12. Juli 2019

Ein Bakenkäfig für Radler

Wieder sehen wir Radfahrenden uns bunten Hindernissen gegenüber, die man nur deshalb aufstellt, damit Autofahrende nicht mehr notorisch die Regeln verletzen.

Das wird jetzt echt langsam sehr skurril.  Am Tagblattturm darf man als Autofahrer nicht die linke Spur benutzen, um nach links in die Steinstraße abzubiegen. Viele tun das trotzdem. Also hat man jetzt die Abbiegespur mit Klemmfixbaken verengt. War zuzeiten der langsamsten Ampel auch so. Nun müssen die Fahrer/innen breiterer Räder oder mit Kinderanhängern wieder genau zielen. In der Tübinger Straße hat es kürzlich an genau so einer Klemmfixsperre einen schweren Radlerunfall mit einem Kinderanhänger gegeben. Sicherer sind wir hier also nicht unterwegs, sondern erneut wieder unsicherer. Nicht gut!


Und wenn sich wieder mal überbreite Autos auf der Geradeausspur stauen, dann können Radfahrende nicht mehr links an ihnen vorbei fahren. Will man vielleicht so haben (Räder bitte im Autostau!), aber sie werden es trotzdem tun und bleiben damit notgedrungen auf der linken Seite des Fahrbahnteilers. Ganz schlecht! 

Wenn ich als Radfahrerin hier nach links abgebogen bin, um über die Steintstraße zum Rathaus zu fahren, habe ich immer die Sperrfleche überfahren (Pfui, verboten!), weil der Bogen so leichter war und ich mich vor einem dort eventuell schon haltenden Auto aufstellen konnte. Das wird jetzt unbequemer, und wenn sich die Autos an der Fußgängerampel stauen, komme ich nicht rein. Und da die Autofahrer nie gleich merken, wenn die Schwarzampel nicht mehr Rot zeigt, stehe ich dann so lange, bis die sich endlich bewegen. Ganz schlecht!

Bei dieser Konstruktion, die das Linksabbiegen von Radfahrenden wieder einmal nicht wirklich vorsieht, wäre es besser, man würde die Nadlerstraße, die von der Eberhardstraße nach links Richtung Rathaus abgeht, entgegen der Einbahn-Richtung für Radfahrende freigeben. Das erleichtert die Zufahrt zum Rathaus und in die Gegend dahinter enorm. Und eigentlich können Radfahrende auch sehr gut mit gelegentlich mal entgegenkommenden Lkw und Baustellenfahrzeugen umgehen. Die Situation wäre um ein Vielfaches einfacher als die, die wir Radfahrenden jetzt an der Torstraße- und Steinstraße zumuten.

Was mich allerdings freut: Jetzt kann auch die Polizei in ihren Fahrzeugen nicht mehr so selbstverständlich links abbiegen und Autofahrende verführen, dies auch zu tun. Vorgesern habe ich ein Polizeiauto beobachtet, das von der Torstraße geradeaus in den nur für Busse und Taxis erlaubten Bereich des Rotebühlplatzes hochfuhr, auf der Busspur. Und gleich zwei Autofahrer folgten ihm unverfroren, auch auf der nur für Radler freigegebene Busspur. Regelwidriges Verhalten der Ordnungskräfte (wenn sie ohne Blaulicht unterwegs sind) verführt ganz offensichtlich Autofahrende, es der Polizei nachzumachen. Und leider ist es hier  (von der Tübinger kommend) immer noch möglich, aus der Geradeausspur heraus nach links abzubiegen, man muss halt einen größeren Bogen um die mit Baken bewehrte Sperrfläche machen, und was möglich ist, werden Autofahrende tun. (Vielleicht ein paar weniger, das wäre immerhin ein Geweinn.)

Für uns Radfahrende ist das aber eben keine Verbesserung, eher eine Verschlechterung. Diese Infrastruktur verzeiht kleine Fehler weniger gut als die vorige. Mag ja s ein, dass es unerträglich ist, wie sehr sich Autofahrende nicht an die Regeln halten, aber ich finde, es geht auch nicht, dass wir Radfahrende dafür büßen müssen und durch einen Verhau von Baken geleitet werden, die uns Reaktionsmöglichkeiten und Raum nehmen (auch Autofahrern auszuweichen, die Fehler machen). Sie verlangen hier zusätzliche Aufmerksamkeit vor allem von Radlern auf breiteren Lastenradfahrrädern an einer Kreuzung, die ohnehin viel Hab-Acht erfordert, weil der Autoverkehr zu den Parkhäusern Vorrang vor der Hauptradroute 1 und sogar dem Busverkehr hat.

Wenn man die Autofahrenden nicht mit Hilfe der Polizei in den Griff bekommt, dann bitte diesen ganzen Bereich, Tübinger Straße am Gerber und Eberhardstraße über diese Kreuzung hinweg für Autos sperren (nur die Zu- und Abfart zur Steinstraße bleibt frei, aber in Nachrang zur HRR 1). Weg mit denen, die allen Raum für sich beanspruchen und uns Radler hinter Bakengitter sperren.

Es dient nicht unserer Sicherheit. Auch nicht der der Fußgänger/innen.

20 Kommentare:

  1. Eigentlich wollte ich einen inhaltlich sinnvollen Kommentar abgeben, aber die offensichtliche Ohnmacht und die daraus resultierende Kapitulation der Stadt mit allen Ihren Ämtern und der Polizei gegenüber dem Alles beherrschenden KFZ-Verkehr macht mich sprachlos. Jeden Tag mehr.

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    1. Ich würde da feine Unterschiede zwischen Stadt und dem Land machen. Die fahrende Polizei, das ist Land. Die städtische Polizei ist nur für den ruhenden Verkehr zuständig. Die Menge an Polizisten, die die Autofahrer auch wirklich diszplinieren wollen, kann man - habe ich den Eindruck - gar nicht so auf die Straße stellen, wie man sie bräuchte. Über Jahrzehnte haben die Autofahrenden die Erfahrung gemacht, dass ihnen nichts passiert, wenn sie gegen eine Einbahnstraße fahren, eine Sperre missachten oder irgendwo abbiegen, wo sie nicht dürfen, selbst wenn sie das vor den Augen der Polizei tun. Und das zurückzuholen, ist halt jetzt enorm schwierig. Zumal der auf Streife fahrende Ordnungsdienst der Polizei das auch gar nicht will. Ich weiß, nicht, wo hier die Ohnmacht liegt. Eine schnellfertige Analyse ist sicher auch nicht hilfreich.

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    2. Kontrolldruck ist eine Sache, Strafmaß eine andere. Wenn mich das Vergehen wie Parken im Parkverbot nur 15 Euro kostet, warum sollte ich es dann nicht probieren? 15 Euro tun mir nicht weh, außer ich muß sie täglich zahlen.
      Wenn das Strafmaß höher wäre wie in der Schweiz oder praktisch jedem anderen europäischen Land, dann würden wir weniger Kontrolldruck benötigen um Eindruck zu machen.
      Vollsperrung für Autoverkehr bestraft diejenigen Autofahr-er/-enden/-erinnen die sich an die Regeln halten.

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    3. Christine, ich kenne den Unterschied sehr gut - nur überanstrengen tut sich keine beider Fraktionen! Deswegen halte ich das für kollektives Versagen der Behörden, die in Stuttgart Dienst tun - egal wer sie bezahlt. Dazu gehören auch Tiefbauamt, Verkehrsplaner (wo auch immer die angesiedelt sind), usw usf.
      Und auch wenn Dir meine "Zusammenfassung der Behörden" nicht gefällt, kann man in Stuttgart doch nur Eines beobachten:
      Der stehende und nicht-stehende KFZ-Verkehr macht in dieser Stadt doch was er will! Und die Stadtverwaltung sowie das Land können scheinbar nur mit potthässlichen baulichen Maßnahmen versuchen, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.

      Die Kreuzung Tagblattturm ist hier jetzt nur noch als prominente Stelle zu dem ganzen Flickwerk hinzugekommen.

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    4. Es ist politisch nicht vorgesehen, Autofahrer zu regelkonformem Verhalten zu erziehen. Einzige Ausnahme: Zu schnelles fahren und rote Ampeln.

      Es wäre ein Leichtes, falsch parkenden Autos eine Strafzettel zu verpassen. Wenn ich aber sehe, dass die Stadtscheriffs zwar sehr häufig durch die Stadt fahren, aber ausschließlich in E-Ladebuchten parkende Fahrzeuge aufschreiben, manchmal auch die Behindertenparkplätze kontrollieren, seltener die Parktickets, niemals aber die Autos aufschreiben, die auf dem Gehweg oder mitten auf der Kreuzung parken, dann ist doch klar, was die Poliitik will.
      (Ich kann das von meinem Fenster aus sehr genau beobachten)

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  2. Für Radfahrer ist doch nur links abbiegen in die Eberhardstraße gemeint, nicht in die Steinstraße. Jedenfalls wenn man den Grundsatz der Stuttgarter Verkehrsplaner befolgt: "Man sieht ja was gemeint ist!!!11!"

    Martin

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  3. Jörg
    Menschen und Regeln das klappt nur bedingt. Warum soll man sich einen Nachteil antun nur um regeltreu zu sein? Ganz schwer wird das mit dem Regeln einhalten, wenn man allgegenwärtig nicht geahndete Verstöße erlebt.
    Wie oben erwähnt gibt es nicht genügend Polizisten. Leider darf die Polizei die effiziente Videotechnik mit Kennzeichenerkennung nicht einsetzten. Trotz Handy mit Android in der Tasche wird da über den Datenschutz gemeckert. Noch nicht mal an roten Ampeln darf während der Rotphase der Verkehr gefilmt werden. Hier wird Datenschutz zum Sünderschutz. Bei den niedrigen Strafen und der ineffizienten Überwachung müssen wir mit diesen Hindernissen leben. Es hilft ja nix.

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    1. Wobei - anwesende Kommentator/innen ausgenommen - wir Radfahrende ja auch nicht gerade besonders regeltreu fahren. (Wir wissen, warum, die Infrastruktur passt nicht und manchmal kapiert man auch gar nicht, wo es lang geht, allerdings sind rote Ampeln stets eindeutig.) Wir ticken in unserer Gesellschaft so, dass wir selber entscheiden, ob wir die uns bekannte Regel jetzt befolgen wollen oder nicht. Leider wir alle. Und in Städten ist der soziale Druck geringer als in kleineren Gemeinden. Die Lösung für diese Kreuzung ist tatsächlich: Den Autoverkehr ausperren. Die Tübinger ab der Kreuzung Jeanshalle über die Eberhardstraße am Tagblattturm bis zum Breuninger für Autos komplett sperren, wirklich autofrei machen. Nur die Fahrt zu den Tiefgaragen durch die Steinstraße ist noch erlaubt, aber nicht als Vorfahrtsstraße. Da feuen sich auch die Busfahrer. Und die Fußgänger/innen und die Ladeninhaber, überhaupt alle.

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    2. Wenn das Radwegenetz (diese grüne Beschilderung) einen über Fußwege (Zeichen 239) schickt, erzieht das nicht gerade zu regelkonformem verhalten.

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  4. Letzt genannten Vorschlag von Christine Lehmann finde ich gut.
    Ich frage mich:
    Warum baut man diese Kreuzung nicht in einen Kreisverkehr um? Wenn die Innenstadt autofrei wird, bleibt den Autos nur die Zufahrt zu den Parkhäusern und alle wären aus und in alle Richtungen gleichberechtigt.

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    1. Liebe/r Unknown, warum man hier einen Kreisverkehr verworfen hat, weiß ich nicht, aber Kreisverkehre sind für Radfahrende nicht unbedingt besser, sie gehören zu den gefährlichsten Infrastrukturen für Radfahrende überhaupt, wenn sie sich nicht absolut immer richtig darin verhalten. Wer außen am Rand herum fährt, ist bald tot (Autofahrende erkennen nicht, dass sie weier um den Kreis radeln wollen, sondern glauben optisch, dass sie rausfahren werden und nieten sie dann um). Und Autofahrend neigen dazu, RAdler in Kreisverkehren innen zu überholen, was ebenfalls zu schwertsten Richtungsmissverständnissen und Unfällen führt. Radfahrende müssen einen Kreisverkehr immer in der Mitte der Kreisfahrbahn fahren und Autofahrende zwingen, hinter ihnen zu bleiben. Das wissen aber nicht so viele, wie es wissen müssten. Deshalb bin ich nicht dafür, extra noch Kreisverkehre einzurichten, wo viele Radler und viele Autos fahren.

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    2. Ein ums andere Mal. Bitte Belege für die von dir postulierte Gefährlichkeit von Kreisverkehre.

      Martin

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    3. Ich selbst kann die Gefährlichkeit von Kreisverkehren auch nicht nachvollziehen. Mich hat noch nie jemand versucht im Kreisverkehr zu überholen und ich fühle mich auch gesehen (fahre allerdings auch ziemlich in der Mitte)
      Zu den Baken: Vielleicht nicht sehr elegant, sieht aber auf dem Foto aus so aus als könnte man da auch mit einem breiten Hänger mühelos durch.
      An einem "protectde-bike-lange-Pfosten" kann man vermutlich genausogut hängen bleiben.
      Jan Hamming

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    4. Ich selber fuehle mich in Kreisverkehren - wenn sie einspurig sind - durchaus wohl, denn ich fahre darin wie ein Autofahrer:
      - wenn ich die naechste Ausfahrt nehmen moechte, fahre ich nach aussen
      - sonst fahre ich so weit innen, dass jeder Autofahrer intuitiv erkennt, dass ich drinbleiben moechte.
      Das funktioniert perfekt und ich werde schlicht respektiert.

      Aber wenn man unsicher ist und sich auf aussen drumrumdrueckt, wird man von ausfahrenden Autofahrern uebersehen und umgefahren. Vermutlich meint Christine genau das.

      Gruss - Matthias

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    5. Am Kreisverkehr Möhringer Landstraße / Am Wallgraben in S-Vaihingen sind öfters mal Unfälle mit Beteiligung von Radfahrer-n/-innen/-enden. Ich habe noch keinen Unfall selbst gesehen, aber von der Position her sieht es so aus als ob Autofahre-r/-rinnen/renden desöfteren versuchen die Radfahre-r/-rinnen/-renden im Kreisverkehr zu überholen.

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    6. Links hat mich noch keiner im Kreisverkehr überholt, da ich in der Mitte fahre. Ich mag sie aber aus zwei anderen Gründen nicht:

      Erstens wird mir da oft die Vorfahrt genommen (weil ich in der Mitte fahre, drücken Autos eher vor mir rein). Ganz schlimm sind aber die letzten Meter VOR dem Kreisverkehr, weil Autofahrer anscheinend genetisch dazu veranlagt sind, unbedingt noch vor dem Kreisverkehr überholen zu müssen. Mir passiert es oft, dass ich da äußerst knapp und gefährlich überholt werde.

      Und dann gibt es da noch diese Kreisverkehre, in denen Radfahrer auf dem Gehweg fahren MÜSSEN. Die sind zwar so gesehen nicht gefährlich, aber extrem nervend, weil man (a) sehr langsam fahren muss (man hat zwar oft rechtlich vorfahrt, aber ich trau dem nicht) und (b) über zig Bordsteine hoppelt.

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    7. Jörg
      gefährlich ist es in dem besagten Kreisverkher die Möhringer Landstraße zu queren. Bei der Einfahrt in der Kreisel werden die Radfahrer "übersehen" und in der Folge umgefahren. Man kann sich nur dagegen schützen indem man dem Einfahrenden Vorfahrt einräumt. Praktisch fährt man durch die Schußlinie und muss hoffen, dass einen niemand abschießt.
      Der Kreisverkehr ist zu klein! Autos fahren nahezu geradeaus durch. Zur Sicherheit müsste auf den Straßen davor und danach Tempo 30 sein.

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  5. in stuttgart können sie's halt einfach nicht.

    wir radeln einfach trotzdem.

    #keinerechtekeinepflichten

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  6. Ohnmacht- jemand schilderte es bereits. Es ist die Ohnmacht der Stadt, Regeln durchzusetzen, ohne es kontrollieren zu können und zu wollen.

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  7. Diese Kreuzung ist - zumindest aus Radfahrersicht - eine Missgeburt.

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