6. Mai 2025

Der Autoterror auf Stuttgarts Straßen muss aufhören

Am Freitag, dem 2. Mai ist in Stuttgart gegen 18 Uhr am Olgaeck der Fahrer eines schweren Mercedesgeländewagens in eine Gruppe von Fußgänger:innen gefahren, die auf der Verkehrsinsel an der Stadtbahnhaltestelle warteten. 

Eine 46-jährige Frau starb wenig später im Krankenhaus,  sieben Menschen wurden teils sehr schwer verletzt, darunter fünf Kinder. Der 42-jährige Fahrer war mit seinem kleinen Sohn vom Charlottenplatz kommend geradeaus bergauf Richtung Degerloch unterwegs. Warum er nach dem Überqueren der Kreuzung Olgastraße von der Fahrbahn abkam, ist der Presseöffentlichkeit noch unbekannt.  Den Presseberichten zufolge fuhr er in das Z-Schranken-Gitter der Verkehrsinsel an der Haltestelle, nietete das Gitter um, überfuhr Menschen und kam erst am Geländer der Treppe zum Bahnsteig zum Stehen. Dieses Geländer ist ebenfalls verbogen. Die Bildzeitung vermutet, dass der Fahrer wieder zurückgesetzt hat und dabei die schon Verletzten erneut überfuhr. Der Wagen jedenfalls stand nach dem Unfall wieder auf der Fahrbahn vor der Verkehrsinsel. 

Ich bin seit Tagen entsetzt und aufgewühlt. Ich stelle mir das Grauen vor, das die Kinder und viele Umstehende erlebt haben. Ich traure mit den Hinterbliebenen der Toten und bange mit den Kindern und deren Eltern. 

Ungefähr hundert Menschen sind seit Freitag auch schwerst traumatisiert, allemal die fünf verletzten Kinder, die noch lange, womöglich ihr Leben lang mit den Folgen dieses Fehlverhaltens eines Autofahrers zu kämpfen haben werden. Wie sollen sie jemals wieder Vertrauen in den Straßenverkehr gewinnen, dem sie täglich ausgesetzt sein werden? Eine Familie betrauert außerdem den Verlust eines Mitglieds. Ich sah auf den Fotos diesen absurd großen und schweren Geländewagen, dessen Fahrer ihn offensichtlich nicht beherrschte. Ich denke, nur mit so einem schweren Fahrzeug (2,5 - 3 Tonnen) kann man eine derartige Zerstörung anrichten, auch falls man nicht zu schnell gefahren ist. (Ob der Fahrer schneller als die erlaubten 40 km/h fuhr, ist nicht öffentlich bekannt.) Dass einer mit großer Wucht in uns hineinfährt, die wir uns auf Fußgängerinseln drängen, an Fußgängerampeln warten oder auf Gehwegen gehen - uns also in unserem Fußgängerbereich aufhalten - , damit müssen wir, die wir nicht im Auto unterwegs sind, immer rechnen. Wo auch immer wir stehen oder gehen oder radeln, immer sind wir dieser tödlichen Gefahr ausgesetzt, jeden Tag. Das nenne ich hier den systematischen Terror des Autoverkehrs gegenüber allen, die nicht im Auto sitzen.*

Das grenzt an Terror. Es ist Terror. Solche verheerenden Autounfälle geschehen selten (zwei weitere mit Todesfolge für Menschen zu Fuß aber gab es an dieser großen Kreuzung). Aber auch Terrorangriffe, bei denen ein Mann das Auto als Waffe missbraucht, sind sehr selten. In Stuttgart stehen jedoch überall Terrorsperren, die uns vor absichtlichen Angriffen mit Autos schützen sollen und uns nebenbei vor Augen führen, wie tödlich Autos und deren Fahrer für uns werden können. 

Das darf so nicht bleiben. Das können wir nicht mehr still hinnehmen. Der Autoterror auf Stuttgarts Straßen muss aufhören. Wir müssen uns ernsthaft alle zusammen (Politik und Stadtgesellschaft) fragen, welche Geschwindigkeiten wir dem Autoverkehr gewähren wollen, wie gefährlich er sein darf und wie viele Menschen, darunter viele Kinder, wir dem ungebremsten und ungehinderten Autoverkehr opfern wollen. Auch solche nicht beabsichtigten, aber durch riskantes Fahrverhalten begünstigte Todesfahrten gehören zu dem Terror, den der Autoverkehr in unserer Stadt verbreitet, jeden Tag und insbesondere gegen Leute, die nicht in Autos sitzen. Das müssen wir endlich anerkennen, als Gesellschaft und als politische handelnde Menschen. Und wir müssen etwas dagegen tun. 

Wie aus der folgenden Pressemitteilung von sieben Stuttgarter NGOs hervorgeht, ist für kommenden Freitagabend (9. Mai) eine Trauer-Demonstration geplant. Die PM ist von der Stuttgarter Zeitung gestern aufgegriffen worden. 

Hier die Pressemitteilung:

Wieviele Menschen müssen noch sterben oder zu Schaden kommen bis sich die Verkehrspolitik in Stuttgart ändert?

Am Freitag ist ein Autofahrer am Olgaeck in den Z-Übergang hineingefahren und hat dabei mehrere Menschen überfahren. Eine Frau verstarb im Krankenhaus, es gibt mehrere Schwerstverletzte, darunter auch viele Kinder. Wir möchten den Angehörigen unser tiefstes Mitgefühl aussprechen.
Schlimm ist es, dass dies nicht der einzige tödliche Unfall an der Kreuzung Olgastraße/Charlottenstraße in diesem Jahr war. Bereits am 8. März 2025 ist eine Fußgängerin von einem Klein-LKW-Fahrer angefahren worden und später im Krankenhaus verstorben. Ein dritter tödlicher Unfall an dieser Kreuzung liegt nur wenige Jahre zurück. Am 10. Juli 2021 wurde ein Fußgänger von einem Autofahrer angefahren und ist danach ebenfalls im Krankenhaus verstorben.
Ein Blick in den öffentlichen Unfallatlas zeigt sehr viele weitere Unfälle an dieser Kreuzung in den Jahren 2016 bis 2023. Jährlich passieren hier bis zu sechs Unfälle mit Personenschaden, teils mit Schwerverletzten.
Genau über diese Kreuzung führen die von der Stadt empfohlenen Schulwege zur Jakobschule und zur Galileoschule. Mehrfach haben Eltern diese Stelle bereits als unsicher und gefährlich gemeldet.
Wir halten die Kreuzung für gefährlich und nicht verkehrssicher. Menschen zu Fuß haben nicht genug Platz, Autos fahren zu schnell. Metallgeländer und Blinklichter schützen offensichtlich nicht. Das darf so nicht bleiben!
Wir fordern den Gemeinderat auf, jetzt ernsthaft zu diskutieren, welche Geschwindigkeit Autos in unserer Stadt fahren sollen und wieviel Flächen die Menschen brauchen, die nicht in Autos sitzen. Und wir wünschen uns dringend Tempo 30 als erste Maßnahme. Wir erwarten von der Politik, dass sie unsere Kinder und alle anderen Menschen jetzt endlich schützt.
Für Freitag nachmittag planen wie eine Demo am Olgaeck, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Medienkontakt: Ulrich Heck, VCD Stuttgart: Email: ulrich.heck@vcd-stuttgart.de Mobil: 0172 7125437


Gezeichnet (in alphabetischer Reihenfolge):

ADFC Stuttgart
Fuss e.V.
Kidical Mass Stuttgart
Kesselbambule
Naturfreunde Radgruppe Stuttgart
VCD Stuttgart
Zweirat Stuttgart

* Was ist Terror? Auf Facebook wird mir vorgeworfen, den Begriff Terror falsch zu verwenden. Terror heißt zunächst einmal nur Angst und Schrecken. Terror kann man aushüben durch gezielte Gewalt und durch ständige Androhung von Gewalt gegen Menschen nicht zur Gruppe der Mächtigen gehören. Dahinter steckt eine (unredliche) politische Absicht. Hinter der einzelnen Fahrt eines Autofahres steckt meist keine politische Absicht. Unfälle dieser Art werden nicht absichtlich herbeigeführt. Allerdings werden sie durch die Entscheidung, so ein Auto zu fahren und durch unser Verkehrssystem begünstigt. Und hinter der Gestaltung unserer Verkehrswelt steckt eindeutig eine politische Absicht. Es bevorzugt das Auto, gibt ihm viel Platz, damit der Autoverkehr schnell fließt, und drängt den Fuß- und Radverkverkehr an den Rand. Wer kein Blech um sich herum hat, ist immer gefährdet. Und entscheiden sich Fahrer für Autorennen oder viel zu schnelles Fahren, dann sterben auch mal Menschen in kleineren Autos. Und zwar ohne jegliche Chance, den Crash zu vermeiden. Deshalb klagt man solche Fahrer inzwischen auch des Mordes an. 

Der Fußverkehr ist jedoch immer gefährdet. Das eigene Leben ist auch dann in Gefahr, wenn man selbt keinen Fehler gemacht hat. Unser Verkehrssystem ist so aufgebaut, dass kleine Fehler von Autofahrenden große und schlimme Folgen haben können. Wir erlauben unverhältnismäßig große und schwere Privat-Autos in unseren Städten, wir machen weder Abbiegeassistenten noch Geschwindigkeitsbegrenzer in unseren Autos zur Pflicht (bei E-Scootern gibt es Geschwindigkeitsbegrenzer), wir regeln beispielsweise Kreuzungen nicht so, dass Autofahrende beim Abbiegen niemanden überfahren können. 

Es gäbe eine einfache und schnell umzusethzende Möglichkeit, das Risiko, das von Autos für alle ausgeht, die nicht im Auto sitzen, zu verringern, nämlich durch Tempo 30 in Innenstädten. Das senkt nachweislich die Zahl der getöteten und schwer Verletzten im Straßenverkehr deutlich. Diese Maßnahme aber ergreifen wir nicht. Und obgleich eine Umfragemehrheit der Deutschen für ein Tempolimit auf Autobahnen und Landstraßen ist, weigert sich die Politik, dies auch nur zu diskutieren. Das Auto ist bei uns mit einem Freiheitsbegriff verbunden, der auf Kosten derer geht, die am Rand der Straßen unterwegs sind. Schwere und schnelle Autos werden außerdem von einer sehr wohlhabenden Minderheit gefahren. Es ist also eine Politik für eine Minderheit, die den Schutz der Mehrheit hintanstellt.  Und dies ist, da es nicht geändert wird, gewollt. Das nenne ich den systemischen Terror des Autoverkehrs. 

Nachtrag, 14. Mai 25: Die Kontext Wochenzeitung hat mich gebeten, aus dem Blogtext einen Artikel zu machen, in dem ich auch über den Gedenkmarsch berichte und den ihr hier nachlesen könnt. Er erschien heute. Und genau an diesem Tag kam aus München die Nachricht, dass die Studentin ihren schweren Verletzungen erlegen ist, die von einem SUV-Fahrer überfahren wurde, der in eine Haltestelle raste und noch zwei weitere Menschen verletzte. Meine Gedanken sind bei ihren Angehörigen. Es sollte nicht solche fürchterlichen Anlässe geben, dem Thema der Verkehrsgewalt Aufmerksamkeit zu verschaffen. Aber leider ist es so. Und leider wendet sich die Öffentlichkeit nach ein paar Tagen wieder anderen Themen zu, und unsere Forderung nach Tempo 30 überall dort, wo viele Fußgänger:innen gehen, als erster schneller Maßnahme, verhallt ungehört. 

Nachtrag, 25 Mai 25: Es kommt die Nachricht, dass in München eine 79-Jährige Frau an den Folgen ihrer Verletzungen gestorben ist, die der SUV-Fahrer in München verursacht hat. Damit hat der Fahrer zwei Menschen getötet. Der Spiegel braucht in seinem Artikel sehr lange, bis er sich vom Auto als Akteur löst und benennt, dass es einen Fahrer gegeben hat. 


23 Kommentare:

  1. SUVs sind Bergepanzer gleich und gehören endlich im Stadtverkehr verboten. FörsterInnen, LandwirtInnen und ggf. JägerInnen sind die einzigen, die geländetaugliche Fahrzeuge benötigen. Im Stadtverkehr sind sie gefährlich, umweltbelastend und brauchen viel zu viel Platz.

    AntwortenLöschen
  2. Ich habe den Artikel auch mit Entsetzen gelesen. Ich frage mich immer wieso man nicht einfach etwas geduldiger im Verkehr sein kann, dann wird es für alle entspannter und sicherer.
    Wir hatten hier vor Jahren einen ähnlichen Vorfall, allerdings ohne Tote und mit weniger Verletzen. Hier kam ein Poser aus einer Seitenstrasse (30er Zone) rausgerast, hat die Kurve nicht bekommen (rausgeflogen) und dann einen auf dem Gehweg wartenden Fußgänger umgefahren. Wäre er normal gefahren, wäre niemandem etwas passiert.
    Ich würde mir wünschen, dass es Maßnahmen geben würde, die das verhindern könnten, aber ich befürchte Geschwindigkeitsbeschränkungen o.ä. helfen nichts. Die Hirnlosen, die sich nicht daran halten, wird es wohl immer geben. Ob Androhung höherer Strafen (event. sogar Knast) helfen, sei auch dahin gestellt. Im Prinzip müsste man die potentiellen Raser irgendwie vorher raussortieren, oder statt Strafen konsequent Verkehrsunterricht anordnen (geht lt. StVO §48). Vielleicht hilft das eher als Geldbuße und dann bei der zweiten Anordnung Androhung MPU und bei der dritten ->MPU. Ich glaube mit den Geldbußen kommen wir auf Dauer nicht weiter. Den Verkehr haben Geldbußen nicht sicherer gemacht. Über die Geldbuße wird geschimpft, aber zu einer Verhaltensänderung führt sie nicht.
    Karin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Die erste Maßnahme ist Tempo 30 in Städten, das reduziert Todesfälle unter Menschen, die nicht in Autos sitzen, bereits deutlich. Und wer schneller fährt, muss geblitzt werden und verliert dann schnell erst einmal den Führerschein.

      Löschen
  3. https://road.cc/content/news/cyclists-44-cent-more-likely-be-killed-suvs-313839

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Und auch:
      https://road.cc/content/blog/how-stop-road-violence-look-how-we-dealt-guns-313829

      Löschen
    2. In Paris ist gerade der Bericht des Rapporteurs vorgestellt worden, der nach dem Mord an dem Radfahrer Paul Varry durch den Fahrer eines SUVs letzten Herbst beauftragt worden war, Maßnahmen gegen die Gewalt im Straßenverkehr zu erarbeiten.
      Herausgekommen ist ein zahnloser Papiertiger, der schon im Ansatz die systemische Natur der Gewalt im Straßenverkehr verneint.
      https://cyclismepourtous.com/wp-content/uploads/RAPPORT-BARBE.pdf

      Löschen
  4. Solange ich als Autofahrer Regeln konsequenzlos oder allenfalls konsequenzarm übertreten kann, werde ich es genau so weitermachen. Diese Verhaltensanpassung ist nur allzu menschlich. Sie entspricht unserem Lernverhalten.
    Die Stadt fördert dies u.a. durch Nichtstun:
    https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.mutter-bittet-stadt-stuttgart-um-hilfe-radlerin-fuehlt-sich-im-schwabtunnel-von-autos-bedroht.c273d655-6456-40b5-84f0-25cb88a0632d.html
    Thomas

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Und was tut die Stadt? Sie gibt die Gehwege wieder zum Radeln frei, was die Fußgänger:innen stresst. Alle Versuche, den Schwabtunnel für den privaten Autoverkehr zu sperren - was man ja könnte, denn Autos haben soooo viele Straßen zur Verfügung - sind bisher im Bezirksbeirat und im Gemeinderat gescheitert.. Eigentlich würde ich im Fall Schwabtunnel neben der Stadt (dem Ordnungsamt) auch der Stadtpolitik Untätigkeit vorwerfen.

      Löschen
    2. Schwabtunnel ist wirklich gefährlich und unangenehm zu fahren (fahre jeden Tag).

      Löschen
  5. Ja, Entsetzen ist das was einen packt, wenn man von solchen Unfällen hört, und oft Wut, weil solche Vorfälle üblicherweise weder für den Fahrer noch für die Verantwortlichen der Verkehrsplanung echte Konsequenzen hat.
    Die Masse des Fahrzeugs ist tatächlich auch schon wurscht, wenn man die Kollision mit einem Fußgänger betrachtet. Ob das Auto 10 oder 25mal die masse des Fußgängers hat, ändert sehr wenig an den Kräften denen der Fußgänger ausgesetzt ist, das ist einfach so , dass auch ein Kleinwagen ausreicht, dass bei einer Kollision mit einem Fußgänger das Auto quasi keine Impulsänderung erfährt und der Fußgänger die vollständige Impulsänderung,
    D.h in der Konsequenz: dort wo sich KFZ und ungeschützte Verkehrsteilnehmer regelmäßig begegnen, sollte die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt werden, Denn das ändert bei jeder Fahrzeugmasse die Auswirkungen auf die anderen.
    Wenn man eh nur 30 fahren dürfte ist ein ein Beschleunigungsvorgang bei dem man die Kontrolle verliert, so gut wie ausgeschlossen, maximal auf Eis kann ein Fahrzeug da noch unbeherrschbar werden.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Immerhin weiß man, dass Zusammenstöße von SUVs mit Fußgänger:innen für diese öfter tödlich ausgehen als mit normalen Pkw. Und hier stand ein Stahlgeländer rund um die Verkehrsinsel. Ich selber kann nicht beurteilen, ob die schiere Masse des Fahrzeugs hier eine Rolle spielte, stelle mir aber schon vor, dass ein Smart weniger Verheerung angerichtet hätte. Ich plädiere auch nicht für ein SUV-Verbot, sondern vor allem für Tempo 30 sofort überall, wo Menschen zu Fuß direkt an der Fahrbahn gehen oder stehen.

      Löschen
    2. Ich habe nur mal die Grenzfälle des Zusammenstoßes berechnet (elastischer Grenzfall und plastischer Grenzfall). Dabei zeigt sich, dass die Beschleunigungen die der leichtere Körper erfährt, und damit auch die Kräfte die auf den wirken müssen, kaum noch größer werden wenn das Massenverhältnis mal 10 zu 1 übersteigt, viel wichtiger ist die Gestaltung der Fahrzeugfront.
      Wie viel Energie das Geländer aufgenommen hat, habe ich natürlich nicht berücksichtigt. Meine Aussage war eher pauschal auf Unfälle zwischen Fußgängern bzw RAdfahrern und KFZ auf der anderen Seite bezogen.
      SUVs, und besonders so kastige Teile wie die G Klasse sind außerdem noch so hoch, dass erwachsene Menschen nicht kippen weil ihnen die Beine unterm Schwerpunkt weg gezogen werden, sondern den vollen Stoß abbekommen. Wer kippt und dann über die Motorhaube gleitet erfährt weniger heftige Beschleunigungen an den lebenswichtigen Körperteilen, hat also deutlich höhere Chancen.
      Ich bin auch kein Fan von SUVs, fahre als PKW aber selber einen BUS, der in der Beziehung nicht besser ist. Nur der Bus hat halt viele Sitzplätze und gleichzeitig noch viel Transportvolumen und das brauchen wir halt für die ganze Familie.
      Ich denke die SUV Diskussion ist aber die falsche, es sei denn man fragt was so ein Auto mit der Geschwindigkeit überhaupt dort verloren hat. Es ist nicht leicht als gesunder erfahrener Fahrer in einer solche Situation derart die Kontrolle über ein KFZ zu verlieren, dazu muss man im Vorfeld schon ein Fahrmanöver versucht haben, dass dort nicht notwendig oder auch nur irgendwie sinnvoll ist.

      Löschen
    3. Ich habe oben einen Artikel verlinkt, der eine Studie referiert, welche zeigt, dass SUVs klar tödlicher sind. Ob nun wegen Masse oder Form ist doch völlig egal, im Zweifelsfall ist es beides. Und Tempobegrenzungen können und werden auch überschritten, und gerade von Menschen mit einer Hoppla-jetzt-komm-ich-Mentalität.
      Wir brauchen
      - Tempolimits
      - bauliche Veränderungen, die Geschwindigkeiten begrenzen
      - vernünftige Infrastruktur für vulnerable Verkehrsteilnehmer
      - eine Verkehrspolitik die zu weitgehend autofreien Stadt- und Dorfzentren sowie Wohnvierteln führt
      - Verbote und alle sonstige Maßnahmen, die dazu führen, dass solche Vehikel nicht mehr gekauft werden

      Löschen
  6. Geht's nicht trotz aller Wut über den schrecklichen Unfall eine Nummer kleiner?

    Wäre es Terror, würde das im Aufruf zur Demonstration geforderte Tempo 30 nichts nützen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Soll ich den Titel wirklich ändern? Ist es nicht tatsächlich Terror, dem wir ausgeesetzt sind ,weil das Auto überall fahren darf und stets so schnell wie irgendmöglich. Wir haben uns an den Zustand nur so sehr gewöhnt, dass wir unsere eigene latente Angst gar nicht mehr wahrnehmen, obgleich gerade wir Radfahrenden immer wieder Schreckmomenten und Angst ausgesetzt sind. Gerade wir wissen doch, dass der Autoverkehr, so wie er von der Politik organisiert ist, alle terrorisiert, die nicht in Autos sitzen (übrigens auch durch Lärm und Abgase).

      Löschen
    2. Mir geht es ähnlich, wie Christine hier: ich empfinde es als eine (fahrlässige) Art von Terror, so wie man z.B. auch Telefonterror durch Werbefirmen umgangssprachlich nennt. Natürlich ist es nicht der Terror im Sinne von bewußten Attentaten, die es mit Autos auch gibt, aber ein Terror in dem Sinne, wie es neulich im anderen Bericht zur Untermauerung des Patriarchats und des Rechts des Stärkeren ähnlich beschrieben wurde: man gibt der rein mechanischen Gewalt des Autoverkehrs alle Freiheiten und akzeptiert sogar, daß man die Bedienung dieser gefährlichen Maschinen nicht mal mit voller Konzentration erledigen muß.

      Und es ist nicht nur Stuttgart, ich erinnere gerne an meinen Wohnort Nürtingen mit der Bahnhofstraße und auch einem großen "Prollpanzer", der hier getötet und verwüstet hat, und dann war da erst kürzlich noch Esslingen-Weil mit einer Fußgängergruppe, auch ein "Prollpanzer"-SUV.

      Mein persönliches Gefühl ist hier nicht, daß große Fahrzeuge "per se" eine höhere Gefahr sind, weil auch ein Kleinwagen, wie oben schon erörtert, genauso gefährlich sein kann. Es ist eher ein Gefühl, daß hier eine besondere, autoaffine Klientel die Nutzergruppe ist, der das Daddeln am Handy oder andere Ablenkungen wichtiger sind, als auf Mitmenschen zu achten und das eigene Gefährt unter Kontrolle zu halten.

      Wir reden hier zudem über fast immer optimale Verhältnisse wie trockene Straßen, kein Eis o.ä., wo vielleicht wirklich mal ein Restrisiko aus heiterem Himmel wirksam wird.

      Es ist in meinen Augen ein gesellschaftliches, eher psychologisches Thema auch der gefühlten "Überlegenheit" in diesen Panzern - was aber "normale" Pkw nicht aus der technischen Gefährlichkeit nimmt.

      Löschen
    3. Die Frage, ob du den Titel ändern sollst, möchte ich nicht beantworden. Dein Blog, dein Titel. Ich halte ihn aber für zu reißerisch und wollte schon schreiben: "Wenn ich so etwas lesen möchte, könnte ich mir auch die BILD-Zeitung kaufen." Aber das wäre falsch. Du verlinkst ja in dem Artikel selbst auf die BILD. Die wirkt seriöser.

      Ich sehe, du hast deinen Artikel noch erweitert. Was auf Facebook dazu geschrieben wurde, war mir nicht bekannt. Ich meide Facebook.


      Löschen
    4. Lieber Volker, ich habe lange überlegt, ob ich diesen Titel nehme oder nicht. Klar ist auch mein Beitrag emotional, denn das ist ein schreckliches Ereignis, das mich wirklich verfolgt. Wenn nicht mal Stahlgeländer schützen! Aber ich beschimpfe niemanden. Und ich will, dass wir alle innehalten und neu starten, indem wir uns fragen, wollen wir sowas wirklich immer noch hinnehmen? Und dann fragte ich mich, was ist denn dieses "sowas" eigentlich ist. Und ich spürte meiner Angst nach. Meine Cousine wurde von einem Lkw-Fahrer getötet. Sie ist nicht mehr da. Meine Mutter hatte immer Angst, wenn wir mit Rädern unterwegs waren, ich hatte als Kind Angst, dass meine Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen. Heute ist uns diese Angst nicht mehr so präsent, wir dämpfen sie sehr wirkungsvoll, wir müssen ja raus, wie wollen ja unterwegs sein. Doch Angst spüren und einer realen Gefahr ausgesetzt wein, ist Terror. Uns Menschen zu Fuß und auf Rädern in Angst zu halten, ist durchaus gewollt, wenn auch sehr latent. Unsere Gesellschaft ist Autofan. Sie ignoriert die Gefahren des Autoverkehrs und die Schäden, die gesundheitlichen Schäden, die er anrichtet. Vorschläge, die Gefahr zu mindern ,werden von der Autolobby bekämpft und die Politik folgt ihr. Es wird zu wenig zum Schutz derer getan, die nicht Auto fahren, obgleich man etliches tun könnte. Das ist Absicht.

      Löschen
  7. Es sind ja keine Unfälle. Das muss man immer wiederholen. Es sind keine Unfälle.
    Menschen machen bewusste Entscheidungen, die Konsequenzen haben.

    Sie missachten bewusst die Verkehrssituation, ihre Fähigkeiten, die Fahrzeugphysik, die Straßenbedingungen, die Gesetze (insbesondere Geschwindigkeit und Abstände).
    Der Mensch, mit so viel Gefahr in der Hand, muss nicht ohne Grund einen Führerschein haben, der ihm die geistige, fachliche und praktische Befähigung bescheinigt, diese Gefahr SICHER im öffentlichen Raum zu bewegen! Wenn er es nicht tut, muss das Konsequenzen haben, BEVOR die Gefahr Leib und Leben anderer bedroht (Grundgesetzrelevant).

    Die Öffentlichkeit verdrängt diese Gefahr massiv, tituliert es als „Kann man nix machen“, „Einzelfall“, „na, typisch (Bitte Vorurteil einsetzen)!“- Unfall. Man selber hält sich für unfehlbar und jede Situation beherrschbar, "Unfälle" bagatellisiert, Blitzer werden beschmiert und von Presse und bestimmten Parteien als Abzocke denunziert, Tempo 30 ist Grün-versiffter Freiheitsraub und führt zu Stau, Stau, Stau…Die Liste ist ewig lang fortführbar…

    Solange das Mindset sich nicht ändert und endlich reguliert und sanktioniert wird, wird es weiter tote Kinder geben, wird es weiter Terror und Grundgesetzverletzungen geben.
    Solange es nur Sicherheit und Leichtigkeit für eine bestimmte Mobilitätsgruppe gibt, solange Kinder, Alte, Eltern, Behinderte die mit Rollator, Rollstuhl, Kindewagen, zu Fuß und Rad unterwegs sind, diskriminiert, ausgelacht, verachtet, bedrängt, marginalisiert, terrorisiert, getötet werden und als Opfer des Terrors von Presse, Politik und Polizei eingeredet wird, dass sie schön selbst an ihrem Tod oder ihrer Verletzung schuld zu sein, so lange wird sich nichts ändern.

    Unsere Gesellschaft ist gelebter „Auto, Auto über alles“-Faschismus.

    Michael

    AntwortenLöschen
  8. Werden bei solchen Unfällen (in Menschengruppe gefahren, aus unerklärlicher Ursache in den Gegenverkehr geraten, ...) eigentlich die Handy-Daten der Unfallverursacher ausgewertet? Diese Vorfälle haben doch nichts mit der Fahrzeuggröße zu tun.

    AntwortenLöschen
  9. Hallo Christine,

    da mir der Begriff "Autoterror" nun länger im Kopf kreiste, habe ich mal spontan eine Suchmaschine gefüttert - und die brachte u.a. folgende Video-Dokumentation zum Vorschein, die aus einer ganz anderen Gegend Deutschlands stammt - hier wurde das Wort vor ca. 2 Jahren im Zusammenhang mit den üblichen Behinderungen durch den Autoverkehr geprägt (inkl. des so schön benannten "ruhenden Verkehrs", auch hier werden Autos als der einizge Verkehr gesehen):

    https://mediathek-hessen.de/medienview_30988_J%EF%BF%BDrg-Bergstedt-Autoterror--das-M%EF%BF%BDrchen-von-der-S.html

    AntwortenLöschen
  10. „Terror“ ist sicherlich ein großes Wort. Aber ich finde, es passt – auch im Kontext Straßenverkehr. Denn Terror ist nicht nur ein Anschlag (wie es ein Unfall vielleicht nicht ist, weil er ungewollt geschieht), sondern vor allem das bewusste Streuen von Angst. Terroristen wollen, dass Menschen sich zurückziehen, ausweichen, übervorsichtig werden – genau das erlebe ich täglich im Straßenverkehr.

    Ich fahre seit vielen Jahren mit dem Rad von Ludwigsburg nach Stuttgart zur Arbeit – jeden Tag. Ich wähle bewusst eine Strecke mit möglichst wenig Straßenkontakt, zum Beispiel über die Felder statt durch Kornwestheim. Trotzdem lässt sich der Kontakt mit Autos nicht vermeiden. Und genau da passiert es: Ich gerate regelmäßig in gefährliche Situationen, die von Autofahrenden provoziert werden.

    Ein Beispiel: enge Straße, parkende Autos – aber auf der Gegenseite. Ich habe Vorfahrt. Trotzdem fährt mir in etwa 90 % der Fälle ein Auto entgegen, das nicht anhält. Warum? Weil der Fahrer genau weiß, dass ich als Radfahrer ausweichen muss. Denn wenn ich das nicht tue, bin ich derjenige, der den Kürzeren zieht. Das ist keine Unachtsamkeit – das ist eine Machtdemonstration. Und ja, es sind fast immer Männer. Frauen bleiben in solchen Situationen meist stehen und lassen mich durch.

    Solche Erlebnisse führen dazu, dass ich vorsichtiger werde – manchmal bleibe ich selbst stehen, obwohl ich Vorfahrt hätte. Genau das ist das Ziel von Terror: Ich verhalte mich nicht mehr frei, sondern defensiv, aus Angst. Wäre ich im Auto unterwegs, würde mir die Vorfahrt selbstverständlich gewährt.

    Und wenn viel Verkehr ist, sieht man auch immer wieder Autofahrer auf gesperrten Radwegen oder Feldwegen – selbst dort bin ich nicht sicher. Erst kürzlich wurde ich auf einem Feldweg von einem SUV-Fahrer abgedrängt. Auf mein Rufen hin kam nur der Mittelfinger zurück. Auch das ist für mich eine Form von Terror.

    Radfahrende können unzählige solcher Geschichten erzählen. Ob es das Ignorieren von „rechts vor links“ ist, das Ausnutzen körperlicher Überlegenheit oder einfach aggressives Verhalten – das alles schafft eine Atmosphäre der Einschüchterung. Und genau das meint Terror.

    Deshalb finde ich die Überschrift gar nicht überzogen – sie trifft den Kern.

    AntwortenLöschen
  11. Zur Info:

    Unsere Studie ergab, dass im Falle eines Unfalls die Wahrscheinlichkeit, von einem SUV oder einem LTV angefahren zu werden, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fußgänger oder Radfahrer getötet oder schwer verletzt wird, um etwa ein Viertel erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fußgänger oder Radfahrer getötet wird, stieg bei den Erwachsenen/Altersgruppen um 44 % und bei den Kindern um 82 %.

    https://injuryprevention.bmj.com/content/early/2025/04/11/ip-2024-045613

    AntwortenLöschen