5. Oktober 2023

Ohne Versenkpoller für die Hofener Straße geht es nicht

Die Hofener Straße in Cannstatt entlang des Neckars war am 3. Oktober für dieses Jahr zum letzten Mal für Autos gesperrt und für Radfahrende reserviert. Die Sperrung beginnt am 1. Mai und gilt nur für den Sonntag. 

Grund ist, dass man Spaziergehenden den Gehweg von Radfahrenden freihalten will. Gerade an sonnigen Sonntagen sind hier viele Menschen zu Fuß, aber auch sehr viele Menschen auf Fahrrädern unterwegs. Das klappt, aber es klappt nicht besonders gut. Viele Radfahrende checken nicht, dass sie an diesen Tagen auf die Fahrbahn müssen, weil der Gehweg (per Verkehrszeichen!) dann für sie verboten ist. Autofahrende checken durchaus, dass die Durchfahrt verboten ist: Es stehen Schranken mit eindeutigen Verkehrszeichen an beiden Enden der Straße. Viele wenden dann, viele aber wollen das nicht akzeptieren. Sie umrunden sie Sperren und fahren weiter. Reinfahren dürfen die Weinbaunern. Und die dürften sich freuen, dass sonntags die Hofener Straße für den Autoverkehr gesperrt ist. So können sie ihre Fahrzeuge bei der Lese massenhaft am Straßenrand abstellen. Was ja auch nur den Radverkehr behindert. 

Die Durchfahrt mit Autos aber ist verboten. Das interessiert notorische Verkehrsregel-Missachtende allerdings nicht. Und statt sich dem Tempo der vielen Radfahrenden anzupassen, versuchen dann auch noch etliche Autofahrer bei erster Gelegenheit zu überholen. 

Ich strecke, wenn ich den Motor hinter mir röhren höre, immer die linke Hand raus und mache eine stoppende Geste. Dann deute ich mit dem Finger hinter mich, um dem Fahrer klar zu machen, dass er hinter mir blieben muss und nicht überholen darf. Das tue ich, weil ich um die Radfahrenden, E-Scooter-Fahrenden, aber auch Skater:innen und Jogger:innen Angst habe, die uns entgegen kommen. Ich möchte nicht erleben, wie es zu einem Zusammenstoß kommt und ich den Rettungswagen rufen muss. 

Foto Blogleser Peter
Am Dienstagvormittag (3. Oktober) gegen 9:30 Uhr stand wieder mal die Polizei in der Mitte der Strecke, um Autofahrende anzuhalten, aber auch Radfahrende vom Gehweg zu holen. Gegen Mittag war sie dann weg, und ich hatte ein Auto hinter mir, dessen Fahrer die Schranke ohne Zögern Richtung Cannstatt umrundet hatte. Es waren mittags sehr viele Radfahrende unterwegs und eigentlich müsste ihm klar gewesen sein, dass er hier nichts zu suchen hatte. Trotzdem versuchte er, mich zu überholen. Blogleser Peter hat am Nachmittag in den Weinbergen gestanden und zwischen 15 und 16 Uhr 24 Kraftfahrzeuge gezählt, die illegal durch die für sie gesperrte Straße fuhren. Und er beobachtete auch, wie nicht nur einander munter überholten (ein Verkehrszeichen verbietet das Überholen), sondern auch Radfahrende. Außerdem fuhren zwei Polizeifahrzeuge durch, eines Richtung Hofen mit Signalhorn. 

Ab kurz nach 16 Uhr stand dann wieder die Polizei dort und kontrollierte die illegalen Durchfahrten mit Autos. Als 2017 wegen einer Baustelle eine Straße gesperrt war, wählten so viele Autofahrenden die Abkürzung durch die Hofener Straße, dass nach einer Dokumentation von mir, den ganzen Sommer über ein Sicherheitsdienst an den Schranken stand, der den Kampf gegen schnelle Motorrradfahrer aber gelegentlich auch noch verlor. Offenbar geht es nicht ohne Polizeikontrollen. 

Ohne Poller geht es nicht. Wenn man sich das Überwachungspersonal sparen will, dann sind versenkbare Poller die einzige Lösung. Die Anwohner:innen, die Weinbauern und der Ruderclub (der mit Bootsanhängern die Spitzkehre in die Wagrainstraße nicht machen kann, bekommen dann Sender, um die Poller zu senken. Rettungswagen natürlich auch. Dass das eine Retttungsfahrt verzögern könnte, liegt nicht an den Pollern, sondern daran, dass viele Autofahrende sich nicht an die Verkehrsregeln halten wollen und überall rein- und durchfahren, wo man keine physischen Hindernisse aufstellt. Eine andere Möglichkeit gäbe es natürlich auch, aber die ist in Deutschland noch verpönt: Man könnte Kameras aufstellen, die an Sonn- und Feiertagen im Sommer alle Durchfahrten von Autos dokumentiert und dann allen, die dazu nicht berechtigt waren, Bußgeldbescheide zustellen. 

 

12 Kommentare:

  1. Ich bin am Max Eyth See gestanden, Fahrverbot für Radfahrer, keiner hält sich dran!!

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    1. Wenn du meinen Blog liest, weißt du, dass ich so was wie "alle" und "keiner" vermeide. Die Radfahrenden, die du am Max-Eyth-See nicht siehst, halten sich an das Verbot. Um etwas Fruchtbares zu unseren Diskussionen beizutragen, wäre eine weniger generalisierende Behauptung nützlicher wie "viele halten sich nicht daran" oder "Ich habe in einer halben Stunde 10 Radfahernde" gesehen. Das klingt dann auch für uns hier nicht mehr so, als gehörtest du zu denen, die auf einen Post, bei dem es um Autofahrende geht, reflexhaft auf Radfahrnde verweist. Und wenn du meinen Post gelesen hast, hast du ja auch gelesen, dass ich die Radfahrenden erwähne, die am Sonntag illegal auf dem Gehweg radeln. Und natürlich gilt auch, was Karin kommentiert hat.

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  2. Das ist das Problem unserer Gesellschaft. alle aufgestellten Schilder werden nur noch als Empfehlung gesehen. Kontrollen mit Strafen werden als "Abzocke" betrachtet und die Polizei sollte doch erstmal "die Anderen" kontrollieren. Ich finde es gut, wenn die Polizei kontrolliert. Sie sollte viel häufiger kontrollieren (alle, nicht nur die Anderen).
    Karin

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  3. Da sind wir wieder bei dem Problem.
    Die Verkehrszeichen und Verkehrsarten werden durch alle Verkehrsarten gleichermaßen missachtet. Leider nimmt das immer mehr zu und ich würde daher ein. Bußgeld anhand dem Einkommen oder Vermögen über alle Verkehrsarten begrüßen.
    Ebenso würde ich es begrüßen, wenn dieser Blog diese Problematik allgemeiner und neutraler sehen würde.
    Man bekommt immer das Gefühl, die Radfahrenden sind Heilige und Autofahrende grundsätzlich die Bösen.
    Alle Verkehrsteilnehmer sind Menschen und über alle Verkehrsarten hinweg gibt es solche und solche Menschen. Manche Menschen halten sich mehr und manche halten sich weniger an Verkehrsregeln.
    Nur wenn man das akzeptiert und neutral berichtet kann es zu einer friedlichen Verkehrswende kommen.
    Sich gegenseitig zu beschuldigen verursacht nur Wut und bewusstes Handeln gegen die anderen Verkehrsarten.
    P.S. Ich fahre sowohl mit dem PKW als auch mit dem Rad zur Arbeit.

    Grüße Ursula

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    1. Liebe Ursula, das ist je eigentlich ein Blog, der sich mit der Situation der Radfahrenden beschäftigt. Und die ist ja nicht so gut und auch nicht problemfrei. Wenn du den Blog regelmäßig liest, dann weißt du auch, dass ich das Gehwegradeln (vor allem, wenn es verboten ist), nicht ausstehen kann. Ich finde, wie Radfahrende müssen auf Fußgänger:innen mehr Rücksicht nehmen. Aber eines ist auch klar: Die Kräfteverhältnisse sind in unserem Straßenverkehr extrem ungleich verteilt, Autos sind schwer und schnell, Verkehrsverstöße von Autofahrenden können Todesfälle zur Folge haben, und zwar Todesfälle von Radfahrenden (und Fußgänger:innen), die selbst gar keinen Fehler gemacht haben. Das ist bei Regelverstößen von Radfahrenden oder Fußgänger:innen nicht der Fall. Deshalb ist der Regelverstoß durch Autofahrende schwerwiegender, und zwar sehr viel schwerwiegender als der von Menschen zu Fuß oder auf Fahrrädern. Die Verkehrsregeln, die wir haben, sind ja nur dazu da, um die tödliches Gefahr des Autoverkehrs für andere einzudämmen.

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  4. @Ursula Es gibt einen Grund warum Autofahrer eine FahrERLAUBNIS brauchen während Radfahrer, Fußgänger, Reiter ein RECHT auf die Benutzung der Straße haben.
    Dass die Einhaltung der Regeln durch den Autofahrer als Grundlage für die Fahrerlaubnis nicht viel konsequenter überwacht, und die fortwährende Missachtung derselben nicht trotz Punktesystem u. dgl nicht viel viel öfter den Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge hat, ja dass diese so gesellschaftlich normalisiert und sanktioniert wird, ist ein Grundproblem unseres Verkehrssystems.
    Ihr Kommentar spricht leider Bände.

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  5. Ich bin hier etwas vom Thema abgeschweift, wer das nicht lesen will hat jede Freiheit diesen Kommentar zu überspringen.

    Das ist ein wirklich schönes Projekt, das zeigt, was man noch mit Flächen in der Stadt so machen kann. Das nächste Mal vielleicht mit ein paar mobilen Sitzmöbeln, dann können die Autofahrenden auch nicht so einfach durch fahren ;).

    Als Begründung für das Durchfahren kenne ich aus meiner Erfahrung das "Ich brauche aber mein Auto und bin es gewohnt, hier so zu fahren". Fakt ist: Es wäre kein Problem gewesen, an der anderen Neckarseite mit dem Auto zu fahren.

    Für Menschen, die wirklich ihr Auto bräuchten, ist aber auch nicht besonders viel Platz in der Stadt, da es kaum Ladezonen gibt (oder "Arbeitszonen" für Handwerker), bzw. Behindertenparkplätze, und wenn doch, dann sind sie in der Regel zu geparkt. Die Straßenränder sind leider all zu oft dicht mit Autos. Es gäbe wahrscheinlich auch weniger Stau, wenn weniger Menschen ein Auto hätten, wodurch andere schneller am Ziel wären. Eigentlich schade, dass nur wenige das erkennen.

    Ich muss aber auch beichten, dass ich gerade selbst am überlegen bin, ob ich mir ein Auto zu lege, ich meine: es spricht schon vieles dagegen. Auf der anderen Seite möchte ich nicht das aufgeben, was für mich meine Carearbeit ist: Für Menschen und Vereine Dinge bauen und so der Gesellschaft etwas zurück geben. Das Carsharing wird langsam zu teuer, bzw. auch schwieriger zu erreichen, da ich in den Rems-Murr-Kreis ziehen werde, und das Werkzeug und die Materialien sind einfach verdammt schwer.
    Als Alternative zum Auto habe ich auch den Carla Cargo Fahrradanhänger ausprobiert, bin ihn sogar Probe gefahren. Zur harten Realität gehört hier aber, dass ich auf den Verkehrsinseln stecken bleibe, zusätzlichen Stress mit Autofahrenden habe, einen Autoparkplatz brauche zum kurzen Abstellen, nochmal zusätzlichen Stress mit Autofahrenden habe, und manche sich generell angegriffen fühlen vom Gefährt, also nochmal Stress mit Autofahrenden habe. Das war etwas zu viel für mich, weshalb ich mir ihn leider kaufen werde. Vielleicht in der Zukunft, wenn die Infrastruktur stehen sollte, aber darüber wurde hier ja schon vor wenigen Tagen geschrieben...

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    1. Schade und ärgerlich, dass das für dich nicht funktioniert. Der Kommentar zeigt aber, wie das System MIV selbst informierte und bewusste Menschen zwingt, sich ihm anzupassen...

      Bei sehr viel Kraft und Motivation könnte man in Betracht ziehen, mit dem Lastenanhänger genau das zu tun, was nötig ist, auf der Straße zu fahren zu parken etc. und den Autofahrern so die Grenzen aufzuzeigen.

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    2. Jörg
      Es gibt hier ziemlich viele mit Autobesitzende. Carsharing Tarife sind so wie die ersten Handytarife sie schrecken von der Benutzung ab. Wenn ich nach außerhalb 1 bis 2 mal pro Woche ins Geschäft fahren wollte ist der eigene PKW ähnlich teuer. Für die höhere Verfügbarkeit muss man das Auto selber pflegen, warten, reparieren lassen und aussaugen. Die Tagesmiete vom Carsharing ist viel höher als die 5 bis 10 € die man für den eigenen PKW pro Tag rechnen muss. Wenn Du nicht so bequem wie die meisten von uns bist kannst Du es bei snapcar anderen Menschen zum mieten anbieten.

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    3. Das Abstellen von Fahrrädern auf der Fahrbahn wird von manchen Autofarhern bereits als Provokation empfunden. Ich habe das seöbst mehrfach erlebt. Gehweg mit Autos halbseitig zugestellt, also auf der Fahrbahn gestanden vor dem Gehweg und nicht drauf. Ach Gott war das ein Drama. Dass ich da zu Recht stehen könnte, wurde überhaupt nicht in Betracht gezogen. Auf der Fahrbahn wird man gefährdet und wenn man sein gefährt auf der Fahrbahn oder einem Parkplatz abstellt wird man angemacht, beschimpft, das Gefährt weggeschoben oder beschädigt. Jedenfalls hat man da entsprechend Stress. Ich habe da Verständnis, dass man das nicht immer und immer wieder mitmachen möchte.
      Karin

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    4. Ein Lastenrad mit Anhänger, das wäre schon was anderes... der Carla ist riesig, wegschieben ginge gar nicht und es wāre auch klar, dass das Ding auf der Straße stehen muss
      Aber wie gesagt, viel Kraft und Nervenstärke wäre nötig, ich weiß selbst nicht ob ich die hätte...

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  6. Es braucht keine Poller. Es braucht Kontrollen, die über ein Fingerzeig hinaus gehen. Es muss spürbar weh tun, damit man sich dran hält. Vermutlich war das dort wie überall der Fall: Die Polizei stoppt alle paar Monate mal und Erwischte werden belehrt, vielleicht gibt es noch einen Flyer, ernst nimmt das sowieso keiner, weil Folgen ausbleiben.

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