17. November 2016

Ein Auto weniger

Es gibt Städte, die haben nie wirklich aufs Auto gesetzt. Dort werden heute die Hälfte der Wege oder sogar noch mehr per Fahrrad zurückgelegt. 

Es radeln alle, Alte, Kinder, Erwachsene mit Kindern, Jugendliche. Übrigens ohne Helm. 
Und es gibt Städte, die sind von der Autoindustrie konfisziert worden. Zum Beispiel Los Angeles. Das hatte in den 60er Jahren den besten öffentlichen Nahverkehr weltweit und Radschnellwege. Dann hat Ford die Bahnen und Busse aufgekauft und verschrottet, die Schienen abgebaut und dafür gesorgt, dass LA heute von zwölfspurigen Autobahnen durchzogen ist. Dort stehen die Leute aus den Vororten täglich drei Stunden im Stau. Nur 0,8 Prozent der Menschen fahren dort dennoch lieber Fahrrad.

Jeder Radfahrende ist ist ein Auto weniger in der endlosen Schlange stehender Autos.

Und es gibt Toronto, da hat der Bürgermeister Ford mit populistischen Hetzreden gegen Radfahrende und einer Idolisierung des Autos die Wahl gewonnen, und sofort angefangen, alle Fahrradstreifen von den Fahrbahnen abzukratzen. Was die dortigen Radler nicht davon abhält, weiterhin Rad zu fahren. Denn es herrscht Autostillstand auf den riesigen Straßen. Und je mehr Straßen die Bürgermeister in solchen Städten bauen lassen, desto mehr Autos schaffen sich die Leute an. Schon jetzt sind 60 bis 70 Prozent der Stadtflächen allein dafür da, dass Autos auf ihnen fahren und stehen (auch parken) können. Der enorme Platzbedarf für ein Auto, das ja nur eine Person zur Arbeit bringt, behindert auch den Wohnungsbau. Autos nehmen Wohnraum weg.

Dabei sind auch in den USA die Hälfte aller Strecken, die im Auto gefahren werden, kürzer als 5 km. 

Vor dem Kino: Drei Autos brauchen mehr Platz als
mehr als ein Dutzend Fahrräder.
In Toronto fahren die Radler jetzt, wie die Radler/innen von Sao Paulo, jahrzehntelang. Sie schlängelten sich durch den engen Bus- und Autoverkehr, weil sei keine Lust hatten, im Dauerstau zu stehen und weil der öffentliche Nahverkehr zu schlecht und zu teuer ist. Und dann ließ der neue Bürgermeister von Sao Paulo in einer Nacht, ohne Vorankündigung, breite Radfahrestreifen auf die Fahrbahnen malen und zog dabei Hunderte von Parkplätzen ein.

Diese und einige andere Geschichten erzählt der Film Bikes vs cars", (Link zum Trailer), den wir am Dienstag im Atelier am Bollwerk sehen konnten. Der grüne Politiker Matthias Castel hatte sich dabei gründlich verschätzt. In München waren 100 Menschen gekommen, da hätten 120 Plätze in Stuttgart ausreichen müssen, dachte er. Aber es kamen so viele, dass viele wieder weggeschickt werden mussten. Übrigens sehr viele junge Leute. Ganz offensichtlich ist das Radfahren und die Frage, wieviel Autos brauchen unsere Städte, eine Frage, die junge Leute viel mehr beschäftigt als uns Ältere. Wir Alten können uns ja im Grunde auch nur noch vorstellen, dass alles so bleibt, wie es ist. Die Jungen Leute müssen dagegen noch an die 70 Jahre auf dieser Erde und in unseren Städten leben, und sehen, dass es so eben nicht weitergehen kann.
Geschichten erzählt der Film "


Gudrun Zühlke (ADFC), Matthias Gastel (MdB Grüne)
Auch bei uns in Stuttgart sind mindestens die Hälfte aller Strecken, die wir zurücklegen, kürzer als 5 km. Stellen wir uns mal vor, wenigstens die Hälfte dieser Hälfte würden mit Fahrrädern oder zu Fuß zurückgelegt, dann hätten wir in Stuttgart 25 Prozent weniger Autoverkehr. Hui. (Allerdings würden die freigewordenen Straßen dann von wiederum anderen Leuten genutzt, die lieber Auto fahren und binnen weniger Jahre sind sie erneut verstopft. Deshalb muss man gleichzeitig die Straßen zugunsten einer schönen und sicheren Radinfrastruktur und des Öffentlichen Nahverkehrs zurückbauen.

Ein gute Radinfrastruktur fördert die Lust aufs Radfahren. Und dann hat man plötzlich viele Autos weniger auf den Straßen. Aber auch, wenn die Radinfrastruktur hinterherhinkt, so wie bei uns (so wie auch in Berlin), es wird trotzdem Rad gefahren. Jeden Winter sehe ich, dass wieder mehr Leute bei garstigem Wetter auf dem Rad unterwegs sind als im Jahr davor.

9 Kommentare:

  1. Der Film ist super, ich habe mein Exemplar schon vielen Radfahrern zur Ansicht ausgeliehen.

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  2. Die Rechnung "die Hälfte dieser Hälfte würden mit Fahrrädern oder zu Fuß zurückgelegt, dann hätten wir in Stuttgart 25 Prozent weniger Autoverkehr" ist falsch! Denn "Autoverkehr" ist nicht die Zahl der Fahrten sondern die zurückgelegten Kilometer, und wenn die Hälfte der Autofahrten <5km sind, machen sie im Verkehr deutlich(!!) weniger als die Hälfte des Verkehrs aus!

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    1. Vermutlich hast du recht. Solche Rechnungen sind eh blöd. Aber doch, der Autoverkehr, den ich hier meine ist der unter fünf Kilometern. Würden alle diese Strecken mit dem Fahrrad machen, hätten wir die Hälfte weniger Autoverkehr. So war meine Überlegung. Da aber nicht alle Rad fahren können, habe ich halt irgendwie was abgezogen.

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    2. Einfache Rechnung: Wir haben 4 Fahrten, zwei sind je 3 km und die anderen Beiden sind je 17 km. Damit werden zusammen 40 km zurückgelegt.

      Du sagst: Wenn eine der kurzen Fahrten entfällt (mit dem Rad zurück gelegt wird), hätten wir 25% weniger Autoverkehr, also nur noch 30 km. In Wirklichkeit sind es aber noch 17 + 17 + 3 = 37 km, die noch gefahren werden, das sind 37 km, also nur 7,5% weniger.

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    3. Deine Rechnung mag für Fernstraßen gelten, in Nebenstraßen jedoch dominiert der Parksuchverkehr und der ist unabhängig davon wie lang die Fahrt war nötig. Und der nimmt proportional zur Anzahl der zurückgelegten Fahrten ab, wenn die Menschen dann ein Auto abschaffen weil sie immer mit dem Rad unterwegs sind sinkt die Auslastung der Parkplätze, und der Parksuchverkehr nimmt überproportional ab.
      Was die Fernstraßen betrifft ist mir wurscht wie lang die Kolonne ist, der Verkehr in Nebenstraßen und Wohngebieten stört mich dagegen.

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    4. Christine Schrieb von "Verkehr" allgemein; und wie wir wissen, fährt sie lieber auf bzw. entlang Hauptstraßen, da ist sie weniger vom Parkplatzverkehr betroffen sondern vom Fahrverkehr.

      Aber letztlich ist jede Autofahrt, die es nicht mehr gibt, ein Fortschritt :)

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  3. Oder es gibt 4 Fahrten, zwei sind 5 km und zwei 3 km. Die beiden 5-k-Fahrten werden mit dem Fahrrad zurückgelegt. Die beiden 3-km- mit dem Auto, ergibt ... Mal abgesehen davon, dass es in Stuttgart schwierig ist 17 km am Stück zu fahren, da ist man drüben schon wieder raus. Im Prinzip ist es schon so, dass jede Radfahrt eine von Auto-Kurzfahrten weniger ist.

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  4. Hi, wir hätten den Film auch gerne gesehen sind jedoch schon von weitem hingewiesen worden, dass der Saal voll sei. Gut und schade zugleich. Auffällig war in der Tat, dass sehr viele junge Leute dabei waren und wen wundert es, es war wohl keiner mit dem Auto da - das hat eine spontane Umfrage ergeben. Man möge darüber nachdenken, dieses Event nochmals zu machen. Etwas freundlicheres Personal beim Kino wäre ebenso gut wie die etwas ausgeglichenere Auswahl der Reedner danach. Der ADFC vertritt nicht meine Meinung. Da darf noch etwas mehr Meinungsvielfalt auf die Bühne, bitte. Sonst, eine tolle Veranstaltung die zeigt wo der Puls der Zeit ist. Ride save.

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