27. Februar 2017

Narri-Narro - die Rosenmontagskreuzung

Die närrischste Kreuzung in Stuttgart ist die am Tagblattturm. Da läuft so ungefähr nichts so wie es soll. Mehr als woanders suchen sich Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer ihre Wege ganz ungeachtet aller Verkehrsregeln. 

Die Kreuzung ist teil der Hauptradroute 1 und würd täglich von sicherlich über 2000 Radfahrenden und noch mehr Fußgängern benutzt. Aber nichts passt, weder für Radfahrende noch für zu Fuß Gehende. Den Autofahren passt natürlich auch vieles nicht. Ein ziemliches Chaos, aber es bleibt immerhin friedlich und ruhig. Von einer Szene abgesehen.



Fangen wir mit den Fußgängern an. Fußgänger gehen immer den direkten Weg. Sie gehen niemals über drei Fußgängerampeln, wenn eine Baustelle den Geradeaus-Gehweg zu ihrem Ziel versperrt.

Dann gehen sie eben auf der Fahrbah und quetschen sich zwischen Bauzaun und Autos durch. Denn würden sie hier außen herum gehen, also über drei Ampeln, dann würde sie der Weg, wenn sie Pech haben, an die fünf Minuten kosten. Also wuselt es vor dem Tagblattturm den an ihrer Ampel startenden Autos entgegen und (auch mal im Laufschritt) schräg über die Straße.
Da hier die Autos langsam unterwegs sind, scheint das konfliktfrei zu bleiben.

Zumal ja auch die Autofahrer eigene Ideen entwickeln. Für alle, die aus der Tübinger Straße kommen, ist das Linksabbiegen in die Steinstraße zu den Parkhäusern hinterm Horten verboten. Linksabbiegen dürfen nur noch die Radfahrernden. Aber auch Autofahrer wollen ja keinen Umweg machen, wenn sie von der falschen Seite kommen. Hier sind die Baken schon sehr weit vorgezogen, aber hier biegen gleich zweie hintereinander ab. Für Taxis scheinen ja ohnehin die Regeln nicht so wirklich zu gelten.

Und dieser Autofahrer hat sich dann gleich mal kurz und breit an den Radampeln aufgestellt. (Er ist Auswärtiger, was ihn offensichtlich ermutigt, den Radstreifen zu benutzen.) Sein Problem ist jetzt: Hat der Geradeaus-Autoverkehr Grün, haben die Radampeln Rot. Er kommt nicht weg. Und seine Autofahrerkollegen kennen auch kein Erbarmen.

Und nun die Radfahrer. Die Ampelanlagen auf der Hauptradroute 1, die hier an der Kreuzung Eberhardstraße heißt,  gehören in beide Richtungen zu denen, an denen Radler mehr als 1,30 Minuten, immer wieder aber auch bis zu 3 Minuten stehen.

Der Autoverkehr und die Fußgänger an der Steinstraße bekommen oft zwei Mal Grün, bevor die Radler wieder dran sind, und zwar dann, wenn der Bus sein Vorranggrün anfordert. Die  lange Rotphase auf der Linksabbiegespur vor dem Tagblattturm war eigentlich mal für Autos gedacht. Jetzt stehen die Radler dort auf einem ausgeschilderten Radweg und warten, so als müsse verhindert werden, dass zu viele Radler in die Eberhardstraße weiterfahren. Das hat im Lauf der Jahre dazu geführt, dass sehr, sehr viele Radfahrende über den (verbotenen) Gehweg und die Fußgängerampel an der Steinstraße ausweichen. Und zwar in beide Richtungen. Nur selten schieben sie ihr Rad. Oft fahren sie auch noch als Geisterradler auf der falschen Fahrspur und dann über die Gehwegecke zur Fußgängerampel. Natürlich gucken sie, ob was kommt (Autos dürfen ja in die Eberhardstraße Richtung Finanzamt  nicht reinfahren), gefährlich ist das nicht, aber extrem regelwidrig.

Es gibt aber auch etliche Radfahrende, die kommen mit den Autos die Eberhardstraße von der Tübinger Straße herunter und wollen ebenfalls geradeaus Richtung Wilhelmsplatz weiter radeln. Und hier habe ich den einzigen Konflikt beobachtet: Diese Radlerin wollte auf der Fahrbahn weiterfahren und wurde von diesem überholenden Auto so geschnitten und Richtung Bauzaun gedrängt, dass sie vor Schreck aufschrie.

Andere Radfahrende suchen an dieser Stelle lieber den Weg mitten durch die Fußgänger auf dem Aufstellplatz an der Fußgängerampel auf die Reste eines alten Radwegs auf dem Gehweg (später wird er dann verpflichtend). Der führt dann durch einen weiteren Aufstellplatz von Fußgängern an ihrer Ampel. Ohnehin sehen Fußgänger auch rote Radwege unter ihren Füßen ja nur selten.

Ach ja, auch das Moped, das im Vordergrund auf zwei Fotos im Bild links zu sehen ist, darf natürlich nicht in Radständern stehen.

Fazit: Nichts an dieser Kreuzung ist für die Verkehrsteilnehmenden aller Art - Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer - befriedigend, weshalb Regelverstöße so häufig sind, wie ich das an noch keiner Kreuzung in Stuttgart gesehen habe. Man muss allerdings sagen, dass es dabei friedlich zugeht. Mir ist auch nicht bekannt, dass es hier zu besonders vielen Unfällen kommt. Jetzt kann man sagen: Lässt man so: Nettes Chaos, alle machen, was sie wollen. (Fördert allerdings die Regelverstoßmentalität). Man könnte es aber auch mal ändern. Beispielsweise die Rotphasen für Radfahrer spürbar verkürzen. Und für Fußgänger einen Gehweg entlang der Baustelle schaffen.

Am besten wäre es, wenn Fußgänger und Radfahrer auf der Eberhardstraße (und den parallenen Fußwegen) Vorrang bekämen. Fußgänger mit einem Zebrastreifen über die Torstraße und über die Steinstraße, Radler auf ihrer Hauptradroute 1. Autos müssten den Querverkehr von Fußgängern und Radlern abwarten. Leider besteht die SSB immer darauf, dass ihre Busse Grün anfordern können, um nicht halten zu müssen.

Fußgänger bekämen mit einem Zebrasrtreifen am der Mündung der Eberhardstraße vom Marktplatz her Vorrang vor den Radfahrenden. In der Regel arrangieren sich Radler und Fußgänger an Zebrastreifen ganz gut, auch wenn Fußgänger oft meinen, das sei nicht so, weil sie erwarten, das Radler anhalten wie Autos. An allen anderen Stellen dieser Kreuzung braucht man eigentlich keine Zebrastreifen, weil die Fußgänger sowieso überall queren. Was auch gut so ist.

Autoverkehr in der Fahrradstraße Eberhardstraße bräuchte man eigentlich auch keinen. Die Parkplätze könnte man für E-Auto-Ladestationen, Behinderte und Carsharing reservieren, damit es für andere Autofahrer keinen Grund mehr gibt, auf Parkplatzsuche dort hinein zu fahren.

Für diese Kreuzung gibt es bereits einen Vorschlag der Stadtplanung für eine verkehrliche Neuordnung dieser Kreuzung.  Der wurde aber von den Radlerverbänden abgelehnt, weil das Konzept die Radfahrenden in der Vorfahrtsordnung allen anderen hintangestellt hätte und Radfahrende nicht nur an zwei Zebrasreifen, an der querenden Vorfahrtstraße und zudem auf einer Verkehrsinsel mitten auf dem Platz hätten anhalten und warten müssen.


5 Kommentare:

  1. Der Link zu dem abgehehnten Vorschlag der Stadtplanung ist irgendwie nicht klickbar

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  2. Wunderbar zusammengefasst. Ich stand gestern als Fussgänger auch vor der Frage: Drei Ampeln überqueren oder 10m auf der Fahrbahn laufen.

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  3. Die gegebene Situation stammt nach meiner Einschätzung noch aus der Zeit vor Umgestaltung des Rotebühlplatzes und der Einrichtung der Fahrradstraße Eberhardstraße und Tübinger Straße. Inzwischen ist es wohl so, dass es sich bei den einfahrenden Autos ausschließlich um Parkhauszufahrt- und diffusen Parkplatzsuchverkehr handelt. Entsprechend sollte aus meiner Sicht die „Autostraße“ zurückgebaut werden zu einer „schlichten und tempominimierten Garageneinfahrt“. Planerisch ließe sich die entstehende Fläche als verbindende räumliche Sequenz zwischen Rotebühlplatz und Wilhelmsplatz gestalten.

    Bei mir ist der Link zum Vorschlag der Stadtplanung ebenfalls inaktiv.

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  4. Diese Kreuzung kommt auch ohne Ampel zurecht denn weniger ist mehr und gegenseitige Rücksicht wurde uns allen durch abermillionen Regeln und Vorschriften aberzogen

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  5. Gestern hab ich geschafft, 60 EUR Strafe und 1 Punkt in Flensburg zu ergattern, weil ich bei über 30 Grad im Schatten nicht 3 Minuten an der roten Ampel warten wollte... Das ist Rekord! Offensichtlich waren die Fahrrad-Polizisten mit zugeparkten Radwegen und rücksichtslosten Autofahrern schon fertig...

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