19. Juli 2023

Unser Verkehrsystem ist gefährlich für die ohne Auto

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Opfer im Straßenverkehr gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt kamn 2.788 Menschen um Leben, neun Prozent mehr als 2021. Es sind aber immer noch weniger als im Vorcoronajahr 2019. 

Laut Statistischem Bundesamt gab es mehr Alkoholunfälle, und die vor allem am Vatertag. Und auch die Zahl der Opfer unter den Radfahrenden ist wiederum gestiegen, beziehungsweise gegenüber 2019 unterdurchschnittlich gesunken. 1.992 Menschen (42 Prozent) kamen in Autos ums Leben, 474  (17 Prozent) auf dem Fahrrad, darunter 208 auf Pedelecs, und 368 zu Fuß (13 Prozent). 10 Menschen verunglückten auf einem E-Scooter tödlich. Kurzum: Autofahren wird immer sicherer für die Autofahrenden und immer tödlicher für die, die nicht im Auto sitzen. 

Die taz hat dazu vier Thesen aufgestellt. Kurz gefasst lauten sie: 

Die Autofahrenden sitzen im Panzer. Immer mehr Leute fahren SUV, die ihnen selbst mehr Sicherheit verschaffen, für die anderen aber deutlich gefährlicher sind. In den Städten waren 62 Prozent der Getöteten auf Fahrrädern oder zu Fuß unterwegs. Ein Verkehrssystem, das nur denen Schutz bietet, die sich panzern, ist unmenschlich. 

Radfahrende brauchen Schutz. Mehr Menschen fahren Rad, sie brauchen sichere und durchgängige Radwege. Die autofokussierte Sicht auf den Straßenverkehr ist tödlich. 

Technischer Fortschritt braucht technische Sicherheit. Es werden immer mehr Pedelecs verkauft und gefahren. Sie ermöglichen Menschen die Teilnahme am Radverkehr, die sonst nicht Rad fahren würden, weil die Gegend zu steil ist und sie sich dem körperlich nicht gewachsen fühlen. Die einzige Konsequenz muss wiederum lauten: Mehr sichere Radwege. 

Der Vatertag tötet. Es setzen sich wieder mehr Menschen alkoholisiert hinters Steuer. Laut Unfallkalender gab es an Christi Himmelfahrt, auch Vatertag genannt, das Vierfache an Unfällen unter Alkoholeinfluss. Also schafft den Vatertag ab. 

Auch dem Spiegel reißt langsam der Geduldsfaden: "In Deutschland sterben Radfahrerinnen und Radfahrer jedes Jahr zu Hunderten, und sie sterben häufiger als alle anderen Verkehrsteilnehmer, Fußgänger eingeschlossen. Sie sterben oft, weil sie von Autofahrern auf der Straße übersehen werden. Was nicht zuletzt daran liegt, dass deutsche Städte noch immer vor allem für Autofahrer gebaut sind", heißt es unter dem Titel "Platz da!" Der Grund stecke im System, schreibt Mathieu von Rohr, Radfahrer:innen seien auf Straßen nach wie vor Fremdkörper. "Diese Menschen existieren zu Tausenden im städtischen Verkehr, aber sie sind dort noch immer nicht vorgesehen. Sie fristen ein Dasein am Rand: am Rand der Straße, neben der Straße auf dem Gehweg." Sie drängten sich auf holprigen Radspuren, die über Gehwege führten und plötzlich endeten. Eine Straße für Autos ende dagegen niemals einfach so. 


19 Kommentare:

  1. Das Problem ist doch allen bekannt. Warum wird nicht gehandelt?
    Das Problem mit dem SUVs ist auch schon lange bekannt. Innen wird es immer sicherer, außen werden die Verletzungen schwerer wegen Geometrie der Fahrzeuge.
    Radfahrer brauchen sichere, komfortable und durchgängige Radwege. Es geht nicht, dass man die Fahrbahn für Radfahrende sperrt, sie auf einen Radweg schickt, der dann nach ca. 600m hinter einer Leitplanke gelegen an einer Treppe endet (Bsp. aus Mannheim). Wer ist denn in der Lage so ein schweres Pedelec eine Treppe runter oder raufzuhiefen.
    Und für Alkohol am Steuer gibt es ein technisches Mittel aus Skandinavien, einen Alkoholtester, erst blasen, dann wird das Auto freigegeben. Sowas sollte man auch fürs Handy haben, erst irgendwo Handfern einklinken, dann erst fahren dürfen. Es gibt soviele technische Ansätze für Verkehrsicherheit, sie werden nur nicht genutzt.
    Karin
    Karin

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    1. Ja, und zwar weil das Leben derer, die nicht im Auto sitzen als weniger wert eingeschätzt wird. Die, die sich Autos leisten können und eifrig Autos kaufen, obgleich sie sich eigentlich nicht leisten können, sind für die Wirtschaft und Politik mehr wert, weil sie diese Autoindustrie am Laufen halten, die eigentlich alles kaputt macht, von der wir aber wirtschaftlich abhängig sind.

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  2. "Eine Straße für Autos ende dagegen niemals einfach so"

    tun sie manchmal doch: beispielsweise beim brezel-race im westen.
    und was passiert?
    der harley fahrer wird sofort aggressiv und donnert wüst schimpfend mit seiner waffe nach wildem kreisen durch die 30er zone entgegen der einbahnstraße.
    das situierte paar im übermotorisierten porsche cabrio ist zwar gezähmter, verliert dann aber auch die nerven und braust nach kurzem zögern viel zu schnell durch die gesperrte baustelle.

    zum glück agieren die vernünftigen hingegen besonnen und defensiv. sonst hätte es verletzte gegeben. möglicherweise nicht nur auf seiten der üblicherweise wehrlosen.

    ja, ihr lieben, so fühlt sich das bei uns jeden tag an!
    nur das schild "autofahrer aussteigen" habe ich nicht gesehen.
    das fehlt eigentlich an ganz vielen stellen.

    karl g. fahr

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    1. Unfälle, Staus und Baustellen ausgenommen, enden Straßen für Autofahrende nie einfach so, und in diesem Fall war es ja auch nicht "einfach so", sondern mit vielen Ankündigungen auf Verkehrszeichen im Vorfeld, die der Harley- und der Porsche-Fahrer halt wieder mal einfach nicht sehen, geschweige denn befolgen wollten. Der Radweg aber endet plötzlich, ohne Vorwarnung. Das ist ungefähr so, als würde man eine Schnellstraße ohne Vorwarnung in einem Dorf oder auf einer Autobahn enden lassen. Auf einmal ist die Verkehrssituation ganz anders.

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    2. liebe christine lehmann,
      vielen dank für die in der regel zutreffende anmerkung!
      ich korrigiere zwar ungern, aber in diesem falle ist meine einschätzung, dass tatsächlich das rad-rennen vorbei war, beschilderungen nur teilweise abgebaut wurden und dadurch eine tatsächlich mit unserer situation vergleichbare, gänzlich ungeregelte situation vorzufinden war.

      als die sehr umfangreiche beschilderung noch stand, die im übrigen von einem großaufgebot an ordnungskräften betreut wurde, handelte es sich in der tat um den vorbeschriebenen, ganz bewussten regelbruch, der selbstredend mit viel zeter und mordio erfolgte und darüber hinaus von endlosen hupkonzerten begleitet wurde.

      karl g. fahr

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  3. Ich würde eine differenzierte Sichtweise bevorzugen. Vergleichen wir mal die Entwicklung seit der Erfindung des Fahrrads bzw. Autos.

    Beim Fahrrad hat es keine Sicherheitsinnovationen gegeben, als einzige Verbesserung tragen jetzt einige Radfahrer einen Helm.

    Beim Auto hingegen gibt es unzählige Innovationen. Heute sind sichere Autos mehr als 2 Tonnen schwer, haben ein Dutzend Airbacks verbaut, Gurtstraffer und Notbremsassistenten. Autos werden heute auch so gebaut, dass der Aufprall von Fußgängern oder Radfahrern abgebremst wird.

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    1. @Anonym:
      Ihre Wahrnehmung scheint, mit Verlaub, sehr autofixiert zu sein. Gerade der Fahrradsektor sprüht nur so von neuen Entwicklungen und Ideen. Während die Automobilindustrie von sich aus nur immer größer, lauter oder schneller kann und ansonsten unter dem Deckmantel der Chancengleichheit nach staatlicher Bevormundung schreit ("wir brauchen Regeln und Subventionen, weil wenn nur wir das machen, sind wir nicht mehr konkurrenzfähig").
      Ich empfehle Ihnen den Besuch eines Fahrradladens. Und fahren Sie ruhig mal Probe.

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    2. Autos sind aber auch schneller und leistungsstärker geworden. Es wird zudem heute viel aggressiver gefahren und es gibt heute eine Kientel, für die nur das Prestige eines dicken Autos etwas zählt und die unglaublich rücksichtslos unterwegs sind. Trotz angeblicher Sicherheit von Fußgängern bei Unfällen, sind SUVs ungünstig in der Geometrie und zudem übermotorisiert für die Künste ihrer Fahrer. Und bei einem Crash SUV gegen "normalen" Kleinwagen, haben dessen Insassen auch wenig Chancen. (ist halt Panzer gegen Kleinwagen, da zählt einfach nur Masse)
      Karin

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    3. @Thorsten: wie wäre es mal mit ABS fürs Fahrrad? Kommt das bald?
      @Karin: Fahrräder gib es jetzt mit Motor - die sind also auch leistungsfähiger geworden. Wo ist der Sinn dieser Argumentation?

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    4. Die Firma müssten Sie doch kennen, Herr Anonym:
      https://www.bosch-ebike.com/de/produkte/abs
      Und dann ist's jetzt auch gut.

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    5. Nee, also du entscheidest mal nicht, wann Schluss ist, gelle. ich finde schon, das es seht wohl auch eine Entwicklung gab und gibt, die eine Sicherheit für Fussgänger und Radfahrer mit einbezieht. Wenn ich da an die alten Stosstangen als Unterschenkelbrecher denke.. Und das gejammer, das Autos immer schneller werden, Vor fünfzig Jahren konnte ich mit dem richtigen Auto ebenfalls richtig Gas geben. Daher stimme ich der differenzierten Sichtweise des Herrn Anonymus zu.Und statistisch sind die Unfallzahlen mit tödlichem Ausgang auch gesunken. Diese ständige Fixierung auf das Auto als allem Übel
      hat bei euch schon langsam pathologische Züge.Und das sage ich als jemand, der täglich im im Leben mit dem Fahrrad/E-bike unterwegs ist.Und noch was;
      Ja, ich finde einen Porsche 911 carrera trotzdem richtig geil

      Andreas

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    6. Die Zahl der Verkehrstoten ist gegenüber den siebziger Jahren drastisch gesunken, auch weil die Autos für ihre Insass:innen sicherer wurden (Sicherheitgurtpflicht, Airbags etc.), und je langsamer der Verkehr wird, desto weniger Tote gibt es. Dennoch ist es eindeutig so, dass der technische Fortschritt bei Autos in Richtung Schutz seiner Insass:innen geht, nicht in Richtung Schutz der Fußgänger:innen oder Radfahrenden bei einem Zusammenstoß. Und weil das so ist, hilft eigentlich nur Tempo 30 in den Städten, um die Menschen dort vor schwersten tödlichen Verletzungen zu schützen. Wer selber mal jemanden durch einen Verkehrsunfall verloren hat, weiß, dass das ein gravierender Einschnitt ins eigene Leben ist. Um jeden Toten trauern mindestens 10 Menschen.

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  4. Radwege sind keine Lösung. Eigentlich jede Untersuchung sagt das Radwege gefährlicher sind als das Fahren auf der Fahrbahn.
    Im Arbeitsschutz versucht man die Probleme zu erkennen, dann möglichst zu vermeiden, wenn das nicht geht technisch abzusichern. Die Gefährdeten zu panzern oder in irgendwelche Seitenbereiche abzuschieben die das Problem verschlimmbessern würde erst angewandt werden wenn alles andere versagt hat. Radwege würden wahrscheinlich als Lösung ausgeschlossen werden, da sie das Problem nicht beheben sondern oft sogar verschlimmern.
    Was sind gute Ansätze? Tempo der KFZ massiv runter. Dann bräuchten die auch nicht mehr so gepanzert werden und man könnte die Sichtachsen aus den Fahrzeugen wieder verbessern. LKW nur mit perfekt funktionierenden Abbiege- und Rückfahrassistenten auf die Straße lassen. Ist der nicht vorhanden dann halt Beifahrer. Den Fahrzeugführern Mindestüberholabstände und Vorsicht beim Abbiegen massiv eintrichtern über die Medien. Den Fahrradfahrern das gleiche in Bezug auf Abstände zu parkenden Fahrzeugen angedeihen lassen. Wenn die Radwege wegfallen dürften auch die Eigenunfälle von Radfahrern aufgrund schlechter Wege zurückgehen und auch die Unfälle mit Fußgängern aufgrund gemeinsamer Wege.

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    1. Radweg, wie sie heute gern gebaut werden, sind nicht immer die Lösung des Problems. Für das Abbiegeproblem gibt es an Ampelkreuzungen eine wirklich ganz einfache Lösung: Der Abbiegende und der Geradeausfahrende Radfahren haben ein unterschiedliche Ampelphase. Radfahrer grün, Auto rot. Radfahrer rot, Auto grün. Es braucht halt nur noch einen, der die Ampel programmiert.
      Und Radwege neben parkenden Autos sollte es auch nicht mehr geben. In der aktuellen verkehrstechischen Situation und der von Autofahrern ausgehenden Aggression gegenüber Radfahrern hilft leider nur trennen.
      Karin

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    2. Trennen geht halt nicht wirklich, spätestens an der nächsten Kreuzung trifft man sich und zwischendurch gibt es gegebenenfalls noch Einfahrten. Und wenn man sich an der Kreuzung trifft hat man von der Fahrbahn den Radweg oft nicht im Blick. Im Längsverkehr hilft der Radweg aber da passiert relativ wenig. Abbiegeunfälle sind die Häufigsten, gefolgt von Dooring.

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    3. Es bräuchte mutige Entscheidungen der lokalen verkehrspolitisch Verantwortlichen. Man kann die StVO auch dahingehend interpretieren, dass Flüssigkeit des KfZ-Verkehrs innerörtlich überhaupt kein Gewicht hat. Man müsste es drauf ankommen lassen, sich bis in höhere Instanzen gegen die "vorauseilend Gehorchenden, ewig Gestrigen" wehren, Grundsatzurteile erzwingen. Das passiert aber nicht, die meisten Stadträte haben die StVO nie gelesen und scheuen Auseinandersetzungen.

      Was würde passieren, wenn die knapp 800 Kommunen, die mehr Tempo30 fordern, es drauf ankommen ließen? Sich verklagen ließen und vor den Gerichten klug argumentierten? Sicher mehr als in den letzten 20 Jahren...

      Stefan, Fürstenfeldbruck, Bayern

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    4. Der Schuss mit den Grundsatzurteilen kann auch nach hinten losgehen. Es sitzen auch Ewiggestrige in Gerichten.
      Karin

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  5. Bizarr, dass wieder und wieder die Akteure des Journalismus (wie oben die verlinkte TAZ) die ebenso schlüssige wie notwendige Forderung nach deutlicher Reduzierung des Autoverkehrs komplett ausklammern.
    Knoflacher mit seiner gut begründeten Forderung nach einem Autoverkehr in Größenordnung von 5-max10% von heute scheint 'antiquiert' zu sein, und das Motto mehr Autoverkehr plus mehr Radwege hat endgülitig die Diskurshoheit übernommen, auch auf Seiten der 'Radlobbys'?
    Ebenso bizarr ist die komplette Ignoranz der Tatsache, dass das Rad-Todesrisiko in den Radwege-Niederlanden sehr signifikant höher ist als in Deutschland und dessenungeachtet die Kopie des separierenden autogerechten NL-Systems als gefahrenvermindernd dargestellt wird.
    Gibt es dafür ein anderes Wort als 'Wissenschaftsfeindlichkeit'?
    Vielleicht 'Denkfaulheit'?
    Oder wirkt dann doch bloß das uneingestandene Appeasement gegenüber einem auch in NL stetig weiter wachsen sollenden Autoverkehr - nur halt mit Radwegen ... ?
    Alfons Krückmann

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    1. Volle Zustimmung :-) Die Forderung "Autos raus aus der Stadt", mit der ich eigentlich das Wort "Verkehrswende" verbunden habe, scheint nicht mehr salonfähig zu sein.

      Bayern hat ja seit gestern ein eigenes Radgesetz, das bis 2030 im Schnitt 91 Meter neue Radwege pro Jahr und Gemeinde vorschreibt. Halleluhja, wir sind gerettet!

      Stefan, Fürstenfeldbruck, Bayern

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