26. Februar 2015

Sonntagsdemokratie - mein Kommentar zur Hofener Straße

Die Hofener Straße wird nur sonntags für den Autoverkehr gesperrt, und das auch nur im Sommer. 

Dass die CDU und die Freien Wähler im Gemeinderat die Sperrung am Samstagnachmittag ablehnen, verwundert nicht. Aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen verhalten sich diese Parteien oft so, als seien Fußgänger und Radfahrer Feinde, deren Bewegungsfreiheit es zu beschränken gilt.

Mehr wundert es mich da schon, dass die SPD und der Stae dtist gegen die volle Wochenendruhe für Spaziergänger und Radfahrer in der Hofener Straße gestimmt haben.

In der Stuttgarter Zeitung lese ich, dass man die Grünen dafür gescholten habe, dass sie nicht auf "Volkes Stimme" hören. Gemeint ist damit die vehemente Gegnerschaft im Bezirksbeirat Münster gegen eine sommerliche Sperrung von Samstagnachmittag bis Sonntagnacht. Wenn man nicht "Volkes Stimme" sagen will, was ja immer erzkonservativ klingt, dann sagt man heute "Bürgerbeteiligung" zu solchen Protest-Prozessen. Und die Grünen wollen ja Bürgerbeteiligung. Also sind sie böse, wenn sie auf das Floriansgeschrei nicht hören, das nach dem Prinzip funktioniert: Alle Vorteile für mich, die Nachteile gefälligst woanders. Autos ja - unbedingt - aber nicht vor meiner Haustür. 


Die Nachteile des Autoverkehrs, die jeder Anwohner an einer Straße empfindet, lassen sich aber nicht verringern, wenn man nicht den Mut hat, alternative Fortbewegung zu fördern und Fußgängern und Radfahrern Vorteile zu verschaffen. Im Bürgerhaushalt Stuttgart gibt vier Vorschläge, die einen Umbau der Hofener Straße zu einer Fußgänger- und Radler-freundlichen Straße fordern, drei, die eine Wochenendsperrung für den Autoverkehr verlangen, einer, der eine dauerhafte Sperrung will, außerdem einen, der will, dass der Gehweg für Radler nicht mehr erlaubt ist, und einen, der die Sperrung nicht will, was zeigt, dass es auch Bürger/innen gibt, die hier eine Reduktion des Autoverkehrs wollen, und in diesem Gremium sogar die Mehrheit.

Und damit sind wir beim Grundproblem der Bürgerbeteiligung. Momentan scheint entscheidend, wer wo am kompromisslosesten auftritt und die Illusion einer Mehrheit herstellt, die etwas will oder ablehnt. Ohne eine echte, nach demokratischen Regeln organisierte Abstimmung (Bürgerbefragung) findet man aber halt nicht heraus, wie die Mehrheitsverhältnisse bei einer Streitfrage wirklich sind.

Dies ist mein Kommentar, kein Bericht. Ich stelle hier nicht den Anschein von Objektivität her. Ich bin sauer auf unsere Mutlosigkeit, wenn es um eine moderne und lebendige Stadtentwicklung geht. Welche Zukunft hat Stuttgart denn, wenn wir schon bei einer so harmlosen kleinen Maßnahme zugunsten von Fußgängern, Radfahrern und Bewegungsgenuss vor der Benzin- und Dieseldominanz einknicken?

Und jetzt trete ich einen Schritt zurück und betrachte die Lösung, die wir nun haben. Die Sonntagssperrung ist ist ein Kompromiss. Demokratie ist Interessenausgleich und Kompromiss. Die Sonntagssperrung ist besser als gar nichts. Und sie ist der erste Schritt für eine komplette Sperrung der Hofener Straße für den Autoverkehr und die Umwandlung des schönen Weinberg-Wegs in einen Neckar-Boulevard. Es dauert halt jetzt noch ein paar Jahre.

Hier alle meine Links zum Thema Hofener Straße

5 Kommentare:

  1. Vielleicht denken wir Fahrradpolitik zu lieb? Und wie kommen wir eigentlich dazu, auf Bürgerbeteiligung zu setzen, solange Otto und Ottilie Normalbürger immer noch die längst absurde Vorstellung von einer allzeit freien Fahrt für Pkws im Kopf herumgeistert?

    Warum also auf Verständnis setzen?
    Warum als Bittsteller immer nur lieb kleine Verbesserungen wünschen?

    Warum nicht mal böse werden? Gegen den Pkw-Verkehr? Ansprüche geltend machen? Die Stadt unter Druck setzen und in echten Zugzwang setzen?

    Was werden wir etwa mit der Tübingerstrasse verarscht und hingehalten. Dabei sind Marienplatz und Stuttgarter Süden nicht minder feinstaubbelastet wie das Neckartor. Dann bekommt die Stadt eben noch viel mehr Klagen wegen ihrer Untätigkeit an den Hals bis sie tatsächlich mal das Ärschle hochbekommt.

    Und davon werden wir dann nicht nur als Anwohner sondern auch als Radfahrer profitieren.

    AntwortenLöschen
  2. Lieber Anonymus, schön wäre es, ich wüsste, wer du bist. Ich finde uns auch sehr lieb und freundlich. Doch unsere Präsenz in der Stadt steigt unaufhaltsam. Und
    es bleibt und unbenommen, mal die kritische Masse zu und das Fabrhbahn-Radlen auf der Hofener Staße an einem Samstag zu testen. Das können wir auch in der Tübinger Straße machen.

    AntwortenLöschen
  3. Wenn (sehr) viele Radfahrer und Fußgänger die Hofener Straße am Wochenende (und vielleicht auch an anderen Tagen) einfach nutzen würden anstatt nur zu labern, käme der Autoverkehr auf diesem Abschnitt automatisch zum Erliegen. Leider ist dem nicht so. Möglicherweise wäre ein Ausweg, dass der Oberbrürgermeister eines seiner Wahlversprechen mal angeht, nämlich die Entwicklung der Stadt am Fluss. Sobald die Stadt einige Räume zur Freizeitnutzung am Neckar entwickelt, erledigt sich unser Wunsch von selbst. Leider gibt es kein ernst zu nehmendes Projekt "Neckarpark". Lediglich bescheidenes Planerpapier und viel provinzielle Luft. Beste Grüße und Glück auf von Stefan K.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wie schön, dass ich tatsächlich die Hofener Straße oft zum Rudern entlangradele. Und wenn nur die Radfahrer, die derzeit auf dem freigegebenen Gehweg fahren, auf die Fahrbahn kämen, würden die Autofahrer uns schon deutlich wahrnehmen. Ich denke, so ab Mai unternehmen wir mal was dort an einem Samstag. Du bist dabei, Stefan. :-)

      Löschen
    2. Ja, selbstverständlich wäre ich dabei - jedenfalls sofern ich nicht auf Radtour bin. Habe im Mai zwei Ziele, wovon ich hoffe, wenigstens eines realisieren zu können :-) Stefan

      Löschen