagt er nicht) für den Radverkehr müssten an den Hochschulen ausgebildet werden. Da müsse man nacharbeiten, sagt er. Ja dann mal los! Auf geht's! Wir warten drauf. 

Die Bundesregierung hat nun herausgefunden, dass in den kommenden Jahren die Leute 50 Prozent häufiger aufs Rad steigen werden als derzeit, pro Person würden 180 statt 120 Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Auch die Fahrstrecken werden länger. Demgegenüber soll nach dem Willen des Bundesverkehrsministers die Zahl der im Verkehr getöteten Radfahrenden um 40 Prozent gesenkt werden. 

Ach ja! Das klingt wieder mal schön! Dann legt mal los, Bund, Land und Kommunen! Holt euch das Geld vom Bund und legt Radstreifen, Radwege und Radschnellwege ins Land und in die Städte, setzt Radparkhäuser an die Bahnhöfe und in die Wohngebiete. Macht hinne! Wir warten schon so lange darauf, dass es mal schwungvoll vorangeht und wir nicht jahrelang für ein paar Meter Radstreifen kämpfen müssen, weil dafür Parkplätze wegfallen und die Gemeinderät:innen der Partei, der auch der Bundesverkehrsminister (Union) angehört dagegen kämpfen. Von Radinfrastruktur reden alle gerne, solange sie nicht vor ihrem Haus vorbeigeht oder durch ihren Park oder auf ihrer Hauptstraße. Aber kuam leuchtet ein konkretes Projekt auf, wird es zerredet, und zwar von allen Seiten. Den einen ist es zu viel, den anderen zu wenig. Streiten kann man ja auch gut und lang. Unterdessen fahren wir halt Fahrrad, auch wenn die Radwege zu eng sind und auf den Straßen nichts für uns markiert wurde. Und träumen von breiten, durchgehenden Radstreifen durch den Autostadtdschungel. 

Wie eine Fatamorgana steht nun auch dieses Bundesporjekt Fahrradland Deutschland am Horizont, doch je näher wir ihm kommen, um so weiter rückt es weg, bis es schließlich verweht, wenn wir meinen, es erreicht zu haben. Dann ist 2030. Und wir sehen immer noch keine Radwege entlang aller Landstraßen und in den Städten hören die Radstreifen immer noch genau dort auf, wo es kompliziert und gefährlich wird. Wetten? 

Und ach ja, es kann ja auch nix werden, denn genau dieser Verkehrsminister ist es ab Herbst nicht mehr. Vermutlich wollte er nur noch mal schnell gezeigt haben, wozu er fähig wäre, wenn sicher ist, dass er es nicht umsetzen und für die Gelder streiten muss. 


16 Kommentare:

  1. ...und damit ist herr scheuer ja bestens qualifiziert fürs stuttgarter rathaus.

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  2. wie gut die Grünen Fahrradinfrastruktur umsetzen können, sieht man am Rosensteinsteg. ich wünsche mir eine Politik die vom schwadronieren ins umsetzen kommt. und damit meine ich mehr als nur hier mal Farbe und ein Verkehrsschild aufzustellen. Sorry,das musste ich jetzt mal sagen. Ich kann dieses ankündigen von Taten nicht mehr hören.
    Niko

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  3. Jörg
    Der Vorstoß vom Andreas der CSU ist gut und kommt zur rechten Zeit. Übrigens in Bayern gibt es schon viel mehr Radwege an Landstraßen (z.B. Algäu). Jede Partei muss nun im Bundeswahlkampf für Radfahren sein. Da wird es in Esslingen, Plochingen und Stuttgart immer schwerer dem Radschnellweg Steine in den Weg zu werfen. Esslingen und Plochingen wollen den Weg weiter weg vom Ort drücken, dahin wo die "Abgase und Lärm" der Radfahrer weniger stören, wo er aber weniger Nutzen bringt. Die Stuttgarter Union empfiehlt den Radfahrern im Amtsblatt die Nebenstraße, die nicht durchgängig sind.
    Nun können wir am Wahlstand jede Partei fragen: "Macht ihr jetzt endlich mal was für Radfahrer?" Wenn ein Nein kommt, hat man nun Unions Argumente. Es ist immer noch so, ohne die Union kriegen wir kaum Fahrradstädte.

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  4. Ich sach mal:"20 Fahrradstraßen noch in diesem Jahr!". Da hat sogar Andi Scheuer noch Luft nach oben im Vergleich zu Team Pätzold. Der Klassiker unter den leeren Versprechungen https://twitter.com/i/status/1098578363965415424

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  5. Ach der Scheuer, das ist doch der, der noch nicht einmal die simple StVO novellieren kann. Ein Schaumschläger.

    Genau wie sein Vorgänger Alexander Dobrindt. Der hat 2015 großspurig angekündigt, bis 2018(!!) alle Funklöcher zu stopfen.

    Große Klappe, CSU dahinter.

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  6. Ralph Gutschmidt29. April 2021 um 09:32

    Die Kritik finde ich völlig übertrieben.
    Mit der StVO Novelle hat sich für Radfahrende aus einen Schlag mehr verbessert, als in den 50 Jahren. Wahrscheinlich sogar mehr, als die grüne Politik im Stuttgarter Rathaus. Soll der Minister jetzt zur Schaufel greifen und die Radwege selbst anlegen?

    Klar gibt's noch einiges zu verbessern, aber Aufgabe der Bundesregierung ist der rechtliche Rahmen und die Mittel, nicht das Baggern vor Ort.

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    1. Einen Plan vollmundig anzukündigen, ist das eine.

      Die konkrete Umsetzung (welche Ziele? Welche Maßnahmen?) das andere.

      Ich befürchte, dass wir eine ähnliche Performance erleben werden wie bei der Beseitigung der Funklöcher

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  7. Der wichtigste Nutzen dieses Programms dürfte sein : Mehr radfahrerfreie Fahrbahnen für Autofahrer.

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    1. Jörg
      Und Du fährst Rad um Autofahrende zu ärgern, zu bekennen. Was ist dein Ziel? Ich sage meinen Kollegen. "Ich will einfach in Ruhe, zügig durchradeln können." Es ist nur eine Nebenwirkung, dass wir Fahrspuren, Parksteifen und sonstige Flächen nun für Radfahrende reklamieren.

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  8. 1.5 Milliarden auf drei Jahre, ich errechne da 6€ pro Einwohner und Jahr, also, wenn daraus ûberhaupt was wird ;-) , nur noch 5-mal weniger als die Niederlande seit 4 Jahrzehnten ausgeben statt bisher 15-mal.

    Satz mit x, das wird nix.

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  9. Hm, da ist vieles sehr abstrakt. Meine Wahrnehmung ist allerdings, dass ein Fördertopf ein extrem wichtiger Baustein dafür ist, dass irgend welche konkreten Maßnahmen überhaupt begonnen werden oder überhaupt darüber nachgedacht wird.

    Wenn eine Kommune, ein Landkreis oder ein Bundesland zwei beliebige Vorhaben (egal aus welchem Bereich) hat, die es umsetzten will: Wenn sie eines davon komplett selbst finanzieren muss, für das andere aber einen Zuschuss erhält, schlägt Rabatt-Psychologie zu und das andere wird begonnen, wo es eine Kostenbeteiligung gibt - und wenn es eine eigentlich sachfremde Förderung ist. Da hilft es schon, wenn Radverkehrsmaßnahmen gefördert werden. Ohne Förderung wäre doch keine einzige Radschnellverbindung in konkretere Planungsphasen getreten.

    Beispiel Panzerstraße in Böblingen. Die Denkmalschutz-Maßnahme, das Pflaster zu schützen, wäre doch nicht umgesetzt worden, wenn man daraus kein gefördertes Radschnellweg-Projekt hätte machen können, oder? Im Landkreis Böblingen gibt es andere Strecken, die sich als Radschnellweg angeboten hätten so gut wie ohne weitere bauliche Maßnahme. Beispielsweise zwischen Magstadt und Renningen nach Umgehungsstraßen-Neubau, da ist die ehemalige Fahrbahn nur zum Teil zurückgebaut worden und die Strecke wurde für Radverkehr freigegeben. Da fehlt eigentlich nur noch die Beschilderung und etwas Werbung, schon wäre es ein Radschnellweg.

    In der Sache bringt der Begriff "Radschnellweg" ja eigentlich auch nichts. Eine gut ausgebaute Radroute, gemäß ERA anhand der Netzkategorie IR II bzw. AR II vorgesehenen Verkehrsstärken geplant und ausgebaut, würde den Nutzern doch alles bieten, was sie brauchen. Oder gar - im Sinne "eine Radroute ist nur so gut wie ihr schwächster Meter" - die gruseligsten Stellen zu verbessern für einen durchgängigen Mindeststandard an Sicherheit und Komfort. So ein Projekt ist zu langweilig, um es politisch ausschlachten zu können. Da muss es doch ein Pilotprojekt, ein Leuchtturmprojekt o.ä. sein, auf jeden Fall etwas mit Neubau-Charakter, um politisches Kapital daraus schlagen zu können.

    Warum sonst sollten in der Festlegung der Kriterien für das RadNETZ BW die Anforderungen so niedrig angesetzt sein? Viele Kilometer sind politisch ausschlachtbar, der tatsächliche Ausbauzustand nicht. Warum sonst sollte es in der Festlegung der Kriterien für ein Radschnellweg nach Bundesverkehrsministerium ausreichen, dass nur 80% der Strecke den Standards entsprechen müssen? 20% mehr Kilometer, die politisch ausschlachtbar sind. Irrelevant für Politik und Verwaltung, ob alles Sahneasphalt oder üble Schotterpiste ist - nur für die Radfahrer macht es natürlich einen Unterschied.

    Ich wage die Behauptung, die Förderung und politische Ausschlachtbarkeit sind die beiden wesentlichen Entscheidungskriterien. Kannst Du diese Vermutung aus Deiner politischen Erfahrung bestätigen? Wenn ja, dann schadet so ein nationaler Plan für eine sinnvolle Sache wie den Ausbau der Radinfrastruktur schon mal nichts.

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    1. Natürlich ist die politische Ausschlachtbarkeit das wesentliche Entscheidungskriterium, und auch das einzige. Wir sind 5 Monate vor einer Bundestagswahl und der Hauptgegenr der Union, die das Verkehrsministerium stellt, und in den Umfragen schlecht dasteht, sind die Grünen...
      Vielleicht schadet ein solcher Plan nichts, aber er bringt wohl eher nichts.

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    2. Natürlich ist die politische Ausschlachtbarkeit das wesentliche Entscheidungskriterium, und auch das einzige. Wir sind 5 Monate vor einer Bundestagswahl und der Hauptgegenr der Union, die das Verkehrsministerium stellt, und in den Umfragen schlecht dasteht, sind die Grünen...
      Vielleicht schadet ein solcher Plan nichts, aber er bringt wohl eher nichts.

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    3. Natürlich ist die politische Ausschlachtbarkeit das wesentliche Entscheidungskriterium, und auch das einzige. Wir sind 5 Monate vor einer Bundestagswahl und der Hauptgegenr der Union, die das Verkehrsministerium stellt, und in den Umfragen schlecht dasteht, sind die Grünen...
      Vielleicht schadet ein solcher Plan nichts, aber er bringt wohl eher nichts.

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  10. Währenddessen beantragen die Grünen ein Radfahrverbot am Fluss im Wald. Lebensqualität darf nur Fußgängern vorbehalten sein (mit mit dem Auto bis zum Fluss fahren würden, wenn sie könnten).

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