6. November 2023

Carsplaining

Wenn jemand, der nie Rad fährt, uns erklärt, dass Radfahren sicher sei, wenn wir auch mal zurückstecken würden, um Zusammenstöße von Autos mit uns zu vermeiden, und wenn wir uns edlich mal an die Verkehrsregeln halten würden, dann nennt man das Carsplaining.

 
Das ist ein Begriff aus dem Englischen, der analog zu dem bekannten Begriff "Mansplaning verwendet wird. Mansplaining beschreibt ein Verhalten von Männern, die dazu neigen, Frauen in herablassender Art die Welt zu erklären, insbesondere auch das, was Frauen wollen und brauchen. Das hat übrigens mit einem Machtverhältnis zu tun. Auf der Straße haben Autofahrende die Macht, in der Gesellschaft die Männer. 
 
Eine Vairante von Carsplaining, der ich sehr oft begegne, ist die Aussage: "Ich fahre ja selber Rad, aber ...." Man hat mir schon empfohlen, solche Leute zu fragen, wie viele Kilomter sie im Jahr mit dem Fahrrad fahren. Für entscheidend halte ich aber eher, ob jemand mehrmals in der Woche Alltagswege zur Arbeit oder zum Einkaufen radelt oder ob er/sie das Rad nur zu Touren am Wochenende rausholt und ansonsten Auto fährt. Freizeitradelnde streben meistnes aus der Stadt hinaus in Grüngebiete und erleben die kleinteiligen Schwierigkeiten mit Regeln, Radführng und Ampelschaltungen nicht.

Aus dem Auto heraus ist der Blick auf Radfahrende außerdem eher geprägt von Erschrecken oder Kopfschütteln, allerdings nur dann, wenn sie Radfahrende bei regelwidrigen Verhalten sehen. Die andern sehen sie nicht. Radfahrende die am Rand der Fahrbahn oder auf Gehwegen regelkonform vor sich hin radeln, befinden sich außerhalb der Wahrnehmungssphäre von Menschen hinterm Lenker, sind quasi nicht existent. Wie sie die Verkehrswelt, die von Autos dominiert wird, erleben, interessiert die meisten Autofahrenden deshalb nicht. Nachfragen, wäre die bessere Idee. Zuhören, verstehen und am besten selber radeln. 

Dann nämlich würden bisherige Autofahrende schnell verstehen, dass die Verkehrswelt für Radfahrende komplizierter ist als für Aufofahrende: die Radwege hören plötzlich auf und man weiß nicht, wie es fürs Fahrrad weitergehen soll, man soll Umwege radeln, die Ampelschaltungen sind langwierig, drängelige Autofahrende machen Angst und erzeugen Stress.


 

8 Kommentare:

  1. Ich bin in letzter Zeit sehr viel mit verschiedenen Menschen im Auto gesessen, wobei ich gefahren bin. Meistens bekomme ich, oder eher andere, Sprüche ab während der Fahrt nach dem Motto, Radfahrende halten sich alle nicht an Regeln, sind Aggressiv, ... Das interessante jedoch ist, dass ich aufgefordert wurden bin, den Radfahrenden mit zu wenig Abstand zu überholen, mich noch trotz Radfahrenden im Gegenverkehr in die Engstelle zu quetschen oder schneller als erlaubt durch den Verkehrsberuhigten Bereich zu fahren.
    Meine Antwort immer: du sagst doch immer: Radfahrende halten sich nicht an Regeln. Du aber hockst gerade mit einem Radfahrer im Auto, und verlangst von ihm, Regeln zu brechen. Das macht doch keinen Sinn.

    Das schöne war sogar, dass ich Mitfahrende verblüffen konnte, als sich der Radfahrende bei der Engstelle bedankt hat, oder als ich einfach nur zurück gesetzt habe bei einer wirklich bescheiden zum einsehenden Mündung, wo man auf dem benutzpflichtigen Geh-und Radweg stehen muss, um etwas sehen zu können.

    Zugegeben: ich habe auch etwas Aufmerksamkeit auf Fahrradfahrenden gelenkt, die wirklich ein schickes Fahrrad haben und oben hinaus alles wiederlegt haben, was sonst so vorgeworfen wird.

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  2. Was ich generell doof finde: ich habe das Gefühl, ich werde mit PKW ernster genommen, als wenn ich nur mit dem Fahrrad komme. Es fällt mir dann auch leichter, eine Diskussion zu versachlichen. Dabei sage ich das gleiche und denke das gleiche.

    Das ist aber nicht überall gleich, in Stuttgart geht es, während es auf dem Land eher schlimm wird.

    So blöd es klingen mag, oder sogar ist: in diesem autozentrierten Land hat man es leichter mit einem PKW für Umweltschutz einzustehen als mit dem Fahrrad, trotz gleicher Forderungen meiner Ansicht nach.

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    1. Danke für die Beobachtungen. Mir ist schon aufgefallen, dass auch Leute, die viel Rad fahren, wenn sie im Autos sitzen, sich so verhalten, dass Radfahrende Angst bekommen müssen, zu dicht auffahren zum Beispiel, sodass sich bergauf der Radfahrer, die Radfahrerin, gehetzt vorkommen muss. Ich denke, das Verkehrsmittel, das wir benutzen, bestimmt schon auch die Perspektive auf die anderen. Man muss sehr reflektiert sein, damit das nicht passiert und man sich einerseits als Radfahrerin so verhält, dass man für Autofahrende berechenbar ist und als Autofahrende so, dass man Radfahrenden nicht Angst macht.

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    2. Langsam bergauf fahren mit einem Auto hinten dran, das nicht überholen kann, ist ein spezielles Stuttgarter Problem, das kennen die Flachländer so nicht.
      Formal, sprich wenn man die 1-Sekunden-Regel anlegt, dürfte ein Autofahrer bergauf bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h in 2,8 Metern Entfernung hinter einem Radfahrer herfahren. Ich kenne niemanden, der das nicht als Hetzen empfinden würde. Aber so nahe fahren die Autofahrer auch nicht, da ist meistens eine Autolänge dazwischen.
      Ich kenne das selber im Auto, dass sogar 2 bis 3 Autolängen bei Radfahrern immer noch Stress auslösen. Man merkt das am hektischen Umschauen, oder am knapp rechts fahren, um Platz zu schaffen. Erst wenn ich über 10-20 Sekunden konsequent dahinter bleibe, wird die Situation entspannter.
      Dafür habe ich dann Autofahrer hinter mir, die ich im Rückspiegel fast nicht mehr sehe, weil sie so nah dran sind.
      Ich weiß keine rechte Lösung für dieses Problem, die Autokultur des flüssigen Vorankommens passt einfach nicht zur langsamen Bergauffahrt. Vermutlich wird sich das erst durch die größere Zahl der Radfahrer ändern, aber das bedeutet im Umkehrschluss auch Frustration und Polarisierung bei den Autofahrern. Merkt man an den heulenden Motoren, wenn sie endlich überholen können.

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  3. Ich habe mir angewöhnt, nicht mehr zu diskutieren. Eine Erklärung was nicht passt, bei Entgegnung kommt der Hinweis auf die Lage des nächsten Polizeireviers und der Tipp sich dort die Verkehrsregeln erklären zu lassen, alternativ wäre die Absolvierung eines Führerscheins auch nicht schlecht, dort würde man die Verkehrsregeln lernen. Und dann einfach stehen lassen. Man regt sich dann einfach nicht mehr so auf.
    Karin

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  4. Jörg
    Lustig wird es wenn man Menschen motiviert hat mit Rad ins Geschäft zu fahren. Das ist während Corona bei einigen passiert. Dann konnten sie merken wie schlimm die Situation ist.
    Nach meiner Beobachtung fahren die meisten Freizeitradler fair gegenüber Radfahrenden. Teilweise überhohlen sie "italienisch" langsam mit geringen Abstand. Das ist eine Angewohnheit von früher und sie akzeptieren als Radler den italienischen Überhohlvorgang.
    Ich treffe nur noch selten auf Leute die mir die Autoperspektive schildern. Am besten ist es die Situationen und die Wege Straße, Gehweg Rad frei, dicke Straße etc. an seinen eigenen Strecken zu beschreiben und zu erklären.
    Wenn man in "feindlicher" Umgebung ist greift man lieber an. Warum gibt Blitzer? Wahrscheinlich weil sich alle an die Regeln halten - hmm. Falschparken und alles wie blöde zustellen das man nicht mehr durch kommt ist wohl in Ordnung? Rasen auf der Autobahn sind Heldentaten?

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  5. Ja, gerne in Engstellen in denen ich schon drin bin oder das Hindernis auf der anderen Fahrbahnseite ist wird eingefahren und ein Anhalten erzwungen, um mir per Du irgendeinen dummen Spruch reinzudrücken. Oder auf offener Fahrbahn oder an der Ampel durch schräges davor stellen.
    Jetzt weiß ich, wie das heißt, danke ;)
    Gruß Georg

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  6. Als BKF sehe ich mehr als die einfachen Autofahrer die nur zur Arbeit und abends wieder heim fahren. Ich bin schon geschockt wenn ich morgens um halb sechs fast einen Radfahrer überfahre weil er ohne Licht unterwegs ist. Dazu kommen die sonstigen Verstöße mit dem wechseln von der Straße auf den Gehweg und nach der roten Ampel wieder zurück auf die Straße....bergab Autos überholen in einer 30er Zone usw......ich will nicht abstreiten, daß es Radfahrer gibt die sich an Regeln halten, aber es ist die Minderheit......leider gibt es auch Autofahrer die sich an keine Regeln halten.....irgendwie ist da ein Fehler im System der sich nicht korrigieren läßt.
    ....

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