16. Juni 2021

Viele Autofahrende würden lieber Rad fahren, wenn ...

Die Hälfte der Menschen, die mit dem Auto pendeln, wünschen sich, sie könnten es mit dem Fahrrad tun. 

Das hat die Stude von PendlerRatD 2020 herausgefunden. Was sie daran hindert, ist die Infrastruktur, also das Fehlen von Radwegen. 

Außerdem wollen sie Abstellanlagen bei ihrem Arbeitgeber. Die Studie zeigt aber auch, dass Menschen, die mit dem Fahrrad pendeln, zufriedener sind. Der Befragung zufolge pendeln im Raum Stuttgart-Heilbronn 53 Prozent der Leute mit dem Auto. 19 Prozent nehmen Busse und Bahnen und 13 Prozent das Fahrrad. Dabei sind die Strecken, die beim Pendeln zurückgelegt werden, beim Fahrrad die kürzesten (25 Min, 9 km). Menschen, die mit dem Auto rund 20 km pendeln, würden aber auch gern mit dem Fahrrad fahren. Die Studie spricht von einem Umstiegspotenzial von 70 Prozent. Rund 55 Prozent der Befragten würden am liebsten mit dem Fahrrad pendeln. Wer schon mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren kann, ist ziemlich zufrieden damit, die anderen nicht so. Autofahrende schätzen ihren Komfort und ihre Sicherheit sehr hoch ein, Fahrradfahrende bemerken, dass sie Zeit sparen und gesünder sind. 

Wer nicht mit dem Fahrrad pendelt, nennt meistens schlechtes Wetter und die Länge der Strecke als Grund. Und bei der Radinfrastruktur wird ein großer Nachholbedarf festgesstellt. Viele wünschen sich, dass sie ihr Fahrrad kostenlos in Bussen und Bahnen mitnehmen können. 

Übrigens werden Radfahrende von den Leuten, die an der Umfrage teilgenommen haben, positiver und vor allem als umweltbewusster wahrgenommen, Autofahrende gelten dagegen als etwas aggressiver.

Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass ein gutes Angebot an Radwegen und Radrouten, die sich sicher anfühlen, viel helfen würde, damit diejenigen, die das wollen, aufs Fahrrad umsteigen können. Und das wollen viel mehr Autofahrende, als man gemein hin denkt. Sie wollen sich sicher fühlen, sie wollen, dasss sie ihr Rad auch mal im Öffentlichen Nahverkehr mitnehmen können, sie wollen sichere Abstellplätze und sie würden auch gerne mal ein Rad leasen oder bei ihrem Arbeitgeber leihen, um auszuprobieren, was geht. Eine fahrradfreundliche Umgebung schafft Radfahrende und die sind dann auch noch zufriedener mit ihrer Gesamtsituation. 

 

 

 

 

9 Kommentare:

  1. Um mit Herrn Hofreiters Worten zu sprechen: "Ihre Lebensweise geht mich nichts an".
    Warum allerdings meine, die weitestgehend ohne Nutzung von motorisiertem Individualverkehr auskommt, gegenüber Autofahrerinnen so massiv benachteiligt wird, will sich mir nicht erschließen.

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  2. Bei 20km Entfernung und darüber (bis ca. 30km realistisch) gibt es keinen Geschwindigkeitsvorteil für Radfahrer mehr (mal abgesehen von üblen Kfz-Staustrecken und von schlecht abgedeckten ÖPNV-Routen).

    Dann muss die Rad-Infrastruktur und das (Natur-)Erlebnis eine ganze Menge Nachteile ausgleichen: relativ hohes Unfallrisiko und einige unvermeidliche Komforteinbußen, insbesondere die Witterung.

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  3. Für die Umsteigewilligen gibt es 2 Haupt-Hinderungsgründe: Entfernung und Zeit (die beiden fasse ich mal zusammen) und die Witterung.

    Steigungen folgen erst mit deutlichem Abstand, selbst in der Region Stuttgart. Das Pedelec hat also dem althergebrachten Killerargument "Mehr Radinfrastruktur lohn sich nicht wegen der hügeligen Topologie" in Stuttgart eindeutig den Wind aus den Segeln genommen.

    Beim Wetter kann man nicht viel tun, mal abgesehen von einiger Überzeugungsarbeit (Werbung). So viele Tage mit ungeeignetem Wetter (kräftiger Regen, starker Schneefall, Sturm, Gewitter, Frost unter -10 Grad) gibt es nämlich gar nicht, vor allem bei flexiblen Arbeitszeiten. Das gilt sogar, obwohl ich nie mit Regenkleidung fahre, weil ich dann zu sehr schwitzen würde. Bei Starkregen nehme ich ein anderes Verkehrsmittel oder mache home office, auch weil dann Autofahrer noch unangenehmer und gefährlicher als sonst schon sind (schlechte Sichtverhältnisse, Dreckwasserduschen von eng überholenden Autos usw.). So jedenfalls meine Erfahrung bei 70 Minuten Fahrzeit ohne Pedelec in "sportlich orientierter" Fahrweise. Bei kürzerer Strecke und "anstrengungsfreier" Fahrweise kann das Wetter mit passender Kleidung aber sehr gut "abgefedert" werden.

    Den größten Effekt hat also der Bau von Radwegen mit schnell und sicher befahrbarer Infrastruktur, die für Pendler attraktiv sind. Beleuchtung ist auch wichtig, denn im Winterhalbjahr wird man regelmäßig eine Strecke im Dunkeln fahren müssen.

    Es läuft immer wieder auf das gleiche raus: Gremien und Entscheidungsträger in Politik und Behörden sind ursächlich diejenigen, die den Verkehr induzieren. Sie bestimmen, ob wir alle im Endeffekt unter dem Verkehr leiden.

    Fahrradmitnahme im ÖPNV ist so ein Thema. Muss man ein Individual-Verkehrsmittel mit Massenverkehrsmittel kombinieren, kombiniert man im Endeffekt die Nachteile. Beispielsweise verliert man einen Teil an zeitlicher Flexibilität und verliert Zeit beim Umsteigen. "Einfach und unkompliziert" ist das nicht. Die Bereitschaft, auf das Fahrrad umzusteigen, wird m.E. stark nachlassen, wenn die Kombination vom Fahrrad mit einem anderen Verkehrsmittel notwendig ist. Daher würde ich mich dafür aussprechen, den Schwerpunkt von Maßnahmen und Geldmittel-Einsatz auf die Strecken und das Parken am eigentlichen Ziel zu setzen.

    Für mich persönlich hat der ÖPNV (konkret S-Bahn) dennoch eine wichtige Rolle als Ersatz-Verkehrsmittel bei Pannen/Schäden am Fahrrad und bei schlechtem Wetter (der Klassiker: Heimweg im Gewitter) - wie auch immer jeder persönlich seine Grenze zieht, was "fahrrad-fahrbares" Wetter ist.

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  4. Ralph Gutschmidt16. Juni 2021 um 19:59

    Für mich ist der ÖPNV das Allerwichtigste. Er ist die Grundversorgung. Nicht jeder ist fit genug zum Radfahren oder Auto fahren.

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    1. Vor allem im ländlichen Raum braucht es sofort mehr ÖPNV, damit die Leute keine Auto mehr brauchen. In einer Stadt wie Stuttgart braucht es einen durchgängigen ÖPNV in der Nacht und sehr viel mehr sichere Radwege und Radstreifen, damit die Leute, die wollen, sich auch trauen, Rad zu fahren, das Potenzial ist sehr hoch, etwa 50 Prozent am Mobilitätsanteil.

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    2. Achtung, MIV zu vermeiden ist ja kein Selbstzweck. Im ländlichen Raum ist ein 23,5 Stunden am Tag herumstehendes Auto nicht so schädlich wie in einer Innenstadt mit der hohen Konkurrenz um Fläche. Ich sehe keinen Sinn darin, Autos komplett abschaffen zu wollen.

      In Bereichen mit geringer Bevölkerungsdichte und auf Strecken, bei denen der ÖPNV nicht gut ausgelastet werden kann, ist Individualverkehr - selbst das Kfz(!) - die ökologisch bessere Alternative. Dann muss der Schwerpunkt darauf gelegt werden, den Verkehr auf das ökologisch beste Verkehrsmittel zu verlagern, also vom MIV zum Fahrrad.

      Bezogen auf den ÖPNV ergeben sich mit autonomen Fahrzeugen wichtige Perspektiven für eine Mobilitäts-Grundversorgung bezogen auf die Klimaziele und den Umweltschutz sowie auf den Flächenverbrauch für parkende ()MIV-)KFZ. Öffentlich bereitgestellte und subventionierte autonome Kfz können eine Mobilitäts-Grundversorgung in einer Qualität und Abdeckung bieten, die mit herkömmlichem ÖPNV nicht zu erreichen ist (abgesehen von stark frequentierten Hauptverkehrsachsen, wo Bus und Bahn ihre Berechtigung behalten).

      Dann kann man nämlich den ÖPNV konsequenter individualisieren als das die politischen Entscheidungsträger bisher mit den angebotenen Ruftaxis (bisher nur auf sehr wenigen Strecken) und mit Carsharing (bisher trotz Subventionen nicht als Flächen-Infrastruktur ausgebaut sondern in Zentren konzentriert so konzentriert, dass Carsharing ausgerechnet noch den ÖPNV kannibalisiert - siehe der aktuelle Artikel des Spiegel zum Thema). Die kaum subventionierten Taxis gibt es zudem auch, um Mobilitäts-Grundversorgung zu bieten für Leute, die nicht selbst ein Fahrzeug fahren können oder wollen.

      Der Grund ergibt sich aus den Verkehrswende-Untersuchungen: Fährt der ÖPNV mit weniger als ca. 40% Auslastung seiner Kapazität, dann ist die entsprechende Fahrt genau so klimaschädlich wie der MIV (bei 80% Auslastung ist ein Bus nur halb so klimaschädlich, als wenn die Leute PKW fahren). Bei noch weniger Auslastung steht dann der MIV besser da. Um den ÖPNV attraktiver zu machen und eine so hohe Verfügbarkeit zur Verfügung zu stellen (speziell auf dem Land und generell außerhalb von Metropol-Zentren), müsste er auch zu den wirtschaftlich unattraktivsten Zeiten und Strecken ausgebaut werden.

      Nehmen wir die X1-Linie als unrühmliches Beispiel: die liegt zwar auf einer Teilstrecke der Hauptverkehrsachse in Stuttgart, die auch ÖPNV-mäßig stark frequentiert ist. Sie deckt aber die tatsächlichen Quelle-Ziel-Relationen nicht gut ab, d.h. man müsste für die relativ kurze Strecke umsteigen. Das tut kaum jemand, logisch bei den Nachteilen, die Umsteigen mit sich bringt.

      Erschreckend geringe und ökologisch wie ökonomisch verheerende 15% Auslastung (korrigiert mich, falls die Zahl nicht mehr aktuell ist) werden erkauft mit exklusivem Flächenverbrauch, der anderen ökologisch sinnvolleren Verkehrsteilnehmern nicht zur Verfügung steht und Betriebskosten von 1 Mio Euro pro Jahr. Aus meiner Sicht könnten diese Ressourcen (Verkehrsfläche und Budget) mit viel höherem ökologischen und ökonomischen Nutzen in den Radverkehr gesteckt werden.

      Klar induziert jede Verkehrsinfrastrukturmaßnahme den entsprechenden Verkehr. Jeder Kfz-Fahrstreifen induziert Verkehr, jeder Kfz-Tunnel induziert Verkehr, S21 induziert Öffi-(Fern-)Verkehr bis zu seiner Kapazitätsgrenze, jede Flughafen-Startbahn induziert Flugverkehr, jede Buslinie, jede S-Bahnlinie, jede Stadtbahnlinie induziert ÖPNV. Das erreichbare Potential für den Anteil am modal mix muss natürlich bestimmen, in welche Richtung die größten Anstrengungen unternommen werden müssen. Anstrengungen politisch, planerisch und bezüglich der Steuergelder. Hier stimmen wir überein und für die Potentialanalyse-Studie können wir Professorin Heimel und ihrer Forschungsgruppe dankbar sein.

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  5. "Nicht jeder ist fit genug zum Radfahren oder Auto fahren."
    Das kann man auch positiv formulieren : die Allermeisten sind fit genug um Fahrrad zu fahren. Das würde eine Menge Platz frei machen für eine angemessene Mobiltät für die die es wirklich nicht können, sei es durch ÖPNV oder eine Reihe anderer Möglichlkeiten.

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  6. Ich freue mich immer wieder über die ausführlichen Kommentare von Holger

    Gruß John

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    1. Danke, John! Freut mich, wenn sie jemand liest und nicht als langatmig und umständlich empfindet. Andere Kommentatoren bringen's besser auf den Punkt als ich.

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