Würde ich nicht Rad fahren, würde ich diesen Ort nicht kennen: unterirdisch, abgeschieden, düster, aber immer beleuchtet und wildbunt.
Alle Radfahrende kennen ihn, die auch nur einmal von Stuttgart über die
König-Karls-Brücke oder von Ungtertürkheim zum Neckardamm Richtung
Max-Eyth-See geradelt sind, oder in Gegenrichtung. Viele Wochenendausflügler, Hunderte Radpendler/innen. Autofahrende sehen
ihn nie. Fußgänger/innen nur manchmal.
Die meisten in Stuttgart dürften nicht wissen, dass dieser Ort existiert. Die Hall of Fame liegt unter der König-Karls-Brücke auf der Cannstatter Seite. Sie ist Refugium der Graffiti-Szene, ihr Ort. Zugleich bildet er einen unverzichtbaren Streckeabschnitt für Radfahrende. Hier radeln jeden Tag richtig viele: unter Tage und ungbemerkt vom sich auf der Brücke stauenden Autoverkehr. So als gäbe es uns nicht.
Am Wochenende betäubt der Farb- und Lösungsmittelgeruch, es klappern die Sprühdosen. Rucksäcke und Taschen liegen herum. Fotos werden gemacht. Manchmal haben die Sprayer auch im halben Dutzend ihre Autos da unten abgestellt. Die Poller sind aus den Verankerungen genommen, der Asphalt wird immer bunter.
Jeder Radler fährt hier seine oder ihre Speziallinie, sucht die flachste Kurve zwischen den Pfeilern und Mülltonnen. Man begegnet einander überraschend, verständigt sich per Blick, wer links und wer rechts fährt. Wenn oben eine Stadtbahn angekommen ist, kommen Fußgänger/innen die Treppe herab. Durch die schlängeln wir uns. Zu Volksfest und Frühlingsfestzeiten, sind es schwungweise richtig viele. An Samstag- und Sonntagnachmittagen schlingern Ausflugsradler/innen mal mit mal ohne Kinder durchs Gewusel. Die Streckenkenner fliegen an den Rändern vorbei. Ein Sprayer tritt plötzlich zurück, um sein Wandbild zu begutachten. Spraydosen kullern herum, die Mülltonne quillt über.
Nachts ist es hier hell. Manchmal feiern da welche, ganz auf sich konzentriert. Dann rollen oder bersten Glasflaschen. Später liegen Dutzende Plastikbecher herum. Zu Fuß möchte man als junge Frau hier vielleicht nicht lang gehen, aber mit dem Fahrrad ist man schnell durch.
Sonntagfrüh radelt man über eine nasse Fläche, weil die
Stadtreinigung nach der Party nass durchgewischt hat. Manchmal
knirschen Glassplitter unter den Reifen. Es ist ein wirklich spezieller Ort in unserer Stuttgarter Radfahrerwelt.
Danke für den Geheimtipp, werde diese Galerie mal zwischen den Jahren besuchen.
AntwortenLöschenIch kenne solch einen Geheimtipp auch bei mir in Mannheim: Die Unterführungen am Brückenkopf der Konrad-Adenauer Brücke nach Ludwigshafen. Die Stadt Mannheim hat hier das Sprayen ausdrücklich erlaubt. Die Folge: Monatlich wechselnde Kunstwerke. Mein Lieblingsbild ist bis jetzt "Monseur Fromage" (ein Mann mit Baskenmütze und Spitzbart der misstrauisch an einem dampfenden Käse riecht).
Ihr in Mannheim habt doch aber schon viel Hauswände, die mit mit Graffitis von Promis verschönert wurden.
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