3. November 2021

Immer schön radeln auf der Gulli-Linie

Es gilt das Rechtsfahrgebot. Am rechten Fahrbahnrand sammeln sich aber die Gulli- und Kanaldeckel, kombiniert mit Straßenschäden. Wir müssen Slalom fahren oder den Lenker festhalten und hoppeln.

Der rechte Straßenraum wird ja recht steifmütterlich behandelt, meistens sieht man ihn nicht, denn er ist zugeparkt. Aber wenn nicht, dann lieg dort der Radstreifen, und wenn man Pech hat, dann ist es nur ein alter vernachlässigter Schutzstreifen, so wie auf der Böblinger Straße bergauf. Und so radeln wir fast immer überall auf der Gulli-Linie. So auch hier über den sehr schmalen Radüberwegsstreifen an der Schreiberstraße beim Alten Feuerwehrhaus in Heslach. Immerhin die Hauptradorute 1, wo auch noch Radler:innen entgegen kommen. 

Während die Fahrbahn für die Autos auf der Böblinger Straße in Kaltental neu asphaltiert wurde und glatt und schön ist, blieb der Teil der Fahrbahn, der uns Radfahrenden zugeteilt ist, der Schutzstreifen, ungemacht. Und so können wir uns nun Meter für Meter entscheiden zwischen Rillen im Asphalt, in die wir nicht geraten sollten, Dooringzone, in die wir auch nicht geraten sollten, und Kanaldeckeln, die meistens bündig schließen, aber trotzdem rappeln. 

Dass ich hier den Löchern und Gullideckeln immer wieder auf den Teil der glatten Fahrbahn ausweiche, wird vermutlich sogar die Polizei verstehen. 



Die eckigen Gullideckel für die Abflüsse liegen meistens dicht am Bordstein und stören seltener, wenn unsere Fahrfläche nicht gerade arg schmal ist. Früher hatte man noch Chance mit den Reifen in die Gitterrillen der Gullideckel zu geraten und zu stürzen, weil sie parallel zum Bordstein verliefen, inzwischen dürften sie überall senkrecht zum Bordstein und meiner Fahrlinie ausgerichtet sein. Die runden Kanaldeckel (für den Einstieg in die Kanalisation) verteilen sich aber auf unserer Fahrlinie, mal weiter rechts, mal weiter links, mal mitten drin. Und es sind viele. Nicht immer schließen sie bündig mit der Fahrbahndecke, alte Deckel liegen auch mal vertieft. 

Hinzu kommen die Fahrbahnschäden, die vor allem dort auftreten, wo die rechten Reifen der Autos fahren und wo auch wir radeln sollten, wenn wir rechts, aber nicht in der Dooringzone fahren wollen.  

Schwierig wird es, wenn uns eine weiße Schutzstreifenlinie unseren Raum zuweist. Und wenn wir dann entweder in der Dooringzone radeln müssen oder genau dort, wo das Pflaster bröselt, Rillen bildet oder löchrig ist. Links daneben ist die Autofahrbahn neu gemacht, aber für uns gibt es nur die Hoppelpiste mit Gulli- und Kanaldeckeln. 

Für Fahrräder sind kleine Hindernisse auf dem Fahrweg durchaus riskant. Auch an drei-Zentimeter-Bordstein kann man stürzen, wenn man sie in zu spitzem Winkel anfährt. Rillen in der Fahrbahn kann man aber nicht senkrecht oder in einem spitzen Winkel anfahren, die liegen parallel zu unserer Reifenlinie. Je schmaler die Reifen, desto eher gerät hinein und kommt ohne Ruck und Können nicht hinaus. Oder man stürzt. Während Autofahrende gepolstert in breiten vierrädrigen Fahrzeugen sitzen und Unebenheiten bestenfalls unschön finden, sitzen wir auf meistens ungefederten Sätteln auf zwei Rädern. Wir müssen die Fahrbahn viel genauer beobachten und auf Gefahrenstellen abtasten als Autofahrende. 

Dem Rad also immer das schlechtere Angebot
: die winkeligen Umwege, die steilere Strecke (Alte Weinsteige), die umständlichen Fußgängerampeln (Charlottenplatz), die Bordsteine (Rad-Fußgängerüberwege) und dann auch noch die Strecken über schiefe Platten (Platz an der Oper), unebenes Schmuckpflaster (das auch Fußgänge:innen nicht toll finden), oder über aneinander gereihte Schlaglöcher, die mit kleinen Asphalthügeln verfüllt wurden, über Querrillen im Straßenpflaster, mit dem man Autofahrende ausbremsen will, oder auf Nahtrillen zwischen den Asphaltflächen. 

Immer wieder diese Schläge im Lenker, die Stöße über den Sattel in den Rücken und klappernde Satteltaschen oder Gepäckträgerkörbe. 

Die meisten Radler:innen fahren deshalb in leichten vorausschauenden Schlangenlinien durch den Hinternisparcour, weichen bekannten Schlaglochkanaldeckeln oder bekannten Aufwerfungen im Asphalt, den Spurrillen von Bussen, brüchigen Linien im Asphalt oder der Dooring-Zone aus und achten dabei auch noch auf den Autoverkehr, der sie überholen will oder ihnen entgegenkommt. Und genau deshalb ist auch der Überholabstand von 1,5 Metern so wichtig. Autofahrende können nämlich nicht vorhersehen, welchen Hindernissen auf den Fahrbahnen wir ausweichen müssen. 






 


11 Kommentare:

  1. Du hast noch was vergessen: Poller. Die werden Radfahrern gerne mitten in ihren Weg gestellt. Weil es zu viele Autofahrer gibt, die diesen Weg illegal benutzen.

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    1. Poller waren jetzt hier nicht das Thema, weil die selten auf Fahrbahnen stehen, aber du hast natürlich Recht, es gibt noch mehr Ungemach auf unseren Wegen als das hier beschriebene.

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  2. Vielleicht hier nochmal der Hinweis auf das Ausmaß der durch den motorisierten Verkehr verursachten Straßenschäden: diese steigen nämlich in der 4.Potenz zur Achslast.
    Ein 2t SUV belastet die Straßen also bereits 16mal soviel wie ein "normaler" Kleinwagen von 1t, ein 3,5t Lieferwagen 150mal und ein 40t LKW 100000mal!
    Aber schon der "Klein"wagen belastet die Fahrbahndecke 50000mal mehr als ein 80kg Radler und immer noch 20000mal mehr als ein 100kg Lastenradler (dies im Grunde aber nur theoretisch, weil die Fahrbahndecke ja auf den Autoverkehr ausgelegt ist, das geringe Gewicht der Radler also gar keine Verformungen auslösen kann).
    Wenn man dann aber natürlich genau auf der Reifenspur dieser Autos und LKWs Sollbruchstellen (aka Gullideckel) in die Fahrbahndecke einbaut...

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  3. Gibt es eigentlich rechtlich sichere Kriterien, ab wann ich wegen des schlechten Fahrbahnzustands einer Radverkehrsanlage, die der Benutzungspflicht unterliegt, diese nicht mehr und stattdessen die Autofahrspur benutzen darf? Die Bandbreite reicht ja von "unbequem" über "unzumutbar", "gefährlich" bis "unbenutzbar". Dazu kommen in dieser Jahreszeit noch verschärfende Bedingungen wie Dunkelheit, Nässe, feuchtes Laub und gelegentlich Schnee und Eis. Welche davon könnten die Benutzungspflicht aufheben?

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    1. Nein, die gibt es nicht. Ich habe jedenfalls noch keine gefunden.

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    2. Indirekt gibt es Kriterien, und zwar über die VwV-StVO, RASt und ERA. Da steht drin, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine Radverkehrsanlage benutzungspflichtig machen zu dürfen. Es gibt ein Gerichtsurteil, das besagt: hält der Baulastträger den Radweg nicht in einem benutzbaren Pflegezustand (z.B. indem er keinen Winterdienst praktiziert), muss die Benutzungspflicht aufgehoben werden.

      siehe z.B. http://adfc-regensburg.de/docs/RV-Tagung_2011.pdf
      und https://kreisverbaende.adfc-nrw.de/kv-bottrop/radverkehr/radwegbenutzungspflicht/leitfaden-rwbp.html

      Das hilft uns in der Praxis leider doch nicht. Einen Antrag auf Aufheben der Benutzungspflicht darf man nur unter engen Einschränkungen stellen. Und wenn man einen stellt, wird er von der Stadt Stuttgart ignoriert oder schleppend behandelt: mein Antrag liegt seit 3 Jahren unbearbeitet rum.

      Wie Polizei und Gerichte beurteilen, ob ein Radfahrer besser als die Behörden bewertet hat ob die Gefahr auf dem Radweg größer ist als auf der Fahrbahn, d.h., ob ein Radweg/Radfahrstreifen unzumutbar ist, ist Glückssache (oder Pechsache?). Da wird dann gerne von "angepasster Fahrweise" geschwurbelt, ohne genauer darauf einzugehen, wie man denn durch Fahrweise nassem Laub und Eis das Glitschig-sein abgewöhnen könnte.

      Im Detail ist nämlich alles Wischiwaschi, denn die Behörden dürfen/sollen jede Stelle einzeln bewerten. Die Bewertung muss zwar theoretisch auf Antrag offengelegt werden, wozu Stuttgart aber in der Regel nicht fähig ist. Das Ordnungsamt findet seine Unterlagen nicht wieder. Vielleicht gab es auch nie etwas Schriftliches. Ich habe da keinen Einblick, wie das Ordnungsamt organisiert ist.

      Die technischen Regelwerke sind bekanntlich sauteuer und nicht jeder hat sie zur Hand. Hier sind aber frei verfügbare (etwas veraltete und nicht in allen Details korrekte) Zusammenfassungen):

      https://www.mainz.de/medien/internet/downloads/Radwegebenutzungspflicht_Leitfaden.pdf

      https://www.nahmobil-hessen.de/wp-content/uploads/2021/01/Qualitaetsstandards_und_Musterloesungen_2te_Auflage_web.pdf

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  4. Früher hatte ich auch immer großen Spaß auf Straßenbahnstrecken, bei denen die Haltestellen als Buchten bis an die Schiene ausgeführt wurden. Wahlweise ging dann ein Radweg, am besten nur Rad frei durch die Haltestelle oder man musste eben an regelmäßig zwischen den Schienen springen. Die Bauweise war sogar "modern", um 2010 neu gebaut.
    Radwege durch Haltestellen auch bei Buslinien scheinen leider Standard zu sein, sieht man hier im Blog auch oft.

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  5. Für das geforderte möglichst weit rechts fahren gilt ja die Einschränkung, das es dort sicher zu fahren sein muss. Danach handelt nicht jeder und so lassen sich viele Radler vorauseilend in den Rinnstein drängen und Kraftfahrer fühlen sich wohl andere Menschen an oder manchmal in den Fahrbahnrand zu drängen. Ich finde sicher bedeutet für mich auch, nicht sklavisch in jeder kleine Lücke auf der ein Schutzstreifen befahrbar wäre, das auch zu tun, wenn es sonst eben nicht so ist.

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    1. "Ich finde sicher bedeutet für mich auch, nicht sklavisch in jeder kleine Lücke auf der ein Schutzstreifen befahrbar wäre, das auch zu tun, wenn es sonst eben nicht so ist."
      Um dir das abzugewöhnen haben autofahrende Rechtsverdreher
      TBNR 102142- 102145 erfunden.
      z.B TBNR 102142 :
      "Sie missachteten als Rad­fahrer das Rechtsfah­rgebot, indem Sie den markierten Schutz­streifen nicht benutzten." € 15

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  6. Im Bereich von Kreuzungen und Abzweigungen liegen die "quergerillten" Gullideckel dann doch wieder in Längsrichtung und lauern auf Radfahrer, die mehr auf das Verkehrsgeschehen achten, um Zusammenstöße zu vermeiden, als auf die Fahrbahn.

    Spontan fallen mir ein:
    a) Rotebühlplatz (seitdem die Auffahrt vor die Litfaßsäule und Motorradabstellfläche verlegt wurde)
    b) Mühlsteg (dort von der Stadt besonders perfide angelegt, denn sie versteckt den Gulli dort gerne monatelang unter einer Laubschicht).
    c) Christophstraße Richtung Kinderhaus Seewasen (in Winnenden)

    Ach ja, der nicht nutzbare Bereich von Kandel und Gulllideckeln darf laut Regelwerken nicht bei der (Mindest-)Breiten-Berechnung von Radverkehrsanlagen mitgezählt werden. Das "übersehen" die Behörden nahezu konsequent.

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  7. Jörg
    Momentan ist das ganze noch gemeiner. Im Dunklen blendet z.B. ein LED-Licht Auto von vorne. Man sieht die Unebenheiten nicht mehr. Die Blendung kann so stark werden, dass der rechte nicht mehr wahrnehmbar ist.
    Bei Nässe wird noch grausiger, der Stahl ist so was von klitschig. Da wird das Rad mal hierhin bal dahin versetzt.

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