Schweizer Wissenschaftler wollten wissen, ob Leute vom Auto auf Öffentliche und Fahrrad umsteigen, wenn sie die realen Kosten ihrer Fahrten bezahlen müssen.
Wir wissen, dass die Autofahrenden hoch subventioniert herumfahren, für sie werden Straßen gebaut und sie verursachen Umwelt- und Gesundheitsschäden (die sogenannten externen Kosten), für die sie selbst nicht aufkommen müssen, weil die Gesellschaft sie übernimmt.
Wie die Neue Züricher Zeitung berichtet, reicht es nicht, wenn die Autofahrenden nur wissen, dass ihr Fahrverhalten schädlich ist und sie und die Gesellschaft viel Geld kostet. Es hilft aber, wenn man sie wenigstens zu 10 Prozent an den Kosten beteiligt. Man nennt eine lenkende personalisierte Bepreisung aller externer Kosten im Verkehr Pigovian Transport Pricing. Ein Teilaspekt des Mobility Pricing ist, dass man das Fahren zu Hauptverkehrszeiten teurer machen möchte. Denn, wenn weniger Leute zur gleichen Zeit fahren, braucht man nicht so breite Straßen oder so viele Bahnen für Hauptverkehrszeiten vorzuhalten, die den Rest der Zeit ungenutzt sind. Dafür hat der Schweizer Bundesrat die rechtlichen Mittel bereitgestellt. Die zweite Frage ist, wie verhalten sich Leute, wenn man die Verkehrsmittel realistisch bepreist? Im Auftrag des Bundesamts für Straßen führten Forschende der Universität Basel, der ETH Zürich und der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit rund 3.700 Personen in Ballungsräumen ein Experiment durch, die an mindestens zwei Tagen in der Woche ihr Auto benutzten. Nach Einschätzung der Universität Basel ist das die größte Studie dieser Art.
Und das ging so:
Zunächst befragte man 22.000 Leute über ihr Verkehrsverhalten. Dann wurden die 12.000 Personen herausgefiltert, die an mindestens zwei Tagen in der Woche Auto fahren. Von denen machten 3.700 mit, die alle allein fürs Mitmachen 100 Franken bekamen. Die Teilnehmer luden eine Ortungs-App auf ihr Handy, das zeigte, wo und mit welcher Geschwindigkeit sie unterwegs waren. Die ersten vier Wochen wurde nur aufgezeichnet, ohne dass die Teilnehmenden wussten, worum es ging. Danach wurden sie in drei Gruppen aufgeteilt. Die erste bekam keine Informationen und machte so weiter wie bisher, der zweiten führte man die Kosten für die jeweiligen Fahrten vor Augen und zeigte ihnen, dass es mit der Bahn oder dem Fahrrad für sie billiger gewesen wäre, und in der dritten Gruppe hatte jeder ein Budget, das die in der ersten Phase von ihm verursachten externen Kosten abbildete. Wenn der Teilnehmer in den folgenden vier Wochen weniger Auto fuhr und mehr öffentlichen Nahverkehr oder Fahrrad, dann bekam er am Schluss des Experiments das eingesparte Geld ausbezahlt.Die Klimafolgen einer verursachten Tonne CO2 wurde mit 136 Franken angesetzt. Eine Stunde, die durch Stau verloren ging, kostete 27 Franken. Wenn jemand in der Haupverkehrszeit pendelte, verursachte er gut ein Viertel mehr Kosten wie für die Fahrt mit der S-Bahn (4 Fr. zu 2,60 Fr.). Wich er auf Nebenzeiten aus, kostete die Bahnfahrt nur noch knapp ein Drittel (0,60 Fr.) Fürs Radfahren und zu Fuß Gehen wurde etwas gutgeschrieben. Die Gruppe, die hoffen durfte, am Ende mehr als die 100 Franken ausbezahlt zu bekommen, änderte ihr Fahrverhalten messbar, sie fuhren andere Routen (um Stau zu vermeiden), fuhren zu anderen Zeiten als der Hauptverkehrszeit und wählten öfter den öffentlichen Nahverkehr oder auch mal das Fahrrad.
Diese Gruppe reduzierte die externen Kosten für ihre Mobilität um 5,1 Prozent gegenüber den Vergleichsgruppen. Ein Effekt, der statistisch hoch signifikant eingeschätzt wird. Und am meisten sparten die Leute, die das Prinzip der externen Kosten (also der Kosten, die sie der Allgemeinheit aufbürden) auch wirklich verstanden hatten. Wer das nicht verstanden hatte, änderte sein Mobilitätsverhalten weniger deutlich. Dabei waren die Leute nicht weniger mobil, die zurückgelegte Distanz blieb gleich, sie fuhren nur öfter mit Bahnen oder mit dem Fahrrad. Und sie konnten morgens die Stoßzeiten vermeiden, abends allerdings nicht.Das Ergebnis: Wissen reicht nicht für eine Verhaltensänderung. Negatives Verhalten muss auch etwas kosten. Und offenbar gibt es im morgendlichen Berufsverkehr mehr Variationsmöglichkeiten, weshalb es sinnvoll ist, für das Auto- und Bahnfahren in Stauzeiten mehr zu berechnen. Technisch ist das alles machbar, zeigt die Studie, allerdings eben nur mithilfe von Beobachtung (über eine App), und das dürfte Widerstände aus Datenschutzgründen geben.
Die Studie hat in einer größeren Umfrage Fragen untergebracht, mit denen man herausfinden wollte, ob die Leute es akzeptieren würden, wenn sie die sozialen (externen) Kosten ihrer Autofahrten teilweise bezahlen müssten. Die Schweizer:innen stehen dem neutral bis positiv gegenüber. Geht es aber nur darum, die Stoßzeiten höher zu bepreisen, dann lehnt eine Mehrheit das ab. Das soziale Argument scheint also in Verbindung mit höheren Kosten für unsoziales Verhalten durchaus zu ziehen, zumindest in der Schweiz. Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass der Effekt einer Veränderung der Mobilität hin zu weniger schädlichen und damit für sie billigeren Varianten insgesamt größer wäre, wenn es sich nicht nur um vier Wochen handeln würde. Dann würden auch grundsätzliche Entscheidungen getroffen, wie die, ob man das Auto noch braucht oder ob man näher am Arbeitsplatz wohnen will. Die Covid-19-Pandemie habe gezeigt, sagen sie, dass Lebens-, Arbeits- und Reisemuster veränderbar seien : "Eine multimodale Bepreisung des Verkehrs auf der Basis der externen Kosten des Verkehrs ist machbar und hat den gewünschten Effekt der Verlagerung von Verkehrsträgern, der Verschiebung von Abfahrtszeiten und der Änderung von Routen. Es führt somit zu einer effizienteren Nutzung des Verkehrssystems und zu einer Verringerung des Bedarfs am Netzausbau. Wenn es gerecht umgesetzt wird, könnte die Bepreisung des Verkehrs ein wichtiger Pfeiler einer nachhaltigen Verkehrspolitik werden."
Hier noch mal der Link zur Studie, die man dort als pdf herunterladen kann. Sie ist in mehreren Sprachen geschrieben, darunter Deutsch.
Die Studie belegt, was Autofahrer nicht wissen wollen. Warum aber pendeln zur Hauptverkehrszeit mehr kostet als in der Nebenzeit erschließt sich nicht (Abgesehen von dem Faktor, das die Fahrradmitnahme im ÖPNV häufig eingeschränkt wird aber das ist ein Grundsatzproblem).
AntwortenLöschenDer Grund ist der, dass man ja für diese Pedlderströme, die alle in anderthalb Stunden am Morgen in eine Stadt wollen, große Kreuzungen und breite Straßen vorhalten muss. Fahren nicht alle zur selben Zeiten, dann braucht man weniger breite Straßen und auch überhaupt weniger Straßen. In der Schweiz konnte man so, wie ich mal irgendwo gelesen habe, eine Straßenbauprojekt argumentativ verhindern: Mit Verkehrslenkundsmaßnahmen über den Geldbeutel kann man offenbar zumundest morgens den Verkehr entzerren.
LöschenErst gestern bin ich mit dem IRE in eine millionensubventionierte Mobilitätsmodellstadt in der Region gefahren und hatte mein Fahrrad dabei. Es gab einen Handwerkertermin und ich war vor 9 unterwegs.
AntwortenLöschenDann gilt: Fahrradtransport ist kostenpflichtig. Darauf machte mich die Schaffnerin aufmerksam und klärte mich über das drohende Strafgeld von 60€ auf, das sie jedoch nicht einforderte.
Sie war sehr freundlich und wir versuchten gemeinsam, ein entsprechendes Ticket über die DB-App zu lösen. Das ist nämlich gar nicht so einfach - übrigens ganz im Gegensatz zum Tanken eines übermotorisierten SUV mit subventioniertem Sprit. Auch der Umweg über Kinderfahrschein erwies sich als schwierig. Sie empfahl den Fahrkartenautomat wir lachten beide über meine Anmerkungen: digital 1st. Die Nutzung eines Faltrads fanden wir beide keine gute Lösung. Schließlich erläuterte sie mir die Herkunft der Regelung mit den überfüllten Zügen zu Stoßzeiten.
Der Zug war leer.
Die politischen Vertreter meines Wahlkreises in Bund und Land habe ich bereits vor Monaten auf dieses Defizit aufmerksam gemacht.
Von beiden steht die Rückmeldung aus. Ich kann auch keine Änderung der Verkehrpolitik feststellen. Allerdings wurde einer mittlerweile abgewählt.
Wir brauchen Lösungen.
Jetzt.
Was bringen denn immer noch mehr Studien politisch? Nichts, wie man tagtäglich beobachten kann.
AntwortenLöschenInduzierter Verkehr? Seit den 30er Jahren bekannt, seit den 40ern immer wieder nachgewiesen. Was passiert? Nix.
Externe Kosten? Seit den 20ern bekannt, seit den 50ern vielfach nachgewiesen. Was passiert? Nix.
Klimakatastrophe? Seit dem 19.Jh. bekannt, seit 1938 nachgewiesen, was passiert? Nix!
Und warum? Letzteres Beispiel zeigt, dass immer noch mejr Studien nichts bringen, weil das Problem ganz gabz woanders liegt. Bei der Klimakatastrophe ist sich die Wissenschaft jetzt zu 99.9% einig, er sei Menschengemacht, zu vorher 97%. Was bringts? Nix. Seit den 60ern weiß man das nämlich mit soviel Sicherheit, dass die Ölmultis damals anfingen, massivst Desinformationskampagnen zu fahren und mit Milliardenbeträgen Lobbying zu betreiben.
Und das ist auch heute das Problem. Rs hat nichts mit fehlendem Wissen zu tun und alles mit massiven wirtschaftlichen Interessen und Profit und daher dem völlig fehlenden politischen Willen, irgendwas irgendwie zu verändern.
Für immer noch mehr Studien, für irgendwelche irgendwann mal daraus resultierenden Nudge-Erbsenschubsereien ist keine Zeit mehr. Wie Karl H.Fahr sagt, wir brauchen Lösungen. Jetzt!
Im Jahr 2020 wurden in Deutschland insgesamt 739,7 Milliarden Euro Steuern vor der Steuerverteilung von Bund, Ländern und Gemeinden (Gebietskörperschaften) eingenommen. Davon beliefen sich im Jahr 2020 die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland auf rund 9,53 Milliarden Euro.
AntwortenLöschenIm Jahr 2019 erzielten der Bund und die Länder in Deutschland Einnahmen aus der Mineralöl- bzw. Energiesteuer in Höhe von rund 40,68 Milliarden Euro. Für 2020 waren die Werte noch nicht da.
reicht das noch nicht ?
Was nicht reicht, ist Ihr Verständnis des Themas.
Löschenhttps://m.bpb.de/gesellschaft/umwelt/dossier-umwelt/61374/externe-kosten