1. September 2025

Der lange Kampf des Radlers um ein richtiges Verkehrszeichen

Blogleser Stefan pendelt mit dem Fahrrad zwischen Tübingen und Reutlingen. Dabei muss er durch Wannweil.  Zweieinhalb Jahre lang versuchte er, die Gemeinde dazu zu bewegen, dass sie eine falsche Beschilderung ändert. Nun hat er es geschafft. 

Die Ausgangssituation bis vor wenigen Tagen: Man radelt in Wannweil Richtung Tübingen auf der Fahrbahn der Hauptstraße durch einen Kreisverkehr und soll dann auf der Kirchentellinsfurter Straße fünfzig Meter nach der Ausfahrt aus dem Kreisverkehr auf den Gehweg hoch fahren, weil da das Verkehrszeichen "gemischter Geh- und Radweg" steht, der zudem als Zweirichtungsradweg ausgewiesen ist. Das Schild steht vor der Stelle, wo der Gehweg durch ein Baumbeet verengt wird. Allein das ist ärgerlich, würde Stefan doch lieber auf der Fahrbahn weiter radeln. 

Doch nun wird es wild.

Kommt man nämlich mit dem Fahrrad von Tübingen her linkssseitig auf dem Gehweg an diese Stelle, sieht man das Schild "Fußweg" vor den Baum, und zwar ohne Freigabe für den Radverkehr. Darunter hängt ein kleiner weißgrüner Radwegweiser mit einem Pfeil, der sagt, dass man auf die Fahrbahn runter und über beide Fahrstreifen auf die rechte Straßenseite fahren muss, um danach durch den Kreisverkehr zu radeln. Auf den Gehweg ist zur Bekräftigung noch mal das Fußgängerzeichen gemalt. Radfahren verboten! 

Ganz abgesehen davon, dass dieses Manöver nicht ganz unkritisch ist, stellt sich die Frage: Was ist denn dieser Gehwegabschnitt am Baumbeet nun? Ein Zweirichtungsradweg oder ein Gehweg? Fußgänger:innen dürfen sich - falls sie die Verkehrszeichen überhaupt bemerken - in Richtung Ortsmitte in Sicherheit wiegen und herumschusseln und herumstehen, denn es ist ihr Gehweg, auf dem sie nicht mit Radverkehr rechnen müssen. Und wenn doch einer kommt, können sie ihn sogar ungehalten anpampen und auf die Fahrbahn schicken, wo dann allerdings manche Autofahrende ihn anhupen und auf den Radweg verweisen. Der Mensch, der stadtauswärts Richtung Tübingen  geht, muss jedoch mit Radfahrenden rechnen. Die müssen zwar immer Rücksicht nehmen, jedoch darf er ihnen den Weg nicht absichtlich versperren. So können zwei Personen zu Fuß aus zwei Richtungen kommend für ein Schwätzchen stehen bleiben, und die eine macht dem Radfahrer Platz, der andere flucht ihm hinterher, Radfahrer hielten sich an ja an keine Regeln. 

Die Beschilderung ist also grottenfalsch. Und sie ist es schon sehr lange, denn auf älteren Streetviewbildern sieht man dort noch ein sehr verwittertes blaues Schild für den gemischten Rad-/Fußweg stehen. Es wurde sogar erst kürzlich durch ein frisches Schild ersetzt, obgleich die Sache nach Aussagen eines Gemeinderats schon lange Thema war. Auch Stefan hatte der Stadtverwaltung bereits im März 2023 geschrieben, dass die beiden Verkehrszeichen einander widersprechen und dort Richtung Tübingen ein Fußweg-Schild mit Radfreigabe hin muss (für die, die unbedingt auf dem Gehweg radeln wollen, weil sie auf der Fahrbahn Angst haben). In diesem Fall war allerdings nicht die Gemeinde Wannweil zuständig, sondern das Landratsamt Reutlingen, weil es sich um eine Landesstraße handelt. Man musste sich darum bemühen, dass das Landratsamt was tut. Aber es änderte sich nichts. 

Stefan schrieb mir  schließlich - fast am Ende seines langen Wegs - und fragte, ob ich einen Tipp hätte, was er noch tun könne, damit sich was bewegt. Tatsächlich können auch Einzelne (Radfahrer) viel erreichen, wenn sie sich an die Behörden und die Lokalpolitik wenden, mit viel Sachverstand und Gesetzeskenntnis argumentieren und nicht nachlassen. (Mir sind bisher nur Männer bekannt, die das zum Allgemeinwohl und für den Radverkehr tun.) Stefan schrieb und telefonierte und bekam höfliche Antworten, allerdings auch eine nicht so höfliche von einem Gemeinderat, in dem ihm empfohlen wurde, Wanneweil künftig zu meiden. Doch es kam nun Bewegung in die Sache, die Anordnung wurde vom Landratsamt erteilt und in den letzten Augusttagen das richtige Verkehrszeichen aufgestellt. 

Uff! Ich kann Stefan nur gratulieren und mich im Namen der Radfahrenden bei ihm für sein Engagement bedanken. Radfahrende können jetzt auf der Fahrbahn bleiben, wenn sie es wollen. 

Allerdings ist ist damit noch nicht alles gut. Für die linksseitigen Gehwegradler:innen ortseinwärts bleibt der Absprung vom Gehweg über zwei Fahrspuren nach wie vor herausfordernd. (Der elfjährigen Laura, die nicht mehr auf dem Gehweg radeln darf, möchten Eltern das nicht zumuten.) Und für die Radfahrenden, die Richtung Tübingen die Gehwegfreigabe nutzen, wird die Weiterfahrt auf dem Gehweg nach der kurz darauf folgenden Straßeneinmündung zu einer illegalen Fahrt auf einem nicht mehr freigegebenen Gehweg. Es sei denn, man interpretiert diese Straßeninmündung als Gehwegüberfahrt, weil es einen winzigen Bordstein zur Kante der Kirchentellinsfurter Straße gibt. Und so ist es wohl auch gemeint, denn in der Folge steht an jeder Einmündung dass Gehweg-Rad-frei-Schild.  Allerdings ist die Gehwegfahrt nicht ungefährlich, denn es gibt recht viele Stellen, wo Autofahrende zwischen Fahrbahn und Stellplätzen diesen Gehweg überqueren und über ihn hinweg auch rückwärts ausparken. Radfahrnde werden auf freigebenem Gehweg übrigens über drei Kilometer bis nach Kirchentellingsfurt hinein geführt, dürften also eigentlich nicht schneller als Schrittgeschwindigkeit fahren. Erst am Ausgang von Kirchentellinsfurt verwandelt sich der Gehweg in einen gemischten Geh- und Radweg, den man man auch von Tübingen kommend linksseitig beradeln muss. 

Übrigens sieht man auf dem untersten Foto mit dem nun richtigen Verkehrszeichen, das Stefan mir geschickt hat, auf der Fahrbahn ein Velomobil herankommen. Schön! 



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