25. September 2020

Für Radler das permanente Off-Road-Gefühl

Die Schlaglöcher und Gullideckel sind immer dort, wo man will, dass die Radler fahren. 

Vor allem Autofahrende sind vielfach der Ansicht, dass Radfahrende so weit rechs wie möglich fahren sollten. Und manche lassen sich auch in den Rinnsteinbereich abdrängen. Also auf die Fläche neben dem Bordstein, wo die Gullideckel sind.
Das ist beispielsweise bei dem sehr schmalen sogenannten Sicherheitsstreifen so, der von der Charlottenstraße über den Charlottenplatz zur Planie führt (Foto oben). Da heißt es: Aufpassen und Lenker festhalten, oder zentimeterknapp dran vorbei lenken. Eigentlich dürfte man hier auch links neben der gestrichelten Linie fahren, denn das ist nur ein Schutzstreifen ohne Benutzungsgebot, aber angesichts des Autoverkehrs macht das niemand. Auch auf der Silberburgstraße befindet sich so ein Hoppel-Hindernis mitten in der Linie, die wir Radfahrenden nehmen. Da heißt es zwischen den Gullis durchzielen oder Lenker festhalten. Ich radle inzwischen links daneben auf der Autofahrspur.

Auch wenn Gullis oft dicht am Bordstein liegen, wo wir gar nicht radeln sollten, geraten Radfahrende in ihren Asphaltkreis: Der ist abschüssig zum Gulli hin oder wellig oder gebrochen. Drängelt hinter einem ein Auto, neigt man dazu, doch genau dort zu radeln und sollte den Lenker festhalten und mit einem Stoß im Sattel rechnen. Kennt man die Gulli gut, kann man knapp an ihnen vorbei fahren, kennt man sie nicht, muss man den Lenker festhalten, denn auch zwanzig bis dreißig Zentimeter neben ihnen kann es ruppig werden.

Noch schlechter sind Gullideckel in Abstand zum Bordstein, also genau dort, wo wir radeln. Wo Autoreifen drüber rattern, da rüttelt es den Radler auf seinen zwei Rädern ordentlich durch. Kurz davor nach links schwenken, verbietet sich, wenn Autoverkehr herrscht, zwischen Gulli und Bordstein durchzielen kann riskant sein. Natürlich hängt alles davon ab, wie gut die Gullis mit der Asphaltdecke schließen, und auf von Autos viel befahrenen Straßen, schließen sie in der Regel bündig und man spürt sie nicht so sehr.

Auch Schlaglöcher oder aus der Ebene gekippte Steine befinden sich immer dort, wo die rechten Autoreifen rollen und wo wir eigentlich radeln sollten. Die Lautenschlagerstraße besteht praktisch nur aus Schlaglöchern und Asphalthubbeln. Sie befinden sich genau dort, wo die Reifen der Autos das Pflaster zerstört haben und wo für uns Rafahrende die Fahrlinie wäre.  Ich radle aber inzwischen immer genau in der Mitte, weil es dort am wenigsten Unebenheiten gibt. Autosfahrer:innen, die mir entgegenkommen, verstehen auch gleich, dass ich mich nicht an den Rand in den Rinnstein an die Poller drängen lasse, drosseln ihr Tempo und bemühen sich ebenfalls bei der Begegenung (so wie ich auch) rechts zu fahren.

Die Untergründe von Radrouten sind erstaunlich oft Offroad-Abenteuer. Da wechseln sich Pflasterarten ab, man hoppelt über Kopfsteinbänder, zielt durch Regenrinnen, muss auf in der Ebene verschobene Platten achten. So ist das auf der Hauptradroute 1 durch den Schlossgarten zwischen Ferdinand-Leitner-Steg und Planie, aber auch in der Möhringer Straße, wo es an der Matthäus-Kirche in Heslach vorbei geht oder wo es zum Marienplatz geht. Radfahrende sehen sich einen unglaublichen Wust von Pfeilern, Pollern, Pflasterunebenheiten, Rinnen und Löchern gegenüber. Die meisten, die diese Strecken regelmäßig fahren, haben ihre Ideallinie zwsichen einem aufgeworfenen Stein hier und einer Rinne dort ausgeklügelt.

Und im Schlossgarten, wo es kürzlich einen Sturz gab, ist die Rille im gemischten Schmuckpflaster genau dort, wo der Radler um die Kurve fährt und wo man mit schmalen Reifen unweigerlich hängen bleibt. Das sehr aufmerksame Foto hat mir Bloglseser  Christian geschickt, nachdem es ihn an der Stelle ebenfalls fast erwischt hätte und er sich fragte, warum eigentlich. 

Und dazu kommen noch die temporären Hindernisse. Genau dort, wo sehr viele Radler:innen unterwegs sind und zugleich sehr wenig Platz ist für den Begegnungsverkehr an einer Ampel, zum Beispiel am Rosensteinbunker in Cannstatt, steht jedes Jahr mindestens einmal irgendein Plakat, das für eine Veranstaltung wirbt.  Auch hier heißt es: genau zielen zwischen Schildfuß und entgegenkommenden Radler;innen hindurch.

Weil Radwege, Radstreifen und Nebenstraßen so viele Unebenheiten aufweisen, fordert der Radentscheid das, was er Sahneasphalt nennt, für Radwege, also einen glatten (und nicht rutschigen) Untergrund. Nämlich den Asphalt, den Autos für ihre Hauptstraßen kriegen. Bessere Untergründe verhindern sicherlich nicht jeden Alleinunfall, aber so manchen vermutlich schon. Wer nicht auf den Bodenbelag gucken muss, kann auch den Verkehr besser beobachten.


12 Kommentare:

  1. Danke, dass Du diesen Misstand ansprichst! Der ist für mich zwar nur nervig, aber ich schätze, dass die Gullideckel und Schlaglöcher viel schlimmer für Kinder in einem Anhänger oder Dreiradfahrer*nnen sind. Insofern es ein öffentliches Bewusstsein für das Fahrrad gibt, scheint dies auf ein herkömmliches aufrechtes Rad ohne Anhänger beschränkt zu sein. z.B. wie überquert überhaupt ein Elternteil mit Kind im Anhänger in Corona-Zeiten eine Straße, wo die Verkehrsinsel nur 1,5m breit ist?

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  2. Dummerweise ist auch "Sahneasphalt" schlechter als der Asphalt der Fahrbahn.
    Da ist wegen "geringerer Belastung" der Unterbau billiger ausgeführt.
    Bei der Fertigung der Asphaltschicht können nicht die gleichen Großmaschinen eingesetzt werden, wie für die Fahrbahn. So daß der Weg schon in Neuzustand welliger ist als eine Fahrbahn.
    Und im Laufe der Zeit kommen, auch aufgrund des billigeren Unterbaus, mehr Wurzelaufbrüche und deren Vorstufen dazu.
    Und das Pflaster für Geh- und Hochbordradwege hat sich auch deswegen durchgesetzt, weil man dadurch einfacher an die darunterliegenden Versorgungsleitungen kommt. Und Pflastersteine einfacher recyclen kann.
    Und es aufwendiger ist, nach einer Baustelle den Aspalt in der gleichen Qualität wie zuvor wieder herzustellen.

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  3. Das Thema haben wir seit Jahren und geändert hat sich nichts. Und es wird sich auch nichts ändern.

    Die gestrige Wahl hat mir den Rest gegeben- bin echt tief geschockt: Clemens Maier ist neuer Ordnungsbürgermeister von den FW. Sehr fragwürdige Personalie. Und die GRÜNEN haben ihn mitgewählt! Für mich persönlich ziehe ich daraus die Konsequenzen: Ich werde die GRÜNEN nicht mehr wählen- zu unglaubwürdig. Claudia Bartsch

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    1. Ja Frau Bartsch, da haben Sie wohl leider recht.
      Es ist schon lustig: während sich die Interessen der Vernunft nach allen Regeln der Machtpolitik ausbooten lassen, darf die Gegenseite gnadenlos ihre Ränkespielchen treiben.
      Und dass Politiker von außerhalb, ohne erkennbare Qualifikation durchgewunken werden ist nur die Spitze des Eisbergs: jeden Tag werden wir eigenmobilen Leistungsträger mit einer Barrage an Hindernissen und Gängelungen gegeisselt - Frau Lehmann berichtet ja dankenswerterweise in aller Ausführlichkeit.
      Vermeintliche Verbesserungen entpuppen sich als Luftnummern, die von Dieselextremisten systemisch dysfunktional platziert, und dann nie um- oder gar durchgesetzt werden.

      Jemand, die in ähnlich schamloser Weise rücksichtlose Machtpolitik, jedoch in unserem Interesse anböte, würden wir doch sofort wählen, stimmt's Frau Bartsch?

      Power begets power.
      (Fragen Sie mal Herrn Bopp von der Regionalversammlung)

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    2. Vor allem hat die SPD verhindert, dass wir ihn nicht wählen. Die Grünen haben ihn nicht gewählt. (Abgesehen davon, dass die Wahl geheim war, und wir nicht wissen, welche FDPler, SPDler oder Grüne wie gewählt haben.) Und eines ist auch klar, der Ordungsbürgermeister macht nicht Politik, das macht der Gemeinderat, und für den Asphalt und die Gullis ist auch nciht der Ordnungsbürgermeister verantwortlich, sondern der Tiefbaubürgermeister von der SPD. Ich fände es gut, wenn du dich erst informierst und dann zu Rundumschlägen ausholst.

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    3. Der Ordnungsbürgermeister ist auch Vorgesetzter der Verkehrsbehörde und somit auch mit verantwortlich dafür, dass die Verwaltungsvorschriften und technischen Regelwerke eingehalten werden und dass Pläne den Vorschriften entsprechen.

      Wenn er das einseitig tut und nicht neutral, d.h. nur soweit es dem Kfz-Verkehr nutzt - ist das keine politische Einmischung?

      Nur als Hinweis: Radfahrstreifen und Schutzstreifen sind links von Gullideckeln etc. anzulegen und links vom abschüssigen Bereich. Dieser nicht nutzbare rechte Streifen zählt bei der Mindestbreite. Kann man in ERA 2010 nachlesen.

      Pflaster mit Fase oder unebenes Pflaster ist kein geeigneter Belag für Radwege, schon gar nicht für Hauptrouten. Das ist so geregelt wegen der unmittelbaren Unfallgefahr, aber auch, um einen effektiven Winterdienst durchführen zu können. Kann man nachlesen in ERA 2010.

      Für diejenigen, die nicht lesen können, gibt es bebilderte Musterlösungen.

      Sondernutzung von Verkehrsflächen zu genehmigen oder auch nicht und z.B. das Verbot von Plakat-Aufstellern auf zu schmalem Radweg durchzusetzen durch "Knöllchen", ist ureigenste Aufgabe des Ordnungsamtes. Wenn sich die Priorisierung bei Personalknappheit nicht nach der Unfallgefahr richtet, ist das politisches Handeln.

      Aus der Nummer kommen beide nicht raus, weder Ordnungsbürgermeister noch Tiefbaubürgermeister.

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  4. In Bild 5 ist schön zu sehen, das Stadtplaner und beschließende Kommunalpolitiker versagt haben. Da wird ein Platz oder Wege neu gestaltet, alles mit "schönen" Pflastersteinen, welche aber die Last von LKWs (wie im Hintergrund zu sehen) nicht tragen. Anschließend werden die Schäden billig mit etwas Asphalt zugeschmiert.

    So manche Bushaltestelle hier wurde so ähnlich gepflastert und dann waren die Steine gebrochen, verschoben oder tiefe Spurrillen sind. Aber die feinen "qualifizierten" Herrschaften mit den dicken Auto und dem Schlips wollten ja das tolle Pflaster haben, Später wurde dann Betonguss an solche belasteten Stellen eingebracht.

    Ein Radweg wurde hier auch so ähnlich gepflastert, bei überfrierender Nässe rutschten die Radfahrer, welche auf dem vorherigen Asphalt noch gut fahren konnten ganz schnell weg und lagen lang. Die Antwort meiner Stadtverwaltung lautete sinngemäß, dass das Pflaster den Anforderungen entspräche und die Rutschfestigkeit getestet wurde.... in einem Beisatz wurde aber gesagt, dass diese Tests nur bei Temperaturen über 5 Grad Celsius stattfinden können.

    -Anonymous von woanders-

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  5. Zu Bild 5: wenn ich mich Recht entsinne, ist dieser Belag nur deswegen problematisch, weil zu schwere LKW drüber fahren - das gleiche Bild sieht man in der Tübinger Straße - wegswegen die LKW eigentlich aus solchen Gebieten verbannt gehören. PKW waren meines Wissens nach unproblematisch.

    Zu gepflasterten Flächen im Allgemeinen, bzw. zum Neckarradweg, welcher auf Höhe des Daimler Werks gepflastert wurde (natürlich nicht mit glattem Granit, sondern mit Steinen mit rauer Oberfläche), hier eine Antwort von Hr. Giesler Tiefbauamt Bezirk 2:

    "Ein Hinweis zur von uns gewählten Sanierungsart "wasserdurchlässiges
    Pflaster anstatt wasserundurchlässiger Asphalt":

    Gem. Information des Gartenbauamtes drücken Baumwurzel gegen
    wasserundurchlässige Schichten wie Asphalttragschichten und heben diese im
    Laufe ihres Wachstums an,
    wogegen die Wurzeln unter wasserdurchlässigen Schichten diese gar nicht
    oder nur langsam anheben.
    Vorteil bei Pflaster:
    Es kann kostengünstig ohne grossen Aufwand kurzfristig herausgenommen , neu
    unterfüttert und auch grossflächiger wieder eingebaut werden.
    Aufgrund dieser Erfahrung werden sie feststellen, dass Asphaltflächen an
    Baumquartieren sukzessive durch wd. Pflaster ausgetauscht wird.
    Zum weiteren fördern feuchte wasserdurchlässige Pflaster das Klima (durch
    Wasseraufnahme, Versickerung und Verdunstung)."

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  6. Ich habe ein ganz anderes praktisches Problem mit dem 'Offroadfeeling'. Ich bin leidenschaftliche Kuchenbäckerin. Wenn ich aber meine Kollegen an der süßen Kreation teilhaben lassen möchte, dann halten nur sehr wenige Kuchen den Belastungen auf dem Gepäckträger einer normalen 5km Fahrt ins Geschäft stand. Also nur Rührkuchen - oder fahren wie mit rohen Eiern.
    Das ist ein Luxusproblem, aber so wie meinem Kuchen auf dem Gepäckträger geht es auch Kleinkindern in Fahrradsitzen und Anhängern. Die stehen bei solchen Hindernisse nicht eben kurz in die Pedale sondern werden ordentlich durchgeschüttelt.

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    1. Das geht mir auch so, wenn ich Kuchen kaufe und damit heim muss.

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    2. Ich backe und esse auch gern Kuchen. Allerdings fahre ich die Kuchen dann nur selten spazieren und die Bäckerei ist nur 300m weit weg. Eine Sahnetorte würde ich nie mit dem Fahrrad transportieren. Vielleicht sollte ein findiger Kopf eine Fahrrad-Transportbox für Kuchen entwickeln, mit einer Federung drin, die Rüttelbewegungen ausgleicht...

      Ich würde erstens bei einem Kuchentransport systematisch da fahen, wo der Kuchen am wenigsten riskiert, also nicht auf holprigen Radwegen, die einen über Randsteine und Pflasterstrecken zwingen, und mitten auf der Straße, wenn rechts vom Autoverkehr Schlaglochfolgen erzeugt worden sind.
      Zweitens können vielleicht andere Reifen das Problem ein bisschen mildern. Ist vielleicht nicht euer Fall, aber die meisten Leute fahren zu steife Reifen mit zu hohem Druck. Flexible Reifen können mit weniger Druck gefahren werden, wodurch sie besser rollen und besser federn.

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  7. Wie baut man Radwege. David Hembrow hat die Antwort. Aber die Niederlande haben ja nur die beste Radinfrastruktur der Welt. Das interessiert uns hier doch nicht...
    http://www.aviewfromthecyclepath.com/2018/06/concrete-cycle-paths-smooth-maintenance.html?m=1

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