26. Januar 2022

Temporäre Spielstraßen - eine Chance für Kinder

Spielstraßen sind wichtig für Kinder. Sie müssen nämlich auch mal draußen spielen können, herumradeln, herumrennen, Fange und Balls spielen. 

Wir brauche also mehr davon. Doch das ist, wie immer, wenn es ums Auto und um Parkplätze geht, gar nicht so eifach. Wenn eine Anwohnerschaft anfängt (und es muss die Mehrheit der Anwohner:innen sein), für einen verkehrsberuhigten Bereich zum Spielen zu kämpfen, sind die Kinder groß, wenn die Stadt endlich anfängt, den Bereich umzubauen. In Deutschland kann man nämlich nicht einfach Schilder aufstellen, man muss auch den Straßenbereich verändern, sodass ein Autofahrer gleich merkt, dass er jetzt in einen völlig anderen Bereich einfährt. Das kostet Geld, das muss geplant, beschlossen und baulich umgesetzt werden. Eine schnelle Lösung für die Kinder einer Straße ist das nicht. 

Es gibt aber eine schnellere Möglichkeit. 

Grundsätzlich darf niemand auf der Fahrbahn spielen. Das geschieht aber natürlich doch, wenn auch immer seltener. Ich habe in meiner Kindheit in der Bruckenäcker in  Vaihingen gewohnt, einer Sackgasse. Es parkten so wenige Autos dort, dass wir Kinder auf der Straße Ball spielen und Rad- und Rollschuhfahren konnten. Parkte jemand in unserem mit Kreide auf die Fahrbahn gemaltem Spielfeld, haben wir ihn gebeten, ein paar Meter weiter zu fahren, die meisten haben das auch getan. Autos standen in dieser Straße fast alle in Garagen. Und die, die auf der Straße parkten, waren tagsüber weg, weil ihre Eigentümer (männlich) damit zur Arbeit fuhren. Das waren wunderbare Bewegungsräume und Spielflächen, auf denen sich eine Kinderhorde austobte, mit allem, was dazugehört: Streit, Stürze, blutende Knie, aber auch stundenlanges Vertieftsein ins Spiel. 

Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Und verkehrsberuhigte Bereiche, sogenannte Spielstraßen gibt es nur selten, und autofrei sind sie fast nie. Durch die Burgstallstraße (Foto) führt außerdem die Hauptradroute 1. In Wohnstraßen am Rand eines Dorfes spielen vielleicht noch Kinder auf der Straße, weil sonst keiner durchfährt. Aber in Großstädten fahren zu viele Autos auch in den letzten Winkel, und das meistens auch noch zu schnell. Wir haben den öffentlichen Raum komplett dem Auto überlassen. Kinder können sich nur auf Gehwegen, auf Spielplätzen oder in Gärten austoben, zum Radfahren oder zum Rollschuhfahren reicht der Platz eigentlich nie. Nur wenige wohnen in der Nähe von Pumptracks oder Skaterparks. Und die Kinder mit dem Auto zum Spielen in den Wald oder zu Spielplätzen fahren ist ja eher eine gruselige Sache. 

In Bremen und in Frankfurt gab es aber Leute, die sich für ihre Kinder Platz auf den Straßen wünschten. Dort hat man von einer in Deutschland von einer Möglichkeit Gebrauch gemacht, die so gut wie nie genutzt werden dürfte. Man darf nämlich das Schild 250, das runde weiße Schild mit dem roten Rand, das Einfahrt verboten bedeutet, aufstellen und darunter das Zusatzzeichen "Spielstraße" aufhängen. Dann darf nichts mit Rädern (es sei denn ein Leiterwagen) dort hinein fahren. Und seit einigen Jahren, so heißt es auf der Seite "kinderfreundliche Kommune", wird das dafür genutzt, temporäre Spielstraße auszuweisen. Die Sperrung wir zeitlich befristet, beispielsweise "April - Oktober, mittwochs 15-18 Uhr". Solche temporäre Spielstraße gibt es in Bremen-Schwachhausen. Auch in Frankfurt Bornheim hat man das versucht und dabei festgestellt, dass sich die Kinder nur dann dort tummeln, wenn es zumindest zunächst Spielanleitungen und Spielmöblierung gibt. Das übernahm ein Abenteuerspielplatzverein. 

Auch die Stadt Suttgart bietet Möglichkeiten für temporäre Spielstraßen an. Für alle Anwohnerschaften, die sich sowas auch in Stuttgart vorstellen können, gibt es hier eine Handreichung zu den rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten. Wenn die Idee reift und es eine Mehrheit in einer Anwohnerschaft eines Straßenabschnitts gibt, sollte die sich an den Bezirksbeirat wenden und dort die Idee vorstellen. Es ist auch nie verkehrt, Kontakt zu den Betreuungsstadträt:innen des Bezirks oder überhaupt zu den Stadträt:innen aufzunehmen. Ich finde, ein Versuch wäre es auch bei uns wert. Schließlich müssen unsere Stadtkinder unter anderem ja auch anständig Fahrrad fahren lernen. 


13 Kommentare:

  1. " In Deutschland kann man nämlich nicht einfach Schilder aufstellen, man muss auch den Straßenbereich verändern, sodass ein Autofahrer gleich merkt, dass er jetzt in einen völlig anderen Bereich einfährt."

    Ach was, da geht einfach nur Schilder aufstellen, damit es so aussieht als hätte die Politik mal was getan, auf einmal nicht?

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    1. ...in einem Verwaltungsland? Wo denkst Du hin marmotte27.......??

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    2. Es liegt ja, wie wir wissen, an den Autofahrenden, die sich durch Verkehrszeichen nicht ausbremsen lassen und durch Spielstraßen, die aussehen wie die umliegende Tempo-30-Zone viel zu schnell durchfahren würden. Also Schande über die Autofahrenden! Die sind die Täter:innen, nicht die Verwaltungen an solchen Stellen.

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    3. Es scheint (bestimmt regional unterschiedlich) schon häufig willkürlich, ob eine Straße wirklich umgestaltet oder nur ein Schild aufgestellt wird. Oft genug ist Gehweg und Bordstein noch da. Vielleicht sind das ja Altlasten, oder Ermessensspielräume werden 'genutzt'.

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    4. "Die sind die Täter:innen, nicht die Verwaltungen an solchen Stellen."

      Es ist doch längst bekannt, und die Dinge, die du hier erzählst zeigen es alle zwei Tage aufs neue, dass wir es beim Verkehr (und den anderen drängenden Fragen unserer Zeit) mit systemischen Problemen zu tun haben. Und die endlich anzugehen, muss zu allererst Aufgabe von Politik und Verwaltung sein.

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    5. @Christine, ja, die "Täter" sind in solchen Fällen die Autofahrer, das ist richtig. Aber was würdest du sagen wenn die Polizei nur noch manchmal einen Banküberfall aufklärt und erklärt, dass sie auch in Zukunft nicht vorhat alle Banküberfälle zu verfolgen aus Personalmangel. Würdest du dann auch schreiben, die Bankräuber sind die Täter (was sie ja zweifelsfrei auch sind), die Polizei trägt keine Verantwortung? Mit dem AfÖ verhält es sich ähnlich. Die Wahrscheinlichkeit bei der Mißachtung von Verkehrsschildern erwischt zu werden ist gering. Noch unwahrscheinlicher ist es, dafür angemessen bestraft zu werden (versuch mal einen Radwegparker abschleppen zu lasse).Wenn es keinen Verfolgungsdruck gibt, nimmt auch niemand Schilder ernst. Letzendlich ist also die Verwaltung zwar nicht der Täter, aber die Lustlosigkeit von Polizei und AfÖ mitverantwortlich für die schlechte Verkehrsmoral.Aber ich weiche vom Thema ab, sorry.

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    6. Sehe das genau so:
      Erst gestern ist wieder jemand vor mir mit ca. Tempo 15 km/h gefahren. Bin dann mit dem Fahrrad rechts vorbei und siehe da: Die Fahrerin ist am Smartphone. Da habe ich mich bemerkbar gemacht und ihr zu verstehen gegeben, sie solle ihr Smartphone weglegen.

      Was ist passiert? Gar nichts - sie hat mich völlig ignoriert.
      Und das auf einer recht stark befahrenen Durchgangsstraße in Kirchentellinsfurt bei Tübingen. Die Autos hinter ihr sind auch schier durchgedreht.
      > Das zeigt doch, dass selbst bei Handy am Steuer keiner mehr fürchtet irgendwie bestraft zu werden.

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    7. Ich bin ja auch dafür, dass Verkehrverstöße gahndet werden (allerdings dann auch die Gehwegfahrten und Rotlichtvertöße von Radfahrenden). Und ich finde auch, dass Vergehen gegen Besitz und Vermögen bei uns zu hart bestraft werden im Vergleich zu Fahrlässigkeitstaten im Straßenverkehr. Allerdings kennt das Rechtsverständnis schon einen Unterschied zwischen Kapitalverbrechen, die aufgeklärt werden müssen, und Vergehen, die mit Bußgeldbescheiden geahndet werden und das auch sollten, die aber nicht die Recourcen der Polizei so aufsaugen sollen, dass für Ermittlungen im Mordfällen, Gewaltstrafttaten, Steuervergehen etc. keine Leute mehr übrig sind. Verkehrsverstöße werden so massenhaft begangen (und so massenhaft und uns allen in dieser Gesellschaft toleriert, denn wir begehen sie alle in unseren Verkehrbereichen), dass es mir unmöglich erscheint, so viel Polizei vorzuhalten, damit sie alle erwischt und bebußt oder bestraft werden können. Das ist natürlich eine Art Systemversagen, aber es sind wir alle selbst ,die dieses System bilden, in dem wir uns selbst herausnehmen, aus gutem Grund gegen eine Regel zu verstoßen, die gerade nicht passt, dies aber anderen übel nehmen. Aus Sicht der Fußgänger:innen sind Radfahrende gefährlich und machen Angst. Wie oft hast du dich in die Gefühle einer Fußgängerin hineinversetzt, an der du viel zu dicht vorbeiradelst?

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    8. "allerdings dann auch die Gehwegfahrten und Rotlichtvertöße von Radfahrenden"

      Wieder ein systemisches Problem. Radfahrer fahren nicht aus Jux und Tollerei auf Gehwegen.

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    9. Mir ist hierzu heute noch ein gute Parallele aufgefallen: Im Deutschlandfunk kam ein Bericht über Hass im Netz, der neuerdings strenger verfolgt werden soll. Laut dem Bericht hat sich der viele Hass im Internet wohl nur entwickelt, weil er bisher fast gar nicht geahndet wurde.
      Egal ob Ordnungswidrigkeit oder Kapitalverbrechen: Wenn man nicht frühzeitig was dagegen macht, wird es früher oder später zum Problem. Und meiner Meinung ist genau das im Straßenverkehr passiert.
      Klar - alle Verkehrsteilnehmer missachten viel zu häufig die Regeln. An Kraftfahrern sind die Ansprüche aber wesentlich höher, weil sie eine "Maschine mit hohem Gefährdungspotential" betreiben.
      In einer Fabrik werden an einem Maschinenführer ja auch höhere Anforderungen gestellt als an einem Angestellten am PC ;-)

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  2. Spielstraßen bremsen vor allem den Radverkehr aus und werden vorrangig dort angelegt, wo der Autoverkehr wenig Platz für einen Fußweg lässt. Spielstraßen sind also nichts weiter als eine Möglichkeit, trotz beengter Platzverhältnisse einen PKW auf der Straße zu parken- mit "Kinder spielen" hat das wenig zu tun.

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    1. Beschte Beispiel, Wolframstr. gegenüber Milaneo. Ich hab da noch nie Kinder spielen sehen, wohnen da überhaupt welche? Aber der benutzungspflichtige Radweg ist durch eine Spielstr. unterbrochen. Die Einzigen die diese Fläche gerne nutzen ist das Milaneo Publikum welches dort umsonst parkt (ich hab da noch nie Tickets an den Autos gesehen). Die Idee einer Spielstr. ist ja gut, versuch da aber mal Fußball zu spielen....

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    2. Ja, den Eindruck habe ich auch: Oder die Spielstraße wurde zu Zeiten beantragt, als da noch Kinder waren, und kam, als die Kinder alle schon studierten oder selbst woanders Kinder hatten. Sie werden extrem stiefmütterlich behandelt bei uns und sehr oft fürs Parken sogar freigegeben. Wir sind wirklich sehr ruppig unseren Kindern und deren Lebensbedürfnissen gegenüber, das finde ich auch.

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