19. Januar 2024

Schmale Straße für Radfahrende sperren geht nicht

Das hat das Verwaltungsgericht Leipzig entschieden. Gemeinden können Fahrbahnen nicht einfach für Radfahrende sperren, wenn sie sie so schmal sind, dass Autofahrende die Räder nicht überholen können.

In Groitzsch im Landkreis Leipzig hat, wie der ADFC berichtet, die Gemeinde 2021 eine schmale Kommunalstraße (die Kippenstraße), die von wenigen Autos befahren wird, für Fahrräder gesperrt. Dagegen hat ein Mitglied des ADFC Widerspruch eingelegt, doch die Gemeinde wollte das nicht hören. Sie argumentierte, wegen des Überholbstands von 1,5 Metern sei die Straße zu schmal als dass Lkw-Fahrende regelkonform überholen könnten. Verhandlungen führten zu keiner Lösung. Darauf hin hat der ADFC eine Klage unterstützt. Das Verwaltungsgericht Leipzig gab dem Kläger im August Recht.

Kippenstr. Groitzsch. Quelle GoogleMaps
Eine schmale Straße stellt demzufolge keine besondere Gefahr dar, die eine Sperrung für den Radverkehr rechtfertigen könnte, auch nicht, wenn dort Lastwagen fahren. Eine Gemeinde kann eine Straße nicht einfach für den Radverkehr sperren, um den Verkehrsfluss für Autofahrende zu erhöhen. Das stellt kein gültiges Kriterium nach § 45 Abs. 9 StVO dar. Vor allem, wenn auf dieser Straße nur wenig Auto gefahren wird und wenn auf der Straße bereits eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h gilt. Die Stadt hat nach Ansicht des Gerichts die Interessen von Radfahrenden nur unzureichend bei ihren Erwägungen berücksichtigt. Das Urteil ist seit Oktober 2023 rechtskräftig. 

Das ist ein Erfolg, der Signalwirkung für andere Kommunen haben dürfte. In Stuttgart kenne ich nur Einbahnstraßen, die in Gegenrichtung für Radfahrende nicht freigegeben wurden, weil sie von der Stadt als zu schmal für den Begegnungsverkehr angesehen werden. Und ich kenne die Straße Im Schellenkönig, die nur für Anlieger frei ist, nicht aber für die Durchfahrt von Radfahrende - egal in welcher Richtung -, weil sie als zu schmal und kurvig für den Begegnungsverkehr angesehen wird. Man geht davon aus, dass Radfahrende, die dort wohnen oder zu Besuch hinfahren (also Anlieger:innen sind) die Gefahrenstellen kennen, nicht aber Radfahrende, die da durchradeln und womöglich ortsfremd sind. 

Allerdings ist beispielsweise die durchaus viel befahrene Cannstatter Straße zwischen Neckartor und Schwanenplatztunnel als Kraftfahrstraße ausgeschildert und damit - auch per Zusatzschild - für Radfahrende gesperrt. Mir scheint das eine Reminiszenz aus den Zeiten, da man dort noch 80, dann 60 und schließlich 50 km/h fahren durfte. Jetzt aber darf man auf ihr nur noch 40 fahren. Und andere Tempo-40-Straßen, etwa die Hohenheimer Straße oder die Neue Weinsteige sind nicht nur nicht für Radfahrende gesperrt, sondern müssen sogar benutzt werden, denn die Gehwege sind nicht freigegeben. Warum also nicht auch die Cannstatter Straße? Eine Antwort darauf fällt mir ein: Durch den Tunnel will man die Radfahrenden nicht lassen, dort wird 50 gefahren und dort wechseln Autofahrende die Spure und biegen rechts Richtung B10 gen Esslingen ab. Das ist durchaus gefährlich für Radfahrende. Sie müssten also zwingend an der Villastraße rechts abbiegen. Und wer dann weiter Richtung Leuze will, müsste dabei auf die Fußgängerinsel zum Fußgängerübeweg Richtung Schlossgarten abfahren. Und wenn man von Cannstatt her kommt, kommt man gar nicht auf die Cannstatter Straße stadteinwärts. Man könnte natürlich dafür auch eine Radspur einrichten. Aber soweit sind wir noch nicht. Zumal die Cannstatter Straße demnächst wegen Kanalarbeiten Fahrspuren verliert. Erst danach wird die Befahrbarkeit der Cannstatter Straße mit Fahrrädern geplant. Einen Auf- und Abgang in den Schlossgarten muss dafür gefunden werden. 



19 Kommentare:

  1. " In Stuttgart kenne ich nur Einbahnstraßen, die in Gegenrichtung für Radfahrende nicht freigegeben wurden, weil sie von der Stadt als zu schmal für den Begegnungsverkehr angesehen werden. "
    Und sind sie wirklich so schmal, das sie auch ohne "ruhenden KFZ-Verkehr" "zu schmal" sind ? Oder sind da Lagerplätze für Autos wichtiger als Radfahrer ?

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    1. Genau so. Meistens hängt es daran, dass links und rechts (oder nur auf einer Seite) zu viele Autos stehen. Wobei die Proteste der Anwohnerschaft meistens heftig sind, wenn man versucht, da was zu machen, und dann stimmt die SPD im Gemeinderat nicht mehr dafür, und die Radverkehrswilligen haben keine Mehrheit.

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    2. Oder anders formuliert: Man kann dem Radverkehr einen ähnlichen, einbahnstaßenbedingten Umweg wie dem Autoverkehr regelmäßig nicht zumuten, um von A nach B zu kommen. Anwohner dürfen aber gern einem unter Umständen deutlich weiteren (Fuß)Weg zum nächsten Parkhaus bzw. zur nächsten Abstellmöglichkeit für ihr Kfz zustimmen.

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    3. Ja, denn: Als Kleintierzüchterin darf ich meinen Kaninchenstall nicht einfach im öffentlichen Raum abstellen, als Schreiner darf ich mein Holz nicht im öffentlichen Raum lagern, etc. Nur Besitzerinnen und Besitzer von Autos meinen, immer und überall ein Anrecht darauf zu haben, den öffentlichen Raum mit ihrem Eigentum in Beschlag zu nehmen.
      Hubert

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    4. Sind Fahrräder, die den öffentlichen Raum in Beschlag nehmen, Volkseigentum?

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    5. Äpfel=Birnen.
      Ein Auto = 15-20 Fahrräder. Außerdem lässt man Fahrräder nicht routinemäßig nachts draußen auf der Straße stehen.

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    6. Hey Anonymus, ein bisschen wohl schon. Hab mein Rad mal am Straßenrand abgestellt. Als ich wiederkam wurde es beiseite getragen und ein Auto stand dort… Gruss Frank

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    7. Und ich habe schon erlebt, dass Fahrräder so abgestellt wurden, dass die Seitentür oder Heckklappe nicht mehr geöffnet werden konnte.

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    8. Hallo Udo,
      hört sich ja fast schon schlimm an. So etwas habe ich jedenfalls bislang nur von Autofahrenden erlebt. Und so einen Pkw lupfe ich nicht geschwind auf die Seite.
      Thomas

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    9. Stimmt. Die Autofahrer, die beim nebeneinander Parken nur darauf achten, dass sie selbst bequem aus-/einsteigen können und sich nur begrenzt um den Abstand auf der anderen Seite kümmern, habe ich auch lieb. Wenn Fahrräder aber an einer Laterne oder einem Verkehrszeichen angeschlossen sind, kann man sie auch nicht mal eben weglupfen.
      Was ich aber eigentlich sagen wollte, ist, dass man die Rücksichtslosen in allen Fraktionen finden kann.

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    10. Hallo Udo,
      ein Fahrrad, welches an einer Laterne oder an einem Verkehrszeichen angeschlossen ist, steht zwangsläufig auf dem Gehweg. Und behindert so allenfalls den Fußverkehr, keinesfalls den MIV.
      Wo ich dir zustimme, ist, dass es Rücksichtslose gibt, welche unterschiedliche Verkehrsmittel wählen.
      Und wenn mich irgendwann jemand über den Haufen fährt, hoffe ich, dass er/sie mit dem Fahrrad unterwegs ist (und nicht mit einem Pkw).

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    11. Hallo Udo, schön dass du meinen Punkt voll verstanden hast … ;-) Gruß Frank

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  2. Auf den Fall, dass Fußgänger behindert werden, wollte ich gar nicht eingehen. Aber auch das erlebe ich regelmäßig. Allerdings ist nach meinem Empfinden hier die E-Scooter-Fraktion marktführend.

    Bevor ich versuche, das Blockieren in Worten zu beschreiben, hier ein exemplarisches Bild: https://www.ka-news.de/storage/image/2/1/3/6/1866312_ka-2022-644x0-966w_1A8_aF_lINieq.webp

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    1. Vielen Dank für das Bild. Zeigt es doch höchst anschaulich den Bedarf für Fahrradabstellplätze auf der Straße, mit Bügeln zum Anschließen.
      Thomas

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    2. Hallo Udo, genau das war ja mein Punkt: ich stelle mein Fahrrad bewusst so ab, dass es nicht den Gehweg zustellt (konkrete Situation: Eisdiele Degerloch, schmaler Gehweg, viele Fussgänger, Warteschlange). Autofahrende trägt es weg… und stellt es, nebenbei bemerkt, dass es wirklich im Weg steht…

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  3. @marmotte27: Der Kommentar bezog sich lediglich auf die haltlose Behauptung, dass NUR Besitzer von Autos den öffentlichen Raum in Anspruch nehmen. Das hat weder mit der Größe noch der Tageszeit zu tun. Da braucht man kein Obst ins Spiel bringen.
    Dass 15-20 Fahrräder einem Auto entsprechen, finde ich schon optimistisch. Selbst der ADFC spricht eher von acht bis zehn Fahrrädern pro Auto-Stellplatz. Im Übrigen werden sie überrascht sein, wie viele Fahrräder auch nachts draußen stehen. Einfach mal darauf achten.

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    1. Jetzt müssen Sie schon ein "nur" da hinein konstruieren, damit ein Anschein von Logik entsteht. Jeder nimmt direkt oder indirekt öffentlichen Raum in Anspruch, es geht darum, ob man es über Gebühr tut.. Da in irgendeiner Weise eine Äquivalenz zwischen Radfahrern und Autofahrern zu postulieren ist intellektuell mehr als unredlich.

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    2. Hab noch nie erlebt, dass eine Straße zur Einbahnstraße erklärt wurde, weil da so viele Fahrräder parken. Wegen geparkter KFZ wird das ja ständig gemacht. Macht halt einen Unterschied, ob da 60cm am Rand stehen oder 220.

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  4. Löwentorstr. runter zur Bahnstrecke ist auch verboten. Parallel (aber weit genug weg für Benutzungspflicht) ein Geh-/Radweg der längst nicht so flüssig geht. Bergauf kann ich es noch verstehen, beraugab ist es Gängelung für schnelle Radfahrende.


    https://maps.app.goo.gl/TwAAb7AFWBE32qx78

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